Das Licht der Vergangenheit - Andie Krown - E-Book

Das Licht der Vergangenheit E-Book

Andie Krown

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Liebe, die niemand zerstören kann – nicht einmal Luzifer!
Spannender Fantasy-Roman für Fans von Nalini Singh und Marah Woolf

Zwischen der Hexe Melanya und dem Ritter Kieran keimt eine zarte Liebe auf, nachdem die Heilerin den verwundeten Krieger mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten rettet. Doch Kieran wehrt sich gegen die Gefühle, die die liebliche Hexe in ihm auslöst. Zutiefst verletzt und verzweifelt begeht Melanya eine schreckliche Tat, bei der sie sich zum ersten Mal der Macht der schwarzen Magie bedient. Kieran kann ihr dies niemals verzeihen und sinnt von nun an auf Rache. Nach seinem Tod wird er als Kriegerengel in die himmlische Armee von Erzengel Michael rekrutiert. Indes stellt sich schnell heraus, dass seine Seele von dem Wunsch nach Vergeltung vergiftet ist und er wird zu einem Gefolgsmann Luzifers … einem Gefallenen Engel

Auch nach siebenhundert Jahren ist Kieran noch besessen von seinem Wunsch nach Rache an der Hexe, die ihm sein Leben gestohlen hat. Da trifft er im New York der Gegenwart auf Melanyas wiedergeborene Seele. Eine junge Frau namens Melanie. Endlich scheint der Zeitpunkt für seine Vergeltung gekommen. Er unterschätzt jedoch die stärkste Kraft des Universums: die Liebe. Als Luzifer Interesse an der Frau mit dem magischen Erbe zeigt, kommt es zu einem erbitterten Kampf zwischen Himmel und Hölle ...

Erste Leserstimmen
„Ich fand es einfach so wunderschön wie Andie Krown diese tiefe Liebe zwischen den beiden beschreibt ...“
„Der Autorin gelingt es wunderbar, Realität und Fiktion zu verweben!“
„Ein toller Roman über Engel und Dämonen, der aber auch durch starke Charaktere überzeugt.“
Das Licht der Ewigkeit ist ein absolutes Muss für Fantasy-Fans!“
„Ich hab derart mit den Protas mitgefiebert, dass ich manchmal das Gefühl hatte, es wären Freunde von mir.“

Weitere Titel dieser Reihe
Das Licht der Ewigkeit (ISBN: 9783960877257)
Das Licht der Seele (ISBN: 9783960876885)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 559

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses E-Book

Zwischen der Hexe Melanya und dem Ritter Kieran keimt eine zarte Liebe auf, nachdem die Heilerin den verwundeten Krieger mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten rettet. Doch Kieran wehrt sich gegen die Gefühle, die die liebliche Hexe in ihm auslöst. Zutiefst verletzt und verzweifelt begeht Melanya eine schreckliche Tat, bei der sie sich zum ersten Mal der Macht der schwarzen Magie bedient. Kieran kann ihr dies niemals verzeihen und sinnt von nun an auf Rache. Nach seinem Tod wird er als Kriegerengel in die himmlische Armee von Erzengel Michael rekrutiert. Indes stellt sich schnell heraus, dass seine Seele von dem Wunsch nach Vergeltung vergiftet ist und er wird zu einem Gefolgsmann Luzifers … einem Gefallenen Engel

Auch nach siebenhundert Jahren ist Kieran noch besessen von seinem Wunsch nach Rache an der Hexe, die ihm sein Leben gestohlen hat. Da trifft er im New York der Gegenwart auf Melanyas wiedergeborene Seele. Eine junge Frau namens Melanie. Endlich scheint der Zeitpunkt für seine Vergeltung gekommen. Er unterschätzt jedoch die stärkste Kraft des Universums: die Liebe. Als Luzifer Interesse an der Frau mit dem magischen Erbe zeigt, kommt es zu einem erbitterten Kampf zwischen Himmel und Hölle ...

Impressum

Erstausgabe Juni 2019

Copyright © 2019 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-733-2 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-842-1

Covergestaltung: Annadel Hogen unter Verwendung von Motiven von © Just dance/shutterstock.com, ©grape_vein/stock.adobe.com © MoonBloom und © EdZbarzhyvetsky/depositphotos.com Lektorat: Daniela Höhne

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Unser gesamtes Verlagsprogramm findest du hier

Website

Folge uns, um immer als Erster informiert zu sein

Newsletter

Facebook

Instagram

Twitter

Youtube

Das Licht der Vergangenheit

Prolog

Irland, Kerry 450 n.Chr., nachts auf einer Lichtung, tief verborgen in einem dichten Wald.

„Michael, ich rufe dich.“ Aufgeregt schritt Morrígan auf der Lichtung umher. Nun war die Zeit gekommen.

Seit tausenden Jahren wurde sie von den Menschen angebetet und gefürchtet. Sie war die Göttin des Krieges, der Schattenwelt und der Nacht, Hüterin der Zaubersprüche und Flüche. Der Erzengel musste ihr einfach Gehör schenken.

„Komm zu mir und höre mein Angebot.“ Reglos blieb sie stehen und lauschte in die Nacht; nur der Mond schien hell über ihr und tauchte die Lichtung in silbriges Licht. Nichts geschah. Morrígan war eine Meisterin der Strategie, der Taktik und des Pläneschmiedens und sie war es nicht gewohnt, um Hilfe zu bitten. Von nervöser Anspannung gepackt, lief sie weiter hin und her, denn obwohl sie noch immer viel Ansehen genoss, hatte sie ein Problem. Ihre Macht begann zu schwinden, sie konnte es deutlich fühlen, denn immer mehr Menschen wandten sich von ihr ab, verloren die Furcht vor ihr und huldigten ihr nur noch halbherzig. Sie weigerte sich, ein Relikt vergangener Tage zu werden und dafür benötigte sie Michaels Hilfe. Älter als die Zeit selbst, verfügte er über unvorstellbar großen Einfluss. Michael, der mit seiner hünenhaften Statur, dem blonden Haar und den intensiven blauen Augen selbst wie ein Gott des Nordens wirkte.

„Sei gegrüßt, Morrígan.“ Überrascht drehte sie sich zu ihm um. Michael war tatsächlich gekommen. Mit der für ihn so typischen distanzierten Arroganz, stand er da, die Arme vor seinem ledernen Brustharnisch verschränkt, wodurch er das Wappen der Lichtgarde, seiner Kriegerelite, dessen Vorsteher er war, verdeckte. Doch sie kannte das Symbol. Erhaben und stolz hob sich das Abbild Michaels silbern vor dem schwarzen Untergrund des Leders ab. Es zeigte den Moment, als er mit weit ausgebreiteten Flügeln und erhobenem Schwert Luzifer besiegte und diesen aus dem Himmel verbannte.

Sie starrte ihn an. Es war nicht sein Äußeres, das sie seit jeher faszinierte, vielmehr war es die kühle Aura aus Stärke, Autorität und einer gewissen Rücksichtslosigkeit, die ihn umgab, und ihn in ihren Träumen erscheinen ließ. Wann immer sie die Einsamkeit nicht mehr ertragen konnte, suchte sie sich einen menschlichen Krieger von ähnlicher Statur, wohnte ihm bei und stellte sich dabei den Erzengel vor. Schnell verscheuchte Morrígan diese nutzlosen Gedanken und verbarg ihre Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene.

„Michael“, wandte sie sich sachlich an ihn. „Ich danke dir für dein Kommen und möchte dir etwas vorschlagen, von dem wir beide profitieren können.“

Der Erzengel sah sie mit hochgezogener Braue an. „Sprich weiter“, forderte er mit brüskem Ton, aber Morrígan ließ sich nicht einschüchtern. „Ich schlage dir ein Bündnis zwischen uns vor.“

„Was lässt dich vermuten, dass ich daran Interesse haben könnte?“ Sein kühler, herablassender Tonfall ließ etwas in ihr brodeln, aber sie ignorierte es, zu wichtig war es, ruhig und gelassen zu bleiben.

„Noch immer bin ich es, zu der menschliche Krieger beten und Hinterbliebene für die Seelen ihrer Verstorbenen bitten.“

Ein Ausdruck von Interesse und Neugierde huschte über sein Gesicht, aber er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. „Selbst ernannte Gottheiten kommen und gehen schon seit Anbeginn der Zeit, aber eines haben sie alle gemeinsam.“ Er sah sie abweisend an. „So schnell wie sie erschienen sind, geraten sie auch wieder in Vergessenheit. Also sag mir: Was willst du wirklich?“

Morrígan überlegte. Nicht umsonst war sie die Königin der Strategie, so schritt sie zu ihm und legte ihre Hände auf seine verschränkten Unterarme. „Ein Bündnis mit mir wäre auch dir von Vorteil.“

Michael stand stocksteif da. „Wovon sprichst du?“

Morrígan nahm ihr Herz in die Hand und legte es ihm zu Füßen. „An deiner Seite könnte ich die Ewigkeit überdauern, und nicht bloß als eine Überlieferung in irgendwelchen Schriftrollen enden. Im Gegenzug bekämst du meine Krieger für deinen Kampf gegen Luzifer. Du weißt, dass ich die besten menschlichen Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld gestorben sind, in meiner Schattenwelt bewahre.“

Michael nickte. „Das ist mir bewusst. Und ich weiß auch, dass du sie regelmäßig hervorholst, wenn es deinen Zwecken dienlich ist.“

Morrígan lächelte verschmitzt. „Natürlich mache ich das.“ In einer sanften Berührung ließ sie ihre Finger seine Unterarme entlang nach oben gleiten, strich zärtlich über seinen Bizeps und weiter hinauf zu den Muskeln seiner breiten Schultern. Sie wäre dazu bereit, viel dafür zu geben, seine starre Haltung zu durchbrechen. „Michael, nur zu gerne würde ich dir meine Krieger überlassen, denn ich wünsche mir diese Verbindung mit dir.“

Zu ihrer Überraschung legte er seine Arme um ihre Taille und zog sie enger an sich. Da wurde sie mutiger und berührte sein Gesicht, fuhr die Linie seines Wangenknochens entlang und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als er seinen Kopf hinabsenkte und reckte sich ihm entgegen, war sie doch ein ganzes Stück kleiner als er. Kurz bevor seine Lippen ihre berührten, hauchte sie ihr Geständnis. „Michael, du und ich gemeinsam, das ersehne ich mir schon so lange.“

Michael war gerade auf dem Weg zu einem Treffen seiner Lichtgarde gewesen, den vier Befehlshabern seiner himmlischen Armee und deren besten Kriegern, als Morrígans Ruf ihn erreicht hatte. Obwohl ihm menschliche Gefühle im Grunde nichts bedeuteten, hatte er doch so etwas wie Neugierde verspürt. Bereits des Öfteren hatte er auf einem menschlichen Schlachtfeld einen Blick auf sie geworfen. Eine blasse Schönheit, mit Haaren so schwarz und glänzend wie das Gefieder eines Raben, Augen so dunkel wie strahlender Onyx und blutroten Lippen. Sie wirkte aufregend und faszinierend, während ihr Antlitz zumeist ein geheimnisvolles Lächeln umspielte.

 

Eigentlich hatte Michael keine Zeit für dieses Treffen und sollte die Sache hier beschleunigen, doch er tat es nicht. Er war fasziniert von der dunklen Schönheit Morrígans und konnte den Blick nicht von ihr abwenden, denn ihre faszinierende Ausstrahlung, eine betörende Mischung aus verführerischem Charisma und scharfem Verstand, hielt seine Aufmerksamkeit gefangen.

Wie von selbst legten sich seine Lippen auf ihre und ihr Kuss war berauschend. Ihr Mund war so weich wie eine Feder und lud ihn geradezu ein, erobert zu werden. Als er mit der Zunge in sie eindrang, seufzte sie genüsslich und verlangend, schmiegte sich an ihn und drängte ihren aufregenden Körper an seinen. Ihre Hände krallten sich in seine Haare und zogen seinen Kopf besitzergreifend zu ihr hinab. Sie wollte mehr und er gab es ihr. Seine Arme hielten sie umfangen und seine Hände erkundeten ihre aufregenden Rundungen. Ein großer Teil von ihm wollte sie. Doch da war noch ein anderer, dessen Stimme er immer stärker wahrnahm. Was um Himmels willen tat er hier? Er war innerlich zerrissen und konnte in ihrer Nähe nicht klar denken. Schnell beendete er den Kuss und zog sich zurück. Er musste Abstand zwischen sie bringen.

„Michael“, hauchte sie. „Gib uns eine Chance.“ Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an, und er konnte Sehnsucht in ihrem Blick erkennen. Ein Begehren, das er nicht erfüllen konnte. Besser, er brachte das hier zu einem schnellen Ende, bevor sie ihn noch mehr verwirrte, er hatte bereits mehr Aufgaben und Pflichten, als er zählen konnte.

„Ich bin der mächtigste aller Erzengel und Stellvertreter des wahrhaft Höchsten. Ich kann mich nicht auf dich einlassen, selbst ernannte Göttin.“

Eisige Kälte trat in ihren Blick. „Ich habe Fähigkeiten, auf die du nicht verzichten solltest.“

„Was könntest du schon haben, das mich interessieren könnte?“ Geringschätzend blickte er auf sie hinab.

„Ich gewinne Schlachten. Immerhin bin ich die Göttin des Krieges, millionenfach angebetet.“

„Du bist nichts weiter als ein Irrglaube der Menschen. Der Höchste lässt es zu, weil du keinerlei Bedeutung hast. Noch ein paar Jahrhunderte und du wirst vergessen sein.“

Erbost sog sie die Luft ein. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Die Menschen folgen mir, obwohl ich eine Frau bin. Ich bin weder groß noch stark, dennoch habe ich mich durchgesetzt! Was glaubst du wohl, warum?“ Sie bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust. „Ich rate dir, unterschätze mich nicht!“

Er packte ihre Hand und hielt sie wie in einem Schraubstock gefangen. „Du wagst es, mir zu drohen? Pass auf, denn du begibst dich auf einen gefährlichen Pfad, kleine, selbst ernannte Göttin.“

„Lass mich sofort los!“, fauchte sie. „Oder es wird dir noch leidtun!“

Michael lachte lautstark und hielt ihre Hand weiterhin fest. Morrígans Augen funkelten ihn voller Zorn an. „Deine Arroganz wird dir eines Tages zum Verhängnis werden. Möge es Jahrhunderte oder gar Jahrtausende dauern, doch sei gewiss, der Tag wird kommen. Und dann wird es mein Gesicht sein, in das du als Letztes blicken wirst!“

Michael lachte immer noch, führte er ihre Hand an seinen Mund und hauchte einen Kuss darauf. „Ich freu mich drauf, kleine Göttin.“

Michael war verschwunden und hatte Morrígan einfach stehen lassen. Ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt und die Nägel bohrten sich in ihr Fleisch. Sie hatte sich Michael geöffnet und hätte ihm ihr Herz geschenkt und wie hatte er es ihr gedankt? Mit Hohn und Spott!

„Egal, was du behauptest, ich bin eine Göttin!“, rief sie aufgebracht in die Dunkelheit. „Aber du bist nur der jämmerliche Diener des Höchsten!“

Die Nacht schritt voran, doch der bittere Geschmack der Enttäuschung blieb. Ihr Traum war geplatzt und ihre Hoffnung unwiederbringlich zu Grabe getragen. Plötzlich keimte ein Gedanke in ihr, der schnell zu einem gefinkelten Plan heranreifte. Sie fühlte, wie neue Energie sie durchströmte, und ihr ein gerissenes Lächeln auf die Lippen zauberte. Energisch straffte sie die Schultern. „Luzifer, höre mich an, ich habe dir ein Angebot zu machen.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, stand er auch schon vor ihr. Sie musterte den Gefallenen Engel, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Er war eine kleinere, schmächtigere Version von Michael, doch es fehlte ihm an dessen natürlicher Autorität und kriegerischer Ausstrahlung. Auch seine Gesichtszüge waren weicher und weniger markant. Sie ließ sich nichts anmerken und bezwang den Schmerz in ihrer Brust, als sie an Michael dachte.

„Ich bin gespannt, was du zu sagen hast. Ich habe schon viel von dir gehört.“

„Was wäre es dir wert, wenn ich Michael dazu bringe, vor dir zu knien?“

Luzifer sah sie erstaunt an und brach dann in Gelächter aus. „Das schaffe nicht einmal ich. Wieso sollte es ausgerechnet dir gelingen?“

Morrígan ließ sich ihren Ärger nicht anmerken. „Das wie muss dich nicht interessieren. Ich frage dich nur, was du bereit wärst, dafür zu geben.“

Da verstummte Luzifer und sah sie so durchdringend an, als würde er ihre Gedanken lesen. „Du hast den Ruf, eine beispiellose Strategin zu sein. Wenn dir dieses Meisterwerk gelingen sollte, ernenne ich dich zu meiner rechten Hand und Stellvertreterin.“

Morrígan dachte nach und nickte schließlich. „Bist du bereit, dies vertraglich festzuhalten und mit einem Tropfen deines Blutes zu besiegeln?“

Luzifer willigte ein und folgte ihr zu einer angrenzenden Hütte, wo sie ihre Übereinkunft auf Pergament festhielten.

Teil 1 – Mittelalter

1

1293, in der Grafschaft Kerry, im Südwesten Irlands, in einem dichten Wald.

 

Endlich zurück in ihrem Häuschen mitten im Dickicht, ließ Melanya sich erschöpft auf die Bank sinken. Die Kälte fuhr ihr bis in die Knochen und ließ sie erzittern, denn die Feuerstelle war schon längst erloschen. Ichmuss dringend ein neues Feuer entzünden, dachte sie und blieb trotzdem sitzen. Mittlerweile war es dunkel und sie fühlte sich müde, doch gleichzeitig unsagbar glücklich. Sie hatte es geschafft. Der kleine Junge würde gesund werden. Die letzten drei Tage und Nächte hatte sie gegen die Krankheit gekämpft und diesmal hatte sie gewonnen. Das Fieber war gesunken und der tiefe, bellende Husten klang bereits ab.

Melanya strich sich eine widerspenstige rotbraune Locke aus der Stirn, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. In den letzten Tagen war sie nur kurz zurückgekommen, um bestimmte Kräutertinkturen, Teemischungen oder Runen zu holen. Hier in diesem Teil Irlands hatte der Glaube an die heidnischen Götter noch immer Tradition. Und sie spürte nicht nur die Macht der Runenzauber, sie hatte auch das Wissen, sie anzuwenden.

Während andere Mädchen miteinander in der Sonne gespielt hatten, war sie von ihrer Großmutter in den Künsten der alten Magie und des Heilens unterrichtet worden. Diese Unterweisung hatte die genaue Kenntnis sämtlicher Kräuter und Pflanzen beinhaltet, denn manche dieser Gewächse hatten sowohl heilende als auch tödliche Wirkung und deren Ernte erforderte spezielle Rituale. Melanya kannte die Zubereitung von Salben, Tinkturen, Teemischungen und Essenzen. Damit unterschied sie sich von keiner kräuterkundigen Frau irgendwo anders im Land. Doch sie trug Magie in sich. Sie spürte sie zu jeder Stunde des Tages in sich vibrieren, manches Mal sanft und dann wieder machtvoll und stark. Durch ihre Großmutter, Eleonora, besaß sie auch das alte Wissen, jene Kenntnis um die Macht der alten Götter und deren Zauber. Ihre Großmutter hatte größten Wert darauf gelegt, dass sie die Magie der Runen beherrschte. Die gute ebenso wie die dunkle. Doch hatte sie Melanya stets davor gewarnt, die schwarzen Zauber anzuwenden. Halte dich stets fern von den dunklen Mächten!, hatte sie noch am Sterbebett verlangt und Melanya hatte sich immer daran gehalten.

Sie sah sich in ihrer Holzhütte um. Sie war klein, denn sie bestand nur aus einem Raum, doch wirkte sie gemütlich und sauber. An den Wänden waren zahlreiche Regale mit unzähligen Tiegeln und Fläschchen darauf befestigt. Überall hingen Büschel von Kräutern von den Deckenpfeilern, die dort vor sich hin trockneten und in dem kleinen Raum eine frische, herbe Mixtur aus Gerüchen verströmten. Alles hier erinnerte sie schmerzhaft an ihre Großmutter, die einzige Verwandte, die sie gehabt hatte. Vor zwei Jahren hatte auch sie Melanya verlassen und war auf die andere Seite gegangen. Seither lebte sie allein und führte das Vermächtnis fort.

Was sie mit ihren nur zweiundzwanzig Jahren zu einer alten Jungfer machte.

Die anderen Frauen in ihrem Alter waren längst verheiratet, hatten bereits mehrere Kinder geboren und die meisten dieser Kinder hatte sie, Melanya, selbst auf die Welt geholt. Sie hatte sie abgetrocknet, in eine Decke gehüllt und den Bruchteil einer Sekunde an sich gedrückt, bevor sie sie der Mutter übergeben hatte. Jedes Mal hatte sie dabei einen Stich in ihrem Herzen vernommen und die Leere in sich gespürt, denn sie würde niemals dieses Glück empfinden, hatten die Männer im Dorf doch leider Angst vor ihr. Sie befürchteten, dass sie sie für irgendwelche Vergehen mit einem Fluch belegen oder gar mit Impotenz bestrafen würde. Und Melanya hielt sich von ihnen fern, ahnte sie doch, wie schmal der Grat war, auf dem sie sich befand. Sie wusste, wie dankbar die Menschen, vor allem die Frauen im Dorf, für ihre Hilfe waren. Doch Garantie dafür, dass sie nicht irgendwann als Sündenbock für alles Mögliche würde herhalten müssen, gab es keine.

Sie seufzte resigniert und beschloss dann, dass das Hadern mit ihrer Einsamkeit nichts nutzte. Zumal es ohnehin nur einen einzigen Mann gab, dem ihr Herz gehörte. Der hatte aber leider noch nicht einmal Notiz von ihr genommen. Entweder wusste er nicht einmal, dass sie existierte, oder es war ihm schlichtweg egal. Melanya war sich nicht sicher, welche Möglichkeit sie trauriger stimmte.

Energisch schob sie die düsteren Gedanken fort und stand auf. Das Feuer im Kamin würde sich nicht von allein entfachen. Magie hin oder her, ohne Holz würde auch ihr Zauber nichts bringen. Die Suppe würde sich auch nicht von allein zubereiten und sie musste dringend etwas essen, um wieder zu Kräften zu kommen. Danach würde sie die aufgebrauchten Tinkturen gegen Fieber und Husten herstellen und ihre Vorräte auffüllen.

Sie holte Wasser aus dem Bach, der gleich hinter ihrer Hütte verlief und füllte es in zwei Töpfe über dem Feuer. Einer war für ihre Suppe, in dem anderen kochte sie das Wasser ab, damit sie es später für ihre Arzneien verwenden konnte. Sie machte sich daran, das Gemüse, das sie in ihrem kleinen Garten selbst gepflanzt hatte, kleinzuschneiden und warf alles in den Kessel über der Feuerstelle. Das würde für diesen Abend genügen müssen. Dann holte sie sich den schweren Mörser und bearbeitete die getrocknete Weidenrinde mit dem Stößel. Eine schweißtreibende Aufgabe, doch sie duldete keinen Aufschub, denn sie musste stets genügend ihrer speziellen, fiebersenkenden Rezeptur aus Weidenrinde und Mädesüß vorrätig haben. Also hieb sie weiter auf die Rinde ein, um sie in ein feines Pulver zu verwandeln, als ein lautes Klopfen sie unterbrach. Erschrocken ließ sie den Stößel fallen.

„Melanya! Seid Ihr da?“, rief eine Männerstimme und sie eilte zur Tür. Als sie öffnete, sah sie sich zwei Männern, die sie ängstlich anblickten, gegenüber.

„Was ist geschehen?“

„Wir wissen es nicht. Wir waren gerade auf dem Rückweg von der Jagd. Unsere Pferde waren in langsamem Schritt unterwegs und plötzlich fiel er einfach hinunter.“

„Ja. Wie ein Sack Kartoffeln ist er einfach so heruntergekippt“, pflichtete der andere ihm bei und deutete nach hinten auf einen reglosen Körper, der kopfüber über einem Pferd lag. Doch in der Dunkelheit konnte Melanya nicht erkennen, um wen es sich handelte.

„Bringt ihn herein und legt ihn auf das Bett neben dem Feuer“, wies sie die beiden an. Als sie den bewusstlosen Mann an ihr vorbeitrugen, erkannte sie sogleich dessen blonden Schopf und der Schreck ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. O ihr Götter! Bitte nicht er!

„Kieran! Könnt Ihr mich hören?“ Er schwitzte und sein Gesicht war leichenblass. Nur seine Wangen oberhalb des Barts waren ungesund gerötet und stachen neben der fahlen Haut umso stärker hervor. Panik ergriff von ihr Besitz, denn so sah jemand aus, der hohes Fieber hatte. Angsterfüllt befühlte sie seine Stirn und erschrak, denn er glühte förmlich. Die Furcht um ihn lähmte sie beinahe, doch sie wusste, sie musste funktionieren. Also schloss sie kurz die Augen und sammelte sich.

„Ist noch jemand erkrankt?“, wandte sie sich an die beiden aber die schüttelten nur den Kopf.

„Das ist gut“, murmelte Melanya vor sich hin, somit konnte sie eine Vergiftung über die Nahrung oder das Trinkwasser ausschließen.

„Ist euch sonst noch irgendetwas aufgefallen, ist er vielleicht die letzten Tage schon anders gewesen?“

„Ja, er ist beim Training besiegt worden“, überlegte der eine.

„Das ist ungewöhnlich“, erklärte der andere. „Außerdem habe ich gesehen, wie er sich mehrmals an den Schwertarm gegriffen hat.“

„Er hat auch mehr geschwitzt als sonst. Und sich hingesetzt.“

Melanya nickte. „Dann zieht ihm das Hemd aus. Aber vorsichtig!“

Als die beiden ihm den Stoff von der Schulter schälten, kam eine hässlich infizierte Wunde zum Vorschein. Das Fleisch war dick mit schmierigem, grünlichem Eiter belegt und die geschwollenen Ränder waren gerötet und klafften weit auseinander. Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, gefolgt von würgenden Geräuschen. Schnell warf sie dem zweiten Mann einen strengen Blick zu, der ebenfalls recht fahl im Gesicht aussah.

„Haltet Ihr das aus?“, fragte sie ihn sicherheitshalber. „Ich kann Eure Hilfe gut gebrauchen.“

Er nickte, sprach jedoch kein Wort mehr. Nun gut, dachte sie. „Holt mir die Baumwolltücher aus der Truhe dort drüben.“ Sie deutete mit dem Kopf in den hinteren Bereich der Hütte. „Und dann bringt mir noch den Krug dort oben links auf dem Regal.“

Der Mann tat wie geheißen und brachte die Utensilien, während sie bereits neben Kieran kniete. Geschickt tastete sie den Bereich um die Wunde herum ab, um zu fühlen, wie weit die Schwellung als Zeichen der Infektion bereits fortgeschritten war. Sie erschrak innerlich, denn das Schlimmste, was in einer solchen Situation eintreffen konnte, war geschehen. Sie befühlte nochmals die Wunde, doch leider irrte sie sich nicht. Der Wundgrund fühlte sich eigenartig weich an, als würde sie auf Teig drücken. Dies war ein sicheres Zeichen für eine Eiteransammlung darunter. Sie vermutete, dass die krankmachenden Säfte bereits die Blutbahn erreicht hatten und genau das bereitete ihr die größte Sorge, musste sie dadurch um Kierans Leben bangen. Ihr Götter, warum war er nicht schon viel früher zu ihr gekommen? Was mit einem Kratzer begonnen hatte, hatte sich mittlerweile zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung entwickelt. Doch Melanya würde nicht eher ruhen, bis sie die Krankheit besiegt hatte! Sie schwor sich, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihn zu retten. War dies doch der Mann, den sie schon ihr gesamtes Leben lang liebte.

„Ich muss die Wunde aufschneiden“, sagte sie mehr zu sich selbst. Doch dann fiel ihr ein, dass noch jemand neben ihm stand. „Wenn Ihr Euch das nicht zutraut, dann geht besser jetzt. Sobald ich einmal begonnen habe, werde ich keine Zeit haben, mich um Euch zu kümmern.“

Er nickte. „Ich schaffe das.“

„Gut. Dann bringt mir jetzt die Tücher, diesen Krug dort und noch heißes Wasser.“ Sie deutete auf die Feuerstelle links von sich. Er tat wie geheißen und Melanya stand auf und ging zu dem Regal, auf dem eine Schatulle aus kostbarem, poliertem Holz stand. Sie öffnete sie und holte ein kurzes, scharf aussehendes Messer hervor. Schließlich kniete sie sich wieder neben Kieran und deutete ihrem Helfer, sich neben ihr zu platzieren.

Sie ließ etwas von der Flüssigkeit aus dem Krug über ihre Hände und die Klinge rinnen und tränkte mehrere kleine, viereckige Baumwolltücher damit. Sogleich stieg ihr der stechende Geruch von Essig in die Nase, den sie mit Salbei, Thymian, Rosmarin und Lavendel angesetzt hatte, damit die reinigende Wirkung durch die Kräuter noch verstärkt wurde. Dann strich sie damit über die Wunde und begann, sie erst einmal vom Gröbsten zu reinigen. Tuch um Tuch tränkte sie und sorgte sich umso mehr, als Kieran nicht das geringste Lebenszeichen von sich gab. Immer wieder überprüfte sie, ob er tatsächlich noch atmete. Viel lieber wäre ihr gewesen, er hätte geschrien und sich gewunden, musste diese Prozedur doch höllisch brennen. Doch diese Regungslosigkeit war es, die sie am meisten fürchtete.

Nachdem sie die oberflächliche Schicht Eiter abgewaschen hatte, konnte sie die Verletzung genauer inspizieren. Was sie über alle Maßen beunruhigte, war die Tiefe der Wunde. Denn sie drang weit in das Fleisch von Kierans Schultermuskel. Sie musste nicht nachfragen, sie wusste auch so, dass es sich um eine Verletzung durch ein Schwert handelte.

„Bereit?“, fragte sie ihren Helfer. „Seht am besten nicht hin.“ Dann wandte sie sich wieder ihrer Aufgabe zu und versuchte, alle anderen Gedanken auszublenden. Sie durfte nun nicht daran denken, was sie hier eigentlich tat und vor allem, bei wem. Sie konzentrierte sich einzig auf die Wunde, denn würde ihr Blick nun zu seinem Gesicht wandern, würden ihre Hände wie Espenlaub zittern. Hier lag der Mann, dem ihr Herz gehörte, ohne Bewusstsein und dem Tod näher als dem Leben. Doch sie durfte nicht an das volle Ausmaß denken und atmete mehrmals tief durch, als sie die Klinge an Kierans Fleisch setzte. Konzentriert schnitt sie und sofort triefte dickflüssiger und übelriechender Eiter heraus. Mit dem stumpfen Ende des Messers drang sie nun in die Wunde hinein und drehte es quer. Sie konnte dadurch die Wundhöhle offen halten und der Eiter ungehindert fließen.

„Reicht mir die getränkten Tücher“, forderte sie, als der Fluss verebbte. Vorsichtig stopfte sie die Tupfer in die Wundhöhle, um jeden Rest an Eiter herauszuholen. Sie hörte ihren Helfer erneut ächzen, doch kümmerte sie sich nicht darum, vielmehr erschreckte es sie, dass Kieran auch von dieser Prozedur nichts mitbekam. Seine Bewusstlosigkeit war tief; schnell schob sie den beängstigenden Gedanken beiseite und arbeitete konzentriert weiter. Zuletzt schnitt sie einen schmalen Streifen von einem frischen Tuch ab und legte ihn in die Wundhöhle hinein, wobei sie ein Stückchen herausragen ließ. Es würde dafür sorgen, dass die Wunde nicht sogleich zusammenwuchs und eventuell neu gebildeter Eiter abfließen konnte. Sie würde den Streifen bei jedem Verbandswechsel erneuern, bis die Wunde sauber wäre und zuheilen konnte.

„Wisst Ihr, wann er sich verletzt hat?“, fragte sie ihren Helfer, ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen.

Er verneinte und sie vermutete, dass Kieran schon länger damit herumgelaufen sein musste. Eine Blutvergiftung geschah nicht über Nacht. Warum hatte er sich nicht schon früher von ihr helfen lassen? Doch sie kannte die Antwort. Männer kamen nicht freiwillig zu ihr, schließlich hatten sie Angst vor ihren Hexenkräften. Frauen nahmen ihre Dienste aus Sorge um ihre Liebsten in Anspruch, somit waren zumindest die verheirateten Männer versorgt. Doch zu den Junggesellen wurde sie erst gerufen, wenn es schon beinahe zu spät war.

„Hornochse“, murmelte sie vor sich hin. „Stures, überhebliches Mannsbild.“

„Was habt Ihr gesagt?“

Melanya sah erschrocken auf. Sie hatte den zweiten Mann in ihrer Hütte doch glatt für einen Moment vergessen.

„Nichts. Bringt mir den dritten Tiegel von rechts im zweiten Regal von oben“, wies sie ihren Helfer an, ohne ihren Blick von Kieran abzuwenden. Das Tongefäß wurde ihr gereicht und sie öffnete es. Darin befand sich eine Paste, die sie nach einem uralten Rezept aus Honig, Wegerich und frischem Knoblauch, vermischt mit Essigwein und dem Saft einer Zwiebel, hergestellt hatte. Während der Zubereitung hatte sie unentwegt ein Gebet der alten Druiden gesungen.

Sie verteilte die Paste gleichmäßig auf der Wunde und befestigte einen Verband aus Baumwollstreifen darum. Dann stand sie auf und ging zum Tisch, dankte den Göttern, dass ihr Pflichtbewusstsein ihre Erschöpfung besiegt und sie zuvor die Weidenrinde zermahlen hatte. Sie gab etwas Pulver in einen Becher und fügte noch einige Blüten von Mädesüß hinzu. Darüber goss sie heißes Wasser und ging wieder zu Kieran.

„Holt mir frisches Wasser aus dem Bach“, bat sie ihren Helfer. Dieser tat wie aufgetragen und eilte zur Tür hinaus.

Melanya tauchte ein sauberes Tuch in den Tee und beträufelte damit Kierans Lippen. Ihr Herz war von Furcht umklammert, denn er zeigte keinerlei Reflexe, die Arznei abzulecken. Doch sie musste es schaffen, das Fieber zu senken.

„Helft mir, seine Hose auszuziehen“, befahl sie ihrem Helfer, der wieder zurückgekommen war. Er nickte und machte sich daran, Kieran zu entkleiden. Melanya redete einfach weiter, denn es beruhigte sie. „Er glüht. Ich muss versuchen, das Fieber zu senken. Also werde ich ihm Wadenwickel machen.“

„Das macht Eileen bei unserem Sohn auch immer.“

„Dann seid Ihr Finns Vater?“, schlussfolgerte sie, doch sie konnte sich nicht an seinen Namen erinnern.

Er nickte. „Ihr habt ihn auf die Welt geholt.“

Natürlich habe ich das, dachte sie. Wie all die anderen Kinder des Dorfes auch. „Ja. Und ich habe Eurer Frau gezeigt, wie sie die Wadenwickel machen soll.“

„Wenn jemand Kieran retten kann, dann seid Ihr es, Melanya.“

Sie nickte nur, was hätte sie auch sagen können? Dass der Mann, dem ihr Herz gehörte, hier bewusstlos vor ihr lag und sie keine Ahnung hatte, ob sie den Kampf um sein Leben gewinnen konnte? Ihr war zum Weinen zumute und sie war nur knapp davor, die Nerven zu verlieren. Doch dann blickte sie in Kierans Gesicht. Trotz seiner Sonnenbräune war er bleich und seine blonden Haare klebten verschwitzt an ihm. Von seiner selbstbewussten Stärke, die er sonst stets versprühte, war nichts mehr übrig. Sie kniete sich wieder neben ihn und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, legte ihre Hand an seine Wange und spürte zum ersten Mal, wie es sich anfühlte, als Frau und nicht als Heilerin den Mann zu berühren, den sie liebte.

Seine Augen waren geschlossen, doch sie wusste auch so, dass sie das schönste Blau hatten, das sie jemals gesehen hatte. Nicht stechend hell, sondern von einem tiefen, beinahe violetten Farbton, wie die Blüte einer Kornblume. Auch ohne dass er lächelte, kannte sie die Grübchen, die sich in seinem Gesicht bildeten, selbst wenn dieses Lächeln niemals ihr gegolten hatte. Panik stieg in ihr auf. Was, wenn sie es nicht schaffen würde, ihn zu retten? Was, wenn niemals wieder ein spitzbübisches Grinsen seine Züge erhellen würde? Doch sie ermahnte sich schnell zur Vernunft. Sie durfte sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen lassen. Die Verantwortung für Kierans Leben lag nun in ihren Händen und sie durfte sich nicht von ihrer Angst lähmen lassen. Ihre Liebe zu ihm verlangte es, dass sie ihre Panik tief in sich vergrub und um sein Leben kämpfte. Und genau das würde sie tun. Sie würde nicht aufgeben! Niemals!

Sie holte ein weiteres Laken aus der Truhe und riss es in Bahnen. Dann nahm sie den Eimer mit dem frischen Wasser, tränkte den Stoff darin und träufelte ein wenig Essig darüber, danach wickelte sie den Stoff um Kierans Waden. Mit einem weiteren Tuch begann sie behutsam, seine glühende Haut zu waschen, um seinen Oberkörper zu kühlen. Sie war hochkonzentriert und arbeitete gewissenhaft. Nur um seine Scham lag züchtig die Decke.

„Kann ich noch etwas tun?“, holte sie die Stimme ihres Helfers aus der Konzentration. Sie schüttelte den Kopf, wandte jedoch den Blick nicht von Kieran ab. Kurz darauf hörte sie Schritte und eine Tür, die ins Schloss fiel. Dann herrschte Stille. Endlich, dachte sie, denn nun konnte sie das tun, wofür sie nur ungern Zeugen hatte.

Die alten Mächte um Hilfe bitten.

2

Obwohl sie nichts Böses tat, praktizierte sie diese Rituale immer nur, wenn sie allein war. Es war eine Sache, dass die Dorfbewohner wussten, dass sie die alten Riten beherrschte, doch es war eine ganz andere, dabei zu sein. Sie schätzten sie für ihr Wissen und ihre Hilfe, doch sie hatten auch großen Respekt vor den Zaubern, die Melanya beherrschte. Also praktizierte sie sie nur, wenn sie mit dem Kranken allein war.

Sie holte die benötigten Utensilien und reihte sie neben sich auf, entzündete eine kostbare Kerze aus Bienenwachs an dem Feuer im Kamin und stellte sie auf eine Truhe, die neben Kierans Lager stand. Mit geschlossenen Augen kniete sie sich erneut neben ihn und klärte ihre Gedanken, löste sich von allem Irdischen und stellte sich vor, wie die spirituelle Kraft der Götter sie durchströmte. Tatsächlich konnte sie an dieser Stelle stets fühlen, wie ihre Magie sich von dem ständigen zarten Vibrieren zu einem kraftvollen Prickeln steigerte. Ihre Großmutter hatte immer davon gesprochen, welch mächtiges Werkzeug Melanya einmal sein würde, doch sie hatte nie verstanden, was genau die Ältere damit gemeint hatte.

Dann öffnete sie die Augen und griff nach ihrem Dolch. Damit umschrieb sie einen Kreis in der Luft um Kierans Körper herum und rief die vier Elemente an, ihm Kraft zu schenken. Nun kam der Teil, an dem sie sich an die Götter wandte. Dana, die große Göttin Muttererde, aus deren Schoß alles Leben entstand, bat sie um genügend göttliche Energie, um die Krankheit zu besiegen. Sie wandte sich an Dagdu, den Gott des Todes und der Wiedergeburt und flehte ihn an, Kieran zu verschonen und ihn weiterhin unter den Lebenden verweilen zu lassen.

Dann wandte sie sich an Brigid und Bel, die Schützer der Heilkunst, bat um das Wissen und die Fähigkeiten, die sie brauchen würde, um Kieran auf seinem schweren Weg zur Genesung zu helfen.

Sie bat die Götter um Führung sowie Klarheit und griff in einen kleinen Lederbeutel. Drei Runen würde sie nacheinander herausholen, um den Verlauf von Kierans Zustand abschätzen zu können.

Krankheit und Schmerz lagen bereits in Runenform vor ihr. Erneut griff sie in den Beutel und zögerte lange, sich für einen Stein zu entscheiden, stand er doch für die mögliche Zukunft. Doch dann fühlte sie das bekannte Kribbeln in den Fingerspitzen, als sie den richtigen berührte. Sie zog ihn heraus und hielt ihn in ihrer Faust umschlossen, denn sie hatte Angst, draufzusehen. Langsam öffnete sie ihre Hand – und erschrak.

„Nein!“ Es war das Symbol für den Tod. Auf ihrer blassen Haut brannte es sich förmlich ein, denn die Götter sprachen in deutlichen Zeichen. Krankheit, Schmerz und Tod. Das würde sie niemals zulassen! Und wenn es das Letzte wäre, was sie tun würde, sie würde es schaffen! Kieran würde leben und sie würde nicht eher ruhen, bis sie ihn ins Leben zurückgeholt hatte!

Sie schüttete den Inhalt des Beutels auf dem Boden vor sich aus und suchte nach drei bestimmten Runen. Als sie die Steine mit den eingeritzten Zeichen gefunden hatte, hob sie diese auf und reihte sie auf Kierans Brustkorb entlang des Brustbeins auf. Die erste stand für Kraft und Stärke. Die zweite für die Überwindung von Leid und die dritte für Heilung. Dann holte sie aus einer Truhe ein Amulett, es war rund und bestand aus vier ineinander verschlungenen Knoten. Sie standen für die Elemente als Zeichen der machtvollen Kräfte der Natur.

Sanft hob sie seinen Kopf an und legte es ihm um. Dann platzierte sie ihre flache Hand darauf und schloss die Augen. Sie brauchte weder das Buch, das von magischer Generation zu Generation weitergegeben wurde, noch die ergänzenden Anmerkungen ihrer Großmutter. Eleonora hatte dafür gesorgt, dass Melanya alle wichtigen Rituale und Sprüche auswendig beherrschte. Mit ruhiger, aber bestimmter Stimme sprach sie den uralten Zauber für Genesung.

„Ich rufe Euch, Ihr Mächte der Natur.

Erhöret mich, denn ich erflehe Eure Hilfe.

Durch die Kraft des Himmels

und das Licht der Sonne,

durch den Strahl des Mondes

und die Macht des Feuers,

durch die Eile des Blitzes

und die Schnelle des Windes,

durch die Tiefe der Meere

und die Festigkeit der Erde,

durch die Härte des Felsens

und die Macht der Götter,

wird der Träger dieses Amuletts genesen.“

Dann setzte sie sich auf ihre Fersen und besang mit glockenheller Stimme die heilenden Kräfte der Natur. In einer alten, längst vergessenen Sprache sang sie die Gebete des Rituals und ließ den Göttern keinen Zweifel an ihrer Absicht.

Zum Abschluss kamen die Opfergaben. Dem Element Erde opferte sie Kräuter ihres Vorrates, die sie in eine Schüssel gab. Dem Wasser opferte sie, indem sie einen Schluck Wein darüber schüttete. Der Luft gedachte sie, indem sie ein Büschel getrockneten Salbei vom Deckenbalken abschnitt und damit räucherte. Sie hatte dieses Kraut gewählt, damit sie gleichzeitig die Luft von der Krankheit reinigen konnte. Als Letztes erbrachte sie dem Element Feuer ein Opfer, indem sie das übrige Räucherwerk und den Inhalt der Schüssel in die Flammen des Kamins schüttete.

Erneut fühlte sie Kierans Stirn, noch immer war sie heiß. So machte sie sich gleich daran, die Wadenwickel zu wechseln, und wusch ihn erneut mit frischem, kühlem Wasser. Als sie damit fertig war, setzte sie sich auf die Bank neben dem Feuer und betrachtete ihn. Für den Moment konnte sie nicht mehr viel tun und den Verband würde sie erst in einigen Stunden erneuern.

Als ihr Magen knurrte, beschloss sie, einen Teller Suppe und ein Stück Brot zu essen, aber sie brachte kaum einen Bissen herunter. Mit reiner Willenskraft, um selbst bei Kräften zu bleiben, würgte sie Löffel für Löffel hinunter. Ihr Blick hing an dem reglosen Kieran. Ab und zu hatte sie sich erlaubt, von ihm zu träumen. In ihrer Fantasie waren auf einer Lichtung im Wald gewesen, umgeben von blühender Blütenpracht, dem fröhlichen Gesang der Vögel und dem sanften Plätschern des Baches und hatten sich geliebt. Sie wusste, was Mann und Frau miteinander verband, zumindest in der Theorie, denn sie hatte einmal ein Paar dabei beobachtet. Es war im Lichtschein in einer Nacht des vollen Mondes gewesen. Manche Kräuter mussten dem alten Wissen nach in dieser speziellen Stunde geschnitten werden und regelmäßig strich sie in diesen besonderen Nächten durch den Wald. Da hatte sie die beiden gesehen. An dem Ufer des Baches. Das silberne Licht des Mondes hatte ihr die im Liebesspiel verschlungenen Körper offenbart und ihr gezeigt, was es bedeutete, mit allen Sinnen zu lieben. Zum ersten Mal hatte sie die Liebe eines Mannes zu einer Frau gespürt. Sie hatte gesehen, wie ehrfürchtig er ihren Körper erkundet hatte und wie sehr ihr dies zu gefallen schien. Dann hatte er sich auf sie geschoben und sie hatte ihn zwischen ihren Schenkeln willkommen geheißen. Er hatte sie geliebt, stark, kraftvoll und leidenschaftlich. Der Akt hatte Melanya die Schamesröte auf die Wangen getrieben und gleichzeitig derartig fasziniert, dass sie nicht eine Sekunde lang hatte wegblicken können. Sie hatte das Verlangen in sich gespürt, das lustvolle Ziehen in ihrem Unterleib, das doch niemals befriedigt werden würde. Die ganze Zeit über hatte sie an Kieran gedacht und sich vorgestellt, wie er sie lieben würde.

Auch wenn sie die körperlichen Gefühle nicht nachempfinden konnte, wusste sie doch, wie es sich anfühlte, sein Herz an jemanden verloren zu haben. Wieder glitt ihr Blick zu Kieran. Sie konnte nicht widerstehen und ging zu ihm hinüber. Er hatte ein markantes Gesicht mit einer geraden Nase und einem ausgeprägten Kiefer, der durch den blonden Bart noch betont wurde. Seine schulterlangen, ebenfalls blonden Haare gaben ihm ein verwegenes, ungezähmtes Aussehen. Er war groß und breitschultrig, durch den jahrelangen Drill in der Kampfeskunst. Es gab kein überschüssiges Gramm Fett an seinem Körper und sie konnte nicht widerstehen, ihn zu berühren. Sanft strich sie ihm eine schweißnasse Haarsträhne aus der Stirn.

„Kieran, gib nicht auf. Du musst kämpfen!“

Zärtlich legte sie ihre Hand an seine kratzige Wange und sprach ihm weiterhin beruhigende Worte zu, die ihm in seinem Kampf gegen das Fieber Kraft spenden sollten.

Dann wusch sie ihn ein letztes Mal in dieser Nacht mit kühlem Wasser, wechselte seinen Verband und bereitete sich dann ein Lager am Fußboden direkt neben ihm. Sie holte Felle und Decken und schürte dann noch einmal das Feuer im Kamin, damit Kieran nicht fror. Dann legte sie sich in ihr provisorisches Bett. Sie wusste, sie würde nicht schlafen, denn sie musste über ihn wachen. Sie schloss die Augen und lauschte jedem einzelnen seiner Atemzüge.

3

Spät in der Nacht holte sie ein lautes Klopfen aus ihrer Konzentration. Sogleich stand sie auf und ging zur Tür, ahnte sie doch bereits, wer davorstand. Diesen Besucher durfte sie nicht warten lassen. Sie öffnete und erblickte den Earl höchstpersönlich, begleitet nur von Brian, seinem Sohn.

„Seid gegrüßt, Mylord.“ Sie hielt ihren Blick gesenkt und knickste vor ihm. Der Earl war ein aufrechter Mann, der sein Land mit strenger, aber gerechter Hand führte.

„Wie geht es ihm?“

Melanya deutete den beiden, einzutreten und führte sie an Kierans Krankenlager. „Er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein.“

„Was genau fehlt ihm?“, fragte Brian.

„Er hat eine Wunde am rechten Arm und sie vergiftet ihn von innen.“

Die beiden nickten, jeder Krieger fürchtete solch eine Verletzung.

„Ich kann sie Euch zeigen.“ Der Earl nickte und Melanya kniete sich neben Kieran und wickelte die alten Stoffstreifen ab. Als sie die Wunde freilegte, zogen beide hinter ihr scharf die Luft ein. Gewissenhaft wusch sie die Reste der Paste mit ihrem speziellen Kräuteressig fort und wandte sich dann an ihre Besucher.

„Ihr seht, die schlechten Säfte sind weit in seinen Körper eingedrungen. Es wäre wichtig, dass er die Heilmittel zu sich nehmen würde, doch solange er nicht aufwacht, kann ich ihn nur von außen behandeln.“ Wieder strich sie die infizierte Stelle mit ihrer heilenden Paste ein und wickelte einen neuen Verband darum.

„Wird er es schaffen?“

Sie senkte den Blick. „Mylord, es ist noch zu früh, etwas Genaues zu sagen. Doch seid versichert, dass ich alles dafür tun werde, dass er lebt.“

„Melanya, ich bitte Euch, sprecht ehrlich zu mir. Wie steht es um ihn?“

Sie überlegte sich ihre Worte gut. „Im besten Falle besiegen wir die Infektion, er erwacht und kommt langsam wieder zu Kräften. Wobei eine solch schwere Verwundung eine langwierige Genesung bedeutet. Es wird ihm anfangs schwerfallen, ein Schwert überhaupt nur zu halten.“

„Und im schlechtesten Fall? Ich meine nicht … dass er stirbt … Ihr wisst schon.“

„Ich verstehe. Ihr meint einen Heilungsverlauf, in dem nicht alles glatt läuft. Es gibt eine Menge Komplikationen. Ihr wisst, dass die Krankheit von seiner Wunde ausgehend seinen ganzen Körper vergiftet.“

„Es war doch nur ein Kratzer“, stammelte Brian fassungslos.

Er tat Melanya unendlich leid. Auch er liebte Kieran, seinen Ziehbruder und es musste schrecklich für ihn sein, ihn hier so bewusstlos liegen zu sehen. Sie wollte ihm tröstend die Hand auf den Arm legen, doch sie verharrte mitten in der Bewegung, denn Brian erschrak. Also ließ sie ihre Hand wieder sinken und steckte sie in die Taschen ihres Kleides. Manches Mal vergaß sie, dass die Leute es nicht mochten, von ihr berührt zu werden. Sie hatten Angst vor ihren Kräften, auch wenn sie niemals jemandem Leid zufügen würde und ihre Magie ausschließlich nutzte, um zu heilen und Gutes zu bewirken.

Sie räusperte sich und wandte sich an den Earl. „Ich hoffe, dass die Krankheit nicht seine Organe befällt. Husten wäre zum Beispiel ein schlechtes Zeichen und auch das Fieber darf nicht zu hoch werden, sonst schadet es dem Inneren ebenfalls. Ich versuche, es so zu halten, dass es die schlechten Säfte verbrennt, doch keinen Schaden anrichtet.“

Der Earl wirkte nachdenklich. „Ich kam mit der Absicht hierher, Kieran auf die Burg zu holen, aber ich sehe ein, dass dies seinem Zustand nicht förderlich wäre. Seid Ihr bereit, ihn hier bei Euch zu pflegen?“

Melanya nickte. „Natürlich, Mylord.“

„Dann ist es abgemacht.“ Der Earl betrachtete sie eingehend. „Ich verstehe, dass Ihr Eure Kunst beherrscht, Melanya. Und ich bitte Euch, nichts unversucht zu lassen.“

Damit gab er ihr zu verstehen, was alle dachten. Dass sie eine Hexe war. „Mylord, Ihr müsst wissen, ich kann Leben und Tod nicht beeinflussen.“

„Und trotzdem seid Ihr Kierans letzte Hoffnung“, erwiderte er bestimmt und verließ zusammen mit seinem Sohn ihr Häuschen.

Melanya legte sich wieder auf ihr Lager am Boden neben Kieran und wachte erneut über seinen Schlaf. In den frühen Morgenstunden fing er an, sich unruhig umherzuwälzen und schmerzvoll aufzustöhnen, sogleich beugte sie sich über ihn und sah den gequälten Ausdruck, der seine Züge verunstaltete. Er warf sich ungestüm hin und her und Melanya fasste ihn sanft an den Schultern und drückte ihn zurück ins Strohlager. Dabei sprach sie besänftigend auf ihn ein, denn er musste sich beruhigen, damit der Verband sich nicht löste.

4

In Kierans fieberumwobenem Geist versuchten die finsteren Mächte, ihn ins Verderben zu stürzen. Der Teufel der Christen zerrte an seinem Arm und versuchte, Kieran in die Hölle zu verschleppen. Kaum hatte er es geschafft, sich loszureißen, schnappte Morrígan, die heidnische Göttin des Krieges, nach ihm, um ihn in die Nacht zu zerren. Er konnte ihre Raben sehen. Sie umkreisten ihn bereits. Das schrille Kreischen der Vögel schmerzte in seinen Ohren, und Morrígans bösartiges Kichern verschmolz mit den dunklen Verheißungen des Teufels zu einem bedrohlichen Missklang.

Doch da war noch etwas anderes. Etwas Reines und Helles in all der Finsternis, die ihn umgab. Eine glockenhelle Stimme. Sie sprach beruhigende Worte, die er zwar nicht verstehen konnte, die ihm jedoch Zuversicht schenkten. Es musste Rhiannon sein, die Göttin der Schönheit und der Liebe, die zu ihm sprach. Noch nie zuvor hatte er einen schöneren Klang vernommen. Er klammerte sich an sie wie ein Ertrinkender, denn diese Stimme bedeutete Licht.

„Kieran, Ihr müsst das trinken.“ Schnell hatte Melanya einen Tee aus Weidenrinde und Mädesüß gebrüht. Zum Glück war das Feuer im Kamin noch immer heiß genug und das Wasser im Messingtopf köchelte vor sich hin. Schnell hatte sie die zuvor zubereitete Kräutermischung mit der heißen Flüssigkeit übergossen. Er hatte einen Fiebertraum, das wusste sie, doch vielleicht gelang es ihr mit etwas Glück, zu ihm durchzudringen, sodass er etwas von dem fiebersenkenden Tee trinken konnte, der auch über eine schmerzstillende Wirkung verfügte. Sanft, aber bestimmt hob sie Kierans Kopf an und hielt ihn in ihrer Armbeuge. Sie redete sanft auf ihn ein, um ihn zu beruhigen und begann vorsichtig, seine Lippen mit der Flüssigkeit zu beträufeln. Den Göttern sei Dank, er leckte darüber. Stetig wiederholte sie das Vorgehen, bis er schließlich ruhiger wurde.

„Rhiannon“, flüsterte er, bevor er in tiefen Schlaf glitt.

Was fantasierte er da bloß? Warum träumte er von der Göttin des Waldes, der Tiere und der Jagd? Rhiannon stand auch für die Schönheit und die Liebe. Doch dann wurde ihr etwas anderes bewusst und versetzte ihr einen Stich im Herzen. Sogleich schimpfte sie sich eine dämliche Ziege, denn es war auch einfach ein Frauenname und Kieran war ein Mann, der den Freuden der körperlichen Liebe nicht abgeneigt war. Wann immer sie im Dorf war, hörte sie junge Frauen über ihn schwärmen. Der schmerzende Stachel der Eifersucht stieß jedes Mal unbarmherzig in ihr Herz, obwohl sie nicht das geringste Anrecht auf ihn hatte und niemals haben würde.

Kieran war im besten Mannesalter und wenn es ihr gelang, ihn zu heilen, würde er irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft heiraten und eine Familie gründen. Und sie, Melanya, würde dann helfen, sein Kind auf die Welt zu bringen. Sein Kind … dessen Mutter sie niemals sein würde. Dieses Wissen schmerzte mehr als alles andere. Und doch würde sie diesen Jungen oder dieses Mädchen von der ersten Sekunde an lieben. Sie würde mächtige Schutzzauber sprechen und stets über sie oder ihn wachen. Wenn auch aus der Ferne.

Sie atmete tief durch und verbannte energisch die trüben Gedanken. Kieran schlief. Mit der Hilfe der Götter würde der Tee seine Wirkung entfalten und ihm einige Stunden friedvollen Schlaf bescheren.

Sie stand auf, wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab und blickte an sich hinab. Ihr Gewand hatte schon bessere Tage erlebt, immerhin hatte sie in den letzten drei Tagen keine Zeit gehabt, sich umzuziehen, hatte sie sich doch zuvor um den kranken Jungen gekümmert. Wann hatte sie zuletzt etwas Sauberes getragen? Oder geschlafen? Schnell verschwand sie hinters Haus und säuberte sich in dem kleinen Bach. Dann schlüpfte sie in ein frisches Gewand und wusch das andere aus, das sie anschließend zum Trocknen über den Ast eines Baumes hängte. Die Sonne würde später dafür sorgen, dass sie es wieder unbehelligt tragen konnte.

Kurz vergewisserte sie sich, dass Kieran ruhig schlief. Es nutze ihm nichts, wenn sie ängstlich an seinem Krankenbett saß. Obwohl der Gedanke, dass er sterben könnte, sie mehr ängstigte als alles andere, würde er davon nicht satt werden, also ging sie auf die Jagd nach einem Hasen oder einem Rebhuhn für ihn. Wenn er aufwachte, und einen anderen Gedanken ließ sie nicht zu, würde er Nahrung brauchen, die ihm Kraft spendete. Und sie würde dafür sorgen, dass er sie bekam. Sie konnte jagen, auch wenn sie selbst kein Fleisch aß. Sie ernährte sich von dem, was die Natur ihr freiwillig gab und baute Gemüse im Garten hinter ihrem Haus an. Das Getreide für das Brot, das sie backte, kaufte sie im Dorf. Sie verlangte von den Bewohnern nicht viel für ihre Heildienste, nur so viel, wie sie zum Leben brauchte. Immerhin konnte sie nicht alles selbst anbauen. Und sie brauchte auch immer wieder frische Laken für Verbände sowie Honig und Wein für ihre Rezepturen. Und dann gönnte sie sich auch ab und an eine Scheibe frisch gebackenen Brotes mit Honig. Für sie waren diese Momente der Himmel auf Erden. Doch dies musste nun warten. Sie schnappte sich ihren Bogen und einige Pfeile und huschte aus der Tür.

Eine Stunde später hatte sie ein Rebhuhn getötet. Nun saß sie hinter dem Haus und rupfte es. Zweimal hatte sich ihr bereits der Magen umgedreht. Zwar war sie es gewohnt, Blut zu sehen oder übel riechenden Eiter abzuwaschen, brannte Wunden aus und konnte sie auch nähen. Sie hatte schon tief im Fleisch steckende Pfeile wieder herausgezogen und auch sogar schon einmal ein Bein abgenommen. Doch noch nie hatte sie ein Tier ausgenommen, dessen Leben sie zuvor gewaltvoll beendet hatte. Es half allerdings nichts, sich darum zu drücken. Kieran würde das Fleisch später brauchen – sofern die Götter Gnade zeigten.

Als sie endlich mit dem Rebhuhn fertig war, spülte sie sich den Mund aus und putzte sich die Zähne mit einer Paste, die sie aus frischen Kräutern zubereitet hatte. Sie beschloss, eine Hälfte des Huhns für einen Eintopf zu verwenden und die andere zu pökeln und später zu trocknen. Kraftvoll schleppte sie frisches Wasser für die Suppe vom Bach zur Hütte und schürte erneut das Feuer im Kamin. Als sie die Zutaten und das Fleisch geschnitten hatte, warf sie alles in den Messingtopf und bereitete auch noch einen stärkenden Hirsebrei zu. Die ganze Zeit über sprach sie mit dem schlafenden Kieran. Sie wollte, dass er Bezug zum Hier und Jetzt hatte, denn sie hoffte, dies würde ihm helfen, im Diesseits zu verharren.

Es war bereits Mittag. Lächelnd kniete sie neben ihm und strich ihm liebevoll die Haare aus der Stirn. Er glühte nach wie vor. Ihr Götter, steht ihm bei!

5

Da war Feuer! Es war überall um ihn herum und er konnte fühlen, wie es mit gierigen Fängen nach ihm lechzte. Er wollte wegrennen, doch er konnte sich nicht bewegen. Panik ergriff von ihm Besitz. Es würde ihn kriegen und bei lebendigem Leib verbrennen. Er fühlte die Hitze bereits ganz nahe.

Doch da war noch etwas.

Ganz leise drang es zu ihm durch. Es war süß wie Honig und legte sich wie ein kühlender Balsam über das Feuer in ihm. Rhiannon sprach zu ihm. Sie musste es sein. Die Göttin der Schönheit redete mit ihm, mit ihrer hellen und klaren Stimme, gleich der eines Engels. Er verstand nicht genau, was sie sagte, doch er lauschte gebannt ihrem Klang. Sie war der Anker in der Dunkelheit und die Rettung vor dem Feuer. An sie klammerte er sich, um nicht in die Finsternis abzutauchen.

 

Mittlerweile war es Nachmittag und Melanya war unendlich müde. Sie hatte alle Arbeiten des Tages verrichtet und nun forderten die letzten vier durchwachten Nächte ihren Tribut. Sehnsüchtig blickte sie zu dem Lager am Boden neben Kieran und beschloss, sich kurz ein wenig auszuruhen.

Sie rollte sich, zu ihm gewandt, zusammen und spürte plötzlich seine Hand auf ihrer Hüfte. Diese war unbewusst aus dem Bett geglitten und hing nun herunter. Sanft griff sie danach und wollte sie wieder ordentlich in das Bett legen, als sich seine Finger besitzergreifend um ihre schlossen. Ein warmes Kribbeln durchfuhr ihren gesamten Körper und zugleich breitete sich eine himmlische Ruhe in ihr aus. Ein Gefühl, dass sie genau hier und jetzt sein wollte. Am hellen Tag, am Boden liegend, ihre Hand verschlungen mit Kierans. Sie schloss die Augen und genoss die Wärme seiner Berührung. Sogleich fiel sie in einen leichten Schlaf.

Einige Zeit später weckte sie die Kälte, die sich in ihren Knochen festgesetzt hatte. Sie musste einige Male blinzeln und stellte verwundert fest, dass ihre Finger noch immer miteinander verschränkt waren, trotzdem sollte sie aufstehen und das Feuer schüren. Schweren Herzens löste sie ihre Hand aus Kierans und strich ihm zärtlich übers Gesicht, betrachtete seine ausdruckslose Miene und ihr Blick fiel auf seinen Mund. Er hatte feste, männliche Lippen und sie konnte nicht länger widerstehen. Sie legte ihre Lippen auf seine. Zart wie eine Feder hauchte sie einen Kuss drauf.

„Rhiannon“, flüsterte er.

Wer ist diese verdammte Rhiannon? Ärgerlich schimpfte sie sich im Geiste eine dumme Gans. Er würde niemals der Ihre sein, also konnte sie auch gleich mit ihren Tagträumen aufhören. Bestimmt ging sie zu der Feuerstelle und legte einige Holzscheite nach. Da sie noch etwas Zeit hatte, bis der Mond hoch am Himmel stand, um das Ritual zum Anrufen der Götter zu wiederholen, sprach sie mit ihm und erzählte ihm von ihrer Kindheit. Wie viel sie ihrer Großmutter verdankte, aber auch, was sie durch deren strenge Unterweisung vermisst hatte, wie eine Freundin zu haben, mit der sie am Bach hätte spielen können. Sie erzählte ihm, dass sie in einem anderen Leben wahrscheinlich bereits verheiratet wäre und mindestens drei Kinder hätte.

„Doch das Leben ist nicht immer gut und gerecht. Wer weiß, vielleicht wäre mein Mann ein Säufer, oder sonst irgendein Tunichtgut? Oder vielleicht hätte er überhaupt keine Manneskraft?“, mutmaßte sie lachend.

 

Kieran hörte Rhiannons Lachen. Es klang lieblich und wunderschön, wenn auch mit einem wehmütigen Ton darin. Sie sprach immer so ernst und er freute sich, dass sie nun etwas fröhlicher war. Er wünschte sich, sie wäre es öfter. Kurz wunderte er sich, weshalb die Göttin der Liebe und Schönheit nicht unbeschwerter war. Dann umnebelte ihn erneut die Dunkelheit.

 

„Welche Frau kann von sich behaupten, unabhängig zu sein? Ich verdiene mein eigenes Geld und kein Mann kann mir Vorschriften machen. Abgesehen davon, dass sie sowieso Angst vor mir haben.“ Wieder lachte sie. „Wie dem auch sei. Was hältst du davon, wenn ich dich wasche? Ich denke, dann fühlst du dich ein wenig besser. Ich bin gleich wieder da. Ich gehe nur kurz zum Bach und hole frisches Wasser.“

Sie pflückte auch gleich ein wenig Minze, die am Wegesrand wuchs, sie würde seinen Körper noch zusätzlich kühlen. Mit zwei Eimern frischem Wasser kam sie zurück in die Hütte und bearbeitete schnell das Kraut mit dem Mörser. Dann warf sie es zusammen mit ihrer selbst gemachten Rosmarinseife ins Wasser und schnappte sich ein frisches Baumwolltuch.

„Ich denke, Rosmarin ist dir lieber als Veilchen.“ Sie kniete sich neben Kieran auf den Boden. Langsam deckte sie seinen Brustkorb ab. Sie hatte ihn schon ein paarmal mit nacktem Oberkörper gesehen. Wenn sie auf der Burg zu tun gehabt hatte, und es im Sommer unerträglich heiß gewesen war, trainierten die Männer im Burghof oftmals ohne Hemd. Allerdings hatte sie nie die Möglichkeit gehabt, ihn genauer zu mustern, geschweige denn, ihn zu berühren.

Zärtlich fuhr sie die zahlreichen alten Narben nach. Er hatte den Körper eines Kriegers. Seine gebräunte Haut spannte sich über seine Muskeln und ließ sein sonnengebleichtes Haar beinahe leuchten. Mit einem feuchten Tuch wusch sie ihm liebevoll das Gesicht, seinen Brustkorb und seine Arme. Dann deckte sie seinen Bauch ab, wobei sie züchtig darauf achtete, seine Scham bedeckt zu halten, und fuhr mit den Fingerspitzen die Berge und Täler seiner Bauchmuskeln nach.

Nachdem sie auch seine Beine gewaschen und seine Wadenwickel erneuert hatte, blieb sie ratlos vor ihm knien. Ihre Neugier brachte sie noch um den Verstand. Natürlich wusste sie um die Beschaffenheit des männlichen Körpers, wenn auch nur aus der Perspektive einer Heilerin. Sollte sie einen Blick riskieren? Überrascht stellte sie fest, dass sie den Zipfel der Decke bereits zwischen ihren Fingerspitzen hielt. Nein!, ermahnte sie sich selbst. Das kann ich doch nicht machen! Aber sie war so neugierig. Allerdings würde das eindeutig zu weit gehen! Oder etwa nicht? Ihr Gewissen rang mit ihrer Neugier. Und die Neugier siegte.

Langsam hob sie die Decke ein Stückchen an, nur so weit, bis sie darunterspähen konnte. Was sie sah, gefiel ihr. Alles an Kieran war groß … und eindrucksvoll. So auch dieser Teil seines Körpers, selbst in entspanntem Zustand. Er war einfach schön. Alles an Kieran war schön, aber auf eine aufregend männliche Art und Weise.

Schweren Herzens trennte sie sich von seinem Anblick und deckte ihn wieder zu. Dann legte sie ihr Ohr an seine Brust und lauschte seinem Herzschlag. Er war gleichmäßig und kraftvoll, wenn auch ein wenig zu schnell, was die Schuld des Fiebers war. Ihr fiel sein Geruch auf. Er duftete nach ihrer Rosmarinseife mit einem Hauch von Minze, doch auch nach Mann. Herb und anziehend. Tief sog sie seinen Geruch ein, nahm ihn in sich auf. Denn der Tag würde kommen, da würde er nur noch eine Erinnerung sein.

6

Kieran befand sich auf einer Lichtung im Wald. Um ihn herum herrschte nichts als Finsternis. Es war gespenstisch ruhig, nur der Ruf eines Raben drang zu ihm durch. Morrígans Rabe. Die Göttin des Krieges und der Schattenwelt verlangte nach ihm. So sehr er sich auch wehren wollte, er konnte sich nicht bewegen. Er war an einen alten, dicken Baum gefesselt. Wurzeln waren seine Ketten um Beine und Äste jene um seine Arme. Rote Flammen züngelten an ihm und der Rauch brannte in seiner Lunge, machte ihm das Atmen schwer. Da sah er die dunkle Göttin mit bleicher Haut und schwarzem Haar, gleich dem Gefieder eines Raben. Sie trat aus der Dunkelheit und kam langsam auf ihn zu. Auf eine unheimliche, dunkle Art war sie wunderschön, doch Kieran fröstelte es bei der Kälte, die in ihren Augen lag.

„Es ist Zeit, Krieger. Dein Licht wird schon bald erloschen sein und du wirst in die Welt der Schatten eintauchen.“ Ihre rauchige Stimme ließ sich ihm die Nackenhaare aufstellen.

„Sie wird noch ein Weilchen auf mich warten müssen!“

Morrígan lachte unbarmherzig. „Ach, ihr Menschen seid doch stets unterhaltsam.“ Sie streckte ihre Hand aus und fuhr mit ihren Fingerspitzen Kierans nackte Brust entlang, hinab zu seinem Bauch. Dort wo sie ihn berührte, zog sie eine Linie aus Feuer. Kieran stöhnte unter dem Schmerz, doch Morrígan sah ihn mit eisigem Blick an. Er konnte die langen, schwarzen Wimpern sehen, die ihre Augen einrahmten. Sie war makellos … Und furchteinflößend. Mit nur einem Fingerzeig zogen sich die Fesseln um seine Handgelenke enger und schnitten ihm ins Fleisch.

Dann fasste sie ihn unsanft im Nacken und zog seinen Kopf zu sich hinab. Sie leckte mit ihrer Zunge über seine Lippen und stieß sie ihm dann tief in seinen Mund. Mit übermenschlicher Kraft hielt sie ihn fest und küsste ihn. Es war ein machtbesessener Kuss, ohne Gefühl oder Leidenschaft.

„Wenn ich es dir befehle, wirst du mir gehorchen, Krieger.“ Wieder küsste sie ihn. „Es ist das letzte Mal, dass ich deine Widerworte dulde.“

 

Melanya pflegte Kieran unermüdlich, doch im Laufe des Nachmittags verschlechterte sich sein Zustand. Er begann, am ganzen Körper zu zittern und hustete sich die Seele aus dem Leib. Es war ein tiefsitzender, rasselnder Husten und seine Haut glühte im Fieber. Seine Wangen waren unnatürlich gerötet, während die Haut um Nase und Mund fahl und blass war. Egal, welchen Trank Melanya ihm auf die Lippen träufelte oder womit sie ihm die Brust einrieb, nichts zeigte Wirkung.

Genau vor dieser Entwicklung hatte sie sich so sehr gefürchtet. Doch sie gab nicht auf. Sie räucherte Salbei, um die Luft von der Krankheit zu reinigen, und Thymian, um den Schleim in seiner Lunge zu lösen. Denn bei jedem Atemzug war das Rasseln lauter zu hören. Sie hatte Angst! Pure, nackte Angst um Kierans Leben. Dabei wusste sie, dass sie nicht jeden retten konnte – doch bei Kieran musste es ihr gelingen!

Als der Mond am Himmel erschien, wiederholte sie das Ritual, um die Elemente und die Götter um Kraft und Genesung für Kieran zu bitten. Erneut griff sie zu den Runen, die ihr Auskunft über seinen Zustand geben sollten. Wieder zog sie die Steine für Krankheit, Schmerz und Tod.

Ihre Eingeweide krampften sich zusammen und eine eiserne Faust legte sich um ihr panisches Herz. Das durfte einfach nicht geschehen! Doch wie um sie eines Besseren zu belehren, wälzte Kieran sich gequält hin und her. Und obwohl sie ihn fest zugedeckt hatte, zitterte er noch immer. Sie wusste, dass das war kein gutes Zeichen war, da es bedeutete, dass das Fieber erneut anstieg. Was sollte sie tun? Wenn sie doch nur über die Kräfte verfügen würde, den Tod fernzuhalten. Plötzlich keimte ein Gedanke in ihr. Wenn sie den Tod nicht beeinflussen konnte, warum wandte sie sich dann nicht an jemanden, der diese Fähigkeit besaß? Erschrocken hielt sie mitten in der Bewegung inne. Was hatte sie da gerade gedacht? Sie schlug sich die Hände vors Gesicht. Sie durfte nicht einmal an solche Zauber denken! Doch die Idee, die in ihr keimte, wurde schnell zu einem Plan.