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Das Lachen der vernarbten Seele beschreibt Michaela sehr gut. Als kleines Mädchen von einem deutschen Lehrerehepaar adoptiert sollte sie eigentlich die schönste Zeit ihres Lebens noch vor sich haben. Doch anstatt Liebe und Zuwendung zu erfahren durchlebt Michaela die Hölle auf Erden. Emotionaler und körperliche Missbrauch bestimmen von nun an ihr Leben. Als erwachsene Frau macht sich Michaela auf die Suche nach ihren Wurzeln und fliegt für einige Zeit in ihr Heimatland Brasilien. Der Besuch des ehemaligen Kinderheimes und die Suche nach ihrem Bruder nehmen ihren emotionalen Höhepunkt, als sie plötzlich von jemanden erkannt wird. Eine Person, die ihr als Kind sehr nahe stand….
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2021
Livia
Das Lachen der vernarbten Seele
Impressum
Copyright 2021 by Livia
Layout & Design:
MS-Design
Covergestaltung:
MS-Design
Lektorat:
Melanie Stadelbauer
Verlag & Druck:
Tredition, Halenreihe 40-44 22359 Hamburg
ISBN Softcover:
978-3-347-31030-8 (Paperback)
ISBN Hardcover:
978-3-347-31031-5 (Hardcover)
ISBN E-Book:
978-3-347-31032-2 (e-Book)
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die Verbreitung des Inhalts, auch einzelner Teile, bedarf der schriftlichen Genehmigung durch die Autorin.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT
KAPITEL 1 – DIE ENTSCHEIDUNG
KAPITEL 2 – IN DER FREMDE
KAPITEL 3 – DER ERSTE ERFOLG
KAPITEL 4 – IM KINDERHEIM
KAPITEL 5 – INTERNAT
KAPITEL 6 – AM ZIEL
KAPITEL 7 – ZURÜCK NACH HAUSE
PERSÖNLICHES SCHLUSSWORT
Vorwort
Ein Kind adoptieren zu können ist für viele Menschen ein wahrer Segen. Denn Menschen, die auf natürlichem Wege keine leiblichen Kinder bekommen können, haben so die Möglichkeit, trotzdem noch Eltern sein zu dürfen. Auch für viele Kinder ist es ein Segen. Anstatt im Waisenhaus oder Kinderheim aufwachsen zu müssen, können sie so Teil einer Familie sein, zu der sie fest dazu gehören.
Liebevolle Eltern, die immer für sie da sind, vielleicht auch Geschwister, mit denen man sich streiten und versöhnen kann. Freunde, eine gute Schulbildung, ordentliche Kleidung und immer ein gesundes Essen auf dem Tisch.
Wenn man traurig ist, ist eine Mama da, die einem tröstend über die Haare streicht und Kakao kocht, damit man sich nach einem langen Tag im Schnee wieder aufwärmen kann.
Eigentlich also eine perfekte Lösung. Sollte man zumindest meinen.
Doch was ist, wenn genau das zum Albtraum wird? Was, wenn die Familie, in die man hineinadoptiert wurde, alles ist, nur nicht liebevoll?
Was, wenn Schläge und seelische Misshandlungen an der Tagesordnung sind?
Dann kann etwas, was eigentlich ein Segen sein sollte, zum größten Horror werden, den man je erlebt hat.
Michaelas Leben war von Geburt an schwierig. Sie ist als erste Tochter eines Arbeiterehepaares in Brasilien geboren worden. Ihre Eltern, einfache Arbeiter mit sehr niedrigem Einkommen, die Mutter krank, konnten sich nicht um sie kümmern. Das Jugendamt hatte den Eltern nahegelegt, ihre Tochter zu Adoption freizugeben.
In Deutschland gibt es viele reiche Ehepaare, die Kinder aus armen Ländern adoptieren möchten und diese Lösung ist dem Ehepaar ideal erschienen. So hat zumindest ihre Tochter eine Chance auf ein gutes Leben. Ein Leben in einem liebevollen Zuhause, mit einer guten Schulbildung und vielen Freunden.
Und so ist es gekommen, dass Michaela in Deutschland aufgewachsen ist.
Ihr Leben allerdings war alles andere als ein Segen für sie. Geprägt vom Missbrauch durch eine überforderte Adoptivmutter macht Michaela sich als erwachsene Frau auf die Suche nach ihren Wurzeln.
Dabei trifft sie auf viele Menschen, die ihren Weg bereichern und je näher sie ihrem Ziel kommt, desto mehr lernt sie jemanden kennen, der ihr bis dahin völlig fremd war: Ihr wahres ICH.
Kapitel 1 – Die Entscheidung
„Uff, war das eine harte Nuss!“
Michaela lässt sich mit einem tiefen Seufzer auf ihr schwarzes Sofa fallen.
Sie war ja darauf gefasst gewesen, dass der Termin beim Jugendamt nicht einfach wird. Aber damit hat sie nicht gerechnet.
„So eine dumme Kuh! Die hat dermaßen versucht, dass alles herunterzuspielen, dass man glatt denken könnte, die hängt da persönlich mit drin. Am liebsten hätte ich der den Kopf sowas von gewaschen. Dieses sinnlose Gesäusel. Glaubt die denn, dass jeder, der nicht studiert hat oder nicht aus Deutschland kommt, doof im Hirn ist? Ist die allen Ernstes wirklich davon überzeugt, dass ich für mein Leben dankbar sein soll?
Die hat sowas von keine Ahnung…!“
„Jetzt mach mal halblang. Du bist ja schon ganz rot vor lauter Wut. So kenn ich dich überhaupt nicht!“
Michaelas Freund Markus setzt sich mit einer Tasse dampfendem Tee neben sie aufs Sofa und schaut seine Freundin mit einem skeptischen Blick an.
„Schau mich nicht so an. Das nervt. Die Frau war wirklich total behämmert!“
„Ok ok“, sein Ausdruck wird freundlicher, da er sieht, wie ernst es ihr ist. „Ich kann nur nicht verstehen, warum du dich gar so aufregst. Die Frau war doch gar nicht daran beteiligt. Die Arme ist doch nur der Bote, der die leidige Aufgabe hat, dich dabei zu begleiten, wenn du in deine Akten schaust.
Sie kann selbst gar nicht beteiligt gewesen sein. Dafür ist sie viel zu jung. Die ist höchstens 30 und somit jünger als du es bist! Wahrscheinlich ist sie erst kurze Zeit mit ihrem Studium fertig und wird für solche Aufgaben abgestellt.“ Er macht eine kurze Pause, um zu überlegen, was er sagen könnte. „Also ja, versuch mal, das Ganze aus einem neutraleren Blickwinkel zu betrachten. Ich weiß nicht, vielleicht kann sie so viel Scheiße schlichtweg selbst nicht verkraften und hat deshalb versucht, das Ganze abzuschwächen?“
„Sie arbeitet beim Jugendamt. Sie sollte das abkönnen und ernst nehmen.“ Michaela steht auf und schaut nachdenklich aus dem Fenster. Ihr Blick schweift in die Ferne und sie ist so sehr in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkt, dass ihr Freund ebenfalls vom Sofa aufsteht und sich neben sie stellt.
„Scheiße, hast du mich jetzt erschreckt! Warum machst du das immer, hä? Du weißt, dass ich das nicht leiden kann. Lass mich in Ruhe, ich muss nachdenken! Nur für mich allein!“, schnauzt Michaela ihn energisch an und verlässt schnaubend das Wohnzimmer.
Rumms. Als die Haustüre ins Schloss fällt, wackeln sogar die Gläser in der Vitrine.
Und weg ist sie.
Kopfschüttelnd geht Markus ins Bad, um zu duschen. Der lange Arbeitstag hat seine Spuren hinterlassen und er möchte eigentlich nur noch ins Bett fallen und sich ausschlafen. Doch wieder mal kommt ihm das Temperament seiner Freundin in die Quere.
Warum kann sie die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen? Ändern lässt sich das sowieso nicht mehr. Ja, sie hatte eine miese Kindheit. Aber was passiert ist, ist nun mal passiert und sie sollte sich eher darauf konzentrieren, das Schöne im Leben zu sehen, statt immer nur in den eigenen alten Wunden zu stochern.
„Es wird Zeit, dass sie endlich lernt, loszulassen.“, sagt er gedankenverloren als er wieder aus der Dusche herauskommt.
„Loslassen soll ich? Das sagt sich so einfach. Jeder sagt mir das, ob sie mich kennen oder nicht. Du hast ja ein tolles Leben hinter dir, so mit zwei großen Brüdern und deinen netten Eltern. Dir hat ja niemand die Kindheit gestohlen und dein Leben über deinen Willen hinweg bestimmt. Du wurdest nicht mit vier Jahren aus deiner Heimat in ein völlig fremdes Land verschleppt. Du hattest eine Familie, die dich liebt.
Aber ich? Alles was ich hatte, war ein Teddybär, der mich getröstet hat. Und eine Mutter, die nur deshalb ein Kind adoptiert hat, weil es ihr nicht „gut zu Gesicht“ gestanden hätte, als Lehrerin keine Kinder zu haben. Ich hatte keine Kindheit und bis vor kurzem nichts, was man irgendwie ein Leben nennen könnte. Mein Leben ist ein einziger Schrotthaufen.
Das lässt sich nicht so einfach mal eben „loslassen“! Das muss man irgendwie … ich weiß nicht … aktiv überwinden oder so, würden die ganzen schlauen Therapeuten sagen. Ich muss irgendwas machen. Kannst du das nicht verstehen?“
„Ist ja schön, dass du wieder zurück bist und dein Leben ändern willst. Aber klopf bitte das nächste Mal an, bevor du einfach ins Bad stürmst. Ich bin dermaßen erschrocken, dass ich mir fast in die Hosen gepinkelt hätte!“
„Dafür müsstest du erstmal welche anhaben!“ Michaela schaut ihn an, wie er da mitten in der Bewegung steht, ohne Hose, und ihre Laune ist wieder ein wenig hergestellt. Sie weiß, dass er es nicht böse meint, sondern nur ebenso überfordert ist mit der Geschichte wie andere auch und er kann es einfach nicht richtig nachempfinden. Sie lehnt sich an den Türrahmen.
„Ich mach uns mal was zu Essen. Hast du auch so einen Hunger wie ich? Wie wär´s mit Spaghetti Bolognese?“ Noch bevor Markus antworten kann, ist Michaela in der Küche verschwunden, um das Essen vorzubereiten.
„Markus, ich hab´ eine Entscheidung getroffen.“, erklärt Michaela ihrem Freund kurz darauf beim Abendessen.
„Oh je, diesen Blick kenne ich. Der verheißt nix Gutes! Ist es eine Racheaktion? Willst du deine Adoptivmutter im Garten verscharren?“
„Quatsch. Is nix Schlimmes. Ich habe vorhin mit meiner Chefin telefoniert. Ab nächsten Monat bekomme ich acht Wochen unbezahlten Urlaub.“
Es klingelt. Michaela steht kurz auf, gibt den Kindern vor der Tür Süßigkeiten dann kommt sie zurück zum Tisch, an dem Markus weiterhin seine Spaghetti im Löffel eindreht. „Und deinen Urlaub benötigst du für was?“, Markus schaut Michaela fragend an.
„Ich muss mich auf die Spuren meiner Vergangenheit machen. Ich muss herausfinden, wo ich herkomme, ob ich noch lebende Verwandte habe. Was mit meinen leiblichen Eltern passiert ist. Ich muss herausfinden, was damals gewesen ist und warum ich überhaupt zur Adoption freigegeben wurde.
Meine biologische Mutter muss ja einen Grund für diese Entscheidung gehabt haben. Denn eine Mutter gibt ihr Kind nicht einfach so weg. Und das gleich nach der Geburt. Irgendetwas muss vorgefallen sein. Etwas, was sie dazu gezwungen hat, mich herzugeben.
Meine Adoptiveltern haben mir immer was davon erzählt, dass sie voll verwahrlost war und dass man mich vor ihr retten musste, du weißt, die Drogen, bla bla. Aber ich glaube, das ist nicht so ganz wahr und jetzt muss ich herausfinden, was es wirklich war.“
„Du musst?“
„Ja, Markus. Ich muss. Loslassen, wie du so schön sagst, kann ich erst, wenn ich weiß, was genau ich loslassen muss. Solange ich meine Vergangenheit nicht kenne, kann ich sie nicht gehen lassen. Ich weiß, du hast damit mein Leben bei meiner Adoptivmutter gemeint. Klar, da weiß ich noch alles und damit sollte ich irgendwann abschließen können.
Aber die ersten Jahre, die Gründe, warum ich überhaupt erst zu ihr gekommen bin, die muss ich ebenso kennen, um wirklich ALLES loslassen zu können.
Und ich muss wissen, wer ich eigentlich bin. Wo ich herkomme, wie die Menschen aus meinem alten Leben so sind. Ich will eine Identität.“
Markus nimmt sich noch eine Portion von der köstlichen Bolognese. .
„Wie willst du das machen?“, fragt er. „Du bist hier in Deutschland aufgewachsen. In deinen Akten ist kaum etwas aus deiner Zeit vor der Adoption zu finden gewesen. Du weißt doch nicht einmal, wo genau du geboren bist. Es gibt keine schriftlichen Infos darüber. Du weißt ja nicht mal, ob dein Geburtsdatum überhaupt stimmt. Wie willst du das alles herausbekommen? Und vor allem: WO willst du diese Informationen finden?“
„Ganz einfach: Vor Ort. In Brasilien!“
Michaela sitzt mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf ihrem Stuhl und lehnt sich zurück.
„Brasilien??? Ok, also du willst nach Brasilien fliegen. Und wann soll das sein?“
„Am 1. November. Der Flug ist schon gebucht. Ich weiß nicht, wann ich wieder zurückkomme, aber ich habe ja acht Wochen Zeit.“
„Ähm, der 1. November ist morgen. Du sitzt hier und erklärst mir allen Ernstes, dass du vor zwei Stunden entschieden hast, morgen nach Brasilien zu fliegen, um dich auf eine völlig unbekannte Mission zu begeben?
Hast du schon mal dran gedacht, dass Brasilien jetzt nicht unbedingt das sicherste Land ist? Und so ganz ungefährlich ist das auch nicht. Und dann auch noch ganz alleine, als Frau. Ohne jeglichen Schutz. Und da möchtest du ganz allein unterwegs sein, ohne Begleitung? Bist du dir wirklich im Klaren darüber, was du da machst? Was, wenn du überfallen wirst, oder in der totalen Einöde landest? Du könntest auf Betrüger reinfallen und irgendwo in der Gosse als Leiche verscharrt werden… es gibt Bandenkriege…“
„Jetzt mach mal halblang, du redest immer noch über das Land, aus dem ich komme.