Das kleine Pfötchencafé zum großen Glück - Caroline Messingfeld - E-Book
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Das kleine Pfötchencafé zum großen Glück E-Book

Caroline Messingfeld

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Beschreibung

Vier Pfoten zum Verlieben

Milas Leben steht Kopf: Job weg, Freund weg. Allein Sheltie-Hündin Amy bleibt weiter fest an ihrer Seite. Darum schreibt Mila auch einen Blog über ihren treuen Vierbeiner, wenn sie nicht gerade klassische Kuchen und Torten nach Rezepten ihrer Oma backt. Eines Tages lernt Mila den Konditor Sam kennen. Beide lieben Backen und Hunde über alles. Also beschließen sie kurzerhand, gemeinsam ein Pfötchencafé zu eröffnen. Und immer wieder taucht wie aus dem Nichts dieser attraktive Felix auf ...

Ein fröhlicher Liebesroman für Hundeliebhaber und Hobby-Bäcker!

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Über dieses Buch

Milas Leben steht Kopf: Job weg, Freund weg. Allein Sheltie-Hündin Amy bleibt weiter fest an ihrer Seite. Darum schreibt Mila auch einen Blog über ihren treuen Vierbeiner, wenn sie nicht gerade klassische Kuchen und Torten nach Rezepten ihrer Oma backt. Eines Tages lernt Mila den Konditor Sam kennen. Beide lieben Backen und Hunde über alles. Also beschließen sie kurzerhand, gemeinsam ein Pfötchencafé zu eröffnen. Und immer wieder taucht wie aus dem Nichts dieser attraktive Felix auf …

Über die Autorin

Caroline Messingfeld schreibt freche Liebesromane und romantische Komödien für alle tierlieben Frauen, die auf der Suche nach dem großen oder kleinen Glück in ihrem Leben sind.

CAROLINE MESSINGFELD

Das kleinePfötchencafézum großenGlück

beHEARTBEAT

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.deunter Verwendung von Motiven © Shutterstock: 1000 Words | Erik Lam | Opachevsky Irina | sakdam | Serg64 | FooTToo | Lyudmila2509

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9027-8

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

»Backe, backe, Kuchen, der Bäcker hat gerufen …« Ich singe mein Lieblingslied aus dem Kindergarten vor mich hin, während ich weiße Schokolade mit dem Sparschäler raspele, um meine fruchtige Erdbeer-Marzipan-Torte zu verschönern.

Backen macht glücklich. Mich jedenfalls. Wenn ich das leise Surren der Küchenmaschine höre, gerate ich in Hochstimmung. Am liebsten würde ich den ganzen Tag in der Küche stehen, in den vergilbten Kladden meiner Oma schmökern und lauter feine Tortenträume für meine Lieblingsmenschen zaubern.

»Bist du wieder fleißig, Mila?«, sagt eine sonore Stimme, und ein Schauer jagt über meinen Rücken. Mit klopfendem Herzen will ich herumwirbeln und dem Mann meiner Träume um den Hals fallen. Zwei starke Hände legen sich auf meine Schultern und halten mich fest. »Ich habe noch nie eine Frau wie dich kennengelernt, Mila.«

Auf diese Worte habe ich lange gewartet. Verzückt schließe ich meine Augen, schmiege mich an meinen Traummann und atme seinen vertrauten Duft ein, der sich schwer in Worte fassen lässt. Durch seine körperliche Nähe fühle ich mich beschützt und geborgen.

»Du riechst so gut! Nach frischen Früchten, Mandeln, Zucker und Rosenwasser. Für mich bist du eine zuckersüße Verführung.« Seine Zähne knabbern sanft an meinem Ohrläppchen, und die feinen Härchen in meinem Nacken stellen sich ganz von allein auf. »Weißt du, dass du mich ganz verrückt machst?«

Das leise Knurren törnt mich an.

Sein Atem geht schneller, und ich spüre eine raue Zunge über meine Haut gleiten.

Moment mal. Meine Alarmglocken läuten Sturm. Seit wann haben mich Männer zum Fressen gern? Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht!

»Bäh!« Mit einem lauten Schrei setze ich mich in meinem Bett auf und starre in die warmen braunen Augen meiner kleinen Sheltie-Hündin Amy, die es sich direkt neben mir gemütlich gemacht hat. »Du weißt ganz genau, dass du hier nichts verloren hast, Amy.«

Mein Liebling ist sich keiner Schuld bewusst. Mit einem betont unschuldigen Gesichtsausdruck räkelt sie sich auf dem weichen Zierkissen.

»Vollgesabbert hast du mich auch!« Angeekelt wische ich mir mit der Hand über den Mund und schlage die Bettdecke zurück, während Amy fröhlich aus dem Bett springt und mich erwartungsvoll anschaut.

Nach dem Mittagessen habe ich mich hingelegt, weil ich rasende Kopfschmerzen hatte. Allem Anschein nach ist sie der Meinung, dass meine Erholungspause vorbei ist. Nichts geht über einen langen Spaziergang an der frischen Luft.

»Wuff!«

Manchmal habe ich das merkwürdige Gefühl, dass Amy jedes Wort versteht. Natürlich ist das absoluter Quatsch. Schließlich ist sie nur ein Hund – zugegeben: ein sehr intelligenter und süßer Sheltie –, und jedes kleine Kind weiß, dass man Tiere nicht mit Menschen gleichsetzen darf. Trotzdem freue ich mich über die positiven Schwingungen zwischen Amy und mir.

Sanft wuschele ich ihr durch das seidenweiche Fell. »Natürlich geh ich gleich mit dir raus, Schätzchen. Ich will mich nur im Bad frisch machen und einen kleinen Artikel für meinen Blog schreiben.«

Amy muss nicht lange warten. Der Blogartikel ist schnell geschrieben:

Liebt ihr Pusteblumen? Sind sie für euch mit wunderschönen Kindheitserinnerungen verbunden? Meine Oma hat mir mal erzählt, dass man sich etwas wünschen darf, wenn man es schafft, mit einem einzigen Atemzug alle Samenschirmchen wegzupusten. Als Kind hat man tausend Wünsche – und heute? Wunschlos glücklich bin ich nicht, auch wenn sich mein größter Wunsch, der Traumvon einem eigenen Hund, mit meiner Hündin Amy erfüllt hat …

Nachdenklich betrachte ich das Foto, das ich heute einstellen will. Es zeigt eine zuckersüße Szene, die im vergangenen Jahr auf einem Spaziergang entstanden ist. Mein Hündchen und ich posieren auf einer wildromantischen Streuobstwiese. Amy schnuppert an einer hauchzarten Pusteblume und schaut mich mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck an. Meine Lippen sind gespitzt, und man glaubt den leisen Hauch meines Atems zu sehen, während ich mich zu ihr hinunterbeuge.

Durch den silberweiß schimmernden Löwenzahn ist der gesamte Hintergrund in ein diffuses warmes Licht getaucht. Mit dieser Momentaufnahme kann ich zufrieden sein. Die hellen Sonnenstrahlen rücken nicht nur das wunderschöne Fell meiner treuen Freundin, das in den Farben Weiß, Rot und Schwarz schimmert, ins rechte Licht, sondern verleihen auch meinen eigenen Haaren, die zu einem schlichten Pferdeschwanz gebunden sind, einen goldenen Glanz.

Mit neunundzwanzig Jahren bin ich keine strahlende junge Schönheit auf Instagram, wie sie von Heidi Klum für ihre Sendung gesucht wird. Dennoch kommt meine natürliche Ausstrahlung bei meinen Abonnenten gut an. Wenn man so will, bin ich das klassische »Mädchen von nebenan«, mit dem sich jedes weibliche Wesen mühelos identifizieren kann.

Ich bin nicht perfekt und will es nicht sein, im Gegensatz zu meinem fotogenen Sheltie, der sich zum erklärten Liebling auf Social Media entwickelt hat. Diese gelungene Aufnahme spiegelt pure Harmonie von Mensch und Tier wider, und meine Follower werden von meinem neuen Post begeistert sein.

Seit zwei Jahren führe ich meinen Blog Hundherum glücklich. Wenn man im Netz unterwegs ist, malt man sein Leben in strahlenden Farben. In Wahrheit sieht es alles andere als rosig aus. Mein Dasein ist weit entfernt von Friede, Freude, Hundekuchen. Einen Traummann werde ich mir backen müssen. Im echten Leben gibt es nämlich weit und breit kein männliches Prachtexemplar, das mich zum Anbeißen findet.

Vor einem halben Jahr ist meine große Liebe dahingeschmolzen wie Kuvertüre im Wasserbad. Nach unserer Trennung hat mein Ex-Freund unsere gemeinsame Wohnung behalten, und ich bin mit Sack und Pack in mein altes Kinderzimmer in meinem Elternhaus gezogen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man wieder in das vertraute Nest zurückkehrt, nachdem man den Absprung in die Freiheit geschafft hatte.

Auch beruflich gesehen läuft nicht alles bestens. Nach meiner Ausbildung als Bankkauffrau habe ich zwei Fortbildungen zur Bankfachwirtin und Bankbetriebswirtin absolviert. Unterm Strich haben sich diese Maßnahmen nicht gerechnet. In den vergangenen Jahren habe ich mich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten gehangelt, und zum dreißigsten April werde ich meinen aktuellen Arbeitgeber verlassen und mir eine neue Beschäftigung suchen müssen.

Mit interessanten Stellenangeboten sieht es in meiner Heimat mau aus. In Zeiten der Digitalisierung sind viele Filialen geschlossen worden. Wahrscheinlich werde ich mich auf eine längere Durststrecke gefasst machen müssen. Von diesen Dingen müssen die Leser meines Blogs nichts wissen. Schließlich möchte ich sie nicht mit meinen privaten Problemen belasten.

Mit einem tiefen Seufzer speichere ich meinen Eintrag ab, drücke auf »Senden« und klappe den Laptop zu. »Komm, Amy. Heute haben wir genug an unserem Blog gesessen. Jetzt müssen wir uns auspowern.«

Amy und ich sind ein unzertrennliches Gespann. Wenn ich an meinem Laptop arbeite, ist meine süße Hündin immer an meiner Seite. Heute hat sie brav auf ihrem kuscheligen Hundekissen gelegen und vergnügt an einem Kauknochen genagt.

Nun spitzt sie ihre kleinen Ohren, läuft zum Flur und bringt mir ihre Leine, die ich auf der Garderobe liegen gelassen habe.

»Gut gemacht!«, lobe ich sie, während ich sie vorschriftsmäßig anleine, und Amy schaut mich mit glänzenden Augen an. Dann verlassen wir das Haus. »Ich bin so stolz auf dich!« Sie ist ein unkompliziertes Mädchen, das sich gut an veränderte Lebensumstände anpassen kann.

Bei unserer Rückkehr in mein Elternhaus sind Amy und ich mitten in den Alltag eines eingespielten Paares gepurzelt, das seine Freiheit genossen hat. Trotzdem haben wir es gar nicht so schlecht getroffen. Nach dreißig Jahren sind meine Eltern immer noch glücklich, und wir sind fest in ein harmonisches Familienleben integriert.

In aller Herrgottsfrühe unternehme ich immer einen kleinen Spaziergang mit Amy. Danach ist ein gemeinsames Frühstück mit meinen Eltern angesagt. Wenn ich mit meinem Auto zur Arbeit fahre, darf Amy bei meinen Eltern bleiben. Sie führen eine gemeinsame Hausarztpraxis in der Nähe meines Elternhauses, und sie können sich ihren Tagesablauf relativ frei einteilen. Auf diese Weise muss Amy nicht lange allein bleiben.

Früher hat meine Mutter Amy immer mittags aus der schicken Wohnung abgeholt, die mein Ex-Freund und ich gemietet hatten, und ich habe sie am späten Nachmittag wiedergesehen, wenn ich von meinem Arbeitsplatz direkt zu meinen Eltern gebraust bin.

Über dieses Arrangement war meine Mutter glücklich, weil sie selbst eine ausgeprägte Schwäche für Hunde besitzt und sich ihren Herzenswunsch in meiner Kindheit wegen ihres beruflichen Engagements als Hausärztin versagt hat.

Mein Ex-Freund hat die Verantwortung für ein Haustier nicht übernehmen wollen. Deshalb sind alle Pflichten, die mit der Haltung von Amy verbunden sind, an mir hängen geblieben.

Eigentlich geht es mir heute besser. Ich lebe in einem Haus, in einem hübschen Zimmer mit Vollpension und Familienanschluss, verbringe meine Freizeit mit Amy und kann meine Kröten für unsere gemeinsame Zukunft sparen. Als einziges Kind genieße ich die volle Aufmerksamkeit meiner Eltern und bin in einem Kokon von Fürsorge und Liebe geborgen. Dennoch wünschte ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen, wieder in meinen eigenen vier Wänden leben und mein eigenes Süppchen kochen – pardon: meine eigenen Hundekuchen backen.

Von meinem Elternhaus bis zu unserem Wäldchen sind es nur fünfhundert Meter. Meine Eltern leben auf dem Land, in einem kleinen Dorf in der Gemeinde Rottach-Egern in Bayern, und ich bin ein bekennendes Landei. Ich liebe meine Heimat und könnte mir nicht vorstellen, mein Leben an einem anderen Ort zu verbringen.

Beim Spazierengehen mit Amy bleibe ich immer wieder stehen und schaue mich aufmerksam um, und das liegt nicht nur daran, dass meine Kleine überall schnuppern und die neuesten Nachrichten ihrer tierischen Freunde lesen möchte. Nein, wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich immer auf der Suche nach dem perfekten Motiv bin. Die wunderschöne Landschaft bietet sich für ausgedehnte Fotoshootings an.

Vor zwei Wochen war ich mit meiner besten Freundin Lilly unterwegs, die ich seit dem Kindergarten kenne. Lilly und ich fotografieren leidenschaftlich gern, besitzen teure Kameras und haben viele Kurse bei der Volkshochschule absolviert. Natürlich können wir nicht mit professionellen Fotografen mithalten. Wir sind und bleiben Laien, weiter nichts. Fotografieren macht einfach riesigen Spaß!

Amy ist nach wie vor unser Lieblingsmodell. Wie alle Shelties ist sie fotogen und gelehrig, und sie ist längst daran gewöhnt, dass wir sie in jeder Lebenslage für meinen Blog ablichten. Nach unserem letzten Hunde-Shooting haben Lilly und ich uns alle Fotos auf den Laptop gezogen und angefangen, die Bilder mit einem speziellen Programm zu bearbeiten. Besonders gut gelungen ist ein Bild, das Amy vor einem blühenden Kirschbaum zeigt. Ich bin so gespannt, was meine Oma sagt, wenn sie dieses Porträt von unserem Liebling sieht.

Amy stupst mich sanft mit der Schnauze an und holt mich in die Realität zurück. Ich kann gar nicht anders, als in die Hocke zu gehen und sie an mich zu drücken. Wenn man so will, ist Amy mein Baby. Ich habe hart für dieses Glück kämpfen müssen. Nach einer stürmischen Sommerliebe hatte sich mein Freund im grauen Alltag als ein Workaholic entpuppt, der auf Karriere und Status abfuhr. Hochzeit und Kinder standen nicht auf seiner Agenda.

Anfangs habe ich geglaubt, mich mit seinem Lebensmodell arrangieren zu können. Mir war klar, dass auch ein Ring am Finger keine Garantie für lebenslanges Glück bietet. Mit neunundzwanzig Jahren muss ich mir nicht den Kopf über meinen Kinderwunsch zerbrechen. Meine biologische Uhr tickt noch nicht, und es gibt keinen vernünftigen Grund, in heillose Panik zu verfallen. So weit, so gut. Nur in einem Punkt habe ich nicht mit mir handeln lassen: Auf ein Haustier konnte und wollte ich nicht verzichten.

Ich habe mich nach einem kleinen Wesen gesehnt, dem ich meine ganze Liebe schenken kann. Mein Ex-Freund hat den Kopf geschüttelt, als ich ihm von meinem großen Wunsch nach einem eigenen Hund erzählt habe. Seiner Meinung nach sollte man kein Haustier halten, wenn man berufstätig ist. Hunde bauen eine intensive Bindung zu ihrem Besitzer auf und möchten sich nicht von ihm trennen.

Als aufstrebende Führungskraft sollte ich mich auf meinen Job konzentrieren. Vor zeitintensiven Fortbildungen kann man sich nicht drücken, wenn man die Sprossen der Karriereleiter erklimmen will. Deshalb hielt mein Freund es für das Beste, meinen Traum auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Nach seinen klaren Worten war ich wie vor den Kopf geschlagen.

Aber ich hatte gute Argumente. Seit meine Mutter fünfzig ist, hat sie ihre tägliche Arbeitszeit als Ärztin reduziert, und sie kümmert sich gern um meinen Hund, wenn ich meine beruflichen Verpflichtungen erfülle. Wenn alle Stricke reißen, ist meine Oma bereit, als Hundesitter einzuspringen. Wo ist also das Problem?

Meine Oma und ich haben ein enges Verhältnis. Seit meinen ersten Lebenstagen hat sie sich um mich gekümmert, wenn meine Eltern in der Praxis waren. Sie steht mir sehr nahe und ist immer für mich da.

Deswegen habe ich sie gebeten, mich bei der Auswahl eines Hundebabys zu beraten und zu einem erfahrenen Züchter in der Nähe zu begleiten, nachdem mein Freund sein »Okay« gegeben hatte.

Wenn man so will, war es Liebe auf den ersten Blick, als ich mich über die Wurfkiste gebeugt und die winzigen schlafenden Welpen beobachtet habe, die sich ganz eng aneinandergeschmiegt haben. Amy war die Kleinste, und sie hat mein Herz im Sturm erobert.

Als der Züchter sie in meinen Arm gelegt hat, hat sie sich an mich gekuschelt und mich mit ihren braunen Knopfaugen angeschaut – und es war um mich geschehen. Seit unserer ersten Begegnung vor zwei Jahren bin ich rundherum – oder eben: hundherum – glücklich. Na ja, nicht vollkommen, aber mit einem eigenen Hund ist man nahe dran …

»Was meinst du, Amy, wollen wir ins Auto hüpfen und unsere Oma besuchen?«

Natürlich ist diese Frage rein rhetorisch gemeint. Die Entscheidung liegt immer noch bei mir. Dennoch warte ich gespannt auf ihre Reaktion.

Amy kläfft begeistert und signalisiert mir ihr Einverständnis.

»Alles klar, meine Süße!«

Nachdenklich werfe ich einen Blick auf meine Armbanduhr, während wir uns auf den Heimweg machen. »Es ist gleich fünf, dann können wir uns mit Oma in aller Ruhe unterhalten und platzen nicht in ihr Abendbrot.«

Mein Auto ist mein ganzer Stolz. Es ist ein dunkelgrün lackierter Suzuki Jimny, der schon einige Jahre auf dem Buckel, aber mich noch nie im Stich gelassen hat. Mit meinem Fröschlein ist es nur eine Viertelstunde bis zu der Seniorenresidenz, die in traumhafter Lage am Fuße des Wallbergs gelegen ist.

Für meine Oma war der Umzug ein wichtiger Einschnitt in ihrem Leben. Nach dem Tod meines Großvaters hat sie mehrere Jahre lang allein in ihrer gemütlichen Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus gelebt, das nicht allzu weit von meinem Elternhaus entfernt gelegen war. Vor einem halben Jahr hat sie sich zum Verkauf ihrer Immobilie entschlossen und ist in eine hübsche Zweizimmerwohnung in der Seniorenresidenz gezogen, die sie ganz nach ihrem eigenen Geschmack einrichten durfte.

Es ist ein tröstlicher Gedanke, ihre vertrauten Möbel in der neuen Umgebung wiederzusehen. Dennoch fällt es mir immer noch schwer zu akzeptieren, dass Oma nicht mehr in ihren eigenen vier Wänden wohnt. Wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre, hätte Oma zu uns ziehen sollen. Doch meine Oma lässt sich nichts vorschreiben. Sie will unabhängig bleiben und ein Leben nach ihren Vorstellungen führen. Basta!

Ach, ich kann es kaum erwarten, Oma wiederzusehen. Deshalb drücke ich das Gaspedal meines Fröschleins kräftig durch, als wir uns auf den Weg machen.

Zwanzig Minuten später laufen Amy und ich durch den gepflegten, weitläufigen Park, der sich rund um die Seniorenresidenz erstreckt. Heute sitzt Oma mit einem Buch auf einer Bank und genießt die warmen Sonnenstrahlen.

Als sie uns sieht, steckt sie ihre Lektüre in ihre Tasche und kommt uns entgegen. »Mila! Wie schön, dass du mich besuchst. Meine kleine Freundin Amy hast du auch mitgebracht.«

In dieser Seniorenresidenz sind nicht nur Tiere von Besuchern erlaubt, sondern die Bewohner dürfen ihre eigenen Haustiere halten. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, und ich bin froh darüber, dass meine kleine Sheltie-Hündin willkommen ist. Amy hängt an meiner Oma. Sie winselt vor Wiedersehensfreude, macht Männchen und lässt sich von Oma kraulen.

»Hallo, Oma!« Impulsiv falle ich ihr um den Hals und küsse sie auf beide Wangen. Dann lasse ich sie wieder los und schaue sie prüfend an. »Gut schaust du aus!«

Das ist nicht gelogen. Für ihr Alter sieht meine Oma blendend aus. Ihre weißen Haare sind zu einem modischen Kurzhaarschnitt frisiert, und sie ist sportlich-elegant gekleidet. In ihrem schicken Hosenanzug mit der weißen Bluse macht sie eine gute Figur, während ich in meiner verwaschenen Jeans, einer karierten Bluse und den ausgetretenen Chucks ziemlich schäbig aussehe.

»Mir geht’s ja auch gut, Mila. Hier kann man sich wohlfühlen.« Mit leuchtenden Augen schaut sie sich um, und ich muss ihr recht geben.

Auf meine Heimat lasse ich nichts kommen, und die Seniorenresidenz könnte an keinem schöneren Ort gelegen sein. Dieser Ansicht sind nicht nur wir Einheimischen, sondern auch die vielen Touristen, die ihre Ferien am Tegernsee verbringen. Mit der Wallbergbahn erreicht man in kürzester Zeit unseren Hausberg. Von der Bergstation hat man eine traumhafte Aussicht auf den türkisblau glitzernden Tegernsee. Hin und wieder kann man sogar Drachen- und Gleitschirmflieger bewundern, die sich wie bunte Farbkleckse am leuchtendblauen Himmel ausnehmen, wenn sie die Leichtigkeit des Seins auskosten und frei wie ein Vogel durch die Luft schweben.

Die Seniorenresidenz fügt sich harmonisch in das ländliche Umfeld ein. Wie die meisten Einrichtungen für alte Menschen besteht sie aus mehreren Gebäuden mit modernen Appartements und einem zentralen Hauptgebäude, in dem nicht nur die Lobby mit Rezeption und Büros für die Verwaltung, sondern auch geschmackvoll eingerichtete Gemeinschaftseinrichtungen wie Bibliothek, Kaminzimmer, Kegelbahn, Kiosk, Restaurant, Sporthalle, Schwimmbad und Sauna untergebracht sind.

»Ja, es ist herrlich!«, gebe ich zu. »Trotzdem kann ich immer noch nicht verstehen, warum du diese Entscheidung getroffen und deine Selbstständigkeit aufgegeben hast.«

»Das liegt auf der Hand, Mila.« Liebevoll legt Oma den Arm um meine Schultern und kehrt mit Amy und mir zu ihrer Lieblingsbank zurück. »In diesem Februar bin ich zweiundachtzig Jahre alt geworden.«

»Ha! Du bist fit wie ein Turnschuh«, platze ich heraus. »Mit achtzig hast du sogar das Goldene Sportabzeichen abgelegt.«

»Der liebe Gott meint es gut mit mir, und ich bin ihm sehr dankbar, Mila. Eines Tages werde ich nicht mehr so aktiv sein können. Hier kann ich komfortabel und sicher in meinen eigenen vier Wänden leben, ohne auf eine erstklassige stationäre Pflege verzichten zu müssen, wenn es einmal so weit ist.«

Verschmitzt lächelt Oma mich an. »Inzwischen habe ich mich gut eingelebt und neue Freundinnen gefunden, die ich nicht mehr missen möchte. Du glaubst gar nicht, wie viele reizende alte Damen hier leben. Wir sind ein eingespieltes Team, spielen Bridge, gehen im Park spazieren, unternehmen Ausflüge in die nähere Umgebung und freuen uns bei schlechtem Wetter auf unseren herrlichen Wellness-Bereich mit Schwimmbad und Sauna.«

»Ich versteh’s ja, mit dem Kopf. Mit dem Herzen fällt es mir schwer.«

»Mein liebes Mädchen.« Oma nimmt mich in die Arme und drückt mich an sich. »Jetzt haben wir immer nur von mir geschwätzt. Erzähl mir lieber von dir. Was machst du? Unternimmst du viel mit Lilly?«

»Momentan bin ich auf mich allein gestellt«, muss ich eingestehen und schneide eine Grimasse. »Lilly sitzt in einem Seminar und muss lernen, bis ihr Kopf raucht.«

»Ich kann gut verstehen, dass du Lilly vermisst.« Oma nickt zustimmend. »Sie ist ein fröhliches Mädchen, mit dem man Pferde stehlen kann.«

»Vor zwei Wochen haben wir eine coole Fotosession gemacht«, fahre ich fort und wühle in meiner Handtasche. »Möchtest du die neuen Bilder von Amy sehen?«

»Natürlich.« Oma greift nach meinem Tablet, auf dem ich alle Aufnahmen gespeichert habe. »Amy ist ein Schatz. Sie sorgt für Stimmung und bringt uns zum Lachen. Was würden wir nur ohne sie tun?«

»Schöner wohnen«, flachse ich. »Hab ich dir schon erzählt, dass Mama und Papa sich vor einigen Tagen einen Staubsaugerroboter für Hundehaare gekauft haben? Amy war ganz aus dem Häuschen und ist hinterhergeschlichen. Als er um ihr Hundebettchen gekurvt ist, wären ihr fast die Augen aus dem Kopf gefallen.«

»Ich kann deine Eltern gut verstehen.« Oma lächelt. »Bei den dicken Fellflusen von Amy ist dieses teure Gerät eine vernünftige Anschaffung.«

»So klinisch rein wie in der Praxis wird es nimmer!«

Oma stimmt in mein Lachen ein. »Nein, wenn man ein Tier hält, muss man gewisse Abstriche machen.«

»Papa bedauert es bestimmt, dass ich wieder in meinem alten Kinderzimmer logiere.« Ich zwinkere ihr zu. »Jetzt ist sein ruhiges Leben dahin.«

»Ach was, Stefan soll sich nicht so haben. Sonst bekommt er es mit mir zu tun«, erklärt Oma energisch. »Darf ich dein Tablet behalten? Heute Abend möchte ich meinen Freundinnen deine Bilder zeigen. Sie sind schon ein bissl neidisch auf unseren kleinen Liebling.«

»Na klar!«, stimme ich sofort zu. »Dann habe ich einen guten Grund, in den nächsten Tagen wieder hier aufzukreuzen und dein stilles Leben in dieser ländlichen Idylle aufzumischen.«

Kapitel 2

»Wie sind deine Pläne für den heutigen Tag?«, fragt Papa und gießt sich in aller Seelenruhe eine Tasse Kaffee ein.

Es ist neun Uhr dreißig, und wie jeden Samstagmorgen sitzen wir an dem massiven Holztisch in der großzügigen Wohnküche.

In meinem Elternhaus wird Natürlichkeit großgeschrieben, und meine Eltern haben sich für eine Einrichtung im zeitlosen alpenländischen Landhausstil entschieden. Vor den hellen Ziegelwänden hebt sich das warme, rötlich schimmernde Massivholz wirkungsvoll ab, und ich fühle mich in eine längst zurückliegende Epoche versetzt, obwohl alle technischen Geräte zweifellos den neuesten Stand der Technik widerspiegeln.

Amy hat ihren Lieblingsplatz in ihrem Körbchen vor dem nostalgischen Kachelofen gefunden und döst vor sich hin, während ich unruhig auf meinem Stuhl hin und her rutsche, weil ich genau weiß, welche Wendung unsere freundliche Unterhaltung nehmen wird.

»Um zehn Uhr will ich zum Friseur. Danach muss ich neue Bewerbungsfotos machen lassen. Im Netz habe ich eine interessante Stellenanzeige gefunden«, antworte ich und beiße in mein Brötchen mit selbst eingekochter Marmelade, um nicht zu weiteren Auskünften gezwungen zu werden. »Allzu große Chancen rechne ich mir nicht aus, weil mir in dem Bereich Berufserfahrung fehlt. Trotzdem will ich zumindest mein Glück versuchen …«

»Sehr gut.« Papa nickt und fährt sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Im letzten Sommer ist er neunundfünfzig Jahre alt geworden, aber er sieht mit seiner durchtrainierten Figur und dem sonnengebräunten Teint viel jünger aus. »Wenn alle Stricke reißen, kannst du dich immer noch an der Uni einschreiben …«

Auf diesen Vorschlag weiß ich keine passende Antwort. Als ich nach dem Abitur eine duale Ausbildung absolviert habe, war mein Vater etwas enttäuscht. Denn er hat sich gewünscht, dass ich mich für ein Medizinstudium entscheide, damit ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten und ihre Praxis übernehmen kann.

»Es ist Milas Leben, nicht deins«, sagt Mama und tätschelt seine Hand. Nicht nur optisch bildet sie mit ihren blonden Locken, die zu einem kinnlangen Bob geschnitten sind, den perfekten Gegensatz zu meinem dunkelhaarigen Vater. Auch ihr ruhiges Wesen ergänzt das Temperament meines Vaters, und ich kann mir kaum ein harmonischeres Ehepaar auf dieser Welt vorstellen. »Als du jung warst, hast du dich auch über die Wünsche deiner Eltern hinweggesetzt.«

»Weil mir rechtzeitig klar geworden ist, dass jedem Mediziner die Welt offensteht, Kerstin. Ob man sich für Ärzte ohne Grenzen engagiert, Reisende auf einem Kreuzfahrtschiff betreut oder eine kleine Praxis auf dem Dorf führt – man kann überall kranken Menschen helfen«, entgegnet Papa.

»Mach dir keine Sorgen um Mila. Sie geht schon ihren Weg.«

Die lieben Worte von Mama tun mir gut. Leider bin ich von diesem Ziel noch meilenweit entfernt. In der Bank fühle ich mich wohl. Trotzdem schlägt mein Herz nicht für nüchterne Zahlen, sondern für kreatives Backen – auch wenn ich meinen Traum von einem eigenen Café noch keinem anderen Menschen auf der Welt eingestanden habe.

»Seid mir nicht böse. Ich muss mich auf die Socken machen.«

Hastig räume ich das benutzte Geschirr zusammen, um einer weiteren Diskussion über meine berufliche Zukunft aus dem Weg zu gehen. »Ich bin dann mal weg.«

Kurze Zeit später sitze ich im Salon »Scharfe Schnitte« und trage Mike meinen Wunsch nach einer optischen Veränderung wegen der anstehenden Vorstellungsgespräche vor.

»Ach, Gottchen, ach, Gottchen!« Kopfschüttelnd löst Mike meinen Messie Bun und fährt mit einem breitzinkigen Kamm durch meine Mähne. »Dann musst du ganz neu durchstarten.«

»Ja.« Ich nicke und senke verlegen die Lider.

Mike ist tief betroffen und lässt mich nicht mehr zu Wort kommen. »Auf jeden Fall musst du einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wenn die Personalchefs deine Bewerbungsunterlagen durchblättern. Lass mich mal nachdenken, was ich für dich tun kann.«

Seit einem halben Jahr ist Mike der Friseur meines Vertrauens. Als extrovertierte Persönlichkeit liebt er es, im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu stehen. In unserem Dorf gelingt ihm das spielend. Mit seiner ausgefallenen Kleidung, dem modischen Piercing und dem kessen Bärtchen im Pirates-of-the-Caribbean-Look wirkt er wild und verwegen, und als Hair-Stylist kann er sich vor Anfragen gar nicht mehr retten.

Mike ist ein angenehmer Gesprächspartner, hört aufmerksam zu und gibt kluge Ratschläge für alle Lebenslagen. Als schwuler Mann von Welt wahrt er stets die Diskretion und verrät kein einziges Sterbenswörtchen über die kleinen und großen Geheimnisse, die ihm Stars und Sternchen aus der Schickeria anvertraut haben.

»So schlimm ist es gar nicht.« Ich gebe mich betont optimistisch. »Meine Oma sagt: Wenn sich eine Tür schließt, geht eine andere auf.«

»Oder ein Fenster«, ergänzt Mike trocken und legt seinen Kamm beiseite. »Dann kannst du gleich reinklettern und deine Bewerbungsunterlagen auf den Tisch legen. Noch cooler wäre es, wenn du dir eine Schleife umbindest und dich auf den Schreibtisch setzt. Dann steppt der Bär, das sag ich dir.«

Entschlossen greift er nach einer Haarfarbkarte und lässt seinen Finger über die gefärbten Strähnen gleiten. »Nee, Schätzchen, wir müssen handeln. Innere Werte sind gut und schön. Trotzdem sollten deine optischen Vorzüge ins Auge fallen. Aschenputtel war gestern, heute wirst du aussehen wie eine Märchenprinzessin.«

Ich lege zaghaft Widerspruch ein: »Wie eine seriöse Angestellte würde mir schon reichen.«

Mike schüttelt energisch den Kopf. »Willst du mich beleidigen? Nein, Mila, halbe Sachen liegen mir nicht. Ich will dich in einem strahlenden Licht sehen. Die Voraussetzungen sind gar nicht so schlecht. Wenn ich ehrlich bin, erinnerst du mich an Taylor Swift. Allerdings bist du auf ihrer Entwicklungsstufe als Country Girl stehengeblieben. Für mein Leben gern würde ich dir ihre rattenscharfe neue Frisur verpassen.«

Bei diesen Worten rutscht mir mein Herz in die Hose. »Willst du mir meine langen Haare abschneiden?«

Meine glänzende Mähne war für mich immer ein Zeichen von Weiblichkeit. Mit einem radikalen Umstyling kann und will ich mich nicht anfreunden.

Mit bebenden Lippen und feuchten Augen starre ich Mike an.

Er gluckst leise. »Ach, Baby, auf Drama steh ich nicht. Also bleib locker, ich tue es nicht. Jedenfalls nicht, wenn du mir nicht dein ausdrückliches Einverständnis gibst.« Nach einer kleinen Kunstpause fährt er fort: »Heute will ich deine Vorzüge herausarbeiten. Was hältst du von feinen Strähnen? Ein warmes Honigblond ist total angesagt und passt perfekt zum Sommer. Die Haarspitzen könnte ich mit einem leichten Platinblond akzentuieren, das sorgt für den letzten Schliff. Dann schaust du aus wie von der Sonne geküsst, warm und sinnlich.«

»Hmmm …« Lieber würde ich mich von einem attraktiven Mann küssen lassen. Ich bin noch nicht ganz von meiner Generalüberholung überzeugt.

Mike lässt nicht mehr locker: »Für die Bewerbungsfotos zaubere ich dir einen romantischen Chignon mit einem Mittelscheitel und einem lockeren Pony mit herausfallenden Strähnchen. Mit diesem Look siehst du edel und sexy zugleich aus. Zum Anbeißen, Schätzchen, glaub’s mir.«

»Okay. Von mir aus spiele ich Taylor Swift, wenn es dich glücklich macht. Allerdings musst du mir hoch und heilig versprechen, dass ich keine Auszeichnung als schlechteste Sängerin der Welt bei den nächsten American Music Awards bekomme.«

»Garantiert nicht, Schätzchen«, verspricht Mike. »Schließlich singst du nicht bei der Arbeit. Lass mich mal machen. Deine neue Haarfarbe ist der absolute Hammer. Mit diesen drei Farbtönen kann man dich nicht mehr in eine Schublade stecken. Ab sofort brauchst du die ganze Kommode. Ich mache dich zu einer aufregenden Frau, von der man spricht!«

Anderthalb Stunden später starre ich in den Spiegel, betrachte mich verzückt von allen Seiten und kann mich gar nicht von meinem Anblick losreißen. Mike versteht sein Handwerk. Er hat nicht zu viel versprochen. Die neue Haarfarbe schmeichelt meinem Teint und lässt mich frisch und strahlend aussehen. Auch die romantische Frisur steht mir ausgezeichnet. Ich kann’s immer noch nicht richtig fassen, was Mike in dieser kurzen Zeit geleistet hat. Diese faszinierende junge Frau soll ich sein?

»Jetzt müssen wir in die Puschen kommen, sonst verpasst du dein Shooting«, sagt Mike und scheucht mich zur Kasse. »Darf ich dir noch einen heißen Tipp geben?«

»Ja?« Wie eine Musterschülerin hänge ich an seinen Lippen.

Er schenkt mir ein spitzbübisches Lächeln. »Spar nicht am verkehrten Ende, sondern hau gleich mehr Geld auf den Kopf, als du dir vorgenommen hast. Bewerbungsfotos sind wichtig. Trotzdem sollte eine ausgefallene Beauty-Aufnahme drin sein. Mindestens! Du bist der kommende Star auf dem Red Carpet. Ich spür es ganz tief in meinem Herzen – und ich kann mich auf meine Eingebungen verlassen. Vergiss das niemals, Schätzchen.«

Nach dem Shooting im Fotoatelier steht ein weiterer Termin auf meiner Agenda, den ich meinen Eltern verschwiegen habe. Vor wenigen Tagen habe ich den Immobilienmarkt in unserer Tageszeitung durchstöbert und eine Anzeige entdeckt, die mein Herz höherschlagen lässt:

Erstbezug nach Sanierung!Wir vermieten ein modernes Appartement in sehr ruhiger Lage für Naturliebhaber an den Weißachauen.

Eine Wohnung in der Nähe eines Landschaftsschutzgebietes klingt zu schön, um wahr zu sein. Der Preis ist heiß: 690 Euro Kaltmiete für 45 Quadratmeter ist ein Schnäppchen für unsere hiesigen Verhältnissen. Tierhaltung ist ausdrücklich erlaubt. Besser geht’s nicht. Sofort habe ich mir mein Handy geschnappt, den Makler überzeugt und einen Termin für eine Besichtigung ausgemacht.

Als ich mein Ziel erreicht habe, trifft mich fast der Schlag. Leider bin ich nicht die Einzige, die von einem neuen Dach über dem Kopf träumt. Der geschäftstüchtige Makler hat die Gunst der Stunde genutzt und acht weitere Interessenten zu »meinem« Termin eingeladen. Das kann ja heiter werden.

Missmutig mustere ich meine Konkurrenten, während ich mich brav in die Schlange vor der Haustür einreihe. Es sind fast nur Frauen, die sich für das Appartement interessieren. Männer scheinen höhere Ansprüche zu stellen. Lediglich ein Quoten-Mann ist mit von der Partie.

Bei meinem sagenhaften Glück wird er garantiert das Rennen machen. Wie soll ich gegen einen praktisch veranlagten Kerl konkurrieren, der sich freiwillig als Hausmeister anbietet? Gegen meine forschen Rivalinnen, die bereits in den Startlöchern stehen, um das Appartement zu stürmen, rechne ich mir ebenfalls kaum eine Chance aus.

Ach, warum geht immer alles schief? Warum sind so viele Menschen hier? Warum müssen sie sich ausgerechnet für diese winzige Wohnung interessieren? Sind sie genauso klamm wie ich? Können sie sich nichts Besseres leisten?

»Grüß Gott!« Der Immobilienmakler heißt uns willkommen und scheucht uns im Gänsemarsch durch das Appartement. »Schauen Sie sich ruhig um, so ein tolles Objekt finden Sie so schnell nicht mehr!«

In der Realität ist es weit entfernt davon, der Traum meiner schlaflosen Nächte zu sein. Papier ist geduldig. Offensichtlich verstehe ich es nicht, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Immobilie liegt mitten in der Pampa, weitab von allen Geschäften des täglichen Bedarfs entfernt. Ohne Auto ist man rettungslos verloren. Das Appartement ist in einem schlichten Mehrfamilienhaus gelegen, zweiter Stock, links. Es gibt weder Balkon noch Loggia, geschweige denn einen Garten, den alle Mieter nutzen dürfen. Wer ins Grüne will, muss sich auf den Weg ins Naturschutzgebiet machen und einen Platz an der Sonne suchen. Das ist ein harter Schlag, wenn ich an den heißen Sommer denke, den die Meteorologen angekündigt haben.

Nachdenklich inspiziere ich den schmalen Flur, der wenig Stellfläche bietet. Mit gutem Willen reicht es für eine Garderobe. Das angrenzende Bad ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt kein Fenster, und als ich das Licht einschalte, ist das laute Dröhnen der automatischen Lüftung zu hören, die mich an ein startendes Flugzeug erinnert. Für Schlafmützen ist diese Ausstattung ein klarer Vorteil. Wenn man morgens ins Bad tapst, ist man mit einem Schlag hellwach.

Wie der Makler betont, ist das Bad gründlich saniert worden. Ich bin nicht davon überzeugt. Allzu viel Geld können die Eigentümer nicht investiert haben. Die Fliesen erinnern an Restposten aus dem Baumarkt, und die sanitäre Ausstattung ist mit Dusche, Waschbecken und Toilette spartanisch ausgefallen. Für eine Badewanne ist kein Platz mehr vorhanden. Folglich muss man ein heißes Schaumbad nach einem langen Spaziergang im Regen streichen, denke ich traurig, schließe die Tür hinter mir und tapse in einen hellen Raum, der mit pflegeleichtem Laminat in Holz-Optik ausgelegt worden ist. Meine Miene hellt sich schlagartig auf. Er ist nicht allzu groß, aber für bescheidene Ansprüche mehr als ausreichend. Hier kann man sich ein kombiniertes Wohn-Schlaf-Zimmer einrichten, und für ein Hundebettchen findet sich genügend Platz.

Was die Küche betrifft, kann ich alle Hoffnungen fahren lassen. Mit hochgezogenen Brauen betrachte ich die winzige Kochzeile in weißem Lack, die sich in einer angrenzenden Nische verbirgt. Eins ist definitiv sicher. Hier kann ich keine lukullischen Meisterwerke zustande bringen. Einen Backofen gibt es nicht, bloß eine praktische Mikrowelle. Als Single muss man kleine Brötchen backen, aber das Aufwärmen von Dosensuppen ist keine optimale Lösung.

Nachdem ich alle Räume gesehen habe, schaue ich aus dem Fenster und ziehe ein kritisches Fazit. Sicher, es ist nicht alles perfekt. Dennoch kann ich aus dieser Wohnung etwas machen. Vorausgesetzt, dass ich den Zuschlag bekomme und das Mädchenzimmer in meinem Elternhaus wieder gegen eigene vier Wände tauschen kann.

Mit fast dreißig Jahren mag ich nicht mehr mit meinen Eltern zusammenleben. Ich will nicht undankbar sein, ganz bestimmt nicht. Meine Eltern sind tolerante Menschen und lassen mir genügend Freiraum. Dennoch möchte ich mein eigener Herr sein. Soll mein Papa jeden Lover unter die Lupe nehmen, der mich zu einem Date entführen will? Soll ich ihn heimlich in mein Bettchen schmuggeln und meiner Mama zum Frühstück präsentieren? Nee, diese Vorstellung ist zu grauslich. Ich brauche eine eigene Bleibe, sonst kann ich jede Chance auf eine neue Beziehung vergessen.

Selbstbewusst spricht der Makler mich an: »Nun, was halten Sie von diesem Objekt? Gefällt es Ihnen?«

Ich schiebe alle Bedenken beiseite und stimme ihm begeistert zu: »Ja!«

Genau wie die anderen Interessenten. Niemand zieht seine Bewerbung zurück. Zur Belohnung dürfen wir ein vorbereitetes Formular entgegennehmen und eine Mieterselbstauskunft in unserer schönsten Handschrift ausfüllen.

Der Makler fühlt uns auf den Zahn. Neben den üblichen persönlichen Angaben müssen wir unseren jetzigen Vermieter und den Grund des Wohnungswechsels benennen. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht laut herauszuplatzen. Soll ich hier ernsthaft meine Eltern eintragen? Bin ich die perfekte Untermieterin? Werden sie mir ein gutes Zeugnis ausstellen?

Ach was, ich darf mir nicht so viele Gedanken machen. Ehrlich währt bekanntlich am längsten. Gegen mich laufen keine zivil- und strafrechtlichen Prozesse, und eine eidesstattliche Versicherung habe ich noch niemals abgeben müssen. Mein Konto ist nicht in den Miesen, und einen Notgroschen hab ich auf der hohen Kante. Also ist alles im grünen Bereich.

Mein Blick bleibt am nächsten Absatz hängen, und meine Euphorie plumpst zusammen wie ein Käsekuchen. Der Vermieter will eine Schufa-Selbstauskunft sehen, die letzten drei Gehaltsabrechnungen – und eine aktuelle Bescheinigung des Arbeitgebers, dass man sich in einer ungekündigten Stellung befindet. Damit ist die Sache entschieden. Eigentlich brauche ich das Formular gar nicht mehr abzugeben. Meine Bewerbung wird in der Papiertonne landen. Ich bin raus! Verdammt noch mal!

Was für ein Tag! Nach einem langen Spaziergang mit Amy sitze ich an meinem Laptop, massiere meine pochenden Schläfen und checke meinen Mail-Account. Wie immer ist mein virtuelles Postfach randvoll mit neuen Nachrichten. In erster Linie sind es entzückte Kommentare meiner Follower auf meinen letzten Post, auf die ich mit einigen lieben Worten reagiere.

Hin und wieder erhalte ich sogar Kooperationsanfragen von Unternehmen, die meinen fotogenen Sheltie als Model für ihre Produkte einsetzen möchten. Wenn ich wollte, könnte ich nicht nur modisch angesagte Halsbänder und Leinen für Amy, sondern auch schicke Ketten und Armbanduhren für mich abstauben, die ich betont unauffällig auf meinen Aufnahmen ins rechte Licht rücken soll. Meistens lehne ich kategorisch ab. Als Petfluencer möchte ich nicht im Netz unterwegs sein. Ich bin nicht käuflich, und mein Blog soll weitgehend frei von Werbung sein.

Amy drückt sich gegen meine Beine und winselt leise. Für ihren Geschmack verbringe ich viel zu viel Zeit im Netz. Lieber sollte ich mit ihr Bällchen spielen. Mit einem schlechten Gewissen beuge ich mich zu ihr hinunter und streichle sie sanft mit der linken Hand, während ich mich mit meiner rechten weiter durch die Nachrichten scrolle. »Ich mach gleich den Laptop aus, meine Süße.«

In diesem Moment bleibt mein Blick an einer Mail hängen, die mit dem Betreff »We didn’t realize we were making memories – we just knew we were having fun« gekennzeichnet ist. Nanu? Was soll dieser Spruch bedeuten? Meine Neugierde ist geweckt. Auch wenn mir der Absender nichts sagt, klicke ich die Nachricht nicht einfach weg, sondern lese mir den Text gründlich durch. Wenige Minuten später schnappe ich nach Luft. Es ist eine Einladung zu einem ganz besonderen Ehemaligentreffen.

Als wir vor zehn Jahren unser Abitur gemacht haben, waren wir felsenfest davon überzeugt, dass die Welt nur auf uns gewartet hat. Nun sollen wir uns auf einer Party wiedersehen und uns von unseren Erlebnissen erzählen. Unsere ehemaligen Jahrgangsstufensprecher haben gleich eine geheime Gruppe auf Facebook gegründet, in der wir miteinander Kontakt aufnehmen können.

Mir wird heiß und kalt zugleich, als ich mich auf meinem Account einlogge, eine förmliche Beitrittsanfrage stelle und auf den Profilen meiner ehemaligen Mitschüler spazieren gehe. Das Leben von anderen Menschen kann spannend sein. Wenn ich die bunten Fotos betrachte, muss ich schlucken. Allem Anschein nach haben meine Klassenkameradinnen alles richtig gemacht.

Einige Frauen haben eine steile Karriere gestartet. Eine Boutique-Besitzerin posiert in teuren Outfits auf nationalen und internationalen Mode-Events, eine Stewardess postet Fotos von ihren Reisen rund um die Welt, und eine Golf-Club-Managerin sonnt sich im Glanz von Prominenten, die ich aus der Klatschpresse kenne.

Andere Mitschülerinnen setzen auf das kleine Glück. Sie sind im sicheren Hafen der Ehe gelandet, strahlen an der Seite von attraktiven Männern und präsentieren Bilder ihrer glücklichen Familien vor repräsentativen Eigenheimen.

Was kann ich diesen perfekten Frauen entgegensetzen? Nichts. Gar nichts. Auf meinem Account sieht es traurig aus. Meine beste Freundin Lilly nennt mich einen »Silvesterknaller«, weil ich am 31. Dezember Geburtstag habe. Meiner Ansicht nach liegt sie mit dieser Einschätzung falsch. Tatsächlich würde ich mich als einen ausgeglichenen, ruhigen Menschen beschreiben. Funken sprühe ich nur, wenn ich zornig bin. Auf den großen Knall in meinem Leben warte ich vergebens.

Bisher war mein Leben ein langer, ruhiger Fluss. Von einem eindrucksvollen beruflichen Werdegang ist weit und breit keine Spur zu entdecken. Was das private Glück anbelangt, kann ich nicht mithalten. In meinem Leben gibt es weder Mann noch Kinder – geschweige denn eine Immobilie, die meinen sozialen Status widerspiegelt.

Desillusioniert logge ich mich wieder aus und fahre den Rechner herunter, bevor meine Minderwertigkeitskomplexe die Oberhand gewinnen können. Wenigstens besitze ich einen Hund. Und was für einen!

Kapitel 3

»Ach, Mila, du tust mir so leid!« Mitfühlend greift Lilly nach meiner Hand und drückt sie fest, während wir gemeinsam mit Amy durch die Felder stapfen.

Es ist Samstagvormittag, und ich bin heilfroh, dass meine beste Freundin ihre Fortbildung erfolgreich abgeschlossen hat und wieder nach Hause zurückgekehrt ist. Eigentlich heißt Lilly Elisabeth. Unsere Eltern waren nicht sehr kreativ und haben uns nach unseren jeweiligen Großmüttern benannt. Trotzdem hat Lilly ihrem klassischen Vornamen einen modernen Touch verliehen. Genauso wie ich.

Was die äußere Erscheinung betrifft, könnten wir nicht unterschiedlicher sein. Sie ist eine sportliche Schönheit und überragt mich um einen halben Kopf. Modisch gesehen, setzt sie gern Akzente. Ihr weißes Shirt und die Boyfriend-Jeans hat sie mit einer ausgefallenen Longstrickjacke im Ethno-Stil kombiniert, ihr schwarzes Haar fällt lässig über ihre Schultern, und sie trägt eine modische Brille.

»Wie soll es für dich weitergehen?«

»Keine Ahnung.« Ich zucke mit den Achseln. »Meine letzte Bewerbung war ein richtiger Schuss in den Ofen. Sie ist noch nicht mal in die engere Wahl gekommen, sondern gleich ausgemustert worden. Wahrscheinlich werde ich mich auf eine längere Durststrecke einstellen müssen. So viele freie Stellen gibt es hier in der Nähe nicht.«

»Muss es unbedingt eine Bank sein?«, hakt Lilly nach.

»Ich weiß nicht.«

Lilly hat ihren Finger mitten in die Wunde gelegt. Verlegen rede ich um den heißen Brei herum. »Theoretisch stehen mir alle Wege offen. Wenn ich wollte, könnte ich mich sofort für BWL einschreiben. Wenn es nach meinem Vater geht, sollte ich meine Koffer packen, nach München ziehen und Medizin studieren. Dabei kann ich es als Ärztin nicht weit bringen – schließlich falle ich sofort in Ohnmacht, wenn ich Blut sehe.«

»Wahrscheinlich sinkst du deinem Professor in die Arme, wenn du sezieren musst.« Lilly kichert. »Tröste dich, meine Eltern können immer noch nicht verstehen, dass ich nicht ihre Apotheke übernehmen will.«

»Ja, wir machen es unseren Eltern nicht leicht, weil wir alle gutgemeinten Pläne für unsere Zukunft durchkreuzen«, stimme ich ihr zu. »Glücklicherweise hast du einen jüngeren Bruder, der auf seine Eltern hört und die Familientradition hochhält.«

»Ja, dank Benedikt sterben die Pillendreher in unserer Familie nicht aus. Allerdings ist er von München schwer begeistert und will gar nicht mehr heimkommen.«

»Amy würde sich in München nicht wohlfühlen.«

Amy ist einige Schritte vorausgelaufen. Als sie ihren Namen hört, läuft sie sofort zu mir zurück und lässt sich hinter den Ohren kraulen.

»Wir bleiben immer zusammen, oder?«

»Ja, ein Studium mit Hund kann man in einer Großstadt vergessen. In den meisten Wohnungen ist keine Tierhaltung erlaubt«, stimmt Lilly mir zu. »Also wirst du dir etwas anderes einfallen lassen müssen.«

»Kommt Zeit, kommt Rat, sagt Oma immer. Allerdings ist Däumchen drehen nicht gerade meine Stärke.« Ich seufze. »Glücklicherweise habe ich ja noch meinen Blog. Sonst würde mir zu Hause garantiert die Decke auf den Kopf fallen.«

»Deine Storys sind so erfrischend, ich freue mich immer über jeden neuen Post, den du dir einfallen lässt. Unsere Mitschülerinnen werden Bauklötze staunen, wenn sie von deinem Blog erfahren.«

Unser Spaziergang steht unter einem schlechten Stern. Wieder hat Lilly ein heikles Thema angeschnitten, das ich unbedingt vermeiden wollte. »Hm.«

»Du hast doch die Einladung zum Klassentreffen bekommen?«

»Ja«, antworte ich gedehnt. »Ich hab sie gestern Abend gesehen.«

»Hast du schon auf die Mail geantwortet? Gehst du hin?«

»Ich weiß nicht.«

»Hast du was anderes vor?«

»Nein.«

»Dann verstehe ich nicht –«

»Mensch, Lilly, denk mal nach. Normalerweise stehst du nicht so auf der Leitung.«

»Mila, du spinnst.« Lilly lacht mich einfach aus. »Hast du Schiss?«

»Ja.« Meine Stimme wackelt, und meine Augen füllen sich mit Tränen. In der letzten Zeit bin ich viel zu nah am Wasser gebaut. »Ich kann mit den anderen Frauen nicht mithalten. Hast du dir mal ihre Profile angesehen? Sie führen ein perfektes Leben, während ich von einer Katastrophe in die nächste schlittere …«

»Mach dich nicht kleiner, als du bist, Mila. Vielleicht läuft nicht alles, wie du es dir vorgestellt hast. Trotzdem gibt es keinen vernünftigen Grund, dich in ein Mauseloch zu verkriechen.«

»Ach, Lilly, ich weiß nicht …«

»Denk positiv, Mila. Du bist ein kreativer Mensch, kannst gut texten und zauberst mit deinen Artikeln allen Lesern ein Lächeln ins Gesicht.«

»Ach was. Schreiben kann jeder …«

»Die ganzen Stars und Sternchen müssen erst mal klare Beweise für ihre sensationellen Erfolge vorlegen. Als Bloggerin solltest du Fiktion und Realität voneinander trennen können. Wir gehen zum Klassentreffen und werden uns mal davon überzeugen, wie es hinter den Kulissen ausschaut.«

Während unseres Gesprächs sind wir an einer blühenden Frühlingswiese vorbeigegangen. Überall leuchtet es in strahlendem Weiß und Gelb, und Lilly bleibt stehen und schaut sich mit leuchtenden Augen um. »Was hältst du von diesem zauberhaften Hintergrund? Sollen wir das gute Wetter nutzen und neue Bilder für deinen Blog schießen?«

Ich stimme ihr erleichtert zu: »Oh ja.« Mein Blog ist ein absolut unverfängliches Gesprächsthema. Und Amy kann ich mir gut inmitten von Narzissen und Tulpen vorstellen. Harte Kontraste mag ich nicht in der Tierfotografie. Für meinen Geschmack wirkt es viel harmonischer, wenn man einen Hund in einer natürlichen Umgebung fotografiert, die auf die Farbe seines Fells abgestimmt ist. »Wie gut, dass wir immer eine Kamera dabeihaben.«

»Die kluge Frau baut vor.« Lilly kichert und macht sich an der schweren Tasche zu schaffen, die über ihrer Schulter baumelt. »Los, Amy, it’s Showtime.«

Aufmerksam spitzt Amy ihre Ohren. Im Laufe der vergangenen Monate ist sie zu einem Profi geworden, was das Fotografieren angeht. Wir führen immer Leckerlis mit uns, mit denen wir sie für ihren Einsatz vor der Kamera belohnen, und Amy betrachtet das Posieren als ein lustiges Spiel.

Deshalb fällt es mir leicht, sie zu der wilden Wiese zu lotsen und ihr klare Anweisungen zu geben, wie sie sich verhalten soll. »Amy, mach Platz.«

Gehorsam nimmt Amy die gewünschte Position ein. Ich habe das Gefühl, dass sie ganz entspannt und locker ist, als Lilly vor ihr in die Knie geht und auf den Auslöser drückt. Man könnte fast von einem Lächeln sprechen, wenn man ihr ausdrucksstarkes Gesichtchen betrachtet. Ihr Mäulchen ist leicht geöffnet, und ihre weißen Zähnchen sind zu sehen. Bei diesem Anblick wird mir ganz warm ums Herz. Ach, es ist so schön, einen eigenen Hund zu besitzen!

Leider hält meine gute Laune nicht so lange an, wie ich es mir gewünscht habe. Als ich mich um das Abendessen kümmern will, bin ich deutlich neben der Spur. Heringsstipp mit Pellkartoffeln ist zwar nicht gerade mein Lieblingsessen, aber normalerweise für mich kein Grund, Trübsal zu blasen.