Das Leben muss man gießen - Deborah Hucht - E-Book

Das Leben muss man gießen E-Book

Deborah Hucht

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Runter vom Balkon, rein ins eigene (Klein-)Gartenparadies! Deborah und Florian Hucht machen vor, wie‘s geht: vom Guerilla Gardening im lichtarmen Hinterhof zum sonnigen Selbstversorgergarten inklusive eigenem Unkraut und eigenen Parzellennachbarn. Von Stolpersteinen, speziellen Zeitgenossen, Heimwerkerfreuden und -leiden und der ganz besonderen Gelassenheit, die der eigene Kleingarten lehrt: Mit viel Humor und Lust am Scheitern und Dazulernen laden die Autoren die Leser ins Kleingartenuniversum ein — und geben nebenbei noch jede Menge Tipps zum Selbermachen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 266

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Runter vom Balkon, rein ins eigene (Klein-)Gartenparadies! Deborah und Florian Hucht machen vor, wie’s geht: vom Guerilla Gardening im lichtarmen Hinterhof zum sonnigen Selbstversorgergarten inklusive eigenem Unkraut und eigenen Parzellennachbarn. Von Stolpersteinen, speziellen Zeitgenossen, Heimwerkerfreuden und -leiden und der ganz besonderen Gelassenheit, die der eigene Kleingarten lehrt: Mit viel Humor und Lust am Scheitern und Dazulernen laden die Autoren die Leser ins Kleingartenuniversum ein – und geben nebenbei noch jede Menge Tipps zum Selbermachen.

Deborah Huchtund Florian Hucht

Großprojekt KleingartenUnser Weg zum grünen Glück

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe 3/2021

Copyright © 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Nina Lieke

Umschlaggestaltung:Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-26468-0V001

www.heyne.de

Inhalt

Kapitel 1Vom Suchen und Finden des Kleingartenglücks – Wie man an einen Kleingarten kommt

Kapitel 2Wir wissen, was du letzten Sommer nicht getan hast – Bestandsaufnahme und erste Schritte

Kapitel 3Was das Gärtnerherz begehrt – Dinge, die Kleingärtnernde so brauchen

Kapitel 4Einer flog übers Schnurgerüst – Auf Umwegen zur Kleingartenhütte

Kapitel 5Garden’s Eleven – Typen, die ihr garantiert im Kleingarten trefft

Kapitel 6Liebling, ich habe die Beete geschrumpft! – Das Gartenjahr planen

Kapitel 7Die vielen Gesichter eines Gartens – Grundlagen der Gartengestaltung

Kapitel 8Alles eine Frage des Daumens – Pflanzen für Anfänger

Kapitel 9Willkommen bei den Preppers – Gemüse und Obst verwerten

EpilogWarum ein Garten niemals fertig wird

Bildteil

Anhang

Rezepte

Eine Garten-Übersicht

Lese-Empfehlungen

Online-Empfehlungen

Quellen

Register

Kapitel 1

Vom Suchen und Finden des Kleingartenglücks – Wie man an einen Kleingarten kommt

»Auf uns!« »Und die Terrasse, eeeendlich!« Wir stoßen an. Es ist Samstag Abend, die Sonne versinkt hinter den Hecken unserer Kleingarten-Nachbarn. Wir sitzen auf den Terrassendielen, die wir gerade erst noch verlegt und festgeschraubt haben, und feiern unser neuestes Projekt. Mehrere Tage voller Plackerei stecken darin – und uns in den Knochen. Vergangenes Wochenende haben wir den Boden geebnet, Steinplatten als Fundamente verlegt, diese mit Kies und Beton austariert und anschließend Sand verteilt, um die Dielen vor Feuchtigkeit zu schützen. Gestern und heute haben wir die Kanthölzer für die Unterkonstruktion montiert sowie die Dielen draufgeschraubt. Klingt im Nachhinein alles easy. Hat uns zwei Hobby-Heimwerker und -Kleingärtner aber reichlich Kraft und auch ein bisschen Köpfchen gekostet. »Vergesst nicht, das Gefälle einzurechnen«, hatte uns Florians Vater noch erinnert, als wir ihm von unseren Plänen berichteten. Er ist Architekt und bewahrte uns vor einem typischen Anfängerfehler. Die Neigung der Terrasse sorgt dafür, dass Regenwasser ungehindert abfließen kann. Damit wir und unsere Möbel später nicht in Schieflage geraten würden, sollte der Höhenunterschied aber nicht allzu stark ausgeprägt sein. Fingerspitzengefühl war also gefragt. Und das, während wir mit den knapp zehn Kilogramm schweren Steinplatten rumhantierten. Wir kamen ordentlich ins Schwitzen. Nicht zuletzt, weil sich der Hamburger Spätsommer dazu entschlossen hatte, noch einmal mit voller Power vorbeizuschauen, und wir jeden Tag bei um die 30 Grad in der prallen Sonne ackerten.

Das Feierabendbier schmeckt danach gleich doppelt so gut. Eigentlich dreifach, denn die Terrasse stand mindestens so lang auf unserer To-do-Liste, wie wir gebraucht haben, einen Kleingarten zu finden. Warum wir das Projekt immer wieder vor uns hergeschoben haben? Unsere Behelfsterrasse – zwei Europaletten – hat ihren Dienst wahrscheinlich einfach zu gut erledigt. Gut, unsere Möbelgarnitur hat nicht draufgepasst, die hatten wir bisher nebendran im Staub aufgestellt. Dass wir regelmäßig Werkzeug oder Schrauben zwischen den Brettern versenkten? Geschenkt. Andere Projekte schienen uns wichtiger.

»Wow, ist das herrlich«, sagt Florian und stellt fest: »Jetzt fühlt es sich so richtig nach Kleingarten-Idylle an.« Und wirklich! Wir haben unsere Gartenstühle auf die Terrasse gestellt und lassen – unsere selbst gebaute Gartenhütte im Rücken – unseren Blick über unseren Garten schweifen. Vor Kurzem haben wir die Hecke auf die kleingartenkonforme Höhe von 1,10 Metern zurückgeschnitten. Dagegen hebt sich bunt unsere Wildblumenwiese ab, die noch in vollster Blüte steht. Durch das fast schon kitschige Sonnenuntergangslicht schwirren noch ein paar Bienen und andere Insekten, was wiederum ein paar freche Vögel dazu animiert, im Tiefflug über unsere Parzelle zu düsen und ihre Chancen auf ein schmackhaftes Abendessen auszuchecken. Apropos: »Wollen wir morgen grillen?«, fragt Florian. »Klar«, antworte ich, »die Terrasse muss ja gebührend eingeweiht werden!« – Wir müssen lachen. Aus uns sprechen waschechte Kleingärtnernde. Jetzt fehlen zu unserem Schreber-Glück nur noch Flaggenmast plus Fahne unseres Lieblings-Fußballvereins. Und die Gartenzwerge. NOT!

Auf der Suche nach dem grünen Glück

Den einen Moment, in dem wir beschlossen, Kleingärtnernde zu werden? Gab es nie. Vielmehr hatten wir über die fünf Jahre, die wir in unserer 55-Quadratmeter-aber-immerhin-drei-Zimmer-Wohnung lebten, immer wieder Momente, in denen wir uns nach dem Draußensein sehnten. Dann unternahmen wir einen Spaziergang oder eine Radtour an die Elbe oder machten einen Wochenendtrip ins Hamburger Umland. Hauptsache, raus. Was wir aber bei all den Ausflügen vermissten: das Tür-auf-und-raus-Gefühl. Über einen Balkon oder eine Terrasse verfügte unsere damalige Wohnung nicht. Der Hinterhof war zwar sehr großzügig, doch wer sich hier aufhielt, saß direkt auf dem Präsentierteller, denn die Balkone sowie die meisten Wohnzimmerfenster der Wohnungen lagen zum Hof. Was uns ebenfalls störte: Jeder Trip nach draußen, der länger als zehn Minuten dauern sollte, brauchte akribische Planung. Haben wir eine Sitzgelegenheit? Sind wir warm oder kühl genug angezogen? Wie ist das mit dem Sonnenschutz? Haben wir genug Getränke dabei? Spontan grillen – ein Ding der Unmöglichkeit. Gefühlt brauchte es einen halben Umzug, einen Nachmittag im nahe gelegenen Park zu verbringen.

Als mein Bruder einen Kleingarten übernahm, lächelten wir zunächst über die neue Spießigkeit, die wir hinter der Aktion vermuteten. Und ließen uns schnell eines Besseren belehren. Nämlich, als wir während eines zweiwöchigen Urlaubs den Garten sitteten. Wie schön ist es bitte, schnell nach Feierabend noch im Garten vorbeizuradeln und ein bisschen Zeit im Grünen zu verbringen? Oder sich zu zweit oder mit Freunden zu verabreden, ein Bierchen oder eine Limo zu trinken und ein schnelles Abendessen zu grillen? Oder, während der eine alle Pflanzen gießt, schnell mal im Tomatenhaus eine Wochenration der roten Früchte zu ernten? Oder gleich alles zusammen?!

Klar, ein paar der Parzellen sind mit Tinnef überdekoriert, und in einigen wehen auch die obligatorischen Flaggen örtlicher Fußballvereine oder des Lieblings-Formel-1-Teams … aber hinter den Hecken nickte man uns freundlich zu. Als uns die Nachbarin bei unserem zweiten Besuch ansprach, erschraken wir zunächst: Ist sie sauer, weil wir »Fremde« uns im Garten aufhalten? Oder weil wir gerade den Grill anschmeißen und sie der Rauch stört? Falsch gedacht: »Moin! Ich bin Heike. Ihr macht Gieß-Dienst, oder?« Wir nickten und stellten uns vor. Und kündigten unsere zwei Freunde an, die zum Grillen vorbeikommen wollten. »Einen schönen Abend euch«, sagte Heike und fügte hinzu: »Ach so: Die Mülltonnen findet ihr links vom Eingang.« Heike bewies nicht nur hellseherische Fähigkeiten, sie widerlegte auch direkt mal mehrere Kleingärtner-Vorurteile, die uns im Kopf herumspukten. Auf ihrer Parzelle stand ein kleines Haus, das uns an Bullerbü erinnerte und so gar nicht mit den braunen Schwarzwaldhütten zu tun hatte, die wir sonst so aus den Kleingartenkolonien kannten. Auf dem Rasen – gar nicht mal so akkurat gemäht, wie wir es im Kleingarten erwartet hätten – lagen Kinderspielzeuge herum. Und in den Beeten entdeckten wir hier und da etwas Unkraut – ist das im Schrebergarten nicht verboten?!

Der Garten meines Bruders sieht ganz ähnlich aus – nur mit einem taubenblauen Häuschen drauf und mit einem vor dem Verreisen noch aufgeräumten und gemähten Rasen. Kleingärtnern geht also auch ganz entspannt und nach der eigenen Nase – trotz der vielen Vorschriften.

Wie unser Traum Gestalt annahm

Nach unserer Gartensitting-Erfahrung stand für uns fest: So etwas wollen wir auch! Also so etwas in die Richtung. Gern mit etwas mehr Platz und Gestaltungsmöglichkeiten als im Garten meines Bruders. Der war bei Übergabe schon komplett fertig gewesen, sodass sofort losgegärtnert werden konnte. Bestimmt auch toll, gerade, wenn man neben Job, Familienzeit und Hobbys außerhalb der Hecken keine größeren Projekte wuppen kann. Wir stromerten von nun an immer mal wieder durch Hamburgs Kleingartenkolonien, um uns inspirieren zu lassen. Und merkten: Wir blieben bei den Parzellen stehen, auf denen es etwas wilder zuging. Bei denen, die hinter beinahe zugewucherten Gartentoren im Dornröschenschlaf lagen. Bei denen, deren Hütten selbst zusammengezimmert aussahen. Bei denen, wo es summte und brummte, weil die vielen Blüten zahlreiche Bienen und andere Insekten anzogen.

Während wir durch die Kolonien schlenderten, sprachen wir darüber, wie unsere Wunsch-Parzelle aussieht: Im Kleingarten unserer Träume steht eine windschiefe Hütte, die etwas Liebe und Do-it-yourself-Willen braucht. Ein Weg aus verschiedenfarbigen Pflastersteinen windet sich über das Gelände. Auf der Parzelle finden sich beim zweiten Hinsehen ein paar alte Rosensträucher und knorrige Obstbäume. Von Moos und Flechten überwucherte Findlinge fassen Beete mit etwas herausgewachsenen Stauden ein. Hinter Beerensträuchern verstecken sich ein Teich, eine Trockenmauer und ein Totholzhaufen … Wer bei Pinterest »Whimsical Garden« oder »Cottage Garden« eingibt, sieht in etwa, was wir meinen.

Ideal wäre es, überlegten wir, wenn der Garten schon ein paar Fixpunkte hätte, uns aber noch Gestaltungsspielraum ließe. Und Platz und Gelegenheit, uns kreativ und handwerklich auszutoben.

Warum uns das so wichtig ist? Wir haben beide kreative Berufe im Agenturumfeld. Florian arbeitet als Art Director, ich als Content-Marketing-Spezialistin. Wir konzipieren, entwerfen und setzen Kommunikationskampagnen um. Oft werden diese aber nicht eins zu eins so kreiert, wie wir sie erdacht haben, sondern wandern über diverse Schreibtische und durch Entscheidungsrunden, in denen die Ideen verändert und an den Geschmack der Auftraggebenden angepasst werden. Dazu kommt, dass wir vor allem digital arbeiten. Ein Produkt, das wir erdacht und entwickelt haben, in die Hand zu nehmen ist meist nicht möglich. Daher ist uns beiden das Heimwerkern wahrscheinlich auch so wichtig. Unsere kleine Wohnung bot uns leider nur wenig Platz und Möglichkeiten für DIY-Projekte. Immerhin: Für unsere Katzen haben wir schon so einiges zusammengezimmert. Der Katzenkratzbaum war unser erstes gemeinsames Heimwerker-Projekt. Beim Einzug in unsere Hamburger Wohnung zimmerte Florian außerdem auf die Schnelle eine Einstieghilfe für unsere Katzen. Wir wohnen im Hochparterre, und damit kommen sie besser zum Fenster heraus und herein.

Auch für uns selbst werkeln wir hin und wieder etwas. Unsere Stühle etwa sind alle selbst neu bezogen und zum Teil auch bepolstert. Und Florian hat uns eine Pflanztreppe gebaut, die auf dem Balkon unserer ersten gemeinsamen Wohnung stand, den wir nun in Wohnung Nummer zwei aber nicht mehr hatten. Nach unserem Umzug in die schönste Stadt der Welt wanderte sie also in unseren Guerilla-Garten im Hinterhof. In einer ziemlich dunklen Ecke zwischen Küche und Schlafzimmer arrangierten wir dort ein paar Töpfe und Kübel. Hier wuchsen – Nordseite halt – mehr schlecht als recht ein paar mediterrane Kräuter, diverse Minz-Sorten sowie Himbeeren und Erdbeeren. Die Garten-Erfolge hielten sich allerdings in Grenzen. Nicht zu vergleichen mit dem, was die Geschwister über den Sommer immer so in der Familien-WhatsApp-Gruppe posteten oder wovon unsere Mütter uns am Telefon berichteten.

Gärtnern ist in unseren Familien ein großes Thema. Und war in unseren Teenie-Tagen immer wieder Anlass, mit unseren Eltern herumzudiskutieren, denn wir waren nicht schon immer Garten-Fans. Unkraut jäten, Kartoffeln häufeln, Bäume schneiden und Brennholz machen?! Nee danke, nicht freiwillig!

Irgendwann war es aber so, dass wir es genossen, mal in der Erde zu wühlen und uns die Finger schmutzig zu machen. Wir halfen meiner Schwester beim Ausbau ihres Reetdach-Hauses, schnitten begeistert Hecken und grubberten in ihrem Gemüsegarten. Wir ernteten Kartoffeln, Zwiebeln und Zucchini, um dann das Gemüse abends frisch auf den Grill oder in die Glut zu legen. Auch beim Baum- und Strauchschnitt im schwiegerelterlichen Garten in Süddeutschland halfen wir mit – und als an einem Osterfest einmal der Zünsler zuschlug, sprühte Florian einen Nachmittag lang Bio-Spritzmittel, um die Buchsbäume zu retten. Who you gonna call? Uns Garten- und Haus-Busters!

Erste Ernüchterung

Doch zurück zum Garten unserer Träume. Wir merkten schnell:

Einen zu konkreten Plan davon zu haben, wie der aussieht, bringt uns nicht viel. Denn überhaupt einen Kleingarten in Hamburg zu bekommen ist ungefähr so, wie im Lotto zu gewinnen. Einen pinterestfähigen Cottage-Garden zu ergattern hieße dann, als Einzige den millionenschweren Jackpot zu knacken. Wäre also ziemlich gut – aber auch ziemlich unwahrscheinlich!

Hamburg hat um die 320 Gartenvereine mit knapp 40000 Kleingärten. Auf den ersten Blick wirkt die Zahl gar nicht mal so klein. Wenn man die Sache allerdings statistisch betrachtet, schrumpfen die Chancen auf einen Kleingarten auf das Level »miniklein«. Denn laut Statistischem Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein leben in Hamburg 1,8 Millionen Menschen. Gut, die wollen vielleicht nicht alle einen Kleingarten. Hören wir auf die zahlreichen Kleingarten-Drang-Bekundungen in unserem weiteren Bekanntenkreis, finden Hamburger im Alter zwischen 25 und 45 Jahren Gärten ziemlich dufte. Und nicht wenige davon bemühen sich auch tatsächlich um einen Kleingarten. Über 560000 Menschen im besten Parzellen-Anwärter-Alter leben in der Stadt. Geht man nun noch davon aus, dass pro Jahr nur etwa zehn Prozent der Kleingärten in Hamburg den Pächter oder die Pächterin wechseln, heißt das: Auf jede der rund 4000 freien Parzellen kommen etwa 140 potenzielle Bewerber!

In Hamburg – wie in anderen deutschen Großstädten auch – treibt dieser Umstand seltsame Blüten, und so hätten wir zweimal um ein Haar anstelle des großen Loses einen Schwarzen Peter gezogen.

Hallo, Kleinanzeigen-Kleingarten-Falle!

Einmal sind wir beinahe einem der berüchtigten eBay-Kleinanzeigen-Kleingartenanbietern auf den Leim gegangen. Das Heikle daran? Die Menschen, die diese Gärten ins Internet stellen, scheren sich meist wenig um irgendwelche Auflagen der Kleingartenvereine. Sie verlangen zum Teil horrende Preise für durchgegammelte Lauben mit nicht ganz erlaubten Ein- und Anbauten. Übergeben total verwucherte Grundstücke mit Baumbestand, den sie eigentlich selbst beseitigen müssten. Hinterlassen auch gern mal illegal hochgezogene, inzwischen abrissreife Schuppen voller Sperrmüll und ramschigem Werkzeug, das komplett durchgerostet und nicht mehr funktionstüchtig ist. Und überlassen es am Ende dem »glücklichen« Käufer, sich um ihren Gartennachlass zu kümmern.

Warum wir fast auf ein solches Angebot reingefallen wären? Weil wir erstens UN-BE-DINGT ganz bald schon einen Kleingarten pachten wollten und die Angebotsersteller mit schnellen Übergaben locken. Und weil wir noch dazu komplett blauäugig waren, was faire Preise und das tatsächliche Übergabe-Prozedere in einem Kleingartenverein angeht.

Bei unserem Wunschgarten Nummer eins gefielen uns der Schnitt und die etwas unkonventionell aufgeteilte Hütte. Die windschiefe Veranda fanden wir romantisch – zumal ein paar alte Bäume und Rosensträucher dafür sorgten, dass wir das Alter und den maroden Zustand der Terrasse nicht so recht erkennen konnten. Dass ein paar der Dielen morsch waren und beim Betreten durchbrachen, störte uns nicht weiter, schließlich suchten wir nach einer Herausforderung und hatten uns schon auf handwerkliche Aufgaben eingestellt.

Blind waren wir auch dafür, dass die Hütte eigentlich viel zu groß war und deshalb laut Kleingartenverein garantiert hätte zurückgebaut werden müssen. Aber was wussten wir schon …

Stutzig wurden wir erst, als der Anbieter uns verriet, dass nicht ihm, sondern seinem Onkel der Garten gehörte. »Die Übergabe ist aber gar kein Problem. Der lebt ja im Heim, da geh ich dann vorbei und hol mir die Unterschrift ab«, so der Kleinanzeigen-Ersteller. Uns war das zwar nicht ganz geheuer, wir blieben aber trotzdem erst einmal dran. Bis zum nächsten Telefonat: Der Garten war in der Anzeige für knapp 3000 Euro angeboten worden. »Ich habe jetzt doch noch ein paar andere Interessenten«, erklärte der Anbieter. »Wären 5000 Euro auch okay für euch?« Nein, gar nicht okay! Auf einen Garten zu bieten kam uns dann doch seltsam vor.

Knapp zwei Jahre später schlenderten wir an unserer einstigen Traum-Parzelle vorbei. Die neuen Pächter grüßten ganz freundlich. Sie waren gerade damit beschäftigt, eine neue Terrasse zu bauen. Und zwar an ihre nagelneue Laube. Die alte war nämlich komplett baufällig gewesen und hatte abgerissen werden müssen. Was wir vor lauter Rosenranken bei der Besichtigung damals gar nicht gesehen hatten! Gut, dass unser Bauchgefühl uns einen Rückzieher hatte machen lassen …

Wie bei der zweiten Parzelle, die wir beinahe bekamen. Dabei hätten wir um ein Haar die Katze im Sondermüllsack gekauft! Was uns schlussendlich vor der Entscheidung und vermutlich einem großen Fehler bewahrte? Eine Koniferen-Hecke. Doch von vorn:

Der Kleingarten von Frau K. gehörte zum selben Kleingartenverein wie die Kleinanzeigen-Parzelle. Wir beschlossen, uns beim Vereinsvorstand einmal vorzustellen. Dort hatte man wohl Mitleid wegen des geplatzten Deals und bot uns eine Alternative an – und das, obwohl wir gar nicht offiziell auf der Warteliste standen.

Garten und Laube von Frau K. wirkten im Gegensatz zu dem Kleinanzeigen-Garten sehr aufgeräumt. Okay, bei näherem Hinsehen entdeckten wir einige morsche Bretter in der Laubenwand, und wohin die Abwässer aus dem Spülklo und dem Waschbecken wanderten, konnte uns Frau K. auch nicht so genau sagen. »In die Natur halt«, murmelte sie und zeigte irgendwo unter die Laube. Dafür könnten wir das komplette Werkzeug und Mobiliar übernehmen, versprach Frau K. – »bis auf den Fernseher, den brauche ich«. Sie wollte alles möglichst schnell über die Bühne bringen – was uns sehr entgegenkam. Schließlich juckte es uns so sehr in den grünen Daumen! Der Grund für die Eile: Frau K. würde bald einen neuen Job in einer anderen Stadt antreten und sei dann nicht mehr in der Gegend. Wir sollten uns also schnell entscheiden. Über die geforderten 2800 Euro könnte man dann auch noch mal reden. Sie wäre auch mit 1800 oder so happy, schrieb sie uns kurz nach unserer zweiten Besichtigung. Wir fuhren völlig euphorisch nach Hause, schmiedeten schon große Pläne, wie wir umräumen und den Garten umgestalten wollten. Und nutzten gleich die Vorstandssprechstunde wenige Tage später, um offiziell unser Interesse zu bekunden. Der Vorstand verpasste unserer Hochstimmung allerdings einen radikalen Dämpfer. »Frau K. müsste euch eigentlich dafür bezahlen, dass ihr die Müllhalde übernehmt«, eröffneten uns die beiden Vorsitzenden. Wäre unser Leben ein Comic, hätten über unseren Köpfen einige Fragezeichen gestanden. »Na ja, die gute Frau K. muss erst mal noch ein paar Auflagen erfüllen. Da steht noch eine Reihe Koniferen, die müssen weg. Bevor sie die Parzelle an euch übergibt«, sagte Vorstand Nummer eins. Außerdem habe der Garten eine regelrechte Problem-Ecke. »Habt ihr euch mal hinten links im Garten umgeguckt?«, fragte Vorstand Nummer zwei. Klar haben wir. Dort steht eine imposante Brombeerhecke, die wir eigentlich sehr sympathisch und erhaltenswert fanden. »Hahaha, ja, ratet mal, warum die Hecke so hoch ist?!«, höhnte Vorstand Nummer zwei. Wir fühlten wieder die Fragezeichen über unseren Köpfen aufploppen. »Wir vermuten einen ziemlich großen Haufen Müll hinter dieser Hecke«, erläuterte Vorstand Nummer eins. »Dazu hat Frau K. mehrmals Briefe von uns bekommen. Sie muss den Schutt da schon noch entsorgen, bevor eine Übergabe stattfinden kann.«

Unsere Freude wurde also erst mal im Keim erstickt, und wir beschlossen, noch einmal mit Frau K. zu telefonieren. »Alles Spießer und Säufer da im Vorstand«, ereiferte sie sich ziemlich aufgebracht. »Die paar Bäume werdet ihr schon rausbekommen. Ihr seid ja zu zweit, ich schaff das gar nicht allein. Und mein Müll ist das auch nicht, das muss jemand über den Zaun geworfen haben!« Eine weitere Besichtigung sei allerdings ausgeschlossen, sie sei nicht mehr in der Stadt. Wir sollten uns aber im Laufe des Abends noch entscheiden.

In diesem Moment löste der Lärm von zig Alarmglocken die vielen Fragezeichen in unseren Köpfen ab. Wahrscheinlich schwelte zwischen der Pächterin und dem Vereinsvorstand über Jahre schon ein Streit. Und wir haben schön ins Wespennest gestochen. Als Außenstehende konnten wir nicht nachvollziehen, wer nun im Recht war. Was wir aber feststellten: Wir wollten nicht zwischen die Fronten geraten und Auflagen anderer Kleingärtnernder abarbeiten – wir wollten doch mit unserem Traum vom Garten starten! So sagten wir Frau K. also ab und beschlossen, die Suche nach unserem Kleingartentraum zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen.

Etwa vier Wochen später besuchten wir an einem Tag der offenen Tür einen Kleingartenverein, der unserer Wohnung am nächsten lag. Nicht nur die Nähe zu unserem Zuhause schien uns attraktiv, auch die Tatsache, dass viele Parzellen direkten Zugang zu einem kleinen Fluss haben. »Schön, dass Sie heute hier sind. Wir sehen uns dann wohl in zwei bis drei Jahren wieder, wenn überhaupt«, begrüßte uns der Vereinsvorstand, der die Infoveranstaltung durchführte. »Wollen wir uns trotzdem schon mal duzen?« Wir waren zunächst etwas vor den Kopf geschlagen: Waren wir für ihn nur eine Zahl auf einer Warteliste?! Wenig später wurde uns klar – ja, leider! Weil sich einfach so viele Menschen auf die attraktiven Kleingärten mitten im Wohnviertel und noch dazu mit Wasserzugang bewerben. Eine konkrete Zahl nannte der Vorstand nicht, verriet uns aber eine Menge über das Kleingartenwesen in Hamburg. Und warum die Bewerbungsverfahren oft so langwierig sind.

Laut dem Vorstand sieht eine typische »Kleingartenkarriere« so oder zumindest sehr ähnlich aus: Die Neu-Gärtnernden sind im ersten Gartenjahr meist sehr euphorisch und reißen richtig viel auf ihren Parzellen. Bauen kleine Hochbeete für und mit ihren Kleinkindern auf. Verlegen Rollrasen, um es schön flauschig, aber ja nicht zu aufwendig zu haben. Stellen dann noch Spieltürme, Planschbecken und Trampoline auf diesen Flauschrasen, damit der Nachwuchs auch gleich bespaßt ist. Im zweiten Jahr verwittern die Spielgeräte dann bereits, weil die Familie andere Hobbys gefunden hat und ihre Gartenbesuche an einer Hand abzuzählen sind. Im dritten Jahr wuchert die ungenutzte Parzelle schließlich vor sich hin, und die Menschen sind nur noch durch Auflagen-Briefchen und Verwarnungen dazu zu bewegen, in den Garten zu kommen. Das wiederholt sich für mehrere Gartensaisons, bevor sich die Menschen dann selbst eingestehen, dass sie vielleicht doch keine Kleingärtnernden sind.

Warum ihm und anderen Kleingarten-Vorstandsmitgliedern das ein Dorn im Auge sei? Weil sie nicht alle Jahre wieder von Neuem nach geeigneten Pachtenden suchen wollten. Und jedes Mal wieder über Auflagen diskutieren. Sich an diese zu halten sei sogar politisch. »Überlegt doch mal«, sagt der Vorstand. »Wenn ihr jetzt jemand von der Stadt wärt und auf der Suche nach attraktivem Bauland. Dann schaut ihr ja nicht zuerst auf den Stadtrand. Nein, dann schaut ihr, welche Flächen bisher nicht optimal genutzt werden. Und wenn ihr dann eine Reihe verwilderter Gärten seht, deren Besitzer sich an keinerlei Auflagen der Stadt oder des Landesgartenbunds halten – dann liegt ja der Gedanke nahe, dass man vielleicht aus der Grünfläche ein Wohngebiet machen sollte. Da hätten dann ja viel mehr Menschen etwas davon!«

Darum sei es so wichtig, egal, ob in seinem Verein oder in einem anderen, »direkt sichtbar« die Auflagen des Landesgartenbundes zu erfüllen. Heißt: Die Hecke ordentlich zu pflegen und direkt dahinter Beete zu errichten, ein paar Obststräucher, -bäume oder sonstige Nutzpflanzen zu setzen. »Ob eure Hütte jetzt ein bisschen zu groß ist oder ihr euren Rasen zu selten mäht … geschenkt! Wenn es vorne erst einmal nach etwas aussieht, ist der Rest zweitrangig!«, erklärte der Vorstand weiter.

Zum Schluss gab er uns noch einen weiteren Tipp mit auf den Weg: »Schreibt immer mal wieder den Vereinsvorständen, auch wenn ihr schon lange auf der Liste steht. Manchmal ergibt sich spontan etwas, wer weiß!« Und ergänzte: »Wenn ihr kein Interesse mehr an einem Gartenverein haben solltet, meldet euch aber bitte, bitte von der Warteliste ab, das erspart uns einige Arbeit!«

Wenn wir ehrlich sind, hatten wir uns heimlich erhofft, nach dem Tag der offenen Tür einfacher an einen Garten zu kommen. Dass wir erst brav zwei Stunden absitzen, um dann am Ende direkt ein Angebot für eine freie Parzelle zu erhalten. Leider nein, leider gar nicht. Aber immerhin haben wir ein paar Dinge gelernt, was die ach so spießigen Auflagen angeht. Und wie man vielleicht schneller an eine Parzelle gelangen könnte.

Mit Vollgas auf Kleingartensuche

Wir beschlossen daraufhin, aktiv zu suchen, und erstellten zunächst eine Liste der Kleingartenvereine, die für uns infrage kamen. Die Kriterien: Sie müssen gut mit dem Rad, aber auch mit Bussen oder Bahnen erreichbar sein. Unser Plan war nämlich von vornherein, möglichst ohne Auto zu kleingärtnern. Es sollen außerdem gern ein Baumarkt und/oder ein Bäcker in der Nähe sein. Und: Sie sollen bitte nicht zu spießig wirken! Also klapperten wir nacheinander die Vereine auf unserer Liste ab, um uns ein Bild zu machen. Einen Spaziergang brachen wir tatsächlich direkt wieder ab: Auf einer Seite der Parzellenansammlung verlief eine breite Straße, auf der anderen Seite rauschte eine S-Bahn nach der anderen vorbei. Nicht gerade attraktiv, wenn man einen ruhigen Feierabend dort verbringen will. Der Verein bestand außerdem aus einer nicht enden wollenden Aneinanderreihung von oldschooligen Steinlauben mit sehr gleichförmig wirkenden Blumenbeeten davor. Eins muss man dem Kleingartenverein allerdings lassen: Rege genutzt schienen die Parzellen zu sein. Aus dem Vereinshaus ertönten kräftige Schlagerklänge – Sommerfest! Davon angezogen pilgerten zahlreiche Menschen aus ihren Parzellen in Richtung Party-Musik. Nicht ganz unser Ding. Und damals für uns noch ein absolutes Ausschluss-Kriterium. Wenn wir bedenken, wie viele Vereins-Aktivitäten mit Nicht-ganz-unser-Fall-Musik und -Getränke-Auswahl wir inzwischen schon hinter uns haben … man gewöhnt sich an so einiges!

Parallel zu unseren Besuchen in den Gartenvereinen schrieben wir die dazugehörigen Vorstände an. Zuallererst die, deren Vereine freie Parzellen auf der Website des Landesgartenbunds ausgeschrieben hatten. Hier stellten wir schnell fest: Wenn die Gärten den Weg ins Internet gefunden haben, sind sie eigentlich schon so gut wie vergeben. Bis die Vorstandsmitglieder die Infos dazu ins Netz gestellt haben, haben sich meist schon passende Pachtende gefunden – über die Warteliste oder Vitamin B.

Wir schrieben auf gut Glück die Gärten an, die aktuell keine Angebote online hatten. Länger als die zwei bis drei Jahre kann die Warteliste hier ja auch nicht sein, oder?! Jackpot! Innerhalb weniger Wochen wurden unsere Bemühungen belohnt. Wir konnten eine Parzelle übernehmen und sind seitdem stolze Kleingärtnernde!

Schon der dritte Garten-Vorstand biss an: »Vielen Dank für Ihre sympathische Anfrage«, schrieb uns Alexander. »Wir haben tatsächlich freie Gärten.« Wir konnten unser Glück kaum fassen. Nachdem wir einen Bewerbungsbogen ausgefüllt hatten, schickte uns Alexander direkt eine Auflistung mit mehreren Parzellennummern zu. Wir sollten uns einfach einmal umschauen. Bei Interesse würde man dann den Kontakt zu den jetzigen Pächtern herstellen. Die Gärten seien zum Großteil schon geschätzt, die Preise seien auch schon vermerkt.

Das las sich schon ganz anders als die Fantasiepreise, die wir von unseren vorherigen Besichtigungen gewohnt waren. Fragezeichen? Alarmglocken? Fehlanzeige!

Mit der ausgedruckten Mail in der Hand wanderten wir dann an einem Nachmittag alle freien Parzellen in der Anlage ab. Lugten über Zäune und durch Hecken. Wonach wir suchten? Das konnten wir gar nicht wirklich sagen. Wahrscheinlich danach, gefunden zu werden. Und wirklich: Als wir auf der Parzelle standen, die später unsere werden sollte, machte es klick. Die fühlte sich direkt richtig an.

Andere Interessenten als uns gab es dafür nicht. Kein Wunder – es handelte sich nämlich um ein Stück Brachland. Ein ziemlich großes noch dazu. Hier hatte ein Haus gestanden, in dem eine Frau seit den Fünfzigerjahren fest gewohnt hatte. So wie die Nachbarn drum herum – die Wohnungsnot der Nachkriegszeit hatte es möglich gemacht. Nachdem die Vorpächterin, Frau S., ins Pflegeheim gezogen war, wurde das Haus abgerissen. Einzig eine Fläche mit Bauschutt, über dem sehr viel Unkraut wucherte, zeugte noch davon.

Eine Nachbarin zur Rechten schaute über das Gartentor: »Seid ihr die Neuen?« – »Noch nicht, wir schauen nur mal«, antworteten wir. »Die Goldrute hier, die müsst ihr dann rausreißen«, erklärte sie und zeigte auf eine Ansammlung mit knallgelb blühenden Pflanzen direkt am Zaun, unsere Antwort ignorierend. Etwas verschroben, aber nicht unsympathisch. Wie auch Nachbar Nummer zwei, der uns kurz darauf heranwinkte. Er war gerade dabei, in seinem Garten Unkraut zu rupfen. Das Hemd hatte er der Hitze wegen aufgeknöpft. »Huch, ich muss mich erst mal manierlich machen«, murmelte er, fummelte schnell die Knöpfe an seinem Hemd zu und schüttelte uns dann überschwänglich die Hände. »Friedrich, ich war mal Vorsitzender im Verein«, sagte er. Und führte weiter aus: »Wird Zeit, dass hier mal was passiert. Frau S. konnte am Ende nicht mehr so wie früher, ein Jammer.« Er deutete auf das, was einst ein Rasen gewesen war – inzwischen ein sehr weicher Teppich aus überlangen Gräsern, Moos und Efeu. »Die Sträucher hat sie am Ende auch nicht mehr regelmäßig geschnitten. Aber Sie wirken ja ganz kernig, das bekommen Sie bestimmt schnell in den Griff«, befand er, nachdem er uns einmal von oben bis unten begutachtet hatte.

Ob es die Nachbarn waren, die uns gleich als »die Neuen« angenommen haben? Oder der Umstand, dass wir mit der Parzelle Nummer 218 quasi ein weißes Blatt Papier zur Verfügung hatten, auf dem wir uns – die Kleingarten-Auflagen natürlich immer fest im Blick – würden austoben können? Oder doch die Lage des Gartens, der Länge nach gen Süden ausgerichtet, was bedeutete, dass wir von morgens bis abends die Sonne auf unserer Seite haben würden? Wer weiß, wir hatten jedenfalls ein sehr gutes Gefühl, was das Stück Land anging, wollten unsere Eindrücke aber erst einmal wirken lassen. Bei unseren Traum-Parzellen Nummer eins und Nummer zwei waren die ja auch gut gewesen, weshalb wir etwas vorsichtig geworden waren. Wir pflückten aber schon einmal einen Wildblumenstrauß, um das gute Gefühl mit nach Hause zu nehmen. Schafgarbe, Kamille und Cosmeen blühten immer noch auf unserem Küchentisch, als wir dann ein paar Tage später den Vertrag mit dem Verein unterschrieben.

In der Zwischenzeit hatten wir den Garten ein weiteres Mal besichtigt und uns mit dem zweiten Vereinsvorstand, Walter, getroffen. »Eigentlich müsste die Parzelle noch mal geteilt werden«, informierte er uns, fuhr dann aber fort: »Wenn ihr es euch zutraut, lassen wir die Parzelle aber erst einmal so groß. Nachverdichten können wir immer.« Wir schauten uns an − trauten wir uns das zu? − und nickten beinahe zeitgleich. »Ja, siehste, so seht ihr nämlich aus«, stellte Walter zufrieden fest, bevor er sich auf sein Klapprad schwang, um zur nächsten Verabredung auf einer anderen Parzelle zu düsen.

Und so unterschrieben wir wenig später und bekamen symbolisch den Schlüssel für die Gartenpforte überreicht. Neben der klaffte ein etwa eineinhalb Meter großes Loch in der Hecke, hier waren die Abrissbagger durchgefahren. In genau dieser Heckenlücke standen wir nach der Vertragsunterzeichnung und schauten noch etwas ungläubig auf »unsere« Parzelle. Knapp 800 Quadratmeter Platz für unsere Gartenträume. Die einzige Auflage? Dass wir innerhalb von zwei Jahren eine Gartenhütte errichten und diese ans Stromnetz anschließen lassen. Und natürlich Rasen, Hecken, Sträucher und Co. pflegen. Weil keine Laube auf der Parzelle stand und sich auch sonst keine nennenswerten Pflanzen darauf befanden, bezahlten wir für die Übernahme zudem keinen Cent! Unsere Gartenträume schienen endlich wahr geworden zu sein … Dass sich der Boden später als schwermetallverseucht entpuppen sollte und uns auf dem Weg zum Gartenglück einige Steine im Weg liegen würden, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Vermutlich auch ganz gut so. Denn so starteten wir voller Tatendrang mit unserem Großprojekt Kleingarten.

3 x 3 Tipps für die Kleingartensuche

Ein wichtiger Punkt, bevor man sich auf die Suche nach einem Kleingarten begibt, ist zu wissen, welche Art von Garten zu einem passt. Diese drei Fragen für sich zu beantworten kann helfen:

1. Wie weit entfernt darf der Kleingarten liegen?

Wer ein Auto hat, hat einen größeren Radius. Wir kleingärtnern ohne Auto, deshalb war uns wichtig, dass unsere Parzelle maximal 20 Fahrrad-Minuten von unserer Wohnung entfernt liegt.

2. Wie groß darf der Kleingarten maximal sein?

Wir haben mit einer Fläche über 800 Quadratmeter eine riesige Parzelle. Die meisten Kleingärten sind etwa 300 bis 400 Quadratmeter groß. Mehr Garten bedeutet natürlich auch mehr Arbeit.

3. In welchem Zustand sollte sich der Kleingarten befinden?

Wir haben ja eine Herausforderung gesucht, weshalb es für uns völlig fein war, die Parzelle ohne Hütte und ohne alles zu übernehmen. Wer über wenig Zeit verfügt oder sich handwerklich nicht so viel zutraut, sucht am besten einen Kleingarten mit Hütte und einem bereits angelegten und gepflegten Garten.

Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten, freie Kleingärten zu finden:

1. Die Website des Kleingartenvereins oder vielmehr die des Landesverbandes

Die Krux: Vielen Vereinsvorstandsmitgliedern mangelt es an Zeit oder Technik-Talent. Bis eine freie Parzelle den Weg ins Internet findet, ist sie daher schon oft vergeben.

Also lieber einen Verein aussuchen und direkt anschreiben.

2. eBay Kleinanzeigen

Die Krux: Nicht immer ist ganz legal, was auf der Gebrauchtplattform so angeboten wird. Besser parallel den Vereinsvorstand ansprechen, um den möglichen Ablauf der Übergabe zu prüfen.

3. Persönliche Tipps von privat oder über Facebook-Gruppen