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Von Föhr nach New York und zurück - ein Leben zwischen den Meeren. Kurz vor ihrem 100. Geburtstag haut Inge Martensen ab. Mit ihrer Urenkelin besteigt sie ein Schiff nach New York. Sie hofft, Swantje mit dieser Reise zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Und selbst endlich Frieden zu schließen mit dem, was sie bisher für sich behielt … Während der Überfahrt erzählt Inge von einem schillernden Leben zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: einer kleinen Insel in der rauen Nordsee und dem pulsierenden Manhattan. Hierhin wanderte sie als junge Frau aus. Wer hätte gedacht, dass eine Föhrer Bauerntochter einmal mit ihrem «magic potato salad» Manhattan erobern und John F. Kennedy bewirten könnte? Damals ahnte sie noch nicht, dass das Schicksal ihre Welt bald erneut auf den Kopf stellen würde. Bestsellerautor Janne Mommsen schreibt über ein faszinierendes Frauenleben. Ein Buch, das Mut macht, den eigenen Weg zu finden.
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Seitenzahl: 483
Veröffentlichungsjahr: 2025
Janne Mommsen
Roman
Von Föhr nach New York und zurück – ein Leben zwischen den Meeren
Kurz vor ihrem 100. Geburtstag haut Inge Martensen ab. Mit ihrer Urenkelin besteigt sie ein Schiff nach New York. Sie hofft, Swantje mit dieser Reise zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Und selbst endlich Frieden zu schließen mit dem, was sie bisher für sich behielt …
Während der Überfahrt erzählt Inge von einem schillernden Leben zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: einer kleinen Insel in der rauen Nordsee und dem pulsierenden Manhattan. Hierhin wanderte sie als junge Frau aus. Wer hätte gedacht, dass eine Föhrer Bauerntochter einmal im vierzigsten Stock eines Wolkenkratzers tanzen oder mit ihrem «magic potato salad» Manhattan erobern und John F. Kennedy bewirten könnte? Damals ahnte sie noch nicht, dass das Schicksal ihre Welt bald erneut auf den Kopf stellen würde.
Bestsellerautor Janne Mommsen schreibt über ein faszinierendes Frauenleben. Ein Buch, das Mut macht, den eigenen Weg zu finden.
Janne Mommsen hat in seinem früheren Leben als Krankenpfleger, Werftarbeiter und Traumschiffpianist gearbeitet. Inzwischen lebt er als freier Autor in Hamburg. Mommsen hat eine Weile in Nordfriesland gewohnt und kehrt immer wieder dorthin zurück, um sich der Urkraft der Gezeiten auszusetzen. Die Frage, wie ausgerechnet der «Manhattan» zum Nationalgetränk der Föhrer wurde, hat ihn schon immer beschäftigt. Und so widmet er sich in seinem neuen großen Roman diesem besonders spannenden Aspekt der friesischen Vergangenheit. Eine Fortsetzung der Geschichte um Inge Martensen ist für das Frühjahr 2026 geplant.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2025
Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Covergestaltung Lübbeke Naumann Thoben, Köln
Coverabbildung Grażyna Smalej
ISBN 978-3-644-02148-8
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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Für Maite und Tammo
Alhuar ik henkem üüb a eerd,
alhü uk het det lun:
at jaft dach man an ian eilun Feer,
det leit mi boowen uun.
An kaam ’k uk hen uun ’t lokelkst steed,
huar surgen goor ej wiar,
toocht ik dach äeder an uk leed
am di, min eilun Feer.
My little town blues
Are melting away
I’ll make a brand new start of it
In old New York!
If I can make it there
I’ll make it anywhere!
It’s up to you
New York, New York
2022
Inge saß neben Swantje am Utersumer Strand auf einer bunt gemusterten Decke. Normalerweise breitete sich hier einer der schönsten Ausblicke von der Insel Föhr aus, der blieb allerdings gerade hinter einer dichten Nebelwand verborgen. Ungeachtet dessen rieben sie sich Gesicht und Arme mit Sonnenschutzcreme ein. Inge trug ein kurzärmeliges oranges Frotteekleid, Beine und Gesicht waren braun gebrannt. In ihrem weißen Haar steckte eine neue Ray-Ban-Sonnenbrille mit dunkelgrünen Gläsern. Ihre zwanzigjährige Urenkelin neben ihr meinte, damit sehe sie aus wie ein ehemaliger Filmstar. Inge amüsierte sich über Swantjes Latzhose mit den kurzen Hosenbeinen, darunter trug sie ein rot-weiß gestreiftes T-Shirt.
«Erinnert mich an Pippi Langstrumpf», sagte sie lächelnd. Nur dass Swantjes Haare nicht rot, sondern blond und ihre Augen hellgrün waren.
«Gab es Pippi eigentlich schon zu deiner Jugendzeit?», fragte Swantje.
Inge schüttelte den Kopf. «Meine Jugend ist so lange her, da war noch nicht mal die Bibel fertig geschrieben.»
Swantje lachte. «Nun gib mal nicht so an, so alt bist du auch wieder nicht.»
«Hast du ’ne Ahnung!» Immerhin wurde sie demnächst unglaubliche hundert Jahre alt.
Eine Möwe krächzte über ihnen laut auf. «Nebel ist der beste Moisturizer für die Haut», meinte Swantje. «Das Gesicht entspannt sich und wird ganz glatt.»
Inge zog skeptisch die Augenbrauen hoch. «Du meinst, im Nebel verschwinden meine Falten?»
«Welche Falten, Ingma?»
«Danke, very charming.»
Ihr Name «Inge» und «Ma» für Mutter hatten sich in ihrer Familie schon früh miteinander verbunden. Damit entfielen für nachfolgende Generationen alle Anreden, die im Lauf der Jahrzehnte dazugekommen wären, wie Tante, Großtante, Oma und Uroma.
Dabei zählte Inge tatsächlich zu jenen beneidenswerten Menschen, die im hohen Alter ziemlich glatte Haut hatten. Wofür sie dankbar war, denn eitel war sie noch immer.
Swantje stellte ein Stövchen in den Sand und zündete ein Teelicht an. Dann goss sie heißes Wasser aus einer Thermoskanne in eine friesisch blaue Teekanne, in der ein Metall-Ei mit Earl-Grey-Tee lag. Swantje hatte die Blätter mit einem Hauch Bergamottöl versetzt. Sie stellte zwei dünnwandige Teetassen auf ein kleines Tablett und schenkte beiden ein. Inge freute sich, dass ihre Urenkelin die friesischen Traditionen pflegte. Sie schlürften den heißen Tee und starrten stumm in den Nebel.
Wenn man zusammen schweigen kann, hat das was, dachte Inge. Sie liebte ihre Swantje sehr. Schon als Kleinkind hatte Inge sie «Swanee» genannt, diesen Kosenamen benutzte nur sie.
Swantje holte den Stoff für das indigoblaue Seidenkleid heraus, das sie gerade nähte. Inge war allein schon von der Farbe begeistert, sie hatte ihr immer Glück gebracht. Die Vorderseite des Kleides zierte eine abnehmbare zinnoberrote Schürze, den Brustbereich bestickte Swantje in Weiß mit einem alten Muster.
«Erinnert mich an unsere Friesentracht», sagte Inge.
«Ja, ich experimentiere gerade mit den traditionellen Schnitten.»
Swantje hatte sich das Schneidern selbst beigebracht und stellte in ihrer wunderbar chaotischen Wohnung in der Nähe der Borgsumer Mühle Föhrer Trachten her. Was hohe Handwerkskunst war: Über dem vier Meter langen dunklen Trägerrock trugen die Inselfriesinnen eine weiße Schürze mit Lochstickereien und silbernen Brustschmuck. Unter Föhrer Mädchen und Frauen war dieser Aufzug an Festtagen immer noch sehr verbreitet.
«Gibt es bei dir dazu die traditionelle Kopfhaube?»
«Aber ja, ich habe sie nur etwas abgewandelt, kann ich dir zeigen.» Swantje fischte ihr Tablet aus dem Rucksack.
«Fürs Nähen war ich immer total unbegabt», seufzte Inge.
«Du hast deine Tracht bestimmt von deiner Mam geerbt», vermutete Swantje. Die Kleider wurden unter Friesinnen meist von Generation zu Generation weitergegeben und der jeweiligen Größe angepasst.
«Als Mädchen hatte ich so was nicht», antwortete Inge. «Und kaufen konnten wir keine, dazu fehlte das Geld.»
«Aber auf alten Fotos habe ich dich in Tracht gesehen!»
«Stimmt, auf Long Island habe ich mir eine von einer Föhrer Freundin anfertigen lassen, zur ersten Steubenparade.»
«Steubenparade?»
«Ab 1957 haben sich die deutschen Einwanderinnen und Einwanderer in New York jedes Jahr auf der 5th Avenue präsentiert, bis heute. Stell dir vor, damals waren wir an die 10000 Deutsche, und 150000 Zuschauer haben uns in Manhattan zugejubelt, ein Riesenfest! Wir Friesen haben uns im Zug ganz nach vorne gemogelt. Die meisten Amis kannten von Deutschland ja nur Bayern und Rheinland-Pfalz, da wollten wir unsere Fahne hochhalten.»
«Und dann bist du in Friesentracht mitten durch New York gelaufen?»
Inge strahlte. «Of course, zusammen mit 180 anderen Föhrerinnen! Mein Hauke marschierte mit seiner Blaskapelle vorweg, in weißen Hosen und dunkelblauem Jackett mit goldenen Knöpfen. Wir kamen uns vor wie echte Stars – herrlich!»
«Ingma-Superstar!», rief Swantje.
Inge lachte.
Ihre Urenkelin zeigte ihr das Tablet. Inge rückte näher und setzte sich eine der Brillen auf, die sie in ihrer Handtasche in unzähligen Schatullen mit sich trug. Swantje klickte die Seiten langsam durch. Die Bilder zeigten Trachten in verschiedenen Farb-, Stoff- und Formvariationen, knieumspielt oder mit Dekolleté, alle frei interpretiert: Einer Kopfhaube hatte Swantje beispielsweise eine Art Sonnenschirm aus grünem Plexiglas verpasst, den Blumenrand aber so belassen. Es war ein ganz eigener Stil, präsentiert von blendend aussehenden Models.
Inge staunte. «Das ist alles von dir?»
«Ja», antwortete Swantje leise.
«Nicht zu fassen! Die Models haben das bestimmt mit Begeisterung getragen.»
«Es gibt sie gar nicht, die hat sich der Computer ausgedacht.»
«Sie sehen aus wie echt.»
Swantjes Schnitte fielen locker und sahen dennoch elegant aus, es war ein bisschen Fünfzigerjahre darin, aber auch Anspielungen auf Punk und Pop. Diese Stile kannte Inge aus der wilden Phase von Swantjes Vater Jan, ihrem Enkel.
«Hast du die mal jemandem gezeigt?», fragte Inge.
«Ach was, die mache ich nur für mich.»
«Kannst du mir die Fotos mailen?»
«Wie gesagt, Ingma, das sind nur Spinnereien.»
Inge legte Swantje die Hand auf den Unterarm. «Aber nicht jede Frau in meinem Alter hat eine Urenkelin, die spinnt.»
«Also gut.» Swantje tippte ein paarmal auf den Bildschirm. «Schon ist es in deinem Posteingang.»
«Föl toonk.»
Darauf, dass sie mit dem Computer umgehen konnte, war Inge nicht besonders stolz, das war für sie inzwischen so selbstverständlich wie mit Messer und Gabel essen. Und eines stand fest: Swanees Entwürfe mussten raus in die Welt! Wenn ihre Urenkelin schon nicht über den Tellerrand der Insel hinausblickte, musste sie es eben tun. Eine geeignete Mailadresse dafür hatte sie schon im Kopf.
Plötzlich tauchte im Nebel eine runde helle Stelle mit verschwommenen Rändern auf.
«Der Tanz geht los», murmelte Inge.
Die Sonne hinter den Wolken war bereits zu erahnen. Beim Gezeitenwechsel kam meist leichter Wind auf, das hatten sie erwartet. Die dicke Suppe geriet dadurch in Bewegung und wurde bald dünn wie ein durchsichtiger Schleier. Urplötzlich erschienen der knallblaue Himmel und die pralle Sonne, der Strand leuchtete gleißend hell auf, das Meerwasser glitzerte so heftig, dass es in den Augen wehtat. Die Temperaturen schossen einige Grad nach oben. Sie setzten ihre Sonnenbrillen auf und lehnten sich zurück. Vor ihnen lag nun die Nordspitze der Insel Amrum, gegenüber die Südspitze von Sylt, dazwischen die offene See. Mehr ging nicht!
«Wie sieht es bei dir im Winter aus?», erkundigte sich Inge in bemüht beiläufigem Ton.
«Mal sehen.»
Wenn Swanee nicht gerade Trachten schneiderte, jobbte sie in einem Café, aber die Saison neigte sich jetzt, Mitte September, dem Ende zu. Dass sie nach ihrem Abitur vor zwei Jahren weder studierte noch eine Lehre angefangen hatte, brachte ihren Vater Jan zum Rotieren. Er arbeitete immer neue Zukunftspläne für sie aus, während seine Tochter mit ihrem Leben ziemlich zufrieden war. Ihre vielseitigen Interessen und wie schnell sie Neues lernte, nahm er gar nicht wahr.
Vom Meer kam ein angenehm kühler Wind. Auf dem Wasser nahm ein einzelner Kitesurfer mit magentafarbenem Schirm Kurs auf Sylt.
Plötzlich richtete sich Swantje auf. «Da!», rief sie und deutete zum Horizont, wo für einen normalen Betrachter nichts Besonderes zu erkennen war.
Nun bemerkte es auch Inge. «Right!»
Weit draußen auf dem Meer braute sich ein Wind zusammen, den man auf der Wasseroberfläche noch nicht sehen konnte.
«Du kannst es also auch», stellte Inge fest.
«Was?»
«Einen Wind wahrnehmen, bevor er da ist.»
«Schon immer.»
Vielleicht hatte Swantje diese Begabung ja von ihr geerbt, oder es lag einfach daran, dass sie an der Nordsee aufgewachsen war. Eine gute Viertelstunde später erreichte der Wind den Strand. Inge blinzelte in die Sonne und kam nun endlich zur Sache.
«Meine liebe Swanee, ich habe eine große Bitte an dich.»
«Gerne!»
«Du weißt doch noch gar nicht, was es ist.» Inge beobachtete einen Schwarm Graugänse, die in einer V-förmigen Formation quakend gegen den Wind Richtung Norden flogen.
«Die Sache ist die, my pretty Swanee, ich möchte so gerne noch einmal die alten Orte in New York besuchen, den Segelclub auf Long Island, den Delistore am Broadway, wo alles begonnen hat.»
«Wow!»
«Ja, wow, aber es gibt ein Riesenproblem.»
«Was?»
«Ich schaffe das nicht mehr alleine.»
«Hmm.»
«Mal ganz direkt gefragt: Könntest du mich unter Umständen begleiten?» Inge nahm einen Schluck Tee, bevor sie weiterredete. «Wir würden bei Meike in der Lower East Side wohnen.» Inges Nichte Meike lebte dort in einer geräumigen Fünfzimmerwohnung. «Ich bezahle natürlich alles, und du bekommst ein Taschengeld, wir mieten ein Auto …»
«Ich will kein Geld von dir, Ingma.»
«Darüber reden wir dann.»
Swantje überlegte nur kurz. «Doch, das mache ich gerne!»
Inge fiel ein Stein vom Herzen. «Herrlich! Das wird eine richtige Mädelstour mit allem Drum und Dran!»
«Klingt fast so, als wenn du in New York durch die Discos ziehen willst.»
«In meinem Alter will ich nicht übertreiben.» Sie machte eine kurze Pause. «Eine pro Abend genügt.»
«Wann soll es losgehen?»
«In vierzehn Tagen …?»
«So bald?»
«Und es gibt da noch etwas …», begann Inge und blickte auf die offene See.
«Ja?»
«Ich habe riesige Flugangst.»
«Och, dagegen gibt es Tabletten.»
«Lieber würde ich auf ein altbewährtes Hausmittel zurückgreifen.»
«Und das wäre?»
«Ein Schiff.»
Swantje sah sie irritiert an. «Und da fühlst du dich sicher?»
«Wenn es untergeht, kann ich immer noch schwimmen.»
«Bis nach New York? – Nicht doch lieber fliegen? Vielleicht nimmst du einen Fallschirm mit, für alle Fälle.»
«Du wirst lachen, das habe ich schon bei verschiedenen Airlines angefragt. Aber den bekommst du im Handgepäck nicht untergebracht, allein daran scheitert es.»
«Wie lange dauert es denn mit einem Schiff nach New York?»
«Acht, neun Tage. Ich buche für dich eine eigene Kabine, mit Balkon.»
«Kommt gar nicht infrage, wir nehmen eine zusammen. Und während der Überfahrt erzählst du mir alles von früher, das nehme ich mit dem Tablet auf. Das wollte ich schon lange mal machen.»
«Bitte nicht, Swanee. Ich bin zu alt und hässlich, um gefilmt zu werden.»
Swantje grinste. «Dann nehmen wir doch das Flugzeug.»
«Das ist Erpressung!», protestierte sie. In Wirklichkeit fühlte sie sich geschmeichelt, dass ihre Urenkelin sie filmen wollte. «Also gut, aber kein Wort zur Familie!»
«Warum?»
«Glaub mir, es ist besser so.»
«Okay.»
Ein leichter Wind wehte ihnen durch die Haare. Sie setzten sich eng nebeneinander und schauten zwischen der Nordspitze von Amrum und der Südspitze von Sylt aufs Meer. Irgendwo da hinten lag New York.
Das Nachmittagslicht formte auf dem saharafarbenen Teppich eine Raute, die langsam weiterwanderte. Inge saß in ihrem bequemsten Sessel und schaute im Fernsehen ihre Lieblingssendung. Als sie jünger war, hatte sie sich geschworen, ihren Lebensabend nicht mit Bingo und Quizsendungen zu verbringen. Damals fand sie es deprimierend, dass viele Senioren nichts anderes vorhatten. Nun war sie selbst in das Alter gekommen und brach solche Schwüre mit Herzenslust. Quizshows waren ein netter Zeitvertreib, dabei konnte sie wunderbar abschalten. Mit einem Glas Wein ging das genauso gut, aber Fernsehen hatte weder Kalorien noch Nebenwirkungen.
Sie lebte seit Längerem wieder in dem kleinen Oldsumer Reetdachhaus, in dem sie aufgewachsen war. Allerdings bewohnte sie nur die untere Etage, in der sie vor über vier Jahrzehnten mit ihrem Sohn Tom alle nicht tragenden Wände herausgerissen hatte, sodass die Räume viel Platz boten. Sie hatte hier alles, was sie brauchte. Ihr großes Wohnzimmer war früher einmal die Scheune gewesen, dazu kamen eine gemütliche Küche, ein geräumiges Bad und eine Terrasse. Sie schlief immer noch in der Abseite neben der Küche, die schon als Kind ihr Paradies gewesen war: Durch das kleine Stallfenster ging ihr Blick direkt zu der alten Eiche auf dem Hofplatz und dem Himmel darüber. Bis vor wenigen Jahren hatte Inge sämtliche Räume noch selber geputzt. Aber als ihr Sohn Tom den Vorschlag gemacht hatte, sich eine Putzhilfe zu nehmen, hatte sie doch gerne zugestimmt. Ihr Rücken war nicht mehr unendlich belastbar, das hatte sie einsehen müssen.
Der Moderator stellte gerade seiner Kandidatin eine Frage, die einige Tausend Euro wert war: «Wann kam der Song New York, New York heraus? A: 1956, B: 1966, C: 1972, D: 1977.»
«Einfach!», murmelte sie.
Es klopfte an der Tür.
«Ist offen!», rief sie.
Herein kam ihr Sohn Tom, wie immer in weiten weißen Klamotten, heute trug er dazu lederne bunte Basketballschuhe. Einmal Hippie, immer Hippie, das zog er durch. Tom surfte mit seinen 67 Jahren immer noch, allerdings nicht mehr bei jeder Windstärke. Seine Haut war stets braun gebrannt, seit es auf Föhr ein Sonnenstudio gab, auch im Winter. Auf eine geheimnisvolle Art wirkte er immer noch jungenhaft – dabei war ihr kleiner Tom inzwischen selbst Großvater! Die grauen Haare an seiner Stirn gingen immer weiter zurück, an Tom sah Inge noch deutlicher als an sich selbst, wie sehr die Zeit vorangeschritten war. Was sie ihm natürlich nie sagen würde.
«Hi, Mom, how are you?» Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
«Fine, and you?»
«Fine, too.»
Sie sprachen meist Englisch miteinander. Tom war auf Long Island geboren und hatte erst mit Anfang zwanzig Deutsch gelernt, als er mit ihr nach Föhr gezogen war. Bis dahin hatte er nur Englisch und Fering gesprochen. Seinen amerikanischen Akzent war er nie ganz losgeworden.
Sie deutete auf den Fernseher. «Weißt du es?»
Er setzte sich zu ihr und guckte auf dem Bildschirm. «Keine Ahnung.»
«Überleg mal.»
«Für dich ist das einfach, in der Zeit hast du ja in New York gelebt.»
«Du auch.» Tom war 1954 in Manhattan geboren. «Also?»
«Frank Sinatra, wann lebte der?», überlegte er laut. «Ich würde sagen: 1956.»
Inge triumphierte. «Falsch, mein Lieber!»
«1956», legte sich auch die Kandidatin fest und loggte die Antwort ein. Damit flog sie raus.
«Liza Minnelli hat den Song zuerst gesungen», klärte Inge ihren Sohn auf. «Und zwar 1977 in dem gleichnamigen Film mit Robert De Niro. Danach erst hat Frankieboy ihn berühmt gemacht.»
Als Nächstes kam die Frage, welcher Nobelpreis nicht von Alfred Nobel gestiftet wurde. Das wusste Tom erstaunlicherweise sofort: «Den Wirtschaftsnobelpreis.»
Es war richtig.
Sie stellte den Fernseher aus. «A tea, my son?»
«Why not?»
Sie wollte aufstehen, aber er bediente sich in der Küche bereits selbst. Er kam mit zwei vollen Tassen zurück.
«Was ist los mit dir, Mom?», fragte er.
«Was soll sein?»
«Stimmt es, dass du nach New York willst?»
Woher wusste er das? Hatte Swantje es ihm etwa verraten? Das konnte sie sich nicht vorstellen.
«Ja.»
«Wieso?»
«Sehnsucht.»
Tom nahm einen Schluck und knabberte an einem Ingwerkeks aus der Schale auf dem Tisch. «Dir geht es auf Föhr doch bestens, warum willst du das aufs Spiel setzen?»
«Bitte? Was setze ich aufs Spiel?»
«Mom, wir planen gerade deinen Geburtstag, der soll in Oldsum groß gefeiert werden, mit Feuerwehrkapelle und Bürgermeister.»
«Ach, und ich werde gar nicht gefragt? – Kannst du alles absagen, ich brauche das nicht!»
«Ist dir klar, was in deinem Alter auf so einer Reise alles passieren kann?»
«Was meinst du konkret?»
«Na, was ist, wenn du mitten auf dem Atlantik einen Schlaganfall bekommst?»
«Mein Blutdruck ist bestens, sagt Dr. Webersen.»
«Trotzdem.»
«Mein lieber Tom, auch blutjung, wie du bist, kann es dich erwischen. Teeny bist du mit 67 auch nicht mehr.»
«Aber erstens tuckere ich nicht mit einem Schiff nach New York, und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit bei mir noch erheblich geringer.»
«Ich schätze, nicht mehr als 0,05 Prozent.»
«Mom, bitte!»
«My beloved Tom, in meinem Alter habe ich bereits jede Statistik überlebt, also was soll’s?»
«Aber es muss doch nicht sein!»
«Was sagt denn Mary dazu?»
Mit seiner Frau war Tom inzwischen weit über vierzig Jahre verheiratet, ihre Meinung zählte eine Menge für ihn.
«Lass Mary bitte aus dem Spiel.»
Ah, vermutlich war sie nicht seiner Meinung …
«New York ist meine zweite Heimat, deine übrigens auch.»
«Ich weiß, Mom.»
«Im Grunde meines Herzens bin ich auch ein Hippie. Ich möchte frei sein, das zu tun, was ich will – mit zwanzig wie mit hundert. Das müsstest du gut verstehen!»
Üblicherweise war das Toms Text. Sie fand es seltsam, mit ihrem erwachsenen Sohn so zu reden, aber anders verstand er es nicht.
«Nice try, Mom, aber ein Hippie warst du nie.»
«Tief in meinem Innern schon.»
Es klopfte erneut an der Tür.
«Moin, ihr zwei.»
Toms Sohn und Inges Enkel Jan kam herein. Sein Haupthaar war ihm mit Mitte vierzig bereits vollständig ausgegangen. In letzter Zeit war er zudem ziemlich rund geworden, was ihn selbst nervte. Man durfte ihn auf keinen Fall darauf ansprechen.
«Moin, Jan, willst du auch einen Tee?»
«Nee, danke.»
Er setzte sich auf einen Stuhl.
«Alles gut?», fragte Inge.
«Wie man’s nimmt.»
«Was ist?»
«Ich mache mir Sorgen um Swantje.»
«Vorhin ging es ihr noch gut, was ist mit ihr?», fragte Inge.
«Du willst, dass sie mit dir nach New York fährt?»
«Sagt wer?»
«Meike.»
Ah, da war das Leck!
Inge winkte ab. «Ja, ich habe sie gefragt, ob sie mich rüberbringt.»
Jan verzog das Gesicht. «Das Wintersemester läuft an, und sie sollte endlich ein Studium beginnen. Da kann sie nicht weg.»
«Muss sie das nicht selbst entscheiden?»
«Bitte, Ingma», sagte Jan, «Swantje hängt sehr an dir, sie ist leicht zu beeinflussen, nutz das nicht aus!»
«Warum soll sie ihre Uroma nicht auf einer Seereise begleiten?»
«Ich habe vorhin mit Meike telefoniert. Sie sagt, dass ihr länger drüben bleiben wollt.»
Inge gab sich unbedarft. «Ich kenne Swantjes Pläne nicht, da musst du sie schon selbst fragen.»
Jan ahnte vermutlich, dass mehr hinter der Reise steckte, als sie zugab. Denn nebenbei wollte Inge dafür sorgen, dass Swantje in New York mit ihren Modeentwürfen eine Chance bekam. Sie hatte die Bilder längst weitergemailt, wovon Swanee wiederum noch nichts wusste.
Es klopfte wieder.
Fast hätte sie laut gelacht. Außer an hohen Feiertagen war ihr Wohnzimmer selten so voll. Jetzt spazierte auch noch ihr Hausarzt Dr. Webersen herein.
«Moin Hannes», rief sie. «Was ist los? Bin ich krank?» Sie hatte ihn noch nie von sich aus rufen müssen.
«Tom meinte, ich soll mal bei dir vorbeisehen.»
Inge funkelte ihren Sohn genervt an. «Wenn ich einen Arzt brauche, kümmere ich mich selber.»
«Klar, Mom», antwortete Tom. «Ich wollte, dass Hannes mal deine Reisetauglichkeit checkt.»
Er ließ wirklich nichts aus.
«Und, Hannes? Wie is es?», fragte sie Dr. Webersen. «Darf ich reisen? Und wenn ja, wie weit?»
«Du darfst alles, Inge. Ich würde dir auch nicht verbieten zu rauchen, wenn du wieder anfangen willst.»
Inge grinste. «Dann habe ich die letzten Jahre ganz umsonst aufs Schmöken verzichtet?»
In diesem Moment kam ihr das riesige Plakat aus den Fünfzigerjahren auf dem Times Square vor Augen. Es zeigte einen Camel-Mann, aus dessen Mund alle paar Sekunden echter Rauch geblasen wurde. Vor allem Kinder hatten es geliebt – heute wäre allein das ein Grund, es zu verbieten.
«Für eine Erwachsene in deinem Alter bist du vollkommen gesund», bestätigte Webersen.
«Und auf dem Schiff gibt es einen Arzt», erklärte sie. «Außerdem habe ich eine Begleitung.»
«Perfekt.»
«Willst du gar nicht Moms Blutdruck messen?», drängelte Tom.
«Hast du das nicht heute Morgen selbst gemacht?», fragte Webersen sie.
«125 zu 85.»
Er schüttelte den Kopf. «Du machst mir Sorgen, Inge.»
«Wie das?»
«An Patientinnen wie dir ist einfach kein Geld zu verdienen.»
«Irgendwann bringe ich dich schon in die Gewinnzone, versprochen.»
Er lachte. «Ich muss wieder, tschüs!» Er hob zum Abschied die Hand.
Tom und Jan blickten zu Boden.
«Mom, du wirst bald hundert», sagte Tom nach einer Weile. «Das ist ein Geschenk. Genieß es, aber überspann den Bogen nicht! Ich habe Angst, dass dich die hektischen New Yorker auf der Straße einfach umrennen.»
«Ich möchte doch nur die Orte von damals noch einmal sehen.»
«Das verstehe ich ja. Deswegen habe ich mir etwas überlegt. Wir bitten Meike, Fotos von sämtlichen Plätzen aus deiner Zeit in den USA zu machen. Die mailt sie dir dann.»
Als wenn das dasselbe wäre!
«Aber ich möchte auch mitkriegen, wie es da duftet, und ich will überall mal um die Ecke gucken.»
«Für den Preis, dass dir dabei etwas passiert? Ich möchte dich nicht verlieren, Mom, auch nicht, wenn du bald hundert wirst. Du sollst noch lange leben.»
«Das ist sehr rührend von dir, my son, thank you so much.»
Der Gute! Und doch hatte sie das Gefühl, dass es ihm nicht nur um sie ging, sondern auch ein wenig darum, über sie zu bestimmen. Das ärgerte sie, aber letztlich war sie selbst schuld. In den zurückliegenden Jahrzehnten hatte sich bei ihnen beiden einiges angestaut.
«Wahrscheinlich stimmt es», seufzte sie. «Alles hat seine Zeit. Ich hätte es früher machen sollen. Irgendwann ist halt eine Grenze erreicht. Das muss ich akzeptieren, auch wenn es schwerfällt.»
«Es wird uns allen irgendwann so gehen.»
«Ihr habt recht, es war eine Schnapsidee.»
Tom und Jan strahlten sie erleichtert an.
4 TAGE SPÄTER
Inge ließ sich neben Swantje auf der Couch nieder und blickte auf die wunderschönen Häuser am Blankeneser Elbhang, die in der Nachmittagssonne an ihr vorbeizogen. Hier vereinten sich Geld und guter Geschmack, das war kaum zu schlagen. Wobei sie sich auch nicht beschweren konnte: Ihre Kabine im dritten Stock des kleinen Kreuzfahrtschiffes war so groß wie eine geräumige Einzimmerwohnung, es gab ein Badezimmer mit Dusche und eine Wanne mit Whirlpool. Wenn sie die Schiebetür zum Balkon öffnete, konnte sie von der Wanne aus durch die verglaste Terrassentür direkt aufs Wasser blicken. Es gab zwei breite Betten, in jedes hätten locker zwei Personen gepasst. Fernsehen, Internet, es war alles da, und an der Wand hing ein riesiges Foto von einem blauen Himmel über dem Meer. So nobel hatte sie den Atlantik noch nie überquert.
«Die Kabine hat bestimmt ein Vermögen gekostet», meinte Swantje.
Inge winkte ab. «Worauf soll ich mit hundert noch sparen? Ich habe mein Sparbuch aufgelöst, die Überfahrt mit meiner Urenkelin ist mir das auf jeden Fall wert.»
Ihr Handy klingelte, sie setzte die Brille auf und schaute neugierig aufs Display.
«Hi, Tom, how are you doing?»
«Hi, Mom, wo steckt ihr?»
«Blankenese.»
«Herrlich dort, nicht?»
«Ja.»
«Und was habt ihr in Hamburg sonst noch so vor?»
«Heute Abend gehen wir aufs Oktoberfest, später bummeln wir ein bisschen über den Broadway und gucken uns die Skyscraper an.»
Das bekam er nicht zusammen – wie auch?
«Du meinst, in der Hafencity?», murmelte er.
«Nein.»
«Gib mir bitte mal Swantje.»
«Swantje!», rief Inge nach hinten, und ihre Urenkelin kam in Sportdress aus dem Badezimmer. «Es ist dein Ualaatj», sie reichte ihr grinsend den Apparat. Ualaatj war das friesische Wort für Großvater.
Swantje übernahm und stellte auf laut.
«Alles okay mit meiner Mom?», fragte Tom.
«Ja, wieso?»
«Sie verwechselt Hamburg mit New York und den Broadway mit dem Oktoberfest.»
«Nein, tut sie nicht.»
«Ich denke, ihr seid in Blankenese!»
«Das zieht gerade vorbei, gleich kommt Wedel.»
«Häh, wie das?»
Swantje lehnte sich zurück. «Und in acht, neun Tagen sind wir dann in New York.»
«Sag, dass das nicht wahr ist!»
«Warum sollte ich dich anlügen?»
«Aber …»
«Wir sind an Bord der Caribbean Sea, die Sonne scheint, es geht uns bestens. Ich muss auflegen, wir müssen zum Essen. Sag kurz, wie ist das Wetter bei euch auf Föhr?»
Das war gemein, Swantje hatte bereits im Internet gesehen, dass es auf der Insel senkrecht und waagrecht regnete.
«Äh …»
«Bis später, Ualaatj!»
«Wenn er könnte, würde er die Marine alarmieren, um mich zurückzuholen», sagte Inge, nachdem Swantje aufgelegt hatte.
Über einen alten New Yorker Kontakt hatte Inge die Reise kurzfristig buchen können, dabei hatten sie Glück gehabt: Ein Passagier war krank geworden und hatte zwei Tage vor Abfahrt storniert. Sie hatte nicht lange gezögert, das war die Gelegenheit. An Bord der Caribbean Sea waren an die vierhundert Amerikaner, die gerade eine sechswöchige Europareise beendeten, auf der Überfahrt zurück nach New York hatten sie Zeit, alle Eindrücke zu verarbeiten. Dazu gab es jeden Abend eine Mottoshow zu den Ländern, die sie besucht hatten.
«Heute Abend ist Deutschland dran», wusste Swantje.
«Lass mich raten – Oktoberfest?»
«Fast. Es gibt im Theater eine Show, die auf Schloss Neuschwanstein spielt.»
Inge klatschte begeistert in die Hände. «Da müssen wir hin! Wenn Amerikaner etwas können, ist es Kitsch, den ziehen sie durch bis zur Schmerzgrenze – herrlich!»
Swantje wirkte nicht ganz so angetan.
Sie hatten sich nicht extra umgezogen, als sie sich zum Theater im Bauch des Schiffes begaben. Inge hakte sich an Swantjes Arm ein und hielt in der anderen Hand ihre beiden Walkingstöcke, die sie «meine treuen Begleiter John und Eric» nannte. Die amerikanischen Passagiere hatten sich für das Theater mächtig aufgehübscht, die Frauen trugen glitzernde Abendkleider, kein Mann erschien ohne Jackett. Eine hervorragende Band spielte ein Potpourri aus verschiedenen Musicals, tolle Tänzer und Sängerinnen bewegten sich vor einer riesigen LED-Wand und gaben alles. Die Bühnentechnik war atemberaubend, man bekam wirklich das Gefühl, sich in Neuschwanstein zu befinden. In der Mitte des zweistöckigen Thronsaals erhob sich eine Säule in Form einer Palme, es gab riesige Porzellanschwäne mit aufgeplusterten Federn sowie kostbare Wandteppiche. Später schwebten die Interpreten zu Songs von Tina Turner um das Schloss herum. Zugegeben, die Lieder passten nicht wirklich zur Historie, aber die Lieblingsmusik des Bayernkönigs – Richard Wagner – wäre an Bord bestimmt nicht so gut angekommen.
Inges Gedanken wanderten zurück in ihre Kindheit. Es kam ihr vor, als wäre sie nicht nur in einer anderen Zeit, sondern auf einem anderen Planeten aufgewachsen. Auf dem kleinen elterlichen Hof im Föhrer Dorf Oldsum hatte es kaum Abwechslung gegeben. Entweder musste Inge arbeiten oder ihre Eltern oder alle zusammen. Einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, wurde in der Scheune gefeiert. Es begann damit, dass auf einen alten Arbeitstisch geheimnisvolle Messingbehälter gestellt wurden, die ihr Vater das Jahr über auf dem Spitzboden verwahrte. Damit brannte er aus Rüben Schnaps, das war billiger, als Alkohol zu kaufen.
«Und wenn ein Polizist die Flaschen findet?», fragte Inge besorgt. Sie wusste, dass Schnapsbrennen verboten war. Ihr Aatj, wie sie ihren Vater auf Friesisch nannte, sollte nicht ins Gefängnis kommen!
«Du musst draußen aufpassen», flüsterte Aatj in verschwörerischem Ton. «Wenn jemand kommt, rufst du, ja? Ich verlasse mich auf dich.»
«Und wenn dich jemand verpetzt?»
«Warum sollte? Die meisten brennen doch selber.»
Inge und ihr Bruder Hans standen draußen Schmiere, ein Polizist tauchte zum Glück nie auf. Der fertige Schnaps roch fürchterlich, fand sie, aber Aatj war stolz darauf.
«Der ist besonders gut», sagte er jedes Jahr, nachdem er das erste Glas probiert hatte. Das hochprozentige Getränk wurde in Glasflaschen gefüllt, die unter dem Heu versteckt wurden.
Am Tag vor dem Fest spannten ihre Eltern die beiden Ackergäule Rollo und Thor vor die Kutsche, Hans und sie sprangen auf die Ladefläche, Mam und Aatj kletterten auf den Kutschbock. Dann ging es zum Wyker Hafen. Das Schönste am jährlichen Fest war für sie und ihren Bruder, dass Oma «Ness» von der Nachbarhallig Langeneß für eine Woche anreiste. Die Mutter ihrer Mam lebte als Witwe auf der «letzten Warft vor England», wie sie zu sagen pflegte.
«Moin, all tosam», rief sie überschwänglich auf Plattdeutsch vom Deck des Kutters und sprang mit ihrem Köfferchen an Land. Dann umarmte sie als Erstes ihre Enkel, anschließend reichte sie Tochter und Schwiegersohn die Hand. In den nächsten Tagen schnappte sich Oma Ness ihre beiden Enkelkinder und wanderte mit ihnen weiter raus ins Watt, als es Mam und Aatj je gewagt hätten. Der warme Schlick spritzte durch ihre Zehen, auf dem Meeresboden sammelten sie Muscheln und schöne Steine. Ihr Gang endete stets am Priel vor Sylt, das man nicht durchwaten konnte, weil es zu tief war. Hier rauchte Oma Ness genüsslich eine Zigarette. Sie war die einzige Frau in Inges Kindheit, die sie rauchen sah, was sie faszinierend fand. Warum sollten das nicht auch Frauen tun?, fragte sie sich schon damals, mit neun Jahren.
Alles auf dem Boden des Wattenmeeres fühlte sich an, als seien sie weit draußen auf hoher See, was ja stimmte: Ihre Heimatinsel war hinter ihnen nur noch als schmaler Strich zu erkennen. Die gesammelten Muscheln nahmen sie in großen Taschen mit nach Hause und klebten sie auf Wäschetruhen und Schränke. Erstaunlicherweise ließen das ihre sonst pingeligen Eltern zu. Wenn Oma Ness abreiste, sah das Haus ein kleines bisschen nach einem Märchenschloss aus. Vor allem war sie eine begnadete Geschichtenerzählerin. Anders als sonst wollten Inge und Hans so früh wie möglich ins Bett, damit ihre Geschichten länger dauerten. Oma erzählte von Sturmfluten, wenn sie auf der Hallig Land unter hatten und sie tagelang alleine auf ihrer Warft ausharren musste. Inge stellte sich das unendliche aufgewühlte Meer vor, mittendrin ein einziger kleiner Hügel mit einem reetgedeckten Haus, das den Wassermassen trotzte.
Mit dem selbst hergestellten Hochprozentigem wurde in der Scheune mit Freunden und Nachbarn gefeiert. Schuhmacher Letj Herbert spielte mit seinem Akkordeon zum Tanz auf, Oma Ness war für den Ausschank zuständig. Inge beobachtete das Geschehen am liebsten vom Heuschober aus. Beim Hoffest waren ihre Eltern andere Menschen, alle Mühsal schien von ihnen abzufallen. Sonst hatte Inge die beiden nie Zärtlichkeiten austauschen sehen, und auch gegenüber den Kindern waren sie eher zurückhaltend. Aber auf den Scheunenfeiern erwies sich ihre Mam als erstaunlich geschmeidige Tänzerin, und ihr Aatj, der sich sonst nicht viel aus Feiern machte, war kaum von der Tanzfläche zu bekommen. Ganz blümerant wurde Inge, wenn ihre Mam oder ihr Aatj mit jemand anderem tanzten. Da passierte nichts Unanständiges, aber es kam ihr seltsam vor.
Die Neuschwanstein-Show endete damit, dass nach dem Hochzeitsfinale sämtliche Interpreten von der Bühne in den Zuschauerraum sprangen und die Leute zum Tanz auf dem Hofball aufforderten: Das Stück ging über in eine allgemeine Disco-Party – eine schöne Idee! Inge musste jedoch freundlich abwinken, als sie aufgefordert wurde, da war sie dann doch aus dem Spiel.
«Amüsier dich gut», sagte sie zu Swanee. Überwiegend waren an Bord Senioren, bis auf eine Gruppe junger Amerikaner, zu denen ihre Urenkelin längst Kontakt aufgenommen hatte.
«Ich bringe dich zurück zur Kabine, Ingma», bot Swantje an.
«Die finde ich selber!»
«Sicher?»
Inge verdrehte die Augen. Swantje umarmte sie und zischte mit einem adretten jungen Mann auf die Tanzfläche. Inge warf einen kritischen Blick auf die beiden. Sollte sie sich Sorgen machen? Der Typ passte überhaupt nicht zu Swanee, er war viel zu gelackt. Sie schnappte sich ihre Walkingstöcke und begab sich Richtung Ausgang. Eine besondere Freundin von Kreuzfahrten war sie nicht, aber regelmäßige Überfahrten von Hamburg nach New York gab es ansonsten nicht.
Auf dem Weg zurück musste sie irritiert feststellen, dass auf dem Schiff alle Gänge und Etagen ähnlich aussahen. Zwischendurch bekam sie kurz Panik, bis sie auf einen indonesisch aussehenden jungen Mann traf, der offenbar zum Personal gehörte.
«Sorry, Sir, I think I need some help.»
Er führte sie lächelnd zu ihrer Kabine.
«Lange her, dass mich ein junger, gut aussehender Kerl wie Sie nach Hause gebracht hat», bedankte sie sich augenzwinkernd.
Im Bad ließ sie heißes Wasser in die Wanne laufen und öffnete die Terrassentür. Mit aller Kraft hangelte sie sich über den Rand in den kleinen Pool, dabei hielt sie sich mit beiden Händen an Griffen fest, die an der Wand angebracht waren. Es funktionierte gerade so.
Während das Wasser angenehm um sie herum brodelte und sie sanft massierte, schaute sie aufs Meer. Der Vollmond schien auf die Nordsee, wo die Positionslichter anderer Schiffe zu erkennen waren. Sie seufzte. Mit ihrem Hauke hätte sie in einer solchen Nacht bis zum Morgengrauen durchgetanzt, er war ein hervorragender Tänzer gewesen, der sie elegant und unmerklich geführt hatte. Wie gerne hätte sie dieses Hauke-Gefühl wiedergehabt – und sei es nur für einen Abend!
SEPTEMBER 1947
Mit gebeugtem Rücken arbeitete sich Inge zum ersten Eimer vor. Es war brütend heiß auf dem niedrigen Spitzboden und roch nach Heu vom Stall und nach dem Holzschutzmittel der Dachbalken. In der Nacht hatte es heftig geregnet, die Eimer waren durch die undichten Stellen im Reetdach vollgelaufen. Ihre Finger wurden von dem Eisenhenkel schmerzhaft eingeschnürt, als sie den Eimer auf der steilen Stiege vorsichtig nach unten trug. Dabei musste sie höllisch aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Doch das war sie gewohnt. Seit sie vier war, schleppte sie vollgelaufene Eimer vom Boden, also schon zwanzig Jahre. Damals war sie die Kleinste in der Familie gewesen und konnte hier oben als Einzige aufrecht gehen. War ein Eimer zu schwer, füllte sie die Hälfte in einen weiteren und ging zweimal. Dass sie und ihr Bruder Hans schon früh mit anpacken mussten, war für sie so selbstverständlich wie Atmen. «Hoffentlich bringt unser Hof uns weiter über die Runden», klagte ihr Aatj oft am Abendbrottisch. Mit der kleinen Landwirtschaft konnten ihre Eltern die vier Mitglieder der Familie Volquardsen gerade so versorgen. Für ein neues Dach kam nicht genug Geld herein, deshalb mussten Eimer und Wannen den Regen auf dem Dachboden auffangen. Dass es immer so anstrengend bleiben würde, ohne dass sich etwas änderte, nahmen ihre Eltern klaglos hin. So war das Bauernleben nun mal, sie kannten es nicht anders. Abends waren sie von der harten Arbeit erschöpft, Zeit für die Kinder blieb wenig.
Nachdem Inge alle Eimer in die Futtertröge der Tiere entleert hatte, nahm sie einen Schluck Wasser aus dem Hahn und ging zum Kartoffelacker hinterm Haus, auf dem Mam, Aatj und Hans seit dem frühen Morgen zugange waren. Der Hof lag direkt hinter dem Seedeich. Jedes Mal, wenn sie aus der Haustür trat, war die Welt weit und groß. Der Himmel über der tellerflachen Marsch sah immer anders aus, mal standen die Wolken unbeweglich über den Reetdächern, mal jagten sie Richtung Horizont. Kam der Seewind von hinten, schob er die Kinder des Dorfes voran, was die kleine Inge damals zu nutzen gelernt hatte: Weitsprung mit Rückenwind fühlte sich fast wie Fliegen an. Aus der Gegenrichtung wurde der Wind ihr Herausforderer. Außerdem liebte sie es, am Strand das Kommen und Gehen der Gezeiten zu beobachten, von frühester Kindheit an spürte sie, ob sie auf- oder ablaufendes Wasser hatten, auch wenn sie nicht am Meer war. Das hatte sie wohl von ihrer Mam geerbt, deren Gemütszustand stark vom Mond abhing, wie Inge beobachtete.
Von oben betrachtet, war ihre Heimatinsel ein grüner Klecks in der Nordsee, der von den umliegenden Inseln Sylt und Amrum, der Hallig Langeneß und dem Festland beschützt wurde. Ihr Heimatdorf Oldsum lag im Westen von Föhr. Hier lebten ein paar Hundert Einwohnerinnen und Einwohner, es war ein Bauerndorf mit kleinen Höfen. Die meisten Häuser waren reetgedeckt, die Wände mit roten Ziegelsteinen geklinkert. Wenn es im Krieg und danach überhaupt Fremdenverkehr gab, dann höchstens in der zehn Kilometer entfernten Inselhauptstadt Wyk.
Wenn Inge auf der Insel ihr Geburtsdatum nannte, lächelten alle. «Du bist ein echtes Glückskind!», erklärten sie, was sie gerne hörte. Der 21. Februar war auf Föhr nicht irgendein Datum, sondern der höchste Feiertag, das Biikebrennen. In den Wochen davor sammelten die Bewohnerinnen und Bewohner an einem Platz außerhalb des Dorfes alles an Holz, was sie auftreiben konnten, und entzündeten am 21. damit ein großes Feuer. Mit dem Biikebrennen sollten die bösen Geister des Winters vertrieben werden, gleichzeitig waren in früheren Zeiten an diesem Tag ihre Vorfahren, die Walfänger, verabschiedet worden, wenn sie nach Grönland fuhren. Jedes Föhrer Kind kannte Matthias den Glücklichen, der im 17. Jahrhundert mit einem einzigen Beutezug über dreihundert Wale erlegt hatte und als reicher Mann auf die Insel zurückgekehrt war. Mathias war der Großcousin von Inges Ur-Ur-Ur-Ualaatj.
Heute war ein ungewöhnlich warmer Septembertag, die Sonne schien, dazu wehte ein auffrischender Wind. Inge schnappte sich einen Korb und ging auf die Knie. Sie nahm sich immer eine Reihe alleine vor, hinterher wollte sie überblicken, was sie geschafft hatte. Ihre geschickten Finger waren für die Kartoffelernte geeignet. Sie liebte den erdigen Geruch der Ackerkrume, wenn sie von Pflanze zu Pflanze kroch und die Knollen aus dem Boden buddelte. Darüber, dass ihr nach einigen Stunden der Rücken wehtat, hätte sie nie geklagt, das gehörte dazu.
Da sah sie Postbote Rörd Nickelsen auf dem schmalen Pfad neben dem Kartoffelacker entlangradeln. Auf ihrer Höhe blieb er stehen. Weil niemand im Dorf ein Telefon besaß, überbrachte Rörd Nickelsen tagesaktuelle Nachrichten und Tratsch von Hof zu Hof. Für Ferngespräche musste man sich in Oldsum in den Kaufmannsladen begeben, Besitzerin Gesche Roloffs war die Einzige im Dorf, die ein Telefon besaß.
«Gud dai, Inge», sagte Rörd. «Hü gongt et?»
Inges Magen zog sich zusammen.
«Gud dai, Rörd, gud und di?»
«Auch! Du sollst in einer Stunde rüber zu Carl kommen.»
Sie schluckte. «All’ns klor.»
Als Rörd weiterfuhr, schaute Inge ihm einen Moment hinterher. In möglichst beiläufigem Ton sagte sie zu ihrem Aatj: «Ich geh denn mal.»
«Aber deine Verabredung mit Carl ist doch erst in einer Stunde!»
«Ich muss mich vorher frisch machen.»
Staubig, wie sie war, wollte sie auf keinen Fall in Carls Gasthof erscheinen.
Sie wusch sich im Badezimmer und zog ihr himmelblaues Sommerkleid an, das gut zu ihren Augen passte, wie ihr alle sagten. Dazu schlüpfte sie in ihre besten Halbschuhe und kämmte ihre dichten hellblonden Haare. Zehn Minuten später war sie fertig. Sie hatte noch genug Zeit.
Bevor sie zu Carl ging, radelte sie zum Seedeich. Davor lag der vertraute kleine Strand, das Sörenswai-Vorland. Das Watt glänzte während der Ebbe feucht im Sonnenschein, alles sah frisch aus, als sei es gerade erst entstanden, was es ja genau genommen auch war. Gegenüber lagen die hellen Dünen der Nachbarinsel Sylt, dort war Inge noch nie gewesen. Wie es da wohl aussah? Sie kannte es nur von alten Schwarz-Weiß-Fotos. Mit ihren 24 Jahren hatte sie Föhr selten verlassen. Ein paarmal war sie nach Niebüll gefahren, einmal nach Flensburg. Bauern reisten nicht, das Vieh machte ja auch keinen Urlaub und wollte jeden Tag versorgt werden.
Langsam liefen die Priele wieder voll, der Meeresboden wurde mit einer hauchdünnen Wasserschicht überzogen, in der sich Himmel und Wolken spiegelten. Ein Stückchen weiter hackte ein Austernfischer mit seinem langen roten Schnabel eine Muschel auf. Das Wattenmeer sah aus wie ein zartes Pastellgemälde in verschiedenen Blautönen von Türkis bis Ultramarin. Hier und da gab es ein paar weiße Tupfer und grüne Einsprengsel auf dem Meeresboden. Wo die See aufhörte und der Himmel begann, war nicht auszumachen.
An diesem Strand hatte Inge jeden Tag mit den anderen Oldsumer Dorfkindern gespielt, die ihr Ein und Alles waren: der blond gelockte Sønke, der schmächtige Hark, Fritz Tietje mit der großen Klappe, die schöne Anke mit den riesigen blauen Augen, die quirlige Henriette. Von den Erwachsenen in Oldsum wurden sie «der Schwarm» genannt. Anke war die Anführerin, sie war Inges beste Freundin. Bei Ebbe wälzten die Kinder sich im warmen Schlick und spülten sich hinterher mit Nordseewasser im nahe gelegenen Priel ab. Aus kleinen Stöcken bauten sie Boote, die sie mit dem Ebbstrom aufs Meer hinaustreiben ließen. Sie blickten ihnen so lange nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Fritz behauptete, sie würden es bis nach Amerika schaffen. Ihre Eltern brachten ihnen früh schwimmen bei, Inge erinnerte sich an keine Zeit, in der sie es nicht konnte. Zusammen wanderten sie auf Sandbänke oder zum «Baalkstian», einem über zwei Meter großen Findling, der nach der Eiszeit nördlich vor Dunsum einen vorläufigen Liegeplatz gefunden hatte. Was gefährlich war und von ihren Eltern streng verboten wurde, denn er lag viel zu weit draußen. Aber die Aufsichtsmöglichkeiten der Erwachsenen waren in der Weite der Landschaft begrenzt.
Einmal im Hochsommer saßen Anke und Inge auf der Deichkrone in der Sonne und schauten auf das gegenüberliegende Sylt.
«Kannst du dir vorstellen, irgendwann mal von Föhr wegzugehen?», fragte Inge.
Auch Ankes Eltern waren Bauern und reisten nicht.
«Wieso sollte ich?»
«Keine Ahnung.»
«Wir haben hier doch alles.» Anke überlegte. «Obwohl, gucken würde ich schon mal gerne woanders …»
«Wo zum Beispiel?»
«Auf Sylt.»
«Wo noch?»
«Amerika.»
«Wieso Amerika?»
«Keine Ahnung, einfach so.»
Inge machte die Vorstellung Angst, dass Anke sie verlassen könnte. «Ich würde es doof finden, wenn du weggehst! Ich will auf jeden Fall hierbleiben, und wir sind doch beste Freundinnen, oder?»
Anke schleuderte einen kleinen Stein ins Wasser. «Ist doch nur gesponnen.»
«Wirklich?»
«So wie du immer mit den Wolken mitfliegen willst.»
Als beste Freundinnen kannten sie sogar die Träume der anderen.
In der Nordsee lief die Flut weiter auf. Normalerweise brachte Inge auflaufendes Wasser Glück, aber heute wusste sie nicht, was sie sich wünschen sollte. Wenn es klappte, was Carl für sie geplant hatte, wäre das genauso schlimm, wie wenn es schiefging. Am liebsten wäre Inge gar nicht zu ihm gegangen, doch das war keine Lösung, allenfalls ein kurzer Aufschub. Sie merkte, wie ihre Finger zu zittern begannen. Sie gab sich einen Ruck und machte sich auf den Weg zum Ual Skinne Wiartshüs, das Rad schob sie neben sich her. Damit sie niemandem begegnete, nahm sie einen Umweg über die Feldwege um das Dorf herum. Bloß jetzt nicht reden müssen. Selbst ein einfaches «Gud dai» wäre schon zu viel gewesen.
Mit pochendem Herzen drückte sie die eiserne Klinke und öffnete die dunkelgrüne Holztür zur leeren Gaststube, in der es nach kaltem Rauch und abgestandenem Bier roch. Das änderte sich abends, wenn die Leute von Neuem qualmend und trinkend zusammensaßen. Die Einrichtung mit den Holzmöbeln hatte Carl vom Vorbesitzer übernommen. Nur die indigoblauen Gardinen hatte er sich von einer befreundeten Schneiderin aus Sumatra kommen lassen. Zwei Seeleute aus Jakarta hatten den Stoff persönlich vorbeigebracht, als sie für eine Woche im Hamburger Hafen lagen. Hier im Ual Skinne Wiartshüs hatte Inge oft als Bedienung ausgeholfen, um etwas Geld zu verdienen.
«Inge?», rief Carl von irgendwo.
«Ja?», antwortete sie leise.
«Im Büro!»
Dort würde sich ihr Schicksal entscheiden.
Eigentlich war es längst entschieden, ohne dass sie es gewollt hätte.
«Gud dai, Carl», grüßte sie, als sie mit weichen Knien den Raum betrat.
Der dünne Carl mit seinem kahlen Kopf saß hinter dem abgewetzten Schreibtisch und lächelte ihr gütig entgegen. «Gud dai, Inge.»
Er war vielleicht knapp über fünfzig, auf Föhr geboren und lange zur See gefahren. Weil er eine Beinprothese trug, waren die Jungen im Dorf davon überzeugt, dass er ein echter Pirat war, es nur nicht zugeben wollte. Sein Büro war mit Devotionalien aus seiner Seefahrerzeit vollgestellt. Auf dem Schreibtisch stand ein Käfig mit einem ausgestopften grünen Papagei, an der Wand lehnten Speere von Massai-Kriegern aus Afrika, darüber war ein Krummsäbel aus Arabien angebracht, und über der Tür hing eine hölzerne Maske aus der Südsee, die Inge bis heute unheimlich war. Zu all den Gegenständen konnte Carl eine Geschichte erzählen, so auch zum Totempfahl aus Dakota, den er von einem Sioux-Häuptling geschenkt bekommen hatte. «Wollten die nicht mit Pfeilen auf dich schießen?», hatten die Jungs aus dem Schwarm aufgeregt gefragt. Carl konnte manches Vorurteil berichtigen.
Hatte eines der Schwarmkinder Geburtstag, deckte er stets einen langen Tisch mit einer blütenweißen Decke ein: «So, wie es sich für hohe Herrschaften gehört!» An jeden Platz stellte er ein Weinglas, in das er zwei Finger breit Limonade einschenkte. «Sünjhait!», sagte er dann und erhob sein Glas.
Den friesischen Trinkspruch kannten alle von ihren Eltern. «Sünjhait!», riefen sie und stießen mit ihm an.
Dann schenkte er allen ein Stück Schokolade und erzählte von seinen Seereisen zu weit entfernten Kontinenten. Vom Dschungel, von der Wüste und von Städten, die größer waren als die gesamte Insel Föhr, was Inge sich nicht vorstellen konnte. Dass es hierzulande keine Raubtiere gab, fand sie beruhigend, sonst hätten sie in den Marschgräben immer nach Krokodilen und gefährlichen Schlangen Ausschau halten müssen. Auf Föhr fühlte sie sich geborgen, eine Sehnsucht woandershin hatte sie nie verspürt.
Und trotzdem musste sie fort von hier.
Carl kam direkt zur Sache. «Ich habe vorhin ein Telegramm aus New York erhalten», sagte er. «Du kannst im Delistore von Gerd Jessen anfangen.»
Inges Herz wurde schwer. «Der früher bei Gesche Roloffs im Kaufmannsladen gelernt hat?»
«Jo.»
Gesches Geschäft war eine Schatzkammer voller Süßigkeiten gewesen. Wenn der schlaksige Lehrling Gerd Jessen alleine da war, stürmte die kleine Inge mit dem Schwarm den Laden. «Na, was wollt ihr?», fragte Gerd immer.
Als ob er es nicht wüsste, aber das gehörte zum Ritual. «Lakritze», antwortete dann einer von ihnen.
«Gut.» Er fischte mit einer Zange Lakritzstangen aus dem gläsernen Behälter.
«Aber wir haben kein Geld.»
«Ach so», stellte er bedauernd fest. «Zum Glück mögt ihr in Wirklichkeit ja gar keine Lakritze, sonst wäre das jetzt echt blöd.»
Wenn sie daraufhin lautstark protestierten, gab er jedem Kind lächelnd eine Lakritzstange in die Hand. «Aber nicht rumerzählen», raunte er. «Und jetzt raus mit euch!»
«Gerds Laden liegt am Broadway in bester Lage», führte Carl weiter aus. «Da ist eine Menge zu tun.»
Das klang so beiläufig, als redete er vom Nachbardorf Süderende. Waren am Broadway nicht die berühmten Theater?
«Und was soll ich da machen?», fragte sie.
«Kochen und verkaufen! – Sprichst du Englisch?»
«Sänk ju werri Matsch, Englisch lernen ist großer Quatsch.»
Das war ein dummer Kinderspruch im Schwarm gewesen.
Carl nickte. «Du hast zwei Wochen Zeit dafür. Und lerne es gut, die New Yorker sind immer in Eile und quasseln rasend schnell.» Er zog ein paar Papiere aus der Jackentasche. «Hier ist deine Zugfahrkarte nach Kopenhagen, von dort fährt das Schiff los. – Das ist das Visum für die USA, Gerd holt dich im New Yorker Hafen ab.»
Inges Mund wurde trocken. New York war viel zu weit weg, besser, sie ging nach Flensburg oder Husum. Nur dass sie da blöderweise niemanden kannte. Dann fiel ihr ein, dass Carl an alles gedacht hatte, nur nicht an das Entscheidende. Daran würde es letztlich scheitern.
«Ich kann die Überfahrt gar nicht bezahlen», flüsterte sie.
Carl winkte ab. «Ist alles geregelt.»
«Wie denn ohne Geld?»
«Ich lege es aus. Gerd zieht dir jeden Monat ein paar Dollars vom Lohn ab und schickt sie mir. – Einverstanden?»
Hieß das, sie konnte tatsächlich los? Ihr wurde ganz anders. «Und wenn es drüben nicht klappt mit mir?»
«Was sollte passieren?»
«Na, wenn ich kein Englisch lerne?»
«Das haben schon ganz andere geschafft, Inge.»
«Dann wäre ich eben die Erste.»
Er lachte ungläubig.
«Wann soll es losgehen?», fragte sie.
«Morgen.»
«Was?» Sie war entsetzt.
Jetzt wurde Carl ernst. «Du musst so schnell wie möglich weg von der Insel, Inge! Bevor eine weitere Katastrophe passiert – willst du das riskieren?»
«Nein.»
«Auf einem Frachter ist kurzfristig ein Platz frei geworden.»
«Warum geht das nicht über Hamburg?»
Da war sie zwar auch noch nie gewesen, aber dort sprach man wenigstens Deutsch.
«Ab Kopenhagen ist es billiger, sagt mein Kontaktmann.»
Ihr standen Tränen in den Augen. «Föl toonk, Carl.»
«Und noch etwas …» Carl sah ihr ins Gesicht. «Du wirst mir fehlen, Inge, und unsere spinnerte Köken.»
So hatte er die Rezepte genannt, die er in den letzten Jahren mit ihr im Wiartshüs gekocht hatte, mit Föhrer Kräutern und exotischen Gewürzen aus seiner Seefahrerzeit, die im Keller lagerten. Er stand auf, kam um den Schreibtisch herum, um sie kurz zu umarmen.
Damit war Inges Ende auf Föhr besiegelt.
Wie betäubt schlich sie über die Oldsumer Dorfstraße zurück zum Hof. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel herab, es war ungewöhnlich warm. Sie fröstelte trotzdem. Jedes Haus kannte sie hier, jeden Grashalm.
Im Stall suchte sie die Wärme von Lotte, Elsa, Tusnelda und Therese, die sie zu ihren besten Freundinnen zählte: Die Kühe mit den gutmütigen Augen ließen sich nach Herzenslust streicheln, genauso wie Rollo und Thor, die rundbäuchigen Ackergäule, deren Mähne sie einmal am Tag sorgfältig kämmte. Neben den Kühen und Pferden waren hier noch drei Schweine untergebracht, denen sie lieber keine Namen gab, weil sie bald geschlachtet würden, genau wie die Hühner, Enten und Gänse. Sie schlang ihre Arme um Lottes Kopf und schluchzte.
Nach einer Weile versiegten ihre Tränen. Am Waschbecken wusch sie sich mit eiskaltem Wasser das Gesicht ab. Dann ging sie zurück zum Kartoffelfeld. Ihre Familie arbeitete gerade am anderen Ende. Sie blieb etwas entfernt am Rand stehen.
«Könnt ihr bitte mal kommen?», rief sie.
Ihr Aatj schaute nicht einmal auf, als er auf sie zukam. Dabei wusste er, warum sie bei Carl gewesen war. Er war der Einzige auf der Insel, der Fahrkarten nach Amerika verkaufte und Visa verschaffen konnte.
Sie redete nicht lange drum herum. «Ich gehe nach New York», sagte sie leise.
Aatj schluckte schwer und schwieg, Hans spielte mit dem Spaten in der Hand herum.
«So weit?» Ihre Mam sah sie entsetzt an.
Inge zuckte mit den Achseln.
In diesem Moment war allen klar, dass sie sich für Jahre nicht sehen würden. Ihre Eltern hatten kein Geld, um sie in New York zu besuchen, und was aus ihr drüben wurde, stand in den Sternen. Aber nach dem, was ihr widerfahren war, war es trotzdem besser, als hier zu bleiben.
«Wann?», fragte Aatj knapp.
«Morgen.»
Er zuckte zusammen, als hätte er eine Todesnachricht erhalten, Mam hielt sich die Hand vor den Mund. Dann drehten sie sich um und wandten sich wieder den Kartoffeln zu. Inge versuchte, ihre Tränen herunterzuschlucken, was ihr sogar einigermaßen gelang.
Das letzte Abendbrot fühlte sich an wie eine Henkersmahlzeit.
«Wurst oder Käse?», fragte Mam wie immer in die Runde und tat allen besonders viel auf, obwohl niemand am Tisch Appetit hatte. Inge brachte keinen Bissen herunter.
«Die Heuernte steht morgen an», verkündete Aatj. «Und die Zäune auf der Pferdeweide müssen repariert werden.»
Kein Wort zu ihr. Dass sie das nicht mehr betreffen würde, schien niemanden zu interessieren. Ihre Familie hatte ja mitbekommen, was sie vorhatte, es gab nichts mehr zu bereden.
Nach dem Abendbrot holte Mam einen braunen Pappkoffer vom Dachboden, den Inge noch nie gesehen hatte. Neben dem Griff entdeckte Inge einen halb abgerissenen Aufkleber, auf dem mit schwarzen Buchstaben Schlüttsiel stand, das war der Fährhafen für die Halligen.
«Der stammt noch von Oma Ness», sagte Mam. «Mit dem bin ich 1920 von Langeneß nach Föhr gekommen.»
Unwillkürlich dachte Inge an das Gedächtnisspiel Ich packe meinen Koffer und nehme mit … Das hatte meistens sie gewonnen. Aber jetzt war das kein Spiel mehr. Was sollte sie mitnehmen? Am besten mit Föhrer Schaffell gefütterte Stiefel, der New Yorker Winter würde kalt werden. Sie hatte von eisigen Blizzards gehört, die mit Schneemassen in die Stadt einfielen. Was im Spätsommer gerade schwer vorstellbar war.
Und für drinnen? Sie besaß fast nur einfache weiße Blusen. Und ein handgeschneidertes rotes Seidenkleid, das sie aus gutem Grund hasste. Da es aber das einzig elegante Teil in ihrem Schrank war, kam es mit in den Koffer. Mam brachte ihr zwei Schürzen aus der Küche, was nett gemeint war.
«Föl toonk, Mam, aber Arbeitskleidung bekomme ich wohl gestellt.»
«Nimm meinen Wintermantel mit, den wirst du drüben brauchen.»
Mams grauer Mantel war gut gefüttert, es war ihr «bestes Stück», das mehr geschont als getragen worden war. Außer Heiligabend auf dem Weg zur Kirche und dem Geburtstag von Nachbarin Johanna Sönnichsen hatte Mam ihn nie angehabt. Zwar hatten Inge und sie nicht genau dieselbe Größe, aber er passte trotzdem einigermaßen. Mam steckte ihr noch ihren alten Kienzle-Wecker zu, dessen Stundenzeiger an der Spitze angerostet war. «Damit du nicht zu spät zur Arbeit kommst.»
Inge wollte ihn nicht annehmen. «Brauchst du den nicht, Mam?»
«Ich wache morgens immer von alleine auf.»
«In New York kann ich mir auch einen neuen kaufen.»
«Wer weiß, was Wecker da kosten!»
Also kam er mit. Für Persönliches blieb im Koffer kaum Platz. Ein Foto mit weiß geriffeltem Rand von der ganzen Familie steckte sie in die Tasche ihrer Bluse. Postbote Rörd hatte es an Mams Geburtstag mit seinem Apparat aufgenommen. Und Telse? Die erste Stoffpuppe ihres Lebens sah schon ziemlich mitgenommen aus. Egal, sie musste mit! Genauso wie ihr Lieblingsbuch, obwohl sie es unzählige Male gelesen hatte und nahezu auswendig kannte: Das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner, das Oma Ness ihr zum elften Geburtstag geschenkt hatte. Und Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen von Selma Lagerlöf, die Geschichte hatte ihr Mam früher zum Einschlafen erzählt. Sie fühlte sich wie Nils, der sich unfreiwillig von einem normalen Jungen zum Däumling verwandelt hatte und mit Wildgänsen auf eine unbestimmte Reise gegangen war. Im Märchen ging es natürlich gut aus, für sich selbst war Inge da alles andere als sicher. Sie warf einen Blick aus dem Fenster und erkannte am Himmel den Großen Wagen. Zu den Sternen hatte sie Vertrauen, zu ihnen wäre sie lieber gefahren als nach New York.
Nach dem Packen legte sie sich in ihr Bett. Seit ihrem sechsten Lebensjahr war die Abseite neben der Küche ihre Lieblingshöhle gewesen: klein, eng, beschützend. Zuvor hatte sie mit Hans in einem Zimmer geschlafen. Sie erinnerte sich an den Tag, als ihre Eltern sie am Morgen ihres ersten Schultags überrascht hatten: «Heute wird sich viel für dich ändern.»
«Ich weiß, die Schule.»
Mam lächelte geheimnisvoll. «Ja, aber noch etwas.»
Inge hatte sie verunsichert angesehen. Hoffentlich kam da nichts Schlimmes! Mam und Aatj führten sie zur Abseite, in der bis dahin verderbliche Lebensmittel gelagert wurden. Sie öffneten die Tür, und Inge riss begeistert die Augen auf: In den Raum hatten sie ein Bett gestellt, das gerade so hineinpasste, mit einem schmalen Gang daneben, direkt gegenüber dem kleinen Stallfenster mit dem geschwungenen Bogen über den oberen Scheiben. «Das ist jetzt dein Reich», verkündete ihr Vater. Sie verstummte vor Begeisterung, für sie war es ein Traumschloss!
«Na, endlich!», murmelte Hans, der froh war, seine kleine Schwester los zu sein.
Am selben Abend huschte sie so früh wie möglich unter die Decke ihres neuen Bettes. Es roch hier immer noch ein bisschen nach eingelegten Gurken und Sauerkraut in Fässern, aber das störte sie nicht. Sie blickte durch das Stallfenster. Die mächtige Eiche auf dem Hofplatz wurde ihre zweitbeste Freundin nach Anke, sie nannte sie Keike. Tagsüber konnte sie auf Keike herumklettern und von außen durchs Fenster auf ihr Bett sehen. Oft zogen am Himmel weiße Schäfchenwolken vorbei. Inge träumte davon, mit ihnen mitzufliegen, dort oben stellte sie es sich flauschig und warm vor. Hin und wieder landeten ein Kiebitz oder Sperling auf einem Ast und sang für sie. Oder sie für ihn.
Im Herbst führten die Stürme mit Keikes Ästen und Blättern wilde Tänze auf, die Eiche schüttelte sich nach allen Seiten und warf ihr Laub ab. Im Winter freute Inge sich über die zauberhaften Eisblumen am Fenster. Keikes kahle Äste verbanden die funkelnden Sterne miteinander wie Adern, manchmal zauberte das Polarlicht seine flackernden grünen Lichter in die Landschaft.
Heute war die letzte Nacht in ihrem Paradies, und natürlich konnte sie nicht einschlafen. Sie versuchte, sich New York vorzustellen. Der höchste Berg auf Föhr war dreizehn Meter, die Wolkenkratzer dort drüben waren höher als viele Gebirge. Wie sollte sie sich in einer Stadt zurechtfinden, in der unzählige Menschen wild durcheinanderliefen, wie sie auf einem Zeitungsfoto gesehen hatte? Sie würde sich hoffnungslos verirren – und ohne Englischkenntnisse konnte sie nicht einmal nach dem Weg fragen! Sie sah sich schon verzweifelt auf dem Bürgersteig kauern, während die Massen an ihr vorbeihetzten. Das war alles zu viel für ein Oldsumer Dorfmädchen, das nie gereist war! Noch konnte sie es rückgängig machen. Aber auf Föhr zu bleiben, wäre mindestens genauso schlimm, wie alleine nach New York zu gehen.
Nein, schlimmer!
Sie hatte keine Wahl.
N