Das Kästchen im Kleiderschrank - Noor van Haaften - E-Book

Das Kästchen im Kleiderschrank E-Book

Noor van Haaften

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Beschreibung

Noor van Haaften mal ganz persönlich. Die Erlebnisse der renommierten Autorin bieten eine Mischung aus nachdenklich stimmendem Tiefgang und humorvoller Leichtigkeit - verbunden mit geistlichen Erkenntnissen. Sie entdeckt das Besondere im Alltäglichen und lädt zu einem authentischen Leben mit Gott ein. Denn wenn wir mit offenen Augen durchs Leben gehen, können wir immer wieder Gottes Spuren entdecken. Dieses Buch spendet wunderbare Lesemomente und macht Lust auf das Abenteuer Glauben. "Ich hoffe, dass Sie in diesem Buch kleine Schätze finden werden, die ihnen guttun." Noor van Haaften

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Inhalt

Vorwort

In Dublin’s fair city …

Treu in guten wie in bösen Tagen

Das Leben feiern

Erdbeben in der Nacht

Von Gott gekannt

Das Kästchen im Kleiderschrank

Kennen wir die?

Eine besondere Unterkunft

Ein neues Lied

Der Viadukt-Mann

Von Liebe umgehauen

Engel zu Besuch?

Nicht gelesen, nicht gelebt

Immer gespannt auf das, was Gott vorhat

Der nette Nachbar

Glückselig die Sanftmütigen

Das Zeltmeeting

Oma und ich

Groß gedacht

Dolores

Zuerst danken wir …

Muffin

Von allen vergessen

Sorella Eleonora

An der Küste Donegals

Der Viadukt-Mann, Teil 2

Vorwort

Ein Kästchen im Kleiderschrank: Das hört sich geheimnisvoll an, als hätte man dort einen Schatz verborgen. Nun, in der betreffenden Geschichte stellt sich heraus, dass es tatsächlich um einen Schatz geht, den ein Ehepaar im Lauf der Zeit zusammensparte und versteckte, weil die Partner einander etwas Gutes tun wollten.

Dieses Geschichtenbuch enthält einen Schatz in der Form einzelner Geschichten, die ich über einige Jahre gesammelt habe. Es sind Geschichten von Erlebnissen während meiner Vortragsreisen, im Urlaub oder auch in meinem direkten Umfeld, zu Hause oder bei Freunden in den Niederlanden.

Auffallendes, das nachdenklich macht oder über das man sich amüsiert, geschieht eigentlich überall, man muss nur aufmerksam sein. Wer das Gesehene oder Entdeckte behalten will, schreibt es auf. Für sich selbst oder auch für andere. Das Letztere habe ich nun getan und ich hoffe, dass Sie in diesem Buch kleine Schätze finden werden, die Ihnen guttun.

Noor van Haaften, 2015

1In Dublin’s fair city …

Es ist Sommer. In einer lebhaften Einkaufsstraße in Dublin spielen junge Musiker irische Musik. Neben Querflöte, Gitarre, Banjo und Violinen erklingen die typisch irischen Instrumente Bodhrán (eine Handtrommel) und Tin Whistle (die keltische Flöte). Die offenen Instrumentenkisten vor den Musikern laden die Vorübergehenden dazu ein, Geld einzuwerfen.

Das Wetter tut den Musikern gute Dienste. Es ist sonnig, die Straßencafés sind voll besetzt. Oben, auf dem Balkon eines Pubs, lehnen sich die Menschen über die Brüstung, um von dem Schauspiel nichts zu verpassen. Die Kellner haben alle Hände voll zu tun, denn jeder will schnell sein Guinness-Bier.

Immer mehr Menschen versammeln sich um die Musiker. Die Musik ist fröhlich, sie steckt an. Hier und da bewegen sich ein Fuß oder ein Körper im Rhythmus der Musik. Einige Touristen machen Fotos.

Dann sehe ich sie. Eine Frau mittleren Alters mit kurzgeschnittenem, gefärbtem Haar, dunkler Sonnenbrille, städtischer Kleidung, silbergrauen Schuhen und zwei riesigen, bis zum Rand gefüllten Einkaufstaschen. Sie sieht müde aus: Wahrscheinlich hat sie einen intensiven Einkaufstag hinter sich und ist jetzt unterwegs nach Hause. Als sie die Musiker entdeckt, bleibt sie wie gebannt stehen und hört ihnen zu. Man sieht, dass die Musik sie belebt: Ihre Füße beginnen sich zögernd zu bewegen, sie blüht sichtbar auf. Es dauert nicht lange, dann stellt sie ihre Einkaufstaschen ab, streckt den Rücken und fängt an, zu tanzen. Sie tanzt voller Hingabe, voller Konzentration. Zuerst bleibt sie außerhalb des Zuschauerkreises, dann führen ihre Füße sie mitten hinein. Die Einkaufstaschen stehen verloren auf dem Platz, während ihre Besitzerin sich als wahre irische Tänzerin entpuppt: Die Füße und Beine tun das Werk, während der Oberkörper kerzengerade bleibt. Ihre Bewegungen sind präzise und doch entspannt, ihr Gesicht strahlt wie die Sonne. Wir schauen atemlos zu.

Als die Musik aufhört, wird heftig für sie applaudiert. Die Frau ist verwundert über die Begeisterung der Umstehenden, vielleicht auch über ihr eigenes Auftreten. Jetzt wirkt sie auf einmal etwas schüchtern, aber trotzdem froh; sie sucht ihre Einkaufstaschen und schickt sich an, weiterzugehen.

Als sie an uns vorbeikommt, danke ich ihr. »Das war überwältigend!«, sage ich zu ihr. »Die irische Musik und Ihr Tanzen waren ein absoluter Höhepunkt unseres Urlaubs.« Die Frau strahlt: »Das Tanzen ist für uns Iren zur zweiten Natur geworden. Wir lernen es in der Schule und vergessen es nie wieder«, erklärt sie mir. »Ich komme nicht aus Dublin, ich wohne auf dem Land, musste aber heute zum Zahnarzt in die Stadt. Zwanzig Euro hat die Behandlung gekostet!« Sie ist offensichtlich empört über die Höhe der Rechnung. Wir nicken zustimmend. Im selben Moment kommt einer der jungen Musiker auf sie zu und schenkt ihr eine Handvoll Münzen aus seiner Gitarrenkiste.

Die Musik hat wieder angefangen. Ich blicke die Frau an. Ob sie vielleicht noch einmal …? Schon hat sie ihre Einkaufstaschen wieder abgestellt. Die Umstehenden klatschen, auf dem Balkon pfeift ein junger Mann auf seinen Fingern Beifall. Neues Bier wird bestellt. Während unsere Tänzerin zum zweiten Mal die Straßenbühne betritt, gehe ich in den Pub und hole ihr ein großes Glas Wasser mit Eiswürfeln für nachher.

Auf den Straßen Dublins gehen täglich Tausende achtlos aneinander vorbei. Aber eine Gruppe musizierender Jugendlicher führt etliche von ihnen zusammen. Während eine Frau mittleren Alters mit ihren silbernen Schuhen freudestrahlend zu ihrer Musik tanzt, werden alle von ihrer Freude angesteckt. Die Menschen stupsen sich an, ein Lächeln bricht durch. Vor einigen Minuten noch waren wir anonyme Passanten, jetzt freuen wir uns gemeinsam. Unbefangen genießen wir Musik und Tanz. Unbefangen genießen wir, dass beides uns verbindet.

Es gibt Zeit fürs Weinen und Zeit fürs Lachen, Zeit fürs Klagen und Zeit fürs Tanzen.

(Prediger 3,4)

2Treu in guten wie in bösen Tagen

Von meinem Liegestuhl am Strand aus nehme ich es wahr: ein älteres Ehepaar, das mühsam auf einem unebenen und steilen Weg hinunter zum Strand geht. Die Frau braucht beim Gehen einen Stock, den sie in ihrer rechten Hand hält. Der linke Arm und die linke Hand machen nicht mit, das linke Bein scheint auch kraftlos zu sein. Sie muss einen Schlaganfall gehabt haben, denke ich bei mir. Und trotzdem geht sie diesen steilen, holprigen Weg hinunter zum Strand. Ihr Mann folgt ihr, er geht langsam und behutsam, als habe er Angst zu stolpern. Es ist offensichtlich, dass auch ihm das Gehen nicht mehr leichtfällt.

Bei einem Felsen bleiben sie stehen, um sich umzuziehen. Ich schaue weg und nehme mein Buch wieder in die Hand. Lesen kann ich aber nicht mehr, denn ich bin von diesem alten Paar gefesselt und gerührt. Ich habe den Eindruck, dass ihr gemeinsamer Gang zum Meer ein tägliches und deshalb vertrautes Ritual ist. Sie benehmen sich, als seien sie alleine. Und das sind sie eigentlich auch, denn der Strand ist fast leer. Wahrscheinlich sind sie froh darüber, dass die meisten Touristen abgereist sind. Es ist das Ende der Saison, die Normalität kehrt langsam zurück. Dass sich heute Morgen noch etwa fünf Menschen am Strand aufhalten, scheint sie nicht zu stören.

Die Frau ist trotz ihrer Behinderung etwas schneller als ihr Mann. Als er das Meer erreicht, steht sie schon bis zur Taille im Wasser. Während sie sich mit der Hand an einem Felsen festhält, lässt sie sich auf die Knie sinken und vom leichten Wellengang mitnehmen. Ganz entspannt schaukelt sie ein bisschen hin und her. Man sieht es ihr an, wie gut das tut, dass die schweren, lahmen Glieder jetzt schwerelos mitmachen.

Jetzt kommt ihr Mann ins Wasser. Auch ihm ist die Felswand eine Stütze. Als er bei seiner Frau angekommen ist, geht auch er auf die Knie, dann schaukeln sie gemeinsam eine Weile im Meer und unterhalten sich. Sie sind vollkommen entspannt, sie haben es gut miteinander, sie lachen und freuen sich. Zwei alte Menschen, so vertraut beieinander. Es tut mir gut, sie zu beobachten. Es tut mir gut, zu sehen, dass sie sich noch immer etwas zu erzählen haben, dass sie einander zuhören, dass sie gemeinsam das Meer genießen.

Irgendwann ist es Zeit, wieder zu gehen. Das Ritual wiederholt sich, jetzt in umgekehrter Reihenfolge. Der Mann geht als Erster aus dem Wasser, seine Frau braucht diesmal mehr Zeit, sie tut sich schwer beim Aufstehen. Die Arme und Beine, die im Wasser schwerelos waren, machen sich wieder bemerkbar. Sie freut sich aber trotzdem, das Baden hat ihr offensichtlich gutgetan. Gemeinsam mit ihrem Mann macht sie sich auf den Weg zum Felsen, wo sie ihre Kleider abgelegt haben. Sie ziehen sich nicht um, ihre Wohnung muss in der Nähe sein. Er zieht sein Hemd über seine noch nasse Brust, sie zieht ihr Kleid über ihren Badeanzug. Barfuß gehen sie hinauf zur Straße, mühsam wie vorher und doch leichtfüßiger. Das Meerwasser hat sie neu belebt. Auf der Straße bleiben sie kurz stehen. Sie ziehen ihre Schuhe an, schauen sich noch einmal um und gehen ihren Weg. Er hat seine Hand auf ihre Schulter gelegt. Bald werden sie sich zu Hause hinsetzen und etwas essen. Dann werden sie wohl gemeinsam auf den Sonnenuntergang über dem Meer warten.

Man braucht nicht viel, um glücklich und zufrieden zu sein.

Zwei sind besser daran als ein einzelner (…) Denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Gefährten auf. (Prediger 4,9–10)

3Das Leben feiern

Meine Gartenamsel ist ein merkwürdiges Wesen. Das Männchen ist schwarz, wie es sich gehört; dennoch ist eine seiner Schwanzfedern schneeweiß. Sie steht schräg nach oben und macht das Steuern beim Fliegen etwas kompliziert. Die Landung ist auch ein Abenteuer, denn meine Amsel hat ein kaputtes Knie und muss darum auf einem Beinchen landen. Erstaunlicherweise geht das immer gut.

Meine Amsel sitzt in aller Frühe in meinem Apfelbaum und singt ihr Lied. Sobald der Kleine mich in der Küche bemerkt, kommt er zur Tür und wartet auf mich. Seine Treue ist rührend, aber sicherlich nicht ganz selbstlos. Er rechnet mit einer guten Versorgung, denn er weiß: Bei diesem Haus gibt es immer etwas zu schnabulieren. Im Winter angemessenes Winterfutter, im Sommer Äpfel oder Beeren. Und wenn ich im Garten arbeite, gibt es frische Würmer, direkt abzuholen, wie der Hamburger bei McDonalds.

Manchmal beobachte ich den Amselmann, wenn er im Garten herumhüpft und in den Beeten herumwirtschaftet. Ganz besonders ist sein Baderitual in meinem in England erworbenen Vogelbad: Ein paar Mal ein- und aussteigen, um die Wassertemperatur zu testen. Wenn es gefällt, den Kopf mehrmals untertauchen, ausgiebig Wasser spritzen, ausschütteln und die Federn ordnen. Ein bisschen nachdenken und dann das Ganze wiederholen. Weil es Spaß macht. Zum Schluss am Rand des Vogelbades dehnen und strecken. Und dann … ein Lied. Unbekümmert und laut. Den Schnabel weit aufgesperrt, das schmerzende Beinchen etwas hochgezogen, die weiße Schwanzfeder entschlossen schräg hochstehend.

Es ist ein absoluter Höhepunkt: Die Amsel feiert das Leben.

Was morgen kommt, beschäftigt sie nicht; jetzt gibt es Grund zum Jubeln.

Die Vögel des Himmels lassen ihre Stimmen aus dichtem Laub erschallen.

(Psalm 104,12)

4Erdbeben in der Nacht

Es war in der zweiten und letzten Woche eines Urlaubs auf der griechischen Insel Kefalonia, als ich um etwa vier Uhr nachts aufwachte, weil sich mein Bett durchs Zimmer bewegte. Sofort war ich hellwach. Als ich mich auf den Urlaub vorbereitete, hatte ich gelesen, dass Kefalonia 1953 von einem sehr schweren Erdbeben erschüttert worden war und dass es dort noch immer vorkommt, dass sich die Erde bewegt. Die Inselbewohner sollen sich im Laufe der Zeit an dieses Phänomen gewöhnt haben, für mich aber war diese Erfahrung ein großer Schock. Ich sprang aus meinem Bett und stürmte in den Nebenraum, wo die Freundin schlief, mit der ich in Urlaub gefahren war.

»Aufwachen!«, rief ich. »Bitte wach auf und zieh dich an, es ist ein Erdbeben, wir müssen sofort aus dem Haus raus!« Ruth, die tief geschlafen hatte, musste zuerst überlegen, wo sie war. Ich war schon zurück in meinem Zimmer, da tönte es schlaftrunken hinter mir her: »Was ist los?« »Ein Erdbeben«, rief ich zurück. »Zieh dich an und steck deinen Reisepass in die Hosentasche!« Ich war von mir selbst überrascht: Es war mitten in der Nacht, und doch hatte ich die Lage wirklich voll im Griff.