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Tatmensch, Täter, Träumer, Tyrann: Auch seine Feinde leugnen nicht, dass mit Fidel Castros Abschied eine Ära endet. Fünfzig Jahre herrschte er auf einer eher unbedeutenden Insel und wurde doch ein Protagonist der Weltpolitik. Unter den Augen der USA führte er erstmals in einem westlichen Land den Kommunismus ein. Er inspirierte Befreiungsbewegungen, faszinierte aber auch westliche Intellektuelle. Es gibt in Deutschland wenige Journalisten, die den Líder Máximo so lange aus so großer Nähe beobachten konnten wie Carlos Widmann. Jetzt zeichnet er das Porträt einer epochalen Machtnatur von Brillanz und Beredsamkeit, gesegnet mit Charisma und Chuzpe - eines egomanen und brutalen Blenders mit trüber Vergangenheit, der gleichwohl die Menschen bis heute fasziniert.
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Seitenzahl: 412
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Hanser eBook
Carlos Widmann
DAS LETZTE BUCHÜBER FIDEL CASTRO
Carl Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-24074-2
Alle Rechte vorbehalten
© Carl Hanser Verlag München 2012
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Für Lin
Epitaph zu Lebzeiten
Dichterliebe
Zwei Machthungrige
Tod und Verklärung
Festungshaft
Scoop
Volksgesundheit
In Schwulitäten
Fidel trifft Pinochet
Die Rote Sonne
Die Partei
Zuckerdämmerung
Che und Über-Che
Fidel in New York
Zwei Suppen
Hinfälligkeit
Endspiel mit Raúl
Personenregister
»Fidel Castro ist ein Gigant des 20. Jahrhunderts,der zu unserem Glück noch ins 21. hereinragt.«
Hugo Chávez
Die warmherzigen Worte des Präsidenten von Venezuela entspringen seinem Drang, von der Welt als geistiger Erbe und Nachfolger des kubanischen Revolutionärs anerkannt zu werden. Chávez’ Spruch enthält aber trotzdem zwei grundsätzliche Wahrheiten. Fidel Castro ist eine überdimensionierte, weit über die Möglichkeiten seines Landes hinausgreifende Gestalt der Zeitgeschichte – gewesen. Und ja, er »ragt« noch aus seinem eigenen Jahrhundert in das neue herein – weil es ihm länger als irgendeinem Herrscher seit Menschengedenken gelungen ist, seinem Volk zu imponieren, es zu gewinnen und zu unterwerfen. Die Prognose sei gewagt: Für eine Weile schafft er dies wohl auch noch über den eigenen Tod hinaus.
Trotz spektakulärer Taten und ansteckender Rhetorik ist das Hauptkennzeichen dieser Herrschaft ihre unfassbare Länge trotz dramatisch zunehmender Erfolglosigkeit. Der außergewöhnlich hartnäckige Amtsinhaber fordert zu bizarren Vergleichen heraus. Er regierte sein Land genauso lange wie sechs deutsche Bundeskanzler das ihre: Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl waren insgesamt 49 Jahre in Amt und Würden, wie Fidel Castro. Und die Aufzählung aller US-Präsidenten, die von immer demselben Gegenspieler in Havanna provoziert wurden, liest sich noch imposanter: Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Ford, Carter, Reagan, Bush senior, Clinton, Bush junior und Obama. Selbst im Vergleich mit den Machthabern des Sowjetreiches wirkt Castro einzigartig: An Herrschaftsdauer hat er Lenin plus Stalin plus Chruschtschow übertroffen und noch zwei Jahre Breschnew draufgepackt. Die Diktatur des Vorsitzenden Mao wirkt dagegen (wenn man kein Chinese ist) fast schon erträglich: Sie dauerte 22 Jahre weniger als die des kubanischen Kommandanten.
»Eine Insel von mittlerer Größe am nördlichen Ausgang des Golfs von Mexiko« – so nonchalant pflegte der Argentinier Che Guevara seine Wahlheimat Kuba vorzustellen. Der Stalinpreisträger Nicolás Guillén, Castros Lieblingsdichter, besang Kuba als eine »lange grüne Eidechse, mit Augen wie Stein und Wasser«. Ohne dieses Reptil wäre die überlange Geschichte des Weltkommunismus ein gutes Stück kürzer ausgefallen, und wohl auch um einiges langweiliger. 53 Jahre – and counting – der Machtausübung einer einzelnen Führerfigur, ihres Bruders und Erben sowie einer Handvoll auf sie eingeschworener alter Kämpfer: diese Leistung darf für sich allein einen Ehrenplatz im Guinness-Buch der Rekorde beanspruchen. Denn die Sandkörner rieselten ja weiter durch das Stundenglas auch nach dem 24. Februar 2008, an dem der damals 81-jährige Präsident Fidel Castro seine Ämterfülle offiziell an einen (na ja) Jüngeren abtrat – seinen kleinen Bruder Raúl, Jahrgang 1931.
Und während dies geschrieben wird, gibt unser Protagonist nach wie vor machtpolitische Lebenszeichen. In den Parteiorganen Granma (deutsch: »Oma«) und dessen Partnerblatt Juventud Rebelde (»Rebellische Jugend«) – gewiss die einschläferndste Zeitungslektüre außerhalb von Pjöngjang – werden in loser Folge die »Reflexionen des Genossen Fidel« abgedruckt, aus denen oft noch so etwas wie Weisungsbefugnis zu sprechen scheint, etwa für Kubas Außenpolitik. Oder der Comandante gibt vor den Kameras den Elder Statesman und empfängt in seiner sportlichen Rentnerkluft einen ausländischen Potentaten; im Bild sieht das dann oft wie eine originelle Adidas-Reklame aus. Oder er lässt das luxuriöse Aquarium von Havanna für einen amerikanischen Journalisten öffnen und genießt mit ihm ein Wasserballett von Kunstschwimmern und Delphinen. Oder er taucht tief gebeugt in der Apostolischen Nuntiatur auf, um sich von dem gleichaltrigen deutschen Papst eine Art konfessionslosen Segen zu holen. Solange sich auf Kuba solche Szenen abspielen, kann von einem Ende der Ära Castro nicht wirklich die Rede sein. Der Kampf geht weiter, der Personenkult auch. Als bleicher Schatten seines verehrten und verhassten früheren Selbst ist Fidel Castro auf der Insel immer noch unheimlich präsent – ein charismatisches Gespenst, ein lallendes Orakel.
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