Das kann Wald - Peter Laufmann - E-Book

Das kann Wald E-Book

Peter Laufmann

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Beschreibung

»Alle wollen Holz, aber niemand will Bäume fällen«

Unsere Wälder sind einer der spannendsten Lebensräume überhaupt. Wir lieben Wandern und Waldbaden, schätzen den positiven Einfluss von Bäumen auf Umwelt und Wohlbefinden. Und doch gehen wir scheinbar recht widersprüchlich mit diesem Ökosystem um. Von Möbeln über Spielzeug für die Kinder, Bücher und Zeitschriften, bis zur Dämmung für das Eigenheim: Unsere Konsumwelt fußt auf gefällten Bäumen.

Dabei sind unsere Bedürfnisse durchaus mit Nachhaltigkeit, Klima-und Artenschutz vereinbar. Forstexperte Peter Laufmann zeigt, wie ein einmaliges Modell naturnaher, integrativer Waldwirtschaft die Rolle des Waldes im Kampf gegen den Klimawandel sogar stärkt. Eine ebenso spannende wie faszinierende Einladung zu einem wichtigen Perspektivwechsel auf das System Wald.

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Seitenzahl: 243

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Peter Laufmann

Das kann Wald

Was unsere heimischen Wälder für den Klima- und Artenschutz leisten

Peter Laufmann ist Journalist und Autor. Er stammt aus dem ebenso schönen wie waldreichen Weserbergland und hat in Göttingen Forstwissenschaften und Publizistik studiert. Statt Kettensäge und Ertragstafel zu schwingen, widmet er sich seit mehr als 25 Jahren dem Schreiben. Er ist Redakteur beim Landwirtschaftsmagazin agrarheute.

Das Buch entsteht in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, der sich als Teil der Landesforstverwaltung um den Wald in NRW kümmert, damit er auch in Zukunft den gesellschaftlichen Anforderungen wie Holznutzung, Umwelt-, Natur- und Artenschutz und Erholung gerecht werden kann.

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Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Fachredaktion: Michael Elmer und Dr. Mathias Niesar, Wald und Holz NRW

Lektorat: Dr. Daniela Gasteiger, München

Umschlag: Oliver Schmitt, Mainz

ISBN 9783641311766

www.koesel.de

Inhalt

Das kann Wald

Prolog: Augen auf und ein Fuß vor den anderen

Artenschutz: Wo der Käfer hustet und Pilze miteinander reden

Lebensraum des Senkrechten

Von großen und von kleinsten Tieren

Lichtgestalten und Schattendasein

Drama und Lehrstück – von den Schauplätzen unterm Kronendach

Die Axt im Wald

Klimaschutz: Wald als Opfer des Klimawandels und als unser bester Verbündeter

Das liebe CO2 oder der fünfte Reiter der Apokalypse

Mit Bäumen besser atmen

Auf die lange Bank – vom Kohlenstoff im Holz

Wo die Zitronen blühen? Plan B für den Wald von morgen

Epilog: Erbe unter Bäumen

Anhang

Glossar

Über Wald und Holz NRW

Bildnachweise

Register

Das kann Wald

Was unsere heimischen Wälder für den Klima- und Artenschutz leisten

Liebe Leserinnen und Leser,

Wald tut gut, er ist unsere grüne Lunge und Wohlfühlort. Er bietet Ruhe und Erholung vom Stress des Alltags. Er liefert Sauerstoff. Er filtert die Luft, die wir atmen, und das Wasser, das wir trinken. Wald mindert die Auswirkungen von Extremwetter, er schützt vor Erosion. Wald bietet Arbeitsplätze. Nicht nur wir Förster wissen: Ohne Wald gibt es kein Leben. Wenig bekannt ist jedoch, wie sehr Wald zur Bewältigung unserer globalen Krisenthemen »Rückgang der Biodiversität« und »Klimawandel« beiträgt. Mit diesem Buch möchten wir Sie einladen, den Wald auch unter diesem Blickwinkel näher kennenzulernen.

Wald ist ein großer Schatz der Natur. Er gibt unendlich vielen Pflanzen und Tieren eine Heimat – und trägt damit zur Artenvielfalt bei. In unserer zivi­lisierten Welt ist kein Lebensraum näher an der ursprünglichen Natur als Wald. Deshalb kommt dem Wald für die Biodiversität, für die Vielfalt an ­Arten und Lebensräumen, eine herausragende Bedeutung zu. Die Bestäubung von Pflanzen, die Fruchtbarkeit unserer Böden, die Reinigung unseres Trinkwassers – all das hängt von einem funktionierenden Miteinander der Tiere, Pflanzen und Organismen ab – von einem intakten Ökosystem. Vor ­allem ­Umwelteinflüsse, Klimakrise und Flächenverbrauch stören dieses Gleich­gewicht – auch im Wald.

Wald ist zudem ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Unsere Wälder sind neben Böden und Meeren die einzigen Ökosysteme, die in der Lage sind, der Atmosphäre in nennenswertem Maße das Klimagas CO2 zu entziehen und als Kohlenstoff zu speichern. Kohlenstoff, der ansonsten in Form von CO2 in der Atmosphäre verbleiben und zum Treibhauseffekt beitragen würde. Und mehr noch: Durch die Nutzung von Holz verlängern wir diesen Effekt und tragen gleichsam nebenher dazu bei, dass auf andere, nur mit viel Energie herzustellende Materialien verzichtet werden kann. Wald leistet einen gewaltigen Beitrag, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu fördern.

Das sich wandelnde Klima bedroht unseren Wald, wie wir ihn heute kennen, massiv. Begünstigt durch Stürme und die große Trockenheit der vergangenen Jahre haben Borkenkäfer allein in NRW rund zwei Drittel aller Fichtenwälder vernichtet. Auch andere Baumarten leiden massiv unter der Klimakrise.

Unsere Aufgabe ist es heute, unsere Wälder fit für die Zukunft zu machen. Wir müssen aktiv dafür sorgen, dass sie ihre Funktion als Lebensraum und Klimaschützer zum Wohle aller erfüllen können. In diesem Sinne entwickeln Försterinnen und Förster unsere Wälder seit vielen Jahren weiter. In Nordrhein-Westfalen haben wir als Landesforstverwaltung unter dem Motto »Da staunste, was!« eigens eine Kampagne gestartet, um die Bedeutung des Waldes für Arten- und Klimaschutz bekannter zu machen. Auch dieses Buch ist in diesem Kontext entstanden. Wir hoffen, so die Wertschätzung für den Wald zu steigern. Denn was wir schätzen, behandeln wir gut. Unsere Kinder und Kindeskinder werden es uns danken.

Viel Spaß bei der Lektüre!

Thomas Kämmerling und Tim Scherer, Leiter Wald und Holz NRW

Prolog: Augen auf und ein Fuß vor den anderen

Von oben betrachtet, leuchtet die Erde wie eine blaue Murmel. Je näher man ihr kommt, desto mehr Farbnuancen zeichnen sich ab. Neben Blau gibt es Beige, Weiß, Hellgrün in unzähligen Schattierungen.

Hat man sich eingesehen, fallen auch die dunkleren Grüntöne auf. Es sind die Wälder Sibiriens, des Amazonas, des Kongobeckens. Noch gibt es da Meere aus Grün auf hunderten von Quadratkilometern. Aber auch sie zerfallen, je kürzer die Distanz zum Auge ist, in große und kleine und kleinste Strukturen. Wenn man nah genug zoomt, sieht man gar einzelne Kronen. Manchmal sind die Wälder nur mehr Inseln, die von Bändern aus Äckern und Straßen umwoben und durchzogen sind. Auch über Deutschland fällt ein dunkleres Grün auf. Diese großen und kleinen Flecken sind unsere Wälder. Sie tragen berühmte Namen und prägen das Bild. Immer noch, selbst nach Jahrtausenden unseres Tuns. Das ist ebenso erfreulich wie wenig selbstverständlich.

Satelliten erfassen heute die Qualitäten eines Waldes ziemlich gut. Das reicht von der Menge an Holz in einem Stück Wald bis hin zu dessen Gesundheit. Sind die Kronen licht? Oder die Blätter verfärbt? Sensoren registrieren längst Waldbrände auf der ganzen Welt in Echtzeit. Nie waren wir so gut über den Zustand des Waldes auch in der letzten Ecke des Planeten informiert. Um den Wald ist es nicht zum Besten bestellt. Er schwindet vielerorts und mit ihm seine Rolle für den Erhalt einer intakten Natur und einen nachwachsenden Klimaschutz.

Feuer ist dabei ein Faktor. 2022 zeichnete das Europäische Waldbrand-­Informationssystem allein in der Europäischen Union 837.212 Hektar verbrannten Waldes auf. Im Frühjahr 2023 standen wieder hunderttausende Hektar in Kanada, Chile, Russland, Spanien in Flammen. Letztlich sind im Jahr 2023 allein in Kanada über 17 Millionen Hektar Wald verbrannt. Dazu kommt unser Landhunger, der immer größere Löcher in die verbliebenen Regenwälder frisst. All das ist von oben zu sehen. Aber so ein göttlicher Blick taugt nur bedingt, wenn man dem Wald und seinen Leistungen auf die Spur kommen will.

Wald mit allen Sinnen

Am besten nähern wir uns dem Wald eben nicht vom Schreibtisch oder vom Sofa aus. Wer Wald spüren möchte, muss hinaus, den Schritt vor die Tür wagen. Sich darauf einlassen, nicht das Größte zu sein, nicht das Älteste, nicht einmal das Komplizierteste. Wir Menschen sind im Wald klein. Deswegen ist es dort leicht, sich von der Natur umfassen zu lassen. Die Erkenntnis, warum Arten- und Klimaschutz und Wald untrennbar zusammengehören, ergibt sich dann fast von selbst.

(K)ein Planet der Wälder

Obwohl Bäume solch erfolgreiche Orga­nismen sind, gibt es sie nicht überall. Wasser und Licht sind die ­limitierenden Faktoren. In Wüsten gedeihen mitunter einzelne Bäume, wenn sie wenigstens etwas ­Wasser bekommen. Bäume in der ­Arktis sind zum Zwergenwuchs verurteilt. Daneben erlauben auch andere ­Faktoren nicht, dass Bäume und Wälder ­gedeihen; Salzwüsten oder unsere Städte, die Bäumen mit ­Abgasen und Wassermangel zusetzen.­ ­Dennoch: Vier Milliarden Hektar Wald bedecken unsere Erde. Das hört sich viel an, ursprünglich waren es wohl doppelt so viel. Mehr als die Hälfte der heutigen ­Wälder finden sich in nur fünf Staaten: Russland,­ ­Brasilien, ­Kanada, den Vereinigten Staaten und China. Für jeden Menschen bleibt eine Fläche von 0,6 Hektar Wald.

Ein Waldspaziergang bietet, im Unterschied zu dem Blick aus dem All, Reize für alle Sinne. Wald spricht Nase, Fingerspitzen, Ohren, Zunge und natür­lich die Augen gleichermaßen an. Folgen Sie mir und machen Sie die Augen auf: Wir treten zwischen die hohen Stämme der Buchen, Fichten, Eichen, Kiefern, um nur ein paar Arten zu nennen. Schnell ist klar: Das ist etwas anderes, als zwischen Bäumen eines Parks oder Gartens unterwegs zu sein. Im Wald geht der einzelne Baum in der Masse unter. Er ist wie eine Zelle eines großen Ganzen, eines riesigen Organismus.

Beim Spaziergang durch den Wald sehen wir nicht nur die Vielfalt an Lebensräumen. Wir sehen einen natürlichen Klimaschutz, denn jeder Baum bindet Kohlendioxid, indem er den Kohlenstoff daraus aufnimmt und den Sauerstoff wieder in die Luft entlässt. Freiwillig.

Noch etwas fällt dabei auf: Grün. Die Zahl der Grüntöne ist schier unübersehbar. Hellgrün, Dunkelgrün, Lindengrün, Zitronengrün, Moosgrün … Das ganze Spektrum aus Blau und Gelb. Wer mag, kann spaßeshalber mit dem Zählen beginnen und sich die Nuancen zwischen einem jungen Buchenblatt und einem alten einprägen.

Das mit dem Sehen war einfach, nicht?

Jetzt das Fühlen. Auch hier gibt es die Möglichkeit, sich zu steigern. Rinde anfassen ist für den Einstieg gut geeignet. Wir spüren, wo der Unterschied zwischen einer Buche und einer Eiche ist, folgen den feinen Rissen an der ­Oberfläche einer Esche oder der papiernen Haptik einer Moorbirke. Fortgeschrittene laufen barfuß auf dem Waldboden. Wobei es den Waldboden gar nicht gibt. Die Blätter in einem Buchenwald fühlen sich anders an als der Teppich aus vermodernden Nadeln unter Fichten. Mitunter ist der Untergrund hart wie ein Pflaster, mal wippt er regelrecht mit jedem Schritt nach.

Wer Boden spürt, kann auch gleich mit dem Riechen weitermachen. Wie riecht ein Wald? Schnell fallen einem »würzig« ein, »frisch«. Aber was heißt das? Es ist dieser Mix aus den Ausdünstungen der Bäume, des Bodens, des Lebens ganz allgemein. Mit ein bisschen Übung verrät die Nase sogar, welchen Wald man vor sich hat. Zu guter Letzt steht Schmecken auf der Liste. Klassisch ist das Aroma einer Walderdbeere, einer Brombeere oder Himbeere. Ungewöhnlicher ist eine Buchecker, ein Aufstrich aus jungen Fichtennadeln. Sie sind ein Echo aus dem Wald, wie auch der Geschmack von Reh oder Wildschwein.

Der Wald lässt sich mit allen Sinnen erfahren. Jeder kann bei jedem noch so kleinen Waldspaziergang sehen, fühlen, schmecken, welche großartige Rolle prinzipiell jeder Wald für den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Klima­schutz spielt; nicht zuletzt auch für uns Menschen. Studien zeigen, dass im Wald zu sein das bei Gefahr und Belastung aktive sympathische Nervensystem herunterfährt und das für Entspannung zuständige parasympathische Nervensystem in Schwung bringt. Der Körper schüttet weniger ­Stresshormone wie Cortisol aus. Das wiederum hilft unserer Konzentration und Kreativität. Was jeder ahnt, hat die Wissenschaft bestätigt: Wald macht gesund und schlau.

Ein Ort mit vielen Bedeutungen

Wenn wir so gestärkt durch den Wald gehen, ist praktisch überall noch etwas zu sehen. Mal ist es ein Haufen Stämme, mal ein Baumstumpf, eine Fahrspur oder auch eine Markierung an einem Stamm. Vielleicht ist in der Ferne eine Motorsäge zu vernehmen. Das gehört auch zu den meisten Wäldern in Deutschland. Denn selbst wenn Wald so natürlich daherkommt, ist sein Aussehen unserem Tun geschuldet. Holz zu ernten ist ein wichtiger Zweck des Waldes. Das mag einem nicht gefallen, wenn man an einem Holzpolter vorbeigeht und die Jahrringe einer Eiche zählt. Vielleicht war sie schon da, als Napoleon über den Rhein marschiert ist. Hat Stürme und Menschen überlebt. Und jetzt liegt sie da. Schade, oder doch nicht?

Der Wald zeigt jedem, der es sehen will, welche Leistungen er erbringt. Die ganze Gesellschaft sollte dem Rechnung tragen. Das dazugehörige Konzept lautet in Deutschland integrative Forstwirtschaft. Es meint nicht mehr als einen großen Kompromiss. Der Wald soll so wachsen, dass er in seiner Vielfalt erhalten bleibt. Zugleich soll er uns Menschen offenstehen und schließlich auch noch Holz liefern. Ein Wald ist multifunktional. Das geht schon, sorgt aber immer wieder für Streit. Die einen wollen am liebsten gar keine Nutzung im Wald. Alle Bäume, Pflanzen, Pilze und Tiere im freien Spiel der Kräfte in Ruhe lassen. Andere wünschen sich nicht mehr vom Wald, als dass er ihre Freizeitkulisse sein soll. Gut für ein Picknick im Grünen oder ein Selfie für Instagram und Tiktok.

Die Funktion des Waldes als Kulisse in den sozialen Medien knüpft direkt an unsere Sehnsüchte an, die lange schon mit dem Lebensraum verbunden sind. Der Wald ist reich an magischen Momenten. Hier werden Märchen oder Fantasy-Geschichten real. Wenn Nebel sich in den Kronen alter Eichen verfängt, sind der Witcher, Rotkäppchen, der Kohlenmunk-Peter, Hänsel und Gretel nicht weit. Wo Wurzelteller das Erdreich nach oben holen, könnte der Eingang zu einer Höhle mit einem Zwergenschatz liegen.

Nicht umsonst ist der verwunschene Wald Standardrepertoire in solchen Geschichten, und nicht die Kleingartenanlage oder Einkaufspassage. Wald bringt uns zum Schwärmen und, wenn wir Sport treiben, zum Kalorien-­Abarbeiten. Wald gilt manchem als Ort der puren Naturkraft. Die heiligen Haine der Germanen sind da nur einen gedanklichen Steinwurf entfernt. Und damit auch die gelegentliche Überhöhung des »deutschen Waldes«. Er gilt insbesondere hierzulande als Schicksalslebensraum.

Der Wald ist für uns Menschen ein zentraler Ort. Wald ist Lieferant von Rohstoffen, Luft und Wasser. Er nimmt eine Schlüsselrolle beim Erhalt der Biodiversität ein, und für den Schutz des Klimas. Wald ist unser bester Verbündeter, wenn wir die Krisen meistern wollen, die wir uns selbst eingebrockt haben.

Ich freue mich, wenn Sie von unserem Waldspaziergang den offenen Blick mitnehmen. Wald ist unser wichtigster Lebensraum.

Artenschutz: Wo der Käfer hustet und Pilze miteinander reden

Lebensraum des Senkrechten

Wald ist ein breiter Lebensraum, im Sinne seiner Dimension von unten nach oben. Ein Wald reicht von den Blättern seiner Bäume am Rande des Himmels bis zu den Spitzen seiner Wurzeln im Boden. Das heißt, bei einer Durchschnittshöhe von 30 Metern plus vorsichtigen zwei Meter Wurzeltiefe ist das ein Lebensraum so hoch wie ein zehnstöckiges Haus plus Keller. Diese Größe ist erst einmal schwer zu fassen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es auch in Deutschland Bäume gibt, die an die 60 Meter Höhe erreichen. Zudem ­wachsen hier Bäume, deren Wurzeln sich zehn Meter tief in den Boden ­graben.

In diesem breiten Band finden sich hunderte von Lebensräumen und tausende von Arten. Millionen Prozesse laufen gleichzeitig ab. Das meiste sehen wir nicht, nehmen es nicht einmal wahr. Wir als Fußgänger haben nur ein schmales Fenster, durch das wir im Wald gucken können. Wir sehen in der Regel lediglich das Erdgeschoss des Ökosystems. Was auf dem Boden vor uns ist oder über unseren Köpfen geschieht, entgeht uns leicht. Gänzlich unsichtbar sind alle Vorgänge im Erdreich und in den Bäumen selbst.

Das Erste, was einem im Wald auffällt, sind natürlich die Bäume. Wir nehmen sie als selbstverständlich wahr und ignorieren aus Gewöhnung das Wunderwerk Baum. Im Sinne von: Ein Baum ist da, na und? Aber warum gibt es überhaupt Bäume und damit Wälder?

Um die Frage zu beantworten, ist es gut, einen Schritt zurückzugehen. Die einfachste und ursprünglichste Aufgabe des Lebendigen ist, den Staffelstab des Lebens weiterzureichen. Seit die ersten Protoorganismen in der Ursuppe vor sich hin trieben, hat das Leben keinen anderen Plan, als einfach weiter zu existieren. Diese Linie zieht sich seit dem Eoarchaikum vor vier Milliarden Jahren bis heute fort. Ununterbrochen. Genau genommen sind es mittlerweile unzählige Linien, die da heute auf der ganzen Welt in Rosen, Saftkugler, Schnabeltiere oder Fliegenpilze ausfransen. Jedes Leben ist damit eine andere Erfolgsgeschichte. Im Laufe der Jahrmilliarden haben die Organismen genug Zeit gehabt, verschiedene Methoden auszuprobieren. Einige der Strategien kann man bei einem Waldspaziergang sehen, wenn zum Beispiel die Samen des Kleinblütigen Springkrauts bei Berührung weghüpfen oder sich zwei Eichhörnchen in den Wipfeln verfolgen.

Auch der Wald und die Bäume sind eine Antwort der Natur auf die beständige Suche, in welcher Form das Leben bestmöglich weitergegeben werden kann. Wie das passiert, sehen wir uns jetzt einmal näher an.

Die Geduld der Bäume

Auf den ersten Blick ist der Baum keine allzu kluge Strategie des Lebendigen. Ein Baum ist eine Pflanze, die unglaublich viel Energie aufnehmen und verarbeiten muss, bevor sie auch nur in die Nähe der Fortpflanzungsfähigkeit kommt. Eine Stieleiche zum Beispiel. Es dauert 20 Jahre, im geschlossenen Wald sogar 40 Jahre, bis sie das erste Mal Eicheln produziert. 40 Jahre! In der Zeit kann einiges passieren; ein Reh kann die Knospen abnagen, ein Pilz den Keimling verfaulen lassen, das Wasser kann ausbleiben. Dazu Sturm, Wind, Feuer, Generationen hungriger Pflanzenfresser. Die Wahrscheinlichkeit, all das zu überleben, ist so groß nicht. Warum dieser ganze Aufriss? Viele Blumen und Gräser machen doch vor, dass es einfacher geht: schnell keimen, einen Spurt Richtung Licht hinlegen, blühen, Samen bilden, absterben. Fertig.

Ein Baum dagegen holt erst einmal Luft, wenn die anderen Pflanzen schon ihre Urururururururgroßeltern hinter sich gelassen haben. Doch was auf den ersten Blick wie ein Nachteil anmutet, funktioniert. Und zwar so erfolgreich, dass Bäume weite Teile der Erde besiedeln. Auch Deutschland ist ein richtiges Baumparadies. Ohne Menschen gäbe es hierzulande Wald auf 90 bis 95 Prozent der Fläche. Dem Eroberer Baum vermag bei uns keine andere Pflanze etwas entgegenzusetzen.

Das Erfolgsrezept eines Baumes ist seine Größe. Sie verschafft ihm einen Vorteil gegenüber seiner Konkurrenz. Denn unter Pflanzen gibt es ein ständiges Geschubse um Ressourcen. Sie alle ringen um Licht, Wasser und Nährstoffe. Gnadenlos nehmen sie dabei in Kauf, dass die Abgehängten eingehen. Pflanzen sind egoistische Geschöpfe, die bestenfalls noch an ihren Nachwuchs denken. Aber in der Regel nicht einmal daran.

Ein Baum macht da keine Ausnahme. So ein Riese, der zwanzig und mehr Meter hoch wird, lässt all die fleißigen Kräuter und Gräser im Schatten stehen. Und das nicht erst, wenn es an die Fortpflanzung geht. Eine keimende Buche ist im ersten Jahr so lang wie ein Finger. Schon im zweiten misst sie eine Handspanne und nach fünf Jahren hat sie die meisten anderen Pflanzen hinter sich gelassen. Kein Grashalm nimmt dann einer Buche noch das Licht weg.

Wenn genug Buchen auf der Fläche wachsen, stellt sich nach zehn Jahren eine Herrschaft der Buchen ein. Bestandesschluss heißt das in der Fachsprache. Die Bäume haben das Rennen endgültig gewonnen. Kleinere Pflanzen haben keine Chance, da aufzuschließen. Der Himmel und damit das Sonnenlicht gehört den Bäumen.

Die verschiedenen Baumarten wachsen natürlich nicht alle gleich schnell. Generell gilt, dass sie in der Jugend spurten, im Alter eher langsamer machen. Viele unserer Waldbäume legen gemächlicher oder sogar kaum noch in der Höhe zu, wenn sie die 30 Jahre überschritten haben. Wozu auch? Die Konkurrenz holt das nicht mehr auf.

Der Clou an den Bäumen ist, dass sie nicht statisch wachsen. Sie passen ihr Wachstum an. Sie nutzen ihre Chance im richtigen Moment. So können junge Buchen im Schatten ihrer alten Artgenossen stehen. Und warten. Das vertragen sie ganz gut. Bricht dann ein Altbaum zusammen oder wird gefällt, stoßen die Wartenden in die Lücke und füllen sie, so schnell es geht.

Diese Plastizität des Wachstums hilft auch, wenn etwa die oberste Knospe, der Leittrieb, abhandenkommt. Dann dauert es eben ein wenig länger, bis die finale Größe erreicht ist. Ein Baum hat Zeit. Was sind schon zehn Jahre, wenn man ein halbes Jahrhundert bis zur Fruchtbarkeit wartet und dann mindestens ein Jahrhundert lang Nachkommen produzieren kann? Die Strategie eines Baumes ist damit eine gänzlich andere als die der kurzlebigen Pflanzen.

Das ist noch nicht alles, was der Baum an Vorteilen mitbringt. Mit seiner Größe fängt er nicht nur die Sonnenenergie ein. Seine Wurzeln erlauben ihm, Nährstoffe und Wasser aus Schichten zu ziehen, die anderen Pflanzen verschlossen sind. Ein regenarmer Sommer mit einer abgetrockneten oberen Bodenschicht ist für einen Baum nicht das Ende. Auch hier zahlen sich sein langer Atem und vor allem die Größe des Organismus aus.

Die Größe der Bäume kommt nicht von ungefähr. Es ist das Holz, dass unsere Waldbäume stabil hält und Wald als Lebensraum möglich macht. Holz erlaubt es dem Baum überhaupt erst, in Höhen jenseits der 30, 40 oder 50 Meter vorzustoßen.

Der Trick mit dem Stock

Wie hoch ist ein Baum? Ebenso genau wie unpraktikabel wäre es, hinaufzuklettern und ein Maßband herabzulassen. Einen Baum zu fällen, nur weil man wissen möchte, wie hoch er war, kommt auch nicht infrage. Einfach und elegant hingegen und damit ­geeignet, ­Familienmitglieder zu beeindrucken, ist die Methode, einen Baum mit Hilfe eines Stockes zu ­vermessen – eine simple Rechenübung aus der Geometrie. Sie basiert auf gleichen Verhältnissen bei unterschiedlichen absoluten Zahlen. Dafür hält man einen armlangen Stock vor sich. Der Arm muss nach vorne ausgestreckt sein und die Spitze des Stockes nach oben zeigen. Der rechte Winkel wird gebraucht! Dann visiert man die Baumspitze an und geht so weit vor oder zurück, bis Stock- und Baumspitze übereinanderliegen. Den rechten Winkel nicht vergessen! Jetzt ist es leicht: Nur noch die Entfernung bis zum Baum abgehen. Jeder Schritt beziehungsweise jeder gegangene Meter entspricht einem Meter Baumlänge. Am Stamm angekommen, zählt man noch seine eigene Körpergröße hinzu – fertig!

Die Höhe eines Baumes lässt sich leicht mit einem armlangen Stock ermitteln. Sie ergibt sich auch der Entfernung des Betrachters und seiner Augenhöhe. Der Trick ist angewandte Geometrie.

Ein Baum hat in seinem langen Leben viel erlebt und vor allem überlebt. Seinem Holz verdankt er seine Stabilität und eine gewisse Resistenz gegen allerlei Unbilden. Dabei ist umso faszinierender, wenn man sich vorstellt, dass diese Mengen nur von einer zelldicken lebenden Zone produziert wurden. Holz entsteht in einer schmalen Schicht hinter der äußeren Rinde, dem Kambium. Sie ist die Quelle des Wachstums, die nach außen neue Zellen für die Rinde und nach innen neues Holz produziert. Ein tolles Zeug! Im Wesentlichen ist Holz Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Holz ist vergleichbar einem Gerüst mit zahlreichen Verstrebungen (Cellulose und Hemicellulose), in dem ein Kitt (Lignin) dem Ganzen Halt und Stabilität gibt. Und nicht nur das, Holz hat noch mehr Funktionen: Bestimmte Zellen leiten Wasser durch die Pflanze, andere dienen als Speicher.

Das Konstrukt Holz ist genial. Es eignet sich dazu, Pflanzen jenseits der 100 Meter Höhe aufzubauen. In Deutschland haben wir zwar nicht solche Exemplare, aber verstecken müssen sich heimische Bäume nicht. Hierzulande gilt eine Douglasie bei Freiburg namens Waldtraut vom Mühlwald mit 66,58 Metern als der höchste Baum. Und sie wächst mit ihren 103 Jahren immer noch. Dicht dran ist eine imposante Reihe von Douglasien im Sauerland. Die Himmelssäulen messen immerhin 63 Meter. Laubbäume kommen an diese Dimensionen nicht heran. Die höchste Buche Deutschlands steht bei Höxter: 49 Meter hoch. Für einen Laubbaum ist das sehr ordentlich.

Noch eins zeichnet Bäume gegenüber anderen Pflanzen aus; sie wachsen nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Breite. Das heißt, in einem Baum steckt wesentlich mehr Masse, selbst wenn er vergleichbar hoch wie die ­riesenhaften Bambusstangen ist. Ein wahrer Gigant ist zum Beispiel der General Sherman Tree, ein Riesenmammutbaum, der in Kalifornien bereits seit gut 2000 Jahren wächst. Er ist zwar nur 83 Meter hoch, aber dick. Sein Brust­höhendurchmesser, also seine Breite bei einer Höhe von 1,30 Metern, liegt bei 8,25 Meter. Gut 17 Menschen braucht es, um den Stamm zu umarmen.

Überschaubare Artenvielfalt

Blickt man auf die Vielfalt der Bäume, ist das Ergebnis im Vergleich zu anderen Weltgegenden bei uns eher überschaubar. In Nordamerika beispielsweise gibt es gut 250 Arten von Eichen. Bei uns sind nur zwei heimisch, die Stieleiche und die Traubeneiche. Mittlerweile trifft man immer häufiger auf Roteichen, die ursprünglich aus Nordamerika stammen, wie so viele andere Baumarten heutzutage. Überhaupt gelten nur gut 40 Baumarten in unseren Wäldern als heimisch. Sie sind quasi Erstbesiedler nach der Eiszeit. Walnuss oder auch Edelkastanie zählen deshalb zunächst nicht zu den heimischen ­Arten, denn sie wachsen erst seit der Römerzeit bei uns. Baumarten wie Douglasie, Robinie oder Weymouth-Kiefer fallen ebenso nicht in die Kategorie. Sie sind neue Mitspieler im Wald.

Warum bei uns die Waldbäume schnell gelernt sind? Das hängt mit unserer Landschaft zusammen und einem Klimaphänomen, dessen Echo wir noch heute spüren. Denn einst wuchsen Ahnen der modernen Douglasien auch bei uns. Genauso wie Edelkastanien, Rosskastanien oder Mammutbaum. Damals, vor der Eiszeit, waren Wälder in Mitteleuropa bunter. Doch die Kälte und Trockenheit dieser Periode machten vielen Arten den Garaus. Nicht von heute auf morgen, aber die Bedingungen wurden schlechter und die Bäume konnten nur immer weiter in den Süden ausweichen. Doch da standen die Alpen im Weg. Sie liegen wie ein Riegel von Ost nach West, im Gegensatz zu nordamerikanischen Gebirgen, die von Nord nach Süd verlaufen. In der Folge starben diese Bäume aus.

Heute sind es gerade einmal elf Baumarten, die 90 Prozent der ­Waldfläche ausmachen. Gut 70 Prozent entfallen sogar nur auf Buche, Eiche, Fichte und Kiefer. Diese Akteure machen natürlich noch lange keinen Wald. So muss ein Wald nach deutscher Bürokratie wenigstens zehn Meter breit sein und 0,1 Hektar groß. Damit ist eine Allee kein Wald, und auch keine Gruppe von Tulpenbäumen mit Gartenzwerg in Nachbars Garten. Es braucht viele Bäume, damit der Wald unter seinem Schirm ein eigenes Klima entwickeln kann. Der Gesetzgeber sieht Wald als eine Fläche, auf der Forstpflanzen stehen. Dazu packt er Waldwege, Lichtungen oder solche Ecken, in denen Trockenheit, Wind oder Käfer dafür gesorgt haben, dass keine Bäume mehr stehen. Wie sich das mit dem Käfer genau zuträgt, darum wird es im Kapitel »Drama und Lehrstück – von den Schauplätzen unterm Kronendach« noch gehen.

Waldgesellschaften

Wer zumindest mit einem offenen Auge durch den Wald seiner Wahl gegangen ist, dem wird aufgefallen sein, dass Wald nicht gleich Wald ist. Am einfachsten ist es, in Nadel-, Laub- und Mischwälder zu unterscheiden. Nach der dritten Bundeswaldinventur von 2012 machen mit 57 Prozent Wälder aus Nadelbäumen den Löwenanteil aus. Laubwälder bedecken dementsprechend 43 Prozent. Auf die Fichte entfielen 25 Prozent, die Kiefer 22 Prozent, die ­Buche 15 Prozent und die Eiche 10 Prozent. Hinzu kommen noch andere ­Nadel- und Laubbaumarten.

Erfreulich ist, dass der Anteil an Laubwald die letzten Jahre immer weiter zugenommen hat. Laubwälder und Mischwälder gelten als besser für den Klimawandel vorbereitet. Ein Faktor dabei ist der politische Wille, mehr auf Laubholz zu gehen. Hinzu kommt, dass ausgerechnet die hohe Zahl zusammenbrechender Wälder den Waldumbau beschleunigt hat. In Nordrhein-­Westfalen etwa hat sich das Verhältnis so gedreht, dass Laubwald mittlerweile einen größeren Anteil hat. Der Trend geht eindeutig zum Laubwald. Aber das spiegelt die Vielfalt auch noch nicht wieder.

Neben den Bäumen, die den Ton angeben, fallen beim Waldbesuch all die Sträucher, Kräuter und Gräser auf, die am Wegesrand oder unter den Bäumen wachsen. Das Bild komplett machen Pilze, Mikroorganismen und natürlich die Tiere. Große und kleine langlebige Arten und solche, die nur wenige Tage alt werden. Manche von ihnen sind Legion, wie die Springschwänze, andere sehr selten wie der Schwarzstorch. Wälder haben das Zeug, die artenreichsten Lebensgemeinschaften in Deutschland zu sein. Sie sind ein Schatzkästlein der Biodiversität.

Ein Wald hat mehr zu bieten als Holz. Er erfüllt eine ganze Reihe von Funktionen, ist Lebensraum, Klimapuffer und nicht zuletzt ein Ort, in dem sich Menschen erholen und Natur unmittelbar erfahren können.

Wer einen Wald beschreiben will, muss ein Bild haben, das sich aus Baumarten, anderen Pflanzen und dem Untergrund zusammensetzt, auf dem sie stehen. Daraus ergibt sich eine Waldgesellschaft, die sehr viel darüber verrät, welche Bedingungen in so einem Lebensraum herrschen. Diese Waldgesellschaft ist ein Ordnungssystem für Försterinnen und Förster, die Biologie, den Naturschutz und alle anderen, die mit Wald zu tun haben.

Da gibt es als groben Rahmen Nadelwälder und Laubwälder. Sie wiederum teilen sich in Waldgesellschaften auf, die von Buchen, Birken oder Eichen, von Kiefern oder Fichten geprägt sind. Und zu diesen Baumarten gesellen sich andere Bäume oder Pflanzen hinzu. Damit wird das System komplexer und sehr viel genauer. Ein typischer Vertreter in Deutschland ist beispielsweise ein Buchenwald, in dem Weiße Hainsimsen gedeihen. Hainsimsen mögen einen ­Boden lieber, der nicht so kalkhaltig ist. Kalkhaltig bedeutet basisch, und Hainsimsen mögen einen eher sauren Boden.

Nach den wissenschaftlichen Namen der Hainsimse und Buche heißt diese Waldgesellschaft im Fachjargon Luzulo-Fagetum. Das ist ein in Mitteleuropa weitverbreiteter Typ, der unter anderem im Nationalpark Eifel zu sehen ist. Dort finden sich recht zuverlässig auch Dornfarn oder Drahtschmiele, Hainbuche oder Stieleiche.

Für den Wanderer spannender scheint da der Waldmeister-Buchenwald, Galio odorati-Fagetum. Sein Ausgangsboden ist basischer. Diese Waldgesellschaft ist artenreicher; neben dem aromatischen Waldmeister wächst dort beispielsweise das Buschwindröschen.

Der Wechsel von einem Wald-Typ zum nächsten kann plötzlich sein und nur einen Eichhörnchensprung voneinander entfernt. Wald ist nicht gleich Wald. Er ist das Ergebnis von Geologie, Klima und Zeit. Allerdings gibt es in diesem Spiel der Kräfte einen weiteren entscheidenden Faktor. Eine Art, die den Wald mehr formt als Eiszeit und Borkenkäfer zusammen. Genau, der Mensch.

Heute fallen einem dabei zunächst der Förster oder die Försterin ein. In ihrem Beruf arbeiten sie mit dem Wald und für den Wald. Ihre Aufgaben und Schwerpunkte haben sich mit den Jahrhunderten gewandelt. Aber im Prinzip gab es sie überall dort, wo Holz zu einem begrenzten Gut wurde. Das begann im Mittelalter und zieht sich bis heute durch. Galt es zunächst, den Nachschub an Holz sicherzustellen, kam nach und nach das Verständnis für den Wald als Gesamtkunstwerk hinzu.