Das kleine Café im Gutshaus - Julie Shackman - E-Book
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Das kleine Café im Gutshaus E-Book

Julie Shackman

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Beschreibung

Schottland, eine junge Frau und ihr großer Traum vom Backen Nach einer gescheiterten Beziehung kehrt Lara McDonald in ihre kleine Heimatstadt in Schottland zurück, um ihren Traum, Bäckerin zu werden, zu verwirklichen. Sie nimmt eine Stelle in einem Café an und versucht ihre Chefin von ihren neuen Backideen zu überzeugen. Doch die alte Dame ist alles andere als begeistert. Zum Glück lernt Lara im Café Lord Hugo Carmichael kennen, einen Stammkunden, den sie ins Herz schließt. Als Hugo überraschend verstirbt, erfährt sie, dass der alte Lord sie in seinem Testament erwähnt hat. Doch bei der Verlesung auf dem erhabenen Glenlovatt Manor erwartet Lara nicht nur eine neue Chance, sondern auch Hugos gutaussehender Enkel, der wenig erfreut über ihre Einmischung auf dem Gut ist. Meinungen zum Buch: Super gestaltet. Für mich steht fest, dass ich dieses Buch jederzeit wieder zur Hand nehme. Einfach eine herzergreifend Story. (Rezensentin auf Vorablesen) Ich empfehle das Buch Lesern, die gerne harmonische, seichtere Liebesgeschichten lesen, die aber einen tieferen Hintergrund haben. Wer sich gerne in die Welt des Backens und des Landadels entführen lassen möchte, sollte hier beherzt zugreifen, denn die Atmosphäre ist einzigartig. (Rezensentin auf Vorablesen) Ich finde "Das kleine Café im Gutshaus" ist wunderschön erzählt, wie ein modernes Märchen. Die sympathische Protagonistin Lara bekommt die Chance ihres Lebens und setzt sie auch durch fleißige Arbeit um. Ein kurzweiliges, humorvolles und unterhaltsames Lesevergnügen! (Rezensentin auf Vorablesen)

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Seitenzahl: 436

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Das kleine Café im Gutshaus

Die Autorin

Julie Shackman studierte Medien und Kommunikation und arbeitete als Journalistin, bevor sie sich dem Schreiben von Romanen zuwandte. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Schottland. Wenn sie gerade keine Liebesgeschichten schreibt, entwirft sie unter anderem Verse für Grußkarten.

Das Buch

Ein Roman über die Liebe, Familienbande, Hoffnung und Vertrauen

Nach einer gescheiterten Beziehung kehrt Lara McDonald in ihre kleine Heimatstadt in Schottland zurück, um ihren Traum, Bäckerin zu werden, zu verwirklichen. Sie nimmt eine Stelle in einem Café an und versucht ihre Chefin von ihren neuen Backideen zu überzeugen. Doch die alte Dame ist alles andere als begeistert. Zum Glück lernt Lara im Café Lord Hugo Carmichael kennen, einen Stammkunden, den sie ins Herz schließt. Als Hugo überraschend verstirbt, erfährt sie, dass der alte Lord sie in seinem Testament erwähnt hat. Doch bei der Verlesung auf dem erhabenen Glenlovatt Manor erwartet Lara nicht nur eine neue Chance, sondern auch Hugos gutaussehender Enkel, der wenig erfreut über ihre Einmischung auf dem Gut ist.

Julie Shackman

Das kleine Café im Gutshaus

Roman

Aus dem Englischen von Anja Mehrmann

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever.Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMärz 2019 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© Julie Shackman, 2018© Allen & Unwin, Sydney 2018Titel der australischen Originalausgabe: A Room at the Manor

Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © Trevor Graham PhotographyÜbersetzung: Anja MehrmannE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-354-4

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Einunddreißig

Zweiunddreißig

Dreiunddreißig

Vierunddreißig

Fünfunddreißig

Sechsunddreißig

Siebenunddreißig

Achtunddreißig

Neununddreißig

Vierzig

Einundvierzig

Zweiundvierzig

Dreiundvierzig

Vierundvierzig

Fünfundvierzig

Epilog

Dank

Leseprobe: Die Rosen von Abbotswood Castle

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Eins

Für meine drei ganz besonderen Jungs Lawrence, Daniel und Ethan, in ewiger Liebe.

Eins

»Haben Sie mal wieder mit Feenstaub gezaubert, Lara?«

Ich strahlte Mrs. Arnold an. »Danke. Freut mich sehr, dass es Ihnen schmeckt.«

Meine pensionierte ehemalige Englischlehrerin trank einen Schluck Earl Grey. »Schmecken ist die Untertreibung des Jahres. Ihr Red Velvet Cake tanzt förmlich auf meinen Geschmacksknospen.«

Ich trat hinter dem Tresen aus dunklem Holz hervor und ging zu ihr hinüber. »Ich hatte schon befürchtet, er wäre ein bisschen zu trocken …«

Ihre schokoladenbraunen Augen blinzelten mich aus dem sorgfältig gepuderten Gesicht an. »Sie sollten an sich glauben, junge Dame.«

Mrs. Arnold schob sich eine weitere Gabel Kuchen in den Mund und stieß einen leisen Seufzer der Befriedigung aus. Dann verlagerte sie das Gewicht auf dem Bugholzstuhl, wobei sie beinahe die Speisekarte des True Brew umstieß. »Ich hoffe, Kitty Walker weiß Ihre Mühe und die harte Arbeit zu schätzen.«

Röte kroch mir in den Nacken.

»Seit Sie hier arbeiten«, fuhr Mrs. Arnold fort und wedelte mit der Gabel in der Luft herum, »schmeckt der Kuchen einfach köstlich.« Sie erschauerte und zog die auberginefarbene Strickjacke enger. »Ich meine, Kittys Bemühungen in allen Ehren, aber man kann nicht immer nur Victoria Sponge und Apfeltorte essen.« Verschwörerisch beugte sie sich vor und sagte: »Ihre Portugiesischen Vanilletörtchen letzte Woche waren einfach großartig.«

An einem runden Tisch in der Nähe saßen zwei junge Frauen, die großzügig Gebrauch von Selbstbräuner und Lipgloss gemacht hatten. »Sie stecken also hinter den Käsekuchen-Brownies?«, fragte die eine und entblößte beim Lächeln eine Reihe gebleichter Zähne. »Die waren fantastisch!«

»Schuldig im Sinne der Anklage«, antwortete ich und sonnte mich in so viel Lob.

Ihre überaus gepflegte Begleiterin nickte, sodass ihr blonder Bob wippte. »Wird auch Zeit, dass dieser Laden endlich im 21. Jahrhundert ankommt.«

Mrs. Arnold machte den Mund auf, um etwas zu entgegnen, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Ich drehte mich um und sah Kitty, meine Chefin, in ihrer True-Brew-Plastikschürze auf mich zusteuern. »Wenn Sie genug mit den Gästen geschwatzt haben, Lara, dann räumen Sie bitte die drei Tische dort drüben ab.«

»Ich habe nicht geschwatzt«, erklärte ich ruhig. »Diese Damen haben mir gerade ein Kompliment für meinen Kuchen gemacht.«

Kitty kniff die perlmuttrosa geschminkten Lippen zusammen. »Aha. Nun, zum Backen habe ich Sie aber nicht eingestellt. Das ist meine Aufgabe.« Sie straffte den Rücken und ihr Busen bebte. »Ihre Aufgabe ist es, die Gäste zu bedienen und die Tische abzuräumen, und genau das sollten Sie in diesem Augenblick tun.«

Ich lächelte gezwungen. »Aber Sie wissen doch sicher noch, Kitty, dass Sie bei meiner Einstellung gesagt haben, ich dürfte auch backen und ein paar eigene …«

»Ich kann mich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben«, fiel Kitty mir mit lauter Stimme ins Wort. Ihre Wangen bebten, als sie den Kopf reckte und einen Moment lang den Blick von mir abwandte. »Also, dieser Tisch da zum Beispiel. Das reinste Chaos!«

Ich griff nach einem Tablett und marschierte zu dem mit Geschirr und Speiseresten überhäuften Tisch, um ihn aufzuräumen und abzuwischen. Mrs. Arnold und die beiden bezaubernden jungen Frauen bedachten Kitty mit missbilligenden Blicken, aber Kitty machte in ihren glitzernden Turnschuhen wortlos kehrt und stürmte zum Tresen zurück.

Ich spürte, dass mein Gesicht so rot war wie meine Korkenzieherlocken.

Niemand außer mir selbst war schuld daran, dass ich für die Mutter des Teufels arbeitete – und zwar aus Notwendigkeit, nicht aus freien Stücken. Als ich aus meinem Job als PR-Referentin entlassen worden war, hatte ich das als Segen empfunden, vor allem nachdem ich dann nach Malta gereist war und Anton kennengelernt hatte. Aber bei der Rückkehr nach Fairview in Schottland, meiner Heimatstadt, erwartete mich alles andere als eine Fülle von Jobangeboten. Ich hatte mich von Kittys Versprechen zum Kuchenangebot beitragen zu dürfen locken lassen und von der Aussicht, auf diese Weise meine Backkünste weiter verbessern zu können. Natürlich hätte ich mir wieder einen PR-Job suchen können, aber die Vorstellung, in einem Hochhausbüro gefangen zu sein, fand ich einfach grauenerregend.

Wenn dieses Café mir gehören würde, schimpfte ich innerlich, befände es sich mit Sicherheit in einem anderen Zustand als dem gegenwärtigen. Ich stapelte die schmutzigen Teetassen ineinander und starrte wütend auf die dunkle Holzvertäfelung und die dazu passenden Tische und Stühle. Was früher vielleicht einmal gemütlich gewesen war, wirkte längst altmodisch und düster. Der Teppich im Gastraum wies ein grelles rot-grünes Karomuster auf, das einen förmlich ansprang, sobald man das Café betrat, und das schummerige Licht der Kutscherlampen ließ die schäbigen schottischen Landschaften, die Kitty an die Wand gehängt hatte, auch nicht freundlicher wirken.

In diesem Café wurde nicht einmal Tee aus losen Blättern serviert. Kitty kaufte billige Teebeutel und Kaffee, der an Staub erinnerte. Ich schwor mir, meinen Gästen köstlichen aromatischen Kaffee zu servieren, sollte ich jemals ein eigenes Lokal besitzen. Ich würde ein breites Spektrum an Teesorten anbieten: French Earl Grey, Oolong, Weißen Tee, Jasmintee.

Das Handwerk des Backens hatte mich schon immer fasziniert, aber seitdem ich im Sommer, vor dem Beginn der Uni, einen Abendkurs belegt hatte, liebte ich es regelrecht. Die Texturen und Gerüche. Der meditative Akt des Knetens und Klopfens. Und ich genoss es, dass auch das einfachste Rezept spezielle Erinnerungen wieder zum Leben erwecken oder mich an einen kostbaren Moment erinnern konnte. Ich blickte auf das zarte silberne Armband, das an meinem Handgelenk baumelte, und dachte daran, wie meine verstorbene Großtante Hettie es mir nach dem Abschluss des Backkurses geschenkt hatte.

Ich nahm rasch das Tablett mit dem schmutzigen Steingutgeschirr, wobei ich den mitfühlenden Blicken von Mrs. Arnold und den manikürten Ladys auswich, und steuerte geradewegs auf die Geschirrspülmaschine zu. Meine neue Chefin war manchmal schwer zu ertragen, aber dennoch hatte der Job auch Vorteile. Zumindest wohnte Morven, meine beste Freundin, in der Nähe, und glücklicherweise hatte ich noch immer meine Wohnung gleich um die Ecke. In den vorangegangenen anderthalb Jahren hatte ich sie an eine geschiedene Mittvierzigerin untervermietet, mit der Aussicht, sie ihr zu verkaufen, sobald ich nach Malta gezogen sein würde, um dort endlich mein Leben mit Anton zu beginnen. Meine Mieterin hatte sich als ideal herausgestellt, denn ein halbes Jahr vor meiner Rückkehr zog sie zu ihrem neuen Mann nach London. Kaum war die Wohnung wieder frei, sammelte Morven gewissenhaft meine Post ein, setzte sich mit dem Immobilienmakler in Verbindung, wenn ich nicht dazu kam, und sah gelegentlich nach dem Rechten, damit bei meiner baldigen Rückkehr aus Malta alles bereit war.

Sobald ich an Malta dachte, ploppten Bilder von vanillegelbem Sand, weißer Gischt und Antons dunklen Augen vor mir auf wie Champagnerkorken, die gegen einen Felsen prallen. Um sie zu vertreiben, knallte ich die Klappe der Spülmaschine laut zu. Ich hatte so viel Zeit und Mühe aufgewendet, um sein Weinlokal in Valletta in Gang zu bringen, und was hatte ich dafür bekommen? Eine so weichgespülte Abfuhr, als hätte er dafür ein Selbsthilfebuch verschlungen, und die Offenbarung, dass er mich durch eine Russin mit burgunderroten Haaren ersetzt hatte. Hoffentlich würden er und seine vollbusige Bardame Tanya irgendwann in einen verlassenen Grubenschacht stürzen.

Kitty riss mich aus meinen finsteren Gedanken, als sie eilig zu den aufgetürmten Blaubeermuffins lief, die sie gebacken hatte, und sie überflüssigerweise neu anordnete. Ich hatte vorgeschlagen, die Auswahl an Muffins mit weiteren Sorten aufzupeppen, zum Beispiel welchen mit kandiertem Ingwer und Apfel, mit dunkler Schokolade, Guinness, Pistazie oder Chai. Meine Ideen waren jedoch sofort mit der Bemerkung abgetan worden, sie wisse genau, was ihre Gäste mögen würden, und kurzlebige kulinarische Trends gehörten garantiert nicht dazu.

Ich hätte gern mal gewusst, was an Ingwer kurzlebig sein soll.

Vor nunmehr drei Monaten war ich nach Fairview zurückgekehrt und dachte in schlechteren Momenten, dass vermutlich sogar Mitglieder der kriminellen Unterwelt zu milderen Strafen verurteilt wurden als dazu, für Kitty Walker zu arbeiten.

»Lara! Kundschaft!«

Als ich Kittys kläffende Stimme hörte, biss ich mir auf die Lippe und wandte mich einer jungen Mutter mit einem Kleinkind zu, das mich mit strahlenden Augen anblickte.

»Wie wär’s mit einem Smaragdkeks?«, rief Kitty dem kleinen Jungen zu. »Ich wette, die Glasur schmeckt dir. Ich habe sie selbst gemacht, weißt du.«

Der Kleine drehte den aschblonden Kopf zwischen Kittys langweiligen Keksen und den mit glitzerndem Zuckerguss überzogenen und mit Schokotropfen bestreuten Mini-Cupcakes, die ich am Morgen rasch zubereitet hatte, hin und her. Kitty folgte dem blauäugigen Blick des Jungen. »Wo kommen die denn her?«, fragte sie und starrte mich finster an.

»Die habe ich gemacht«, antwortete ich trotzig. »Ich dachte, die Kinder mögen sie vielleicht.«

Kitty schürzte die Lippen. »Ich glaube, so etwas passt nicht zum Konzept dieses Unternehmens.«

Ich war kurz davor, sie darauf hinzuweisen, dass es sich um ein kleines schottisches Café handelte und nicht um einen weltweit tätigen Großkonzern, da fragte der kleine Junge mit zwitschernder Stimme: »Kann ich bitte einen Cupcake bekommen, Mummy?«

Ich kam hinter dem Tresen hervor und ging vor dem Kleinen in die Hocke, wobei sich die True-Brew-Schürze über meiner Jeans in Falten legte. »Wenn du so lieb fragst, suche ich dir den größten heraus.«

Seine müde wirkende Mom nickte mir lächelnd zu, aber Kitty war anzusehen, dass sie wütend auf mich war. Ich holte mit der Zange den dicksten Mini-Cupcake heraus und steckte ihn in eine braune Papiertüte. Auch das würde ich anders machen: keine billigen braunen Tüten, sondern welche, auf denen der Name meines Cafés stünde.

Kaum hatte die Frau bezahlt und ihren Sohn, mit einer wetterfesten Jacke bekleidet, im Buggy zur Tür hinausgeschoben, fuhr Kitty mich auch schon an: »Hören Sie, wenn Sie hier unbedingt die Chefin spielen wollen, können Sie heute Abend ja wieder abschließen.«

Ich unterdrückte einen frustrierten Seufzer. Das war typisch. Da hatte ich geglaubt, der alte Drache würde angesichts all der glücklichen Gäste endlich meinen frisch gebackenen Beitrag zum Kuchenangebot zu schätzen wissen, aber nein, im Gegenteil.

Schlechtgelaunt faltete ich Servietten und starrte hinaus in den nachmittäglichen Himmel, an dem vereinzelte Sonnenstrahlen die milchigen Wolken zu vertreiben versuchten. Ich konnte backen und tat es für mein Leben gern. Ich hatte Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit. Und dennoch arbeitete ich in einem altbackenen Café, wurde unterschätzt und barsch zurechtgewiesen.

»Kundschaft draußen, Lara!«

Ich streckte Kittys Rücken die Zunge heraus und griff nach meinem Bestellblock. Ein flüchtiger Blick nach draußen erinnerte mich daran, dass sich auf einem der Tische noch immer halbleere Teetassen und Reste von Scones mit Fruchtfüllung drängten. Ich nahm ein Tablett und ging hinaus.

Plötzlich brüllte jemand: »Machen Sie doch die Augen auf, Mädchen!«

Zwei

Ich hielt das Tablett ein wenig fester. »Tut mir leid«, sagte ich rasch. »Ich habe Sie nicht gesehen.«

Der stechende graue Blick des alten Mannes brachte mich aus der Fassung. Er starrte mich noch eine Weile an, dann beruhigte er sich wieder und sagte: »Offensichtlich nicht, bei dem Schwung, mit dem Sie das Ding da transportieren.«

Okay, ich hatte ein wenig geträumt, aber ich war bestimmt nicht achtlos mit dem Tablett umgegangen. Und außerdem war ein Teetablett keine gefährliche Waffe, oder? Während ich mich nach dem verbalen Angriff noch sammelte, ließ sich der Mann bereits vorsichtig auf einem der schmiedeeisernen Stühle nieder. Vom Café aus blickte man auf den Platz in der Mitte des Orts und konnte ungehindert die Aussicht auf kunterbunte Geschäfte und ein Gewirr von alten Gassen genießen.

Der alte Mann lehnte seinen schwarz-goldenen Spazierstock aus Buchenholz an den Tisch. Ich sah, dass der Griff gekrümmt und zur Form einer Distel geschnitzt war. Sobald der Gast auf dem wattierten Sitzkissen Platz genommen hatte, beäugte er mit offenkundigem Misstrauen die Narzissentöpfe, die ich kürzlich vor dem Lokal aufgestellt hatte.

Nervös spähte ich über die Schulter ins Café. Die leicht schrägen Fenster spiegelten den hellblauen Himmel und die goldene Aprilsonne wider. Ich hoffte inständig, dass Kitty nichts von dieser Auseinandersetzung mitbekommen hatte.

»Sie hören mir überhaupt nicht zu, hab ich recht?« Die Stimme des alten Mannes klang wie ein Bellen.

Ich blickte ihn wieder an. Graues, zurückgekämmtes Haar rahmte ein dynamisch wirkendes Gesicht ein, ein Eindruck, der durch den schneidigen, dicken Oberlippenbart noch verstärkt wurde. Ich erhaschte einen Blick auf eine moosgrüne Weste und eine Hose in derselben Farbe unter dem grauen Regenmantel.

»Ich hätte mich ernsthaft verletzen können«, schimpfte er und musterte mich immer noch aus schmalen Augen. »Ich finde, Sie könnten mir zur Entschädigung wenigstens einen Tee und ein Stück Victoria Sponge anbieten, junge Frau.« Er hob einen pergamentenen Finger und stieß ihn in Richtung der Kuchenvitrine in die Luft.

»Aber ich habe Sie doch gar nicht berührt!«, protestierte ich und hielt mir schützend das Tablett vor die Brust.

»Sie sind direkt gegen meine Schulter gelaufen! Wegen Ihnen hätte ich eine lebensbedrohliche Verletzung davontragen können. Ich bin sehr gebrechlich, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist.«

»Für Ihre Zunge gilt das todsicher nicht«, zischte ich leise.

Der Mann blickte mich prüfend von unten an. »Was haben Sie gerade gesagt?«

»Ist alles in Ordnung, Lara?« In ihrer prächtigen, weiß-goldenen Schürze eilte Kitty auf uns zu.

»Dieses Mädchen hätte mich beinahe umgerannt«, rief der Mann, ehe ich antworten konnte. »Nur gut, dass ich in meiner Jugend so fit war.«

Du meine Güte! Um mich zu beruhigen, atmete ich tief durch. »Tut mir leid, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Sie kaum berührt habe.« Ich wollte gerade zu weiteren Erklärungen ansetzen, aber Kittys Todesblick ließ mich schweigen. Stattdessen schob ich mir eine rote Locke hinter das Ohr.

»Tut mir sehr leid, Mr. Carmichael«, sprudelte es aus Kitty heraus. »Lara ist noch ziemlich unerfahren.«

Ich fuhr herum und starrte sie an. Dieser Mann hier war Hugo Carmichael? Der alte Gutsbesitzer?

Die Familie Carmichael lebte auf dem Landgut Glenlovatt Manor, gleich vor der Stadtgrenze von Fairview. Sie waren eine Art örtliches Rätsel, das sich in seinem karamellgelben Steinhaufen versteckte und sich vom gemeinen Volk fernhielt. Früher hatten sie das Anwesen gelegentlich geöffnet, um Geld für örtliche Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln, aber es war schon vor Jahren, kurz nach dem plötzlichen Tod von Lydia Carmichael, der Ehefrau von Gordon, dem gegenwärtigen Gutsherrn, für die Öffentlichkeit geschlossen worden. Jetzt wohnten vermutlich nur noch die männlichen Familienmitglieder in dem Herrenhaus, Hugo, Gordon und sein Sohn Vaughan, der vor Jahren auf ein Elite-Internat geschickt worden und offenbar Bildhauer geworden war. Ich fand den Gedanken ziemlich deprimierend, dass drei alleinstehende Adlige in diesem ausgedehnten Anwesen herumgeisterten.

Christine, meine Mum, bewunderte oftmals aus Versehen Bilder von Glenlovatt in der Lokalzeitung, bis ihr wieder einfiel, dass sie gegen das Establishment war. Ich hingegen sah diese Familie als ein unergründliches Wesen an, das am Rand unserer kleinen Stadt lebte und alles hinter Fenstern mit schweren Samtvorhängen hervor beobachtete, die ihm freien Blick auf viele Hektar dichten Waldes gewährten.

Kitty beschloss, mir keine Beachtung mehr zu schenken und faltete die Hände über dem Motiv der goldenen Teekanne auf ihrer Brust. »Darf ich Sie zur Wiedergutmachung auf eine Tasse Tee einladen, Mr. Carmichael?«

Ein Ausdruck gekünstelter Überraschung zeichnete sich auf dem Gesicht des alten Mannes ab. Was für ein ausgekochter Kerl!

»Nun, ich denke, das kann ich durchaus annehmen.«

Kitty durchbohrte mich mit eisigem Blick. »Lara, nehmen Sie Mr. Carmichaels Bestellung auf und bringen Sie ihm, was er wünscht, und zwar sofort.«

Mr. Carmichael und ich drehten gleichzeitig den Kopf und sahen ihr nach, als sie zurück ins Café hetzte.

Klirrend stellte ich das Tablett auf einem leeren Tisch ab und setzte ein höfliches Gesicht auf. »Was darf ich Ihnen bringen, Sir?«

»Einen Earl Grey und ein Stück Victoria Sponge – bitte.«

Ich bedachte ihn mit einem halbherzigen Lächeln, nahm das Tablett wieder auf und eilte zum Haus zurück.

Drei

Es war ein typischer schottischer Frühlingsmorgen. Regentropfen rannen an den Fenstern des True Brew herab wie Diamanten, die um die Wette liefen.

Ich schützte mich mit dem Schirm so gut wie möglich vor der Nässe und suchte in meiner Handtasche nach den Schlüsseln des Cafés. Ich vermutete, dass Kitty mir den Ersatzschlüssel nur gegeben hatte, damit sie sich bei Geschäftsschluss schnell verdrücken oder morgens etwas länger im Bett bleiben konnte, aber ich war entschlossen, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und ihr zu beweisen, dass sie mit mir nicht nur eine Kellnerin eingestellt hatte.

Abgesehen vom Prasseln des Regens war es still in Fairview, als ich die Tür aufschloss und das Licht einschaltete.

Sobald ich mich aus dem Regenmantel geschält und ihn zum Trocknen über einen Heizkörper gehängt hatte, packte ich die Zutaten aus und schaltete meinen iPod ein, um beim Backen leise Musik zu hören.

Während ich Eiweiß, Zucker und Salz in einer großen Schüssel verquirlte, stellte ich mir vor, wie die Himbeermarmelade rot und üppig von meinem Teelöffel in die kleine Mulde gleiten würde, die ich vorher sorgfältig in jede Makrone gedrückt hatte. Ich musste lachen, denn mein Magen knurrte, obwohl ich gerade erst Müsli zum Frühstück gegessen hatte. Ich hoffte, dass die Reaktionen der Gäste meiner Chefin zeigen würden, wie gut mir meine kleinen goldenen Inseln gelungen waren.

Ich hatte gerade zwei älteren Damen Tee und warme Käse-Scones serviert und schlängelte mich zwischen den Tischen hindurch zum Tresen gegenüber der getäfelten Glastür. Ich konnte nicht anders. Ich malte mir aus, wie verwandelt das Lokal aussehen würde, wenn nur die Wände in frischem Weiß gestrichen wären und auf den Stühlen Kissen mit Vichykaros lägen. Doch ich riss mich zusammen und kehrte wieder in die Realität zurück. Dass Hugh Jackman hereingestürmt kommen und von mir verlangen würde, augenblicklich meinen Arbeitsplatz zu verlassen, um mich zwischen den Blaubeermuffins ungehemmtem Sex mit ihm hinzugeben, war wahrscheinlicher, als dass meine Chefin etwas ändern würde.

Während Kitty hinter mir einen bedauernswerten Gast mit schlecht verhohlener Empörung über den Zustand von Mrs. Strachans Ehe ausfragte, riskierte ich einen Blick auf den Vorratsbehälter aus Plastik, den ich auf einem der unteren Regale versteckt hatte. Ich atmete tief durch und holte ihn aus seinem Versteck, drehte mich zu meiner Chefin um und bedachte sie mit einem breiten Lächeln.

Sie erstarrte augenblicklich. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück und deutete mit ihrem Kopf mit dem steinhart frisierten grauen Haar in Richtung Container. »Was ist das?«

»Ich bin heute Morgen früher gekommen und habe noch etwas gebacken.«

Kittys geschürzte Oberlippe drohte ihre Nasenspitze zu berühren. Während das Klirren von Teetassen unser leises Gespräch untermalte, beugte sie sich nervös über den Behälter, den ich in der Hand hielt. Vorsichtig zog ich den blauen Plastikdeckel ab, wobei ein sattes Pffft erklang.

»Das sind Himbeer-Kokosmakronen«, plapperte ich drauflos. »Ich dachte, wir probieren es mal. Vielleicht mögen unsere Gäste sie ja.«

Kittys ausladender Busen unter der Schürze hob und senkte sich, und einen Moment lang glaubte ich, sie würde mir gleich ein Auge ausstechen.

Ich hatte den Teig zu großen Sternen geformt und sie mit viel Himbeermarmelade und etwas Glitzerpulver bestrichen. Unter den Lichtern des Cafés sahen sie magisch und sehr lecker aus, aber ihrer entsetzten Miene nach zu urteilen, war Kitty da anderer Meinung.

»Ich hoffe, Sie haben sich nicht an unseren Zutaten bedient. Und es sind meine Gäste, nicht unsere«, sagte sie laut. »Sie wissen doch, dass Fiona und ich für die Backwaren zuständig sind, Lara.«

Ach ja. Die beiden hässlichen Schwestern.

»Ich habe die Zutaten selbst gekauft«, erklärte ich. »Ich dachte nur, es wäre vielleicht eine gute Idee, etwas anzubieten, das …«, mein Blick schweifte über die üblichen Biskuitkuchen und Scones, »… ein bisschen anders ist.«

Kittys fuchsiafarben geschminkte Lippen bebten vor Empörung. »Was? Halten Sie meine Kuchen etwa für langweilig?«

»Nein! Überhaupt nicht!« Krampfhaft suchte ich nach Worten, um bloß nichts Falsches zu sagen. »Ich dachte nur, es wäre schön, auch mal etwas Neues anzubieten.« Ich räusperte mich. »Und da Sie anfangs mal gesagt hatten, ich dürfe ein wenig backen, dachte ich, Sie würden vielleicht gern das Ergebnis meiner Bemühungen sehen.«

Kittys Augen funkelten vor Zorn. »Oh nein, nicht das schon wieder! Sie wissen ganz genau, dass Fiona und ich hier die Bäckerinnen sind. Wir brauchen keine Hilfe.«

»Das ist aber schade«, polterte eine tiefe Stimme vor dem Tresen. »Die Makronen sehen nämlich köstlich aus.« Hugo Carmichael blickte erwartungsvoll unter einem schwarzen Filzhut hervor, den er gleich darauf mit einer schwungvollen Geste abnahm.

Na super: Der Gast, den ich am wenigsten mochte, war wieder da. Konnte dieser Tag noch schlimmer werden? Ja, lautete vermutlich die korrekte Antwort auf diese Frage. Allerdings hatte er mir ein Kompliment zu meinen Backkünsten gemacht, und das war nett von ihm. »Danke«, sagte ich lächelnd und ein bisschen überrascht.

»Ein scheußlicher Morgen«, seufzte er. Regentropfen liefen an seinem Tweedmantel hinab. »Ich glaube, ich genehmige mir eine Kanne Earl Grey. Oh, und eine von Ihren Makronen, junge Dame. Vielen Dank.«

Ich unterdrückte ein verblüfftes Lächeln und blickte Kitty flüchtig ins Gesicht. Die Schmolllippe war wieder da. »Selbstverständlich, Mr. Carmichael«, brachte sie mit gepresster Stimme heraus.

Ich machte mich daran, Hugos Teetablett vorzubereiten und legte vorsichtig eine Makrone auf einen Teller. Mit versteinerter Miene beobachtete Kitty, wie ich das Café durchquerte.

»Bitte sehr, Mr. Carmichael. Lassen Sie es sich schmecken.«

Ich wandte mich ab und begann, einen Tisch in der Nähe abzuräumen.

»Mmm, köstlich!«, hörte ich ihn begeistert mit vollem Mund sagen. »Das schmilzt ja förmlich auf der Zunge.«

Ich drehte mich um, als ich seine Worte hörte. »Danke!«

Mr. Carmichael goss sich Tee ein und blickte mich wieder an. »Sie backen also gern?«

Ich nickte begeistert, sodass mein lockiger Pferdeschwanz wild wippte. »Das habe ich schon als Schülerin geliebt. Ich finde es sehr entspannend und auch bereichernd.«

Ich machte Anstalten, mich zurückzuziehen, aber er streckte die Hand aus und berührte für den Bruchteil einer Sekunde meinen Arm. Seine Augen waren geweitet. Er machte mich ein bisschen nervös. Sein wässriger Blick fiel auf das silberne Armband, das an meinem Handgelenk baumelte. »Das ist hübsch«, murmelte er. »Woher haben Sie das?«

Lächelnd blickte ich auf das Armband, die kleinen Anhänger streiften meine Haut. »Das war ein Geschenk meiner Großtante …«

»Lara!«, unterbrach mich Kitty. »Kommen Sie bitte mal?«

Als ich auf den Tresen zuging, spürte ich noch immer seinen Blick im Rücken.

»Ich hoffe, Sie belästigen unsere Gäste nicht«, zischte sie, während sie die Kaffeemaschine in Gang setzte. »Oder drängen ihnen Ihre Backwaren auf. Das ist nicht gut fürs Geschäft.«

Vergeblich versuchte ich meine Verärgerung zu verbergen. »Mr. Carmichael hat mich um eine Makrone gebeten. Ich dachte, Kuchen ist unser Geschäft. Schließlich ist das hier ein Café.«

Kittys hängende Wangen zitterten bedrohlich. »Sie wissen genau, was ich meine.«

Ich unterdrückte einen Seufzer und wandte mich ab. In dem schrägstehenden Fenster sah ich mein wankendes Spiegelbild. Ich wirkte entmutigt. Aus meinem blassen, sommersprossigen Gesicht blickten mich graue Augen ohne jede Spur von Begeisterung an. Das Einzige, was an diesem Tag an mir lebendig wirkte, war mein Haar. Es wallte mir wie immer über den Rücken und drohte sich aus dem schwarzen Band zu lösen.

Ich war eine siebenundzwanzigjährige arbeitslose PR-Referentin, die von ihrem maltesischen Liebhaber verlassen worden war. Mein Leben verblasste in diesem Augenblick auf deprimierende Weise neben dem meiner Mutter, einer glamourösen Witwe, die in Spanien die Puppen tanzen ließ.

Ich nahm mir eine Makrone und biss grimmig hinein.

Vier

Der orange Schimmer der Straßenlaternen malte Ringe auf das Pflaster und warf seinen warmen Widerschein auf die Schaufenster der geschlossenen Geschäfte gegenüber.

Kitty hatte sich angewöhnt, schon früh aus dem Café zu verschwinden. Normalerweise tischte sie mir ihren wöchentlichen Yogakurs, ihren Lesekreis oder einen Fall von »reiner Erschöpfung« als Ausrede auf und ließ mich allein saubermachen und abschließen. Ich hatte immer gedacht, Leute, die Yoga machen, seien friedliebende, freundliche, auf innere Ruhe bedachte Wesen.

Als ich das Türschild auf »Geschlossen« drehte, klimperte mein silbernes Armband. Ich blickte liebevoll auf die Glücksbringer: Zwei Cupcakes und zwei Löffel kitzelten meine Haut. Seit meiner Rückkehr nach Fairview trug ich das Armband wieder, denn ich hoffte, dass es mir bei der Jagd nach meinen Backträumen Glück bringen würde. Es war wunderschön, aber ich war bedrückt, als ich mir eingestehen musste, dass es sich bislang nicht als hilfreich erwiesen hatte.

Bei dem Gedanken unterdrückte ich einen frustrierten Seufzer. Die leere Kuchentheke glänzte in der hereinbrechenden Dunkelheit, und der scheußliche Teppich war so grellbunt, dass man ihn vermutlich noch in den Highlands sah.

Ich wusste, was mich aufheitern würde.

Früher am Tag hatte ich mir ein neues Rezept ausgedacht, und jetzt war genau der richtige Zeitpunkt, um es auszuprobieren. Meine Finger kribbelten vor Erwartung, als ich in der Küche das Licht wieder einschaltete. Dann band ich mir eine saubere True-Brew-Schürze um, stellte den Mixer an und machte mich an die Arbeit.

Zunächst rieb ich eine große Karotte und zwei Äpfel, siebte etwas Vollkornmehl darüber und fügte eine großzügige Prise duftenden Zimt hinzu. Die Maschine knetete die Mischung zu einem schön klebrigen Teig, während ich den Zucker, das Öl und die Eier unterschlug. Ich genehmigte mir einen guten Teelöffel davon als Geschmacksprobe, und nachdem ich beschlossen hatte, dass noch ein wenig Ingwer und Piment fehlten, stellte ich die knisternden Muffinförmchen auf ein Backblech. Mit einem satten Plopp glitt der Teig mühelos vom Teelöffel in die Förmchen. Ich nahm eine Prise Haferflocken und streute sie über die Muffins, ehe ich das Blech in den Ofen schob.

Die Zahlen auf der Uhr des Ofens leuchteten grellrot, während die Zeit ablief. In der Wartezeit saugte ich den Teppich im Gästeraum ab, dann lief ich zurück in die Küche, um mich zu vergewissern, dass die Muffins aufgingen wie gewünscht. Endlich signalisierte ein helles Klingeln, dass die Backzeit abgelaufen war. Ich zog mir Handschuhe über und ließ, neugierig auf das Ergebnis, die Ofentür aufspringen. Ich schnupperte – der würzige Apfelduft erinnerte mich ein wenig an Weihnachten. Dann ließ ich die goldbraunen Muffins noch fünf Minuten auf dem Kuchengitter ruhen, ehe ich einen kostete. Die milden Gewürze reizten meine Geschmacksknospen, und der Belag aus Haferflocken fügte dem Ganzen eine weitere Geschmacksnote hinzu. Ich legte die restlichen Muffins in eine Tupperdose, um sie in den Kühlschrank zu stellen und am nächsten Tag wieder aufzuwärmen. Vermutlich würden sie sich als nahrhafter Start in den Tag für die gestressten Pendler erweisen, die auf dem Weg zum Bahnhof gern hereinkamen und einen Becher Kaffee mitnahmen.

»Ich werde euch ›Muffins to go‹ nennen, und ihr werdet euch verkaufen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln«, verkündete ich, als ich die schmutzige Rührschüssel in der Spüle abwusch.

Während ich die Arbeitsflächen in der Küche abwischte, stellte ich mir Kittys Reaktion auf die Muffins vor. Egal. Sobald mir eine Backidee in den Kopf kam, konnte ich sie nicht mehr abschütteln. Wenn ich sie nicht ausprobierte, nagte sie an mir, bis ich es schließlich doch versuchte.

Als die Küche makellos sauber war, griff ich nach meiner Lederjacke und der Handtasche und steuerte auf die Tür zu. Rasch schloss ich das Café ab und ließ es zurück wie ein stilles, sauberes Gehäuse, dessen Inneres am nächsten Tag wieder zum Leben erwachen würde.

Ich verfluchte die stechenden Schmerzen in meinen Füßen und wollte mich gerade auf den Heimweg machen, da erklang auf dem verlassenen Platz ein Geräusch, und ich fuhr herum.

Unverständliche Worte murmelnd, kam eine dunkle Gestalt auf mich zu gestolpert.

Ich verstärkte den Griff um den Schulterriemen meiner Tasche. Hatte ich etwas dabei, womit ich mich verteidigen konnte? Ich erinnerte mich, dass in meiner Tasche eine Tube Handcreme und ein grobzinkiger Kamm zum Entwirren meiner Locken steckten. Excalibur und das bronzene Schild hatte ich an jenem Morgen wohl zu Hause gelassen.

Das rötliche Licht der Straßenlaterne streifte kurz die Gestalt, von der nur die Silhouette zu erkennen war. »Verdammtes Ding!«, ertönte eine Stimme in der kalten Luft. »Wo zum Teufel steckst du denn?«

Hugo Carmichael machte zögerlich einige Schritte vorwärts. Der übliche fesche schwarze Filzhut bedeckte seinen Kopf. Als er mich in meinen Ballerinas auf sich zukommen sah, lächelte er erleichtert. »Ha! Welch schöner Anblick bietet sich meinen entzündeten Augen, junge Frau!«

»Was machen Sie hier draußen so allein?«, fragte ich ihn stirnrunzelnd.

»Ich mag ja alt sein, aber senil bin ich noch nicht.« Er deutete auf das Straßenpflaster. »Ich bin spazieren gegangen und habe meinen verdammten Stock verloren. Sehen Sie ihn vielleicht irgendwo? Meine Augen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.«

Obwohl er unbeschwert zu klingen versuchte, hörte sich Hugos Stimme ängstlich an. Ich fragte mich, wie lange er hier draußen schon nach seinem Stock gesucht hatte.

»Sie bleiben, wo Sie sind, und ich suche ihn für Sie.«

Sein silberner Schnurrbart zuckte. »Tja, eigentlich hatte ich einen erfrischenden Abstecher in die Berge ins Auge gefasst, aber daraus wird wohl jetzt nichts mehr.«

Ich ließ den Blick schweifen. Nach einigen Sekunden fiel mir etwas Goldenes ins Auge, das auf dem nachgedunkelten Pflaster blinkte. »Bitte sehr.«

Dankbar nahm Hugo seinen Spazierstock entgegen. »Vielen Dank.«

Über unseren Köpfen tanzten dunkelviolettfarbene Streifen am Himmel, und ein Sternenteppich spannte sich über das Firmament.

Ich strich mir eine Locke aus dem Gesicht. »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Sie heute Abend hier draußen suchen.«

Hugo blinzelte. »Oh, verzeihen Sie, junge Frau. Mir war nicht bewusst, dass ich Glenlovatt ohne vorherige behördliche Genehmigung nicht verlassen darf.«

»Sie machen das oft«, bemerkte ich.

»Was mache ich oft?«

»Sarkastisch werden, um einer Frage auszuweichen.«

»Sind Sie sicher, dass Sie Bäckerin sind und keine Seelenklempnerin?«

»Ha!«, schnaubte ich triumphierend. »Sie tun es schon wieder.«

Hugos tränende Augen blitzten vor Übermut. »Touché.«

Ich sah mich auf dem leeren Platz um; Lichterketten hingen wie weiß-goldene Schleifen in den Bäumen. »Okay, wenn Sie mir nicht sagen wollen, warum Sie hier sind, dann verschwinde ich jetzt. Ich freue mich auf eine heiße Dusche und eine Haarkur.« Ich deutete auf die verlassene Hauptstraße, die sich bergauf aus der Stadt schlängelte. »Und wie kommen Sie nach Hause?«

»Travis wartet oben hinter dem Zeitschriftenladen auf mich.«

»Travis?«

»Der Chauffeur unserer Familie und mein Vertrauter.«

»Oh, verstehe.«

Als ich mich zum Gehen wandte, packte mich seine dünnhäutige Hand am Jackenärmel. »Lara, meine Mutter hat früher immer gesagt, dass Träume irgendwann in Erfüllung gehen, wenn man seinem Herzen folgt.« Hugos Lippen verzogen sich zu einem gefühlvollen Lächeln. »Ein großer Schritt kommt einem oftmals beängstigend vor, aber noch beängstigender ist es, eine Chance nicht zu nutzen, wenn sie sich bietet.«

Ich starrte ihn verständnislos an.

»Na ja, ich bin Kitty dankbar, dass sie mir diesen Job gegeben hat, obwohl sie bei der Arbeit eine richtige Zicke sein kann«, erwiderte ich unsicher.

»Aber?«, hakte er nach und sah mir ins Gesicht.

Ich kuschelte mich tiefer in die Lederjacke. Ohne es zu wollen, hatte ich mich Hugo anvertraut. Sein offener Blick hatte etwas Tröstliches, das mich zum Reden ermutigte. Die Worte strömten mir aus dem Mund, während er dastand, zuhörte und gelegentlich nickte. »Ich möchte mir etwas Eigenes aufbauen«, sagte ich und seufzte. »Im Gegensatz zu Kitty ist Backen für mich nicht nur ein Job.«

Hugos schwerer schwarzer Mantel hing ihm von den Schultern, als er das Schild des True Brew mit dem goldenen Emblem einer dampfenden Teekanne darauf betrachtete. »Wenn dieses Café Ihnen gehörte, was würden Sie damit machen?«

Ich legte den Kopf schief und fragte mich, worauf er hinauswollte. »Na ja, als Erstes würde ich die Holzvertäfelung entfernen und den karierten Teppich rausschmeißen.« Ich zögerte. »Ich sehe weiße Tische und Stühle und gestärkte Tischdecken vor mir, zartes Porzellan und Silberbesteck und raumhohe Fenster.« Ich breitete die Arme aus, so sehr begeisterte mich die Vorstellung. »Ich würde Kuchenständer in die Fenster stellen und Bilder von Künstlern aus der Gegend aufhängen. Und wir würden täglich zwei neue Gebäcksorten als Kuchen des Tages anbieten, aber auch nostalgische Lieblingskuchen, zum Beispiel Dominokuchen und Schokoladentarte.«

Aus funkelnden Augen blickte Hugo mich an. »Klingt, als hätten Sie viele gute Ideen, meine Liebe. Und um Ihre Frage von vorhin zu beantworten: Ich gehe abends manchmal gern im Ort spazieren. Denke daran zurück, wie Fairview vor vielen Jahren aussah, als ich noch ein junger Bursche war …« Seine Stimme verklang.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Mr. Carmichael?«

Hugo schreckte aus seinen Gedanken hoch. »Oh ja. Völlig in Ordnung. Ah, da kommt gerade Travis um die Ecke.«

Ich schob mir den Riemen der Tasche höher auf die Schulter. »Wenn Sie meinen. Passen Sie auf sich auf.«

Als er bereits auf dem Weg zum Zeitschriftenladen und dem davor wartenden Wagen war, drehte ich mich um und lief über den Platz nach Hause. Die dunklen Schaufenster, an denen ich vorbeiging, ließen nur erahnen, was sie enthielten: Beim Juwelier lagen Halsketten und Armbanduhren auf kleinen Kissen, und im Scheinwerferlicht des Haushaltswarengeschäfts war ein Sortiment kunstvoll verzierter Kerzen und Fransenkissen zu sehen. Blumenampeln hingen an den Laternenpfählen, und weiter unten auf dem Platz spuckte ein Zug müde Pendler auf den Bahnsteig des örtlichen Bahnhofs.

Meine beigefarbenen Ballerinas tappten über die Pflastersteine, die zu meiner Wohnung führten, sie lag nur zehn Gehminuten vom True Brew entfernt. Müde stieg ich die Treppe hoch und betrat meine Wohnung. Wenigstens hatte ich hier eine kleine Oase für mich allein. Okay, durch die Gardinen fielen morgens zwar nicht die Strahlen einer mediterranen Sonne, aber die Wohnung gehörte immerhin mir.

Vom Wohnzimmerfenster aus sah ich auf die schmale Allee, die sich bis zur St.-Martins-Kirche schlängelte. Der elegante Kirchturm mit der goldenen Spitze reckte sich in den Himmel, und die verschnörkelten Buntglasfenster grüßten mich täglich aus der Ferne. Wie ein grauer Rock umgab eine hohe Steinmauer den Kirchhof, und das riesige Eichenportal der Kirche schien jeden Besucher mit einem breiten Lächeln willkommen zu heißen.

Hinter der Kirche sah ich die Hügel und Senken der Fairview Hills, die von Heidekraut übersät waren. Der Ort war ein kleiner Marktflecken in der Nähe von Glasgow, dessen Zentrum in eine Fußgängerzone verwandelt worden war und eine bunte Mischung von Geschäften aufwies. Auf dem Kopfsteinpflaster der Gassen hallte noch die Geschichte des im 18. Jahrhundert gegründeten Städtchens nach. Außerdem war die Stadt von mehreren hübschen Waldgebieten umgeben, die zum Wandern einluden. Kitty beklagte sich oft über die vielen Bergwanderer und Spaziergänger, obwohl sie sich deren Geld gern in die Tasche steckte. Verärgert starrte sie dann auf die Rucksäcke und rümpfte verächtlich die Nase über die wasserfeste Kleidung der Gäste, ehe sie ein zuckersüßes Lächeln aufsetzte und ihnen ihr Bargeld abnahm.

Ich warf meine Handtasche aufs Sofa und knipste eine Eckleuchte an, die mein taubenblaues Sofa, die gestreiften Marinekissen und den cremefarbenen Teppich beleuchtete. Ich hatte einige pastellfarbene Bilder aufgehängt, die mich an die maltesische Küste erinnerten: weiße Gebäude, geschmückt mit bunten Fensterläden und tropischen Blumen, hingen neben Bildern von tosenden Wellen und schaukelnden Fischerbooten.

Vielleicht war ein Teil von mir dortgeblieben.

Ich hatte bereits beschlossen, mir den Arbeitsfrust in der Küche von der Seele zu schaffen. Wenn ich Teig anrührte und knetete, würde sich meine Laune vermutlich bald bessern. Ich überlegte, was ich an diesem Abend backen wollte. Sollte es ein Kuchen in Form eines Ostereis mit Kokosflocken sein oder passte an einem kalten Frühlingsabend eher eine Banoffee Pie aus Bananen, Sahne und Toffee auf einer Keksbasis?

Ich hatte gerade die marineblauen Vorhänge zugezogen, da klingelte es an der Tür. »Huhu!«, erklang eine fröhliche Stimme aus der Gegensprechanlage. »Lass mich rein!« Obwohl meine therapeutische Backsitzung abrupt unterbrochen wurde, breitete sich ein Lächeln in meinem Gesicht aus. Ich drückte auf den Knopf, und die Haustür sprang auf.

Stiefelabsätze klapperten die Treppe hinauf, ehe ein blonder Wirbelwind in einem Glockenmantel von Monsoon zur Tür hereinwehte. Meine beste Freundin hatte keinen Sinn für Zurückhaltung. Wie eine wärmegesteuerte Rakete stürzte Morven sich auf mich.

»Süße, es tut mir so leid, dass ich bei deiner Rückkehr nicht da war.«

Ich verdrehte die Augen. »Sei nicht albern! Hast du dich gut amüsiert?«

Sie schlüpfte aus dem Mantel. Ihre karamellfarben schimmernde, frisch gebräunte Haut unter dem kurzärmeligen weißen Top und der champagnerfarbenen Jeans verriet mir, dass die Antwort »Ja« lautete.

»Es war super«, sagte sie und strahlte mich an. »Jake hat es ein paarmal mit dem Ouzo übertrieben. Aber damit war ja zu rechnen.«

Morven und ich hatten uns als schlaksige Zwölfjährige kennengelernt. Obwohl ihre Familie einen gutgehenden Betrieb für ökologischen Getreideanbau besaß, hatte sie ihren Eltern gegenüber darauf bestanden, die örtliche Fairview Academy zu besuchen und nicht das schicke Internat, das ihnen vorgeschwebt hatte. Ihr Argument hatte gelautet, sie wünsche sich eine »breitgefächerte« Ausbildung und wolle sich mit Leuten verschiedener Herkunft anfreunden.

Ich wusste es besser. Das wirklich Attraktive an der Fairview Academy war die Tatsache, dass sie im Gegensatz zu der Privatschule für Mädchen eine gemischte Schule war.

Der Clan der Knights war zwar weniger traditionsbewusst als die Carmichaels, verfügte aber über beträchtlichen Grundbesitz im Bezirk Scottish Borders. Morvens Dad war ein reizender Mann mit wirrem Haar und Brille, während ihre Mum immer beschäftigt war und alle möglichen Leute auf das weitläufige Anwesen am Stadtrand von Stirling einlud. Sie waren eine alteingesessene Bauernfamilie, und die Vorstellung, wie Morven mit lackierten Nägeln und Highlighter im Gesicht den Acker bestellte, brachte mich immer zum Grinsen. Sie war eindeutig in den Social Media zu Hause und nicht auf dem Feld.

Vom ersten Augenblick an waren wir Freundinnen gewesen. Mit ihrem hellblonden Haar und der Schulbluse mit hochgekrempelten Ärmeln war sie das Yin zu meinem Yang. Ich freute mich und fühlte mich geschmeichelt, als sie mir anvertraute, aus welch privilegierten Verhältnissen sie kam.

»Aber sag es bitte nicht weiter«, bat sie mich einmal beim Mittagessen in der Schule. »Die eine Hälfte der Kinder würde mich hassen und glauben, dass ich mich für etwas Besseres halte, und die andere Hälfte würde plötzlich mit mir befreundet sein wollen.«

Der flehende Blick ihrer grünen Augen tat mir in der Seele weh. »Ich sage es niemandem, versprochen.«

Ihr Gesicht entspannte sich sichtlich unter dem Rouge. »Danke. Ich möchte um meiner selbst willen gemocht werden, weißt du?«

Ich nickte und nahm ihre Hand in beide Hände; mein rosa Glitzernagellack leuchtete unter den Neonröhren des Speisesaals. Wir hielten unsere schmalen Handgelenke nebeneinander, um unsere Freundschaftsarmbänder zu bewundern. Morvens Bändchen hatte ich aus Baumwollfäden in ihren Lieblingsfarben Blau und Lila angefertigt, und sie hatte eins in Rot und Orange für mich gemacht.

»Freundinnen fürs Leben«, hatten wir gesagt und albern gegrinst.

Meine Mom hatte sich gerade voller Begeisterung in eine verspätete Protestphase gegen das Establishment gestürzt, als Morven und ich uns kennenlernten. Sie war von einem langen Vorlesungstag am College nach Hause gekommen, begeistert davon, wie die Studentinnen im Kurs Frauenforschung über neue Ideen diskutiert hatten. »Wir hatten heute beim Mittagessen eine tolle Diskussion«, hatte sie erzählt, gestrahlt und ihren langen beigen Schal abgenommen. »Es ging darum, ob Männer nur ein Vehikel für die berechtigten Forderungen von Frauen an die heutige Gesellschaft sein sollen.« Ich erinnere mich, dass ich dagesessen und gehofft hatte, an den richtigen Stellen zu nicken, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon sie überhaupt redete. Was würde meine Mum von Morven halten, der Tochter der erfolgreichen Familie Knight mit ihrem Imperium biologisch angebauter Lebensmittel?

Die Sorge hätte ich mir sparen können. Gleich bei der ersten Begegnung wickelte Morven meine Mutter um den kleinen Finger. Ich hatte Mum gefragt, ob ich nach der Schule eine Freundin zum Abendessen hätte mitbringen dürfen, und Morven tauchte pünktlich auf und hatte einen kleinen Weidenkorb aus einem teuren Kosmetikladen dabei. Er war mit einer grünen Schleife geschmückt, und auf einem Bett aus Stroh lagen eine Flasche Pfefferminz-Fußlotion, eine Tube Satsuma-Handcreme und eine kleine Dose Honig-Körperpeeling.

Mum errötete vor Begeisterung. »Du verwöhnst mich ja richtig! Und vor allem stammen die Produkte aus fairem Handel. Vielen Dank, Morven.«

Unsere Doppelhaushälfte, die zu jener Zeit nach Mums jüngstem Tick – rustikal und afrikanisch inspiriert – dekoriert war, duckte sich am Ende einer Sackgasse. Die Bücherregale im Flur bogen sich unter dem Gewicht von Autobiografien und literarischen Essays; die neueren waren überwiegend feministisch getönt. Und obwohl Dad Jahre zuvor plötzlich gestorben war, schien sein Geist noch immer zwischen den Räumen hin und her zu huschen wie ein leises Flüstern. Sein blauer Fleecepulli hing nach wie vor am Garderobenständer. Ein Paar ramponierter Turnschuhe, die er immer im Garten getragen hatte, lag zwischen Mums Sandalen. Im Badezimmer steckte sogar noch Dads Rasierzeug in einem roten Keramikbecher neben dem Radio.

Meine Mutter war auf verbissene Weise unabhängig. Sie brannte für die Idee, das weibliche Geschlecht zu verteidigen. Und dennoch behielt sie rührenderweise das Haus an der 94 Hoptown Terrace ihrem Ehemann und meinem Vater zuliebe, an den ich mich kaum erinnern konnte. Unser Haus schien in ständiger Alarmbereitschaft zu sein, so als wartete es darauf, dass Paul McDonald wieder zur Tür hereinkam. Auf der Fensterbank in meinem Schlafzimmer stand ein Foto von mir und meinem Dad. Ich wusste nicht mehr, wann es aufgenommen worden war, aber ich war klein, meine Miene war erwartungsvoll, und ich hatte bereits rote Ringellocken. Dad wiegte mich lächelnd in den Armen, sein dunkles Haar umrahmte schimmernd seinen blassen irischen Teint.

Ständig lag der Duft von Vanillekerzen oder würzigen Cranberry-Räucherstäbchen in der Luft. Morven bewunderte die sorgfältig drapierten senffarbenen Stoffe, die Kissen aus grobem, bedrucktem Stoff und die derben Tische und Stühle aus Zedernholz. Mit der gepflasterten Zufahrt und den Ligusterhecken war es von außen gesehen ein konservatives Haus, im Inneren aber befanden sich von der Serengeti inspirierte Möbel und Objekte im Überfluss.

Drei Monate davor hatte Mum eine schwarz-weiße Phase durchlebt. Davor wiederum hatte sich alles um Shabby Chic gedreht.Oft hatte ich beim Heimkommen geglaubt, ich sei ins falsche Haus geraten. Insgeheim war ich davon überzeugt, dass das endlose Umdekorieren eine Reaktion auf Dads Tod war – offenbar wollte meine Mutter mit aller Macht darüber hinwegkommen. Ihre offizielle Erklärung lautete: »Eine moderne Frau sollte regelmäßig ihr künstlerisches Verlangen ausleben.« Dabei vergaß sie praktischerweise, wie zufrieden sie vor Dads Tod gewesen war. Damals hatte es keine hektischen Käufe von Sofakissen im Zebramuster und abgenutzten Second-Hand-Sesseln gegeben.

Als Morven an jenem Spätnachmittag zum ersten Mal zum Dinner zu uns kam, bot ich ihr einen Teller an, auf dem sich das Ergebnis meines jüngsten Backversuchs stapelte – Chocolate-Chip-Muffins. Begierig nahm sie einen, schälte ihn aus dem Papierförmchen und biss hinein. »Wow! Die sind ja super!«

Innerlich wand ich mich vor Freude, als sie sich den restlichen Muffin in den Mund schob und wild zu kauen begann. »Danke. Beim ersten Versuch waren sie ein bisschen zu trocken.«

Mum tauchte in der Küche auf, ihr Mund war eine schmale Linie. »Lara, ich weiß, dass du gern bäckst, aber bitte denk dran, so was kann das Potential einer Frau begrenzen, indem es ein Stereotyp aufrechterhält.«

»Das ist ein Chocolate-Chip-Muffin, Mum, kein Redeverbot und auch keine Freiheitsberaubung.«

Wie ein gieriger Hamster behielt Morven das letzte Stück des Muffins in der Wange. Sobald Mums roter Kaftan wieder aus dem Zimmer gesaust war, brachen wir in lautes Gelächter aus.

Ich hatte meiner Mutter von Morvens familiärem Hintergrund erzählt, aber sie hat sie nie nach dem Erfolg der Familie oder nach ihren Eltern gefragt. Obwohl ich über meinen Teller mit Shepherd’s Pie hinweg deutlich gesehen hatte, dass sie sich sehr zurückhalten musste.

Stattdessen fragte Morven nach Mums Arbeit am College, und ich erwähnte ihr wachsendes Interesse an Produkten aus fairem Handel. Wir kamen mit meiner Mutter klar, indem wir es abwechselnd mit ihr aufnahmen wie die Mitglieder einer Wechselmannschaft beim Wrestling.

Nachdem Morven meiner Mum überschwänglich für das Dinner gedankt hatte – »Der Marmeladenstrudel und die Vanillesauce waren einfach köstlich, Mrs. McDonald« -, hatte Morven sich verabschiedet. Mum füllte den Wasserkocher auf und sagte: »Sie ist ein sehr liebenswertes Mädchen. Es gefällt mir, dass du so gut mit ihr befreundet bist.«

Innerlich begann ich vor Freude zu glühen. »Danke, Mum. Mir auch.«

»Irgendwann«, fuhr meine Mutter fort, »können wir das System vielleicht von innen stürzen, wenn wir diesen privilegierten Jugendlichen ein besseres Verständnis von Politik vermitteln.«

Um Himmels willen.

Nach der Schule stieg Morven im Geschäft ihres Vaters ins Marketing ein und übernahm, wo immer es möglich war, auch die Wohltätigkeitsarbeit. Ich befürchtete, dass wir irgendwann den Kontakt verlieren würden, weil sie letztlich einen der Kerle heiraten würde, die regelmäßig in der Illustrierten Scottish Society auftauchten, um mit ihm vier Kinder in die Welt zu setzen, die quasi von Geburt an einen Haarreif trugen (die Jungs natürlich nicht).

Bislang war das aber nicht passiert. Morven datete Jake Ramsay, einen draufgängerischen, aber sympathischen Zweitliga-Fußballspieler bei Hawthorn United, der bei einem wohltätigen Sportevent frech auf sie zugegangen war und gerufen hatte: »Tut mir leid, dass ich dich so anstarre, aber du ähnelst meiner nächsten Freundin so sehr!«

Wegen der Gerüchte über seine Frauengeschichten waren Morvens Eltern von Jake nicht sonderlich angetan. Doch genau wie ich wussten sie aus Erfahrung, dass Morven vermutlich genau das Gegenteil von dem tun würde, wozu sie ihr rieten. Zum Beispiel Jake zu einer Spontanhochzeit nach Las Vegas schleppen. Deshalb hofften sie, dass sie ihn irgendwann ganz von allein hinter sich ließ.

Mein Magen beschloss, ein lautes Gluckern von sich zu geben. »Hast du Lust auf eine Gemüsepfanne?«, fragte ich.

Morven rieb sich vergnügt die Hände. »Au ja.«

Sie folgte mir in die Küche, und als ich unter lautem Geklapper den Wok in Betrieb nahm, begann sie ihr Verhör.

»Also, was empfindest du jetzt, wenn du an dieses Arschloch denkst?«

Ich maß den Reis ab und verzog gequält das Gesicht. »Wut. Verletztheit. Das mit dem natürlichen Ende unserer Beziehung war reiner Bullshit, das weiß ich jetzt.« Ich schaltete den Wasserkocher ein und fuhr fort: »Ich glaube, das natürliche Ende hatte BH-Größe 75D und hieß Tanya.« Bei der Vorstellung, wie ihr gebräunter Busen über Antons Theke aufragte, zog sich mein Magen zusammen.

Ich bearbeitete die Hähnchenteile wütend mit dem Bratenwender, während Morven schwungvoll Weißwein in zwei Gläser goss. »Lass es raus, Lara. Ich hasse es, wenn du so down bist.«

Ich ließ die Schultern sinken. Ehe ich mich versah, brach der Frust der letzten Tage aus mir heraus. »Ich habe meinen Job verloren. Der Mann, für den ich alles aufgegeben habe, hat sich als Niete erwiesen, und ich arbeite für die Mutter von Darth Vader.«

Morven öffnete den roten Mund, um etwas zu sagen, aber ich kam ihr zuvor. »Meine Mutter treibt sich mit einem Typen in Spanien herum, der kaum älter ist als ich. Sie hat mehr Spaß, als ich in meinem ganzen Leben gehabt habe.« Die Eifersucht tippte mir auf die Schulter. »Tut mir leid, wenn ich gemein klinge«, murmelte ich. »Aber ich habe Malta geliebt und geglaubt, ich könnte mir dort ein Leben aufbauen …« Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern.

»Alles wird wieder gut«, beruhigte mich Morven und beugte sich vor, um mir die Hand zu drücken. »Du bist eine wunderbare, fantasievolle Frau.«

»Die im Augenblick für eine Diktatorin arbeitet«, murmelte ich und schlug erneut auf das Hühnchen ein. »Du hättest mal den Blick sehen sollen, als die alte Schachtel heute meine Himbeer-Kokosmakronen entdeckt hat.«

Ich drehte mich zu Morven um. Meine beste Freundin hatte ein breites Lächeln im Gesicht.

»Freut mich, dass mein Privatleben wenigstens lustig ist«, sagte ich und unterdrückte ein Lachen.

Morven griff nach ihrem Glas, wobei fast eine Pfütze Wein auf meinem Küchenboden entstanden wäre. »Du bist entschlossen. Du bist unternehmungslustig. Und du kannst verdammt gut Kuchen backen. Du schaffst das. Eines Tages hast du ein eigenes Lokal, das weiß ich einfach.«

Kurze Zeit später saßen wir einander gegenüber am Küchentisch, vor uns Teller mit dampfendem Wokgemüse. Ich spielte mit dem Stiel des Weinglases. »Ich möchte das Gefühl haben, etwas zu erreichen. Du weißt schon, ich will etwas nur für mich tun.«

Morven lehnte sich auf dem Stuhl zurück, in ihren grünen Augen lag Besorgnis. »Und wenn ich mal mit meinem Dad rede? Vielleicht sieht er eine Möglichkeit.«

Ich schüttelte meine Locken so heftig, dass ich glaubte, mir flöge gleich der Kopf von den Schultern. »Danke, lieber nicht. Mich von deinem Vater finanzieren zu lassen, ist nicht das, was mir vorschwebt.«

Einen Moment lang wirkte Morven gekränkt. »Du willst dich Leuten wie dem großen Richard Knight nicht verpflichtet fühlen. Verstehe.«

Mein Seufzer hallte durch die Küche. »Ich bin dir wirklich dankbar, das ist sehr nett von dir. Aber ich muss etwas Eigenes machen.« Mein Gesicht verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Es muss schrecklich für dich sein, so einen erfolgreichen Vater zu haben, Morvs.«

Sie spießte ein Stück Huhn auf die Gabel. »Ich verstehe ja deine Gründe. Aber ich würde zur Abwechslung auch gern mal was anderes machen. Versteh mich nicht falsch, ich arbeite gern für meinen Vater, aber es wäre großartig, einmal an etwas beteiligt zu sein, auf dem nicht der Name Knight steht.«

Darauf folgte ein Moment kameradschaftlichen Schweigens. »Pass auf«, sagte ich und genoss die würzige Ananassauce, »wenn ich mein Café-Imperium erst mal habe, wirst du stille Teilhaberin.« Morven stieß ein kehliges Lachen aus und verstummte in gespielter Empörung, als ich spöttisch hinzufügte: »Auch wenn ich dich in unserer gesamten Freundschaft noch nie still erlebt habe.«

Fünf

»Morgen, Kitty!«, rief ich fröhlich.

Unter dem karierten Filzhut hervor musterte sie mich finster. »Morgen«, murmelte sie und scheuchte ein paar Damen auf, indem sie an ihnen vorbei in Richtung Küche stapfte. Ich griff nach meinem iPod und stellte die heitere Barockmusik lauter, die das Café nun mit sanften Klängen erfüllte.

Kitty fuhr herum. »Was ist das für ein Lärm?«

»Ich dachte, es hebt ein bisschen die Stimmung.«

Ihre Miene wurde noch finsterer. »Das hier ist mein Unternehmen und kein Haus, in dem es spukt. Machen Sie das aus.«

Ich zügelte meinen Zorn und brachte den iPod mit einem Fingerstoß zum Schweigen. Kittys Mund verzog sich zu einem triumphierenden Grinsen. »So ist es besser, finden Sie nicht?«

Nein, das fand ich nicht. Im Café herrschte bleierne Stille, abgesehen von klapperndem Besteck und schlürfenden Geräuschen des Teetrinkens.