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In der Chronik der SPD von 1913 bis 2011 fallen vor allem zwei Konstanten auf: Der aggresive Antikommunismus der SPD-Führung und die Rolle der SPD als Kriegspartei. Konstantin Brandt hat dieses Buch einem ehrlichen Sozialdemokraten gewidmet, wie es sie auch heute noch zahlreich in der SPD gibt. Auch ihnen möchte diese Chronik hilfreich sein. Lieder und Texte der Arbeiterbewegung ergänzen die Chronik.
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Seitenzahl: 114
Konstantin Brandt
Das kleine Schwarzbuch der deutschen Sozialdemokratie
2012 • Verlag Wiljo Heinen, Berlin
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Konstantin Brandt
wurde am 8. Januar 1947 in Berlin geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend.
1965 bestand er sein Abitur an der Käthe-Kollwitz-Schule, war danach ein Jahr an der Bezirksleitung der FDJ Berlin tätig, bevor er in den bewaffneten Organen der DDR seinen langjährigen Friedensdienst leistete.
Als studierter Buchhändler führte er nach 1989 eine Buchgroßhandlung in der Nähe von Schwerin, war dort auch etliche Jahre hauptamtlich im Wahlkampf der Landespartei der PDS tätig und Mitglied des Landesvorstandes.
Seit 2004 ist er wieder in seiner Geburtsstadt, einige Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit der Tageszeitung »Neues Deutschland« tätig.
Bekannt ist er als Mitglied des Vorstandes des RotFuchs-Fördervereins und als Leiter einer Territorialen Arbeitsgruppe der GRH in Treptow-Köpenick.
Im Verlag Wiljo Heinen erschien das von ihm zusammen mit Rainer Rupp, Karl Rehbaum und der GRH e.V. herausgegebene Buch »Stopp NATO. 60 Jahre NATO – 60 Jahre Bedrohung des Friedens«.
Gewidmet meinem Vater Karl Brandt, der seit 1923 als Vorsitzender der SAJ in Neukölln auch während der Zeit des Faschismus standhaft blieb und als Delegierter des Vereinigungsparteitages 1946
Wer schafft das Gold zutage? Wer hämmert Erz und Stein? Wer webet Tuch und Seide? Wer bauet Korn und Wein? Wer gibt den Reichen all ihr Brot und lebt dabei in bittrer Not?
Das sind die Arbeitsmänner, das Proletariat!
Worte: Johannes MostWeise: Zu Mantua in Banden, 1871
Auf dem ersten Parteitag nach ihrem erfolgreichen Kampf gegen das Sozialistengesetz wurde 1890 in Halle aus der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Grundlage ihres Wirkens war das marxistische »Erfurter Programm«. Bedeutende Arbeiterführer wie Paul Singer, August Bebel und Wilhelm Liebknecht standen an der Spitze der Partei, die 1899 etwa 100.000 Mitglieder und 1913/14 bereits 1.085.905 zählte. Sie besaß 73 Zeitungen mit einer Auflage von ca. 400.000 Exemplaren. Es war eine revolutionäre Partei, die den politischen, ökonomischen und ideologischen Kampf der deutschen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines marxistischen Programms führte.
Zahlenmäßig war sie die größte und erfahrenste Massenpartei. Sie besaß in der II. Internationale führenden Einfluss und gründete unter anderem
freie Gewerkschaften;
die Arbeiter Turn- und Sport-Bewegung;
die Konsumgenossenschaftsbewegung.
Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts organisierte sie erfolgreich Massenaktionen, z.B.
1891 gegen Lebensmittelzölle,
1893 gegen die Militärvorlage,
1894/95 gegen die Umsturzvorlage,
1897 gegen das »kleine Sozialistengesetz« und gegen Flottenrüstung und die Zuchthausvorlage,
1900 gegen die Aggression gegen China und gegen Brotwucher,
1904–1907 gegen den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwest-Afrika,
1905/06 gegen die drohende Kriegsgefahr (Marokkokrise) und gegen das Dreiklassenwahlrecht in Preußen,
1905–1907 für eine breite Solidarität für das kämpfende russische Proletariat und gegen Militarismus und Kriegsvorbereitungen.
In den eigenen Reihen kämpfte sie gegen Revisionismus und Zentrismus. An der Spitze standen die entschiedenen Marxisten und mutigen Klassenkämpfer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.
»Die unzertrennliche Verbindung des Imperialismus mit der kapitalistischen Entwicklung, deren legitimes Kind er ist ... das ist, was wir der Arbeiterklasse begreifen lehren müssen. Und daraus muß sie die Konsequenz ziehen, daß man Imperialismus, Krieg, Länderraub, Völkerschacher, Rechtsbruch, Gewaltpolitik nur bekämpfen kann, indem man den Kapitalismus bekämpft, indem man dem weltpolitischen Völkermord die soziale Revolution entgegenstellt. Sucht man innerhalb der imperialistischen Politik Abhilfe und Lösungsmittel für seine Konflikte und will man sich seinem Sturm und Drang widersetzen, indem man ihn einfach auf das bereits überwundene zurückzuschrauben versucht, so ist das nicht proletarische, sondern kleinbürgerliche, hoffnungslose Politik.
Diese Politik ist im Grunde nichts andres als stets Verteidigung des Imperialismus von gestern gegen den Imperialismus von heute.«
(Rosa Luxemburg)
Der Einfluss der Opposition wuchs trotzdem beständig.
Was nach dem 4. August 1914 bis heute aus dieser Partei wurde, soll in einer kurzen Chronik aufgeführt werden.
Wenn Phantasten in der Partei DIE LINKE (PdL) an eine von Gysi angemahnte »Sozialdemokratisierung« der SPD glauben, ist an diese Chronik zu erinnern.
Eine vorgeschlagene »Vereinigung« mit dieser SPD wäre kein Weg zurück zu Bebel und Liebknecht, sondern der Weg der PdL nach Bad Godesberg.
Doch nun ist es kalt trotz alledem.Trotz SPD und alledem,ein schnöder, steifer Winterwinddurchfröstelt uns, trotz alledem.
Trotz alledem und alledem,trotz Grundgesetz und alledem,drückt man uns mit Berufsverbotdie Gurgel zu, trotz alledem.
Doch hat der Staat sich nur blamiert,vor aller Welt, trotz alledem,auch wenn die Presse Lügen schmiert,das Fernsehn schweigt, trotz alledem.
Trotz Mißtraun, Angst und alledem,es kommt dazu trotz alledem,daß sich die Furcht in Widerstandverwandeln wird, trotz alledem.
Hannes Wader(nach Ferdinand Freiligrath) [2]
Reichskanzler
09. 11. 1918 – 13. 02. 1919 Friedrich Ebert
13. 02. 1919 – 20. 06. 1919 Philipp Scheidemann
21. 06. 1919 – 26. 03. 1920
Gustav Bauer
27. 03. 1920 – 08. 06. 1920
Hermann Müller
Reichspräsident
1919 – 1925 Friedrich Ebert
Innenminister
21. 06. 1919 – 03. 10. 1919 Eduard David
10. 05. 1921 – 22. 10. 1921 Georg Gradnauer
23. 10. 1921 – 14. 11. 1922 Adolf Köster
14. 08. 1923 – 03. 11. 1923 Wilhelm Sollmann
28. 06. 1928 – 27. 03. 1930
Innenminister von Preußen
12. 11. 1918 – 04. 01. 1919 Rudolf Breitscheid / Paul Hirsch
25. 03. 1919 – 26. 03. 1920 Wolfgang Heine
29. 03. 1920 – 10. 03. 1921 Carl Severing
07. 11. 1921 – 06. 10. 1926 Carl Severing
Oktober 1926 – 28. 02. 1930 Albert Grzesinski
März 1930 – 21. 10. 1930 Heinrich Waentig
Polizeipräsident von Berlin
1918 – 1919 Wilhelm Eichhorn
1919 – 1920 Eugen Ernst
1920 – 1925 Wilhelm Richter
1925 – 1926 Albert Grzesinski
1926 – 1930 Karl Zörgiebel
Bundeskanzler
1969 – 1974 Willy Brandt
1974 – 1982 Helmut Schmidt
1998 – 2005 Gerhard Schröder
Innenminister
17. 09. 1982 – 01. 10. 1982 Jürgen Schmude
Oberbürgermeister von Groß-Berlin
1946 – 1947 Otto Ostrowski
1947 – 1948 Louise Schröder (amtierend)
Oberbürgermeister von Berlin (West)
30. 11. 1948 – Januar 1951 Ernst Reuter
Regierender Bürgermeister von Berlin (West)
Januar 1951 – 1953 Ernst Reuter
1955 – 1957 Otto Suhr
1957 – 1966 Willy Brandt
1966 – 1967 Heinrich Albertz
1967 – 1977 Klaus Schütz
1977 – 1981 Dietrich Stobbe
1981 Hans-Jochen Vogel
Parteivorsitzende seit 1913
1911 – 1913 August Bebel und Hugo Haase
1913 – 1916 Friedrich Ebert und Hugo Haase
1916/1917 Friedrich Ebert
1917 – 1919 Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann
1919 – 1922 Hermann Müller und Otto Wels
1922 – 1928 Hermann Müller, Otto Wels und Arthur Crispien
1928 – 1931 Otto Wels und Arthur Crispien
1931 – 1933 Otto Wels, Arthur Crispien und Hans Vogel
im Exil:
1933 – 1939 Otto Wels und Hans Vogel
1939 – 1945 Hans Vogel
Nachkrieg:
1945 – 1946 Otto Grotewohl (Sowjetische Besatzungszone)
1945 – 1946 Kurt Schumacher (Westzonen)
Westdeutschland/BRD:
11. 05. 1946 – 20. 08. 1952
Kurt Schumacher
27. 09. 1952 – 14. 12. 1963
Erich Ollenhauer
10. 02. 1964 – 14. 06. 1987
Willy Brandt
14. 06. 1987 – 26. 09. 1990
Hans-Jochen Vogel
29. 05. 1991 – 03. 05. 1993
Björn Engholm
03. 05. 1993 – 25. 06. 1993
Johannes Rau (komm.)
25. 06. 1993 – 16. 11. 1995
Rudolf Scharping
16. 11. 1995 – 12. 03. 1999
Oskar Lafontaine
12. 03. 1999 – 21. 03. 2004
Gerhard Schröder
21. 03. 2004 – 15. 11. 2005
Franz Müntefering
15. 11. 2005 – 10. 04. 2006
Matthias Platzeck
Der deutsche Imperialismus setzte seine Kriegsrüstung fieberhaft fort. 1912 und 1913 peitschte er im Reichstag Gesetze durch, die eine bisher nicht gekannte Vermehrung des Heeres und der Kriegsflotte vorsahen. Diese militärische Rüstungspolitik erforderte die einmalige Ausgabe von einer Milliarde Mark und laufende Ausgaben von jährlich 200 Millionen Mark.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion brach erstmals mit dem alten, bewährten Grundsatz der Partei »Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!« und bewilligte dem deutschen Imperialismus am 30. Juni 1913 die Besitzsteuervorlage zur finanziellen Deckung der Rüstungskosten.
In diesem Jahr musste die Sozialdemokratie in Deutschland auch den schweren Verlust mit dem Tod des großen Arbeiterführers August Bebel am 13. August hinnehmen.
Am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. in Berlin die Vertreter aller im Reichstag vertretenen Parteien um sich und erklärte in einer Thronrede:
»Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Zum Zeichen dessen, daß Sie festentschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschied, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.«
Diese von Reichskanzler Bethmann Hollweg formulierten Sätze trafen bei den Parlamentariern selbst von der oppositionellen SPD auf fast ungeteilte Zustimmung. Ein zentraler Grund dafür war, dass es der Regierung während der Julikrise gelungen war, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass das Deutsche Kaiserreich sich in einem Verteidigungskrieg gegen Russland befände. Das glaubten auch weite Teile der SPD und die ihnen nahestehenden Gewerkschaften.
Das Parlament stimmte bei zwei Enthaltungen geschlossen für die benötigten Kriegskredite.
Die Gewerkschaften, die mit der SPD eng verbunden waren, hatten schon am 2. August erklärt, während des Krieges auf Streiks und Lohnforderungen zu verzichten.
Der Reichstag beschloss mit den Stimmen der SPD auf Neuwahl nach Ablauf der Legislaturperiode und öffentliche Tagungen des Plenums zu verzichten.
Die SPD hatte wenige Tage vorher noch Massendemonstrationen für den Frieden abgehalten und zum Widerstand gegen den Krieg aufgerufen. Noch am 25. Juli waren ihre Losungen: »Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Es lebe die internationale Völkerverbrüderung!«
Gleich nach Kriegsbeginn änderte sich die Meinung der rechten Führer der SPD. Gegner des Krieges, wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, gerieten in der Partei in die Isolation.
Ausgehend von der Überzeugung, man würde einen Verteidigungskrieg gegen den Aggressor Russland führen, stand am 31. Juli im »Vorwärts«: »Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die vaterlandslosen Gesellen ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen.«
Der Fraktionsvorstand der SPD beschloss mit vier gegen zwei Stimmen für die Bewilligung der Kriegskredite. Die Fraktion beschloss mit 78 gegen 14 Stimmen deren Annahme und stimmte der Bewilligung im Reichstag einstimmig zu. Der Parteivorsitzende Hugo Haase zur Begründung: »… das eigene Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen.«
Bei der zweiten Sitzung stimmte Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter der SPD gegen die Bewilligung der Kriegskredite. Bei der dritten Sitzung am 20. März 1915 stimmte Otto Rühle gemeinsam mit Karl Liebknecht gegen die Kriegskredite.
Die Antikriegshaltung einiger Mitglieder der SPD, wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Clara Zetkin führte zu deren Ausschluss. Diese revolutionären Burgfriedensgegner bildeten 1917 die Spartakusgruppe, waren der linke Flügel der USPD und gründeten nach dem Ende des I. Weltkrieges und der Novemberrevolution 1919 die KPD.
Am 14. Januar brach in Wien ein Generalstreik aus. Am 28. Januar traten in Berlin über 400.000 Arbeiter in den Streik und wählten einen Arbeiterrat. Alle Versuche der rechten SPD-, USPD- und Gewerkschaftsführer, den Ausbruch des Streiks zu hintertreiben, waren gescheitert. Die Zahl der Streikenden in ganz Deutschland wuchs schnell auf über eine Million. Der Massenstreik spiegelte den Einfluss der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution wider. Er zeigte, dass in der Stimmung des deutschen Proletariats eine entscheidende Wende eingetreten war.
Am 3. November begann die Novemberrevolution in Deutschland mit dem bewaffneten Aufstand der Matrosen der deutschen Kriegsflotte in Kiel, dem sich die Kieler Arbeiter mit einem Generalstreik anschlossen. Obwohl der kaiserliche Staatsapparat und die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie die Ausbreitung der Revolution zu verhindern suchten, erhoben sich in den folgenden Tagen die revolutionären Arbeiter und Soldaten und mit ihnen Angehörige der anderen werktätigen Klassen und Schichten in ganz Deutschland und bildeten Arbeiter- und Soldatenräte als ihre Kampforgane, die anfangs vielerorts reale Macht ausübten. Am 9. November kam es in Berlin zum Generalstreik und zum bewaffneten Aufstand. Aufgerufen hatte dazu auch die Spartakusgruppe.
So erzwang die Novemberrevolution den Sturz der Hohenzollern-Monarchie, der Fürsten und der kaiserlichen Regierung sowie demokratische Rechte und Freiheiten für die Volksmassen.
Am 9. November bildete sich der als provisorische Regierung gebildete Rat der Volksbeauftragten (Ebert, Landsberg und Scheidemann von der SPD, Barth, Dittmann und Haase von der USPD).