Das Licht in uns - Jiddu Krishnamurti - E-Book

Das Licht in uns E-Book

Jiddu Krishnamurti

4,9

Beschreibung

Eine kaum zu überschauende Anzahl von Büchern über Meditation vermittelt, es gehe darum, anhand von Methoden einen stillen Geist oder andere Bewusstseinszustände zu erlangen. Der große indische Weisheitslehrer J. Krishnamurti zeigt die Mängel und Fallstricke einer solchen Vorgehensweise auf. Meditation ist für ihn das Spüren und völlige Erfassen der Gesamtheit des Lebens, ohne auszuwählen. Nur das führt ohne Bemühen und innere Konflikte zu Freiheit und einer Stille des Geistes, in der sich das zeigt, was wahr ist.

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Jiddu Krishnamurti

Das Licht in uns

Über wahre Meditation

Übersetzung ins Deutsche

von Christine Bendner

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

http://www.edition-steinrich.de

Titel der englischen Originalausgabe: This Light in Oneself, True Meditation

Erschienen bei: Shambhala Publications, Inc., Boston,

Massachusetts 02115, USA

© 1999 by Krishnamurti Foundation Trust, Ltd.

Eine frühere Ausgabe erschien 2000 unter dem Titel: Das Licht in dir. Über die wahre Meditation im Econ Ullstein Verlag

Die vorliegende Ausgabe erscheint in einer Neubearbeitung von Bernd Hollstein, die unter Hinzuziehung der ursprünglichen Transkripte erfolgte.

Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright eBook: © 2015 edition steinrich, Berlin

Copyright der deutschen Ausgabe: © 2015 edition steinrich, Berlin

by arrangement with Shambhala Publications, Inc., Boston

Umschlaggestaltung: Ingeburg Zoschke, Berlin

Titelfoto mit freundlicher Genehmigung des Krishnamurti Foundation Trust Ltd.

Gestaltung und Satz: Traudel Reiß

Druck: Westermann Druck Zwickau

Printed in Germany

Inhalt

Vorwort

Ein neues Bewusstsein

Das Wunder der Aufmerksamkeit

Ein Leben in Güte

Das Licht im eigenen Innern

Die Wahrheit erforschen

Die Schönheit der Tugend

Die Energie sammeln

Das ewige, zeitlose Heilige

Was ist Schöpfung?

Ohne Einsatz des Willens leben

Harmonie zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten

Ein heiliges Leben

Mit stillem Geist beobachten

Erleuchtung ist kein fester Endpunkt

Das Ende der Suche

Reines Beobachten

Das Licht kann kein anderer geben

Vorwort

Wenn wir uns in dieser Phase der turbulenten Menschheitsgeschichte umschauen, sehen wir erstaunliche Fortschritte in den Naturwissenschaften, der Medizin, der Technik, im Zugang zu Informationen und Wissen – und ebenso Kriege, Armut, Hunger, politischen und religiösen Verfall und Korruption, Raubbau an der Umwelt, Terrorismus und tiefes Leid selbst unter den Wohlhabendsten. Jahrtausende lang hat sich unser Blick nach außen auf Philosophen, Wissenschaftler, Berater, Therapeuten, Erzieher, Lehrer und religiöse Führer gerichtet, um unsere persönlichen Schwierigkeiten und sozialen Probleme zu lösen. Doch unsere grundlegenden Probleme mit Ängsten, Konflikten, Beziehungen und einem inhaltsleeren Leben sind geblieben.

In den vielen Gesprächen mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und bei seinen zahlreichen öffentlichen Reden vor großem Publikum in aller Welt sprach Krishnamurti stets von der Notwendigkeit, nach innen zu schauen, sich selbst kennenzulernen, wenn wir die individuellen Konflikte verstehen wollen, die auch die tief verwurzelten Konflikte der Gesellschaft sind, denn »wir sind die Welt«. Unser individuelles Chaos verursacht das globale Chaos.

Die folgenden Seiten, deren Inhalt aus bisher unveröffentlichten Reden stammt, zeigen Krishnamurtis zeitlose Einsichten zu der Frage, wo wahre Freiheit, Weisheit und Güte entdeckt werden können – durch jeden von uns.

Ein neues Bewusstsein

Ein neues Bewusstsein und eine völlig neue Moral sind notwendig, wenn sich in unserer heutigen Kultur und Gesellschaftsstruktur ein radikaler Wandel vollziehen soll. Das ist offensichtlich. Und doch scheinen die Linken wie die Rechten und auch die Revolutionäre diese Tatsache zu übersehen. Jedes Dogma, jede vorgegebene Formel, jede Ideologie ist Teil des alten Bewusstseins – sie sind Erfindungen des Denkens, dessen Aktivität Bruchstücke erzeugt: die Linke, die Rechte, die Mitte. Diese Aktivität des Denkens wird unweigerlich zu Blutvergießen durch die Rechten oder Linken oder zum Totalitarismus führen. Das ist es, was um uns herum geschieht. Man sieht, wie notwendig eine gesellschaftliche, ökonomische und moralische Veränderung ist, aber die Reaktion kommt aus dem alten Bewusstsein, in dem das Denken die Hauptrolle spielt. Das Chaos, die Verwirrung und das Elend, in das die Menschen hineingeraten sind, spielt sich im Bereich des alten Bewusstseins ab. Ohne eine tiefgreifende Veränderung dieses Bewusstseins wird jede Aktivität des Menschen, sei es auf der politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Ebene, nur dazu führen, dass wir uns gegenseitig und die Erde zerstören. Für einen vernünftigen Menschen ist das ganz offensichtlich.

Man muss sich selbst ein Licht sein; dieses Licht ist das Gesetz. Es gibt kein anderes Gesetz. Alle anderen Gesetze sind Produkte des Denkens und führen daher zu Teilung und Trennung und zum Gegeneinander. Sich selbst ein Licht zu sein bedeutet, niemals dem Licht eines anderen zu folgen, wie vernünftig, logisch, geschichtlich belegt und überzeugend es auch sein mag. Man kann sich selbst kein Licht sein, wenn man im dunklen Schatten von Autoritäten, Dogmen oder Schlussfolgerungen steht. Wahre Moral ist kein Produkt des Denkens. Sie entsteht nicht durch den Druck des Umfeldes. Sie geht nicht aus dem Gestern, der Tradition hervor. Wahre Moral ist das Kind der Liebe, und Liebe ist weder Verlangen noch Lust. Sexuelles oder sinnliches Vergnügen ist nicht Liebe.

Freiheit bedeutet, sich selbst ein Licht zu sein. Dann ist sie keine abstrakte Idee, nichts vom Denken Fabriziertes. Echte Freiheit ist Freiheit von Abhängigkeit, vom Haltsuchen, vom Verlangen nach Erfahrungen. Freiheit von der gesamten Gedankenwelt ist, sich selbst ein Licht zu sein. In diesem Licht findet alles Handeln statt und führt daher niemals zu einem Gegeneinander. Gegeneinander existiert nur, wenn dieses Licht vom Handeln getrennt ist, wenn der Handelnde von der Handlung getrennt ist. Das Ideal, das Prinzip, ist das fruchtlose Vorgehen des Denkens, das nicht zugleich mit diesem Licht existieren kann. Das eine schließt das andere aus. Wo der Beobachter da ist, ist dieses Licht, ist diese Liebe nicht da. Der Beobachter ist ein Produkt des Denkens, das niemals neu ist, niemals frei. Es gibt kein »Wie«, kein System, keine Methode. Es gibt nur das Sehen, welches das Handeln ist.

Das Wunder der Aufmerksamkeit

Können wir alle Vorstellungen, Konzepte und Theorien beiseite lassen und für uns selbst herausfinden, ob es etwas Heiliges gibt – ich meine nicht das Wort, denn das Wort ist nicht das Tatsächliche, die Beschreibung ist nicht das Beschriebene –, können wir sehen, ob es etwas Echtes, Wirkliches gibt, kein Phantasiegebilde, nichts Illusionäres, Eingebildetes, keinen Mythos, sondern eine Wirklichkeit, die niemals zerstört werden kann, eine ewige Wahrheit?

Um das herauszufinden, es zu entdecken, muss jede Autorität gleich welcher Art, besonders die spirituelle, völlig außer Acht gelassen werden, denn Autorität bedeutet Anpassung, Gehorsam und Übernahme eines bestimmten Denkmusters.

Der Geist muss fähig sein, für sich allein zu stehen, sich selbst ein Licht zu sein. Einem anderen Menschen zu folgen, einer Gruppe anzugehören, von einer Autorität festgelegte Meditationstechniken zu praktizieren, ist ohne jede Bedeutung für einen Menschen, der die Frage untersucht, ob es etwas Ewiges, Zeitloses, etwas für das Denken nicht Ermessbares gibt, das in unserem täglichen Leben wirkt. Wenn das Ewige, Zeitlose nicht Teil unseres Alltagslebens ist, dann ist Meditation eine Flucht und absolut nutzlos. All das bedeutet, dass man selbstständig sein muss.

Es gibt einen Unterschied zwischen Isolierung und Alleinsein, zwischen Einsamkeit und der Fähigkeit, alleine dazustehen, völlig klar, unbeirrt und unverdorben.

Wir sind am ganzen Leben interessiert, nicht an einem Ausschnitt, einem Fragment des Lebens, sondern an allem, was Sie tun, was Sie denken, was Sie fühlen, wie Sie sich verhalten. Und da es uns um das Leben als Ganzes geht, können wir unmöglich ein Fragment wie das Denken nehmen und damit all unsere Probleme lösen. Auch wenn das Denken sich selbst für befugt hält, all die anderen Bruchstücke zusammenzufügen, ist dies nicht möglich, hat doch das Denken diese Bruchstücke selbst geschaffen.

Wir sind darauf konditioniert, im Sinne von Fortschritt, von allmählichem Erreichen eines Zieles zu denken. Die Menschen glauben an eine geistige Entwicklung, aber gibt es so etwas wie das »Ich«, das psychisch irgendetwas anderes erreichen kann als Projektionen oder Vorstellungen des Denkens?

Um herauszufinden, ob es etwas gibt, das keine Projektion des Denkens, keine Illusion, kein Mythos ist, müssen wir uns fragen, ob das Denken kontrolliert, in Schach gehalten, unterdrückt werden kann, so dass der Geist völlig still ist. Kontrolle bedeutet doch, dass es einen Kontrollierenden gibt sowie etwas, das kontrolliert wird, nicht wahr? Wer ist der Kontrollierende? Wird er nicht auch vom Denken erschaffen, ist er nicht auch eines der Fragmente des Denkens, das sich als der Kontrollierende Autorität angeeignet hat? Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, dann ist der Kontrollierende das Kontrollierte, der Erfahrende ist das Erfahrene, der Denkende der Gedanke. Sie sind nicht voneinander getrennt. Wenn Sie das verstehen, besteht keine Notwendigkeit, etwas zu kontrollieren.

Was geschieht, wenn kein Kontrollierender da ist, weil der Kontrollierende und das Kontrollierte eins sind? Wenn eine Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten besteht, gibt es einen Konflikt, es wird Energie verschwendet. Sind der Kontrollierende und das Kontrollierte eins, findet keine Energieverschwendung statt. Dann sammelt sich die ganze Energie an, die zuvor durch die Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten in Unterdrückung und Widerstand vergeudet wurde. Wenn keine Trennung existiert, haben Sie diese ganze Energie zur Verfügung, um über das hinauszugehen, was Sie glaubten, kontrollieren zu müssen.

Es muss völlig klar sein, dass es in der Meditation keine Kontrolle und keine Disziplinierung des Denkens gibt, denn derjenige, der das Denken diszipliniert, ist selbst ein Fragment des Denkens; derjenige, der das Denken kontrolliert, ist ein Bruchstück des Denkens. Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, steht Ihnen die ganze Energie zur Verfügung, die zuvor durch Vergleichen, durch Kontrolle und Unterdrückung vergeudet wurde, und Sie können über das, was tatsächlich ist, hinausgehen.

Wir fragen uns, ob der Geist absolut still sein kann, denn das, was still ist, hat viel Energie. Es ist die Ansammlung der Energie. Kann der Geist – der unablässig plappert, der immer in Bewegung ist, der als Denken ständig zurückschaut, sich erinnert, Wissen ansammelt, sich ständig verändert – vollkommen still sein? Haben Sie je herauszufinden versucht, ob das Denken zum Stillstand kommen kann? Wie werden Sie herausfinden, auf welche Weise diese Stille des Denkens zustande kommen kann? Denken ist Zeit, und Zeit ist Bewegung, Zeit hat mit Messen zu tun. Im täglichen Leben messen und vergleichen Sie materielle, physische und auch psychische Dinge. Das alles ist Messen. Vergleichen bedeutet messen.

Können Sie im täglichen Leben ohne Vergleichen auskommen? Können Sie ganz und gar aufhören zu vergleichen, nicht in der Meditation, sondern im täglichen Leben? Natürlich vergleichen Sie, wenn Sie zwischen zwei Materialien wählen müssen, zwischen diesem und jenem Stoff, wenn Sie zwei Autos vergleichen oder Wissen. Aber psychisch, im Inneren, vergleichen wir uns mit anderen. Können wir, wenn dieses Vergleichen aufhört – und es muss aufhören –, können wir dann vollkommen allein dastehen? Das gehört dazu, wenn kein Vergleichen mehr stattfindet – was nicht heißt, dass man nur noch vor sich hin vegetiert.

Können Sie also im Alltag, ohne zu vergleichen, leben? Tun Sie es einmal, und Sie werden feststellen, was es mit sich bringt. Sie werfen eine ungeheure Last ab. Und wenn Sie eine unnötige Last abwerfen, steht Ihnen Energie zur Verfügung.

Haben Sie schon einmal irgendeiner Sache Ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet? Widmen Sie dem, was der Redner sagt, Ihre ganze Aufmerksamkeit? Oder hören Sie mit einem vergleichenden Geist zu, der bereits ein bestimmtes Wissen erworben hat und das Gesagte damit vergleicht? Interpretieren Sie das Gesagte gemäß Ihres eigenen Wissens, Ihrer eigenen Neigungen und Vorurteile? Das hat nichts mit Aufmerksamkeit zu tun, nicht wahr? Wenn Sie völlig aufmerksam sind, mit Ihrem ganzen Körper, Ihrem Nervensystem, Ihren Augen, Ihren Ohren, Ihrem Geist, mit Ihrem ganzen Wesen, dann gibt es kein Zentrum, von dem aus Sie aufmerksam sind. Dann gibt es nur noch die Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist völlige Stille.

In dieser Aufmerksamkeit gibt es keine Grenze, keine Begrenzungen, und deshalb wird sie nicht gelenkt. Es gibt nur Aufmerksamkeit. Es gibt kein Ich und kein Du, keine Dualität, weder den Beobachter noch das Beobachtete. Das ist nicht möglich, wenn der Geist sich in eine bestimmte Richtung bewegt.

Wir werden dazu erzogen und konditioniert, uns in bestimmte Richtungen zu bewegen – von hier nach dort. Wir haben eine Idee, einen Glauben, eine Vorstellung, ein Rezept, dass es eine andere Wirklichkeit gibt, eine Glückseligkeit, irgendetwas jenseits des Denkens, und wir fixieren das als Ideal, als Ziel, und gehen in diese Richtung. Wenn Sie in eine Richtung gehen, gibt es keinen Raum. Wenn Sie sich konzentrieren und in eine bestimmte Richtung gehen oder denken, ist in Ihrem Geist kein Raum. Sie haben keinen inneren Raum, wenn Ihr Geist gefüllt ist mit Dingen, an denen Sie hängen, mit Ängsten, mit der Jagd nach Vergnügungen, mit dem Verlangen nach Macht und Ansehen. Dann ist Ihr Geist übervoll und ohne Raum. Raum ist notwendig, und wo Aufmerksamkeit herrscht, gibt es keine Richtung, sondern nur noch Raum.

Meditation bedeutet, dass keinerlei Bewegung stattfindet. Das heißt, der Geist ist völlig still, er bewegt sich in gar keine Richtung. Es gibt keine Bewegung. Keine Bewegung, die Zeit ist, keine Bewegung, die Denken ist. Wenn Sie sehen, dass dies wahr ist – nicht die Worte der Beschreibung, sondern die Wahrheit, die nicht beschrieben werden kann –, dann ist dieser ruhige, stille Geist da. Und es ist notwendig, einen ruhigen Geist zu haben – aber nicht, um länger schlafen oder seinen Job besser machen oder mehr Geld verdienen zu können!

Das Leben der meisten Menschen ist leer und armselig. Selbst wenn sie über eine ganze Menge Wissen verfügen, ist ihr Leben armselig, widersprüchlich, nichts Ganzes, unglücklich. All das ist Armut, und sie vergeuden ihr Leben, indem sie versuchen, innerlich reich zu werden, verschiedene Tugenden zu kultivieren und all die anderen unsinnigen Dinge. Nicht, dass Tugend überflüssig wäre – aber Tugend ist Ordnung, und was Ordnung wirklich ist, kann man nur verstehen, wenn man sich die eigene innere Unordnung genau angeschaut hat. Wir führen ein unordentliches Leben. Das ist eine Tatsache. Unordnung ist Widersprüchlichkeit, ist Verwirrung, ist das Durchsetzen der verschiedenen Wünsche. Unordnung bedeutet, das eine zu sagen und etwas anderes zu tun, Ideale zu haben und von diesen Idealen getrennt zu sein. All das ist Unordnung, aber wenn Sie sich dessen bewusst sind und dem Ihre ganze Aufmerksamkeit widmen, dann geht aus dieser Aufmerksamkeit eine Ordnung hervor, die Tugend ist – etwas Lebendiges, nichts Ausgedachtes, nichts, was eingeübt und hässlich wurde.

Meditation im Alltag ist die Transformation des Geistes, eine psychische Revolution, wodurch wir im Alltag ein Leben führen – nicht theoretisch, nicht als Ideal, sondern tatsächlich in jedem Augenblick dieses Lebens –, in dem Mitgefühl und Liebe da sind sowie die Energie, um über die ganze Kleinlichkeit, die geistige Enge und Oberflächlichkeit hinauszugehen.

Wenn der Geist still ist – ich meine wirklich still und nicht mit Verlangen und Willen still gemacht –, dann ist da eine völlig andere Art der Bewegung, die nicht der Zeit entstammt.

Wissen Sie, es wäre absurd, darauf noch weiter einzugehen. Es wäre nur eine Beschreibung mit Worten und deshalb nicht real. Was wichtig ist, ist die Kunst der Meditation. Das Wort »Kunst« bedeutet unter anderem, alles an seinen richtigen Platz zu bringen, dass alles in unserem Leben, in unserem täglichen Leben, den richtigen Platz findet, so dass die Verwirrung ein Ende hat. Und wenn Ordnung herrscht, wenn man sich richtig verhält und der Geist im täglichen Leben völlig still ist, dann wird dieser Geist selbst herausfinden, ob es das Unermessliche gibt oder nicht. Solange Sie die höchste Form von Heiligkeit nicht finden, ist das Leben stumpfsinnig und bedeutungslos. Deshalb ist die richtige Art der Meditation absolut notwendig, damit der Geist jung, frisch, unschuldig wird. »Unschuldig« bedeutet unverletzbar. All das ist in der Meditation enthalten, die nicht von unserem täglichen Leben getrennt ist. Für das Verstehen unseres täglichen Lebens ist Meditation notwendig. Das bedeutet, bei allem, was man tut, völlig aufmerksam zu sein – wenn Sie mit jemandem sprechen, die Art, wie Sie gehen, wie Sie denken, was Sie denken – all dem Ihre Aufmerksamkeit zu widmen ist Teil der Meditation.

Ein Leben in Güte

Warum ist der Mensch bisher nicht in der Lage gewesen, sich zu ändern? Er ändert sich lediglich hier und dort ein bisschen und stellt dennoch den Anspruch, die Gesellschaft möge »gut« sein. Er wünscht sich Ordnung, und zwar nicht nur in sich selbst und in seinen Beziehungen, wie intim oder oberflächlich sie auch sein mögen, sondern er wünscht sich auch Frieden auf der Welt, er will sich in Ruhe entfalten können. Die Menschheit hegt diesen Wunsch seit Urzeiten. Doch je zivilisierter der Mensch wird, desto mehr Unordnung schafft er, desto mehr Kriege gibt es. Zu keiner Zeit herrschte überall auf der Welt Frieden. Irgendwo haben immer Menschen andere Menschen getötet, hat eine Religion versucht, eine andere zu zerstören, hat eine Institution andere Institutionen beherrscht, eine Organisation andere Organisationen unterdrückt.

Fragen Sie sich eigentlich nie, wenn Sie sich dieses unaufhörlichen Kampfes bewusst sind, ob es möglich ist, in dieser Welt zu leben, ohne vor ihr zu fliehen, ohne in einer Kommune unterzutauchen oder Einsiedler oder Mönch zu werden – fragen Sie sich nie, ob man in dieser Welt vernünftig, glücklich und intelligent leben kann ohne diesen ständigen inneren und äußeren Kampf? Falls Sie sich das fragen – und ich hoffe, dass Sie das jetzt tun, weil wir gemeinsam darüber nachdenken –, dann müssen Sie zwangsläufig die Forderung nach einer guten Gesellschaft stellen. Eine gute Gesellschaft zu erschaffen war bereits der Traum der frühen Hindus, der alten Griechen und Ägypter. Aber eine gute Gesellschaft kann es nur geben, wenn der Mensch gut ist, denn dann bringt er das Gute hervor – in seinen Beziehungen, durch sein Handeln, seine Lebensweise. Mit »dem Guten« ist auch das Schöne gemeint und das Heilige. Es ist verbunden mit Gott, mit dem höchsten Prinzip. Man muss das Wort »gut« wirklich ganz klar verstehen. Wenn Güte in Ihnen ist, dann ist alles gut, was Sie tun; Ihre Beziehungen sind gut, Ihr Handeln, Ihre Art zu denken. Man kann die ganze Bedeutung dieses Wortes, die außerordentliche Qualität dieses Wortes unmittelbar erfassen.

Bitte lassen Sie uns das gemeinsam ganz sorgfältig anschauen, denn wenn Sie dieses Wort wirklich in seiner Tiefe erforschen, wird es Ihr Bewusstsein beeinflussen, Ihre Art zu denken, Ihre Lebensweise. Widmen Sie dem Verstehen dieses Wortes also ein wenig Aufmerksamkeit. Das Wort ist nicht die bezeichnete Sache. Ich kann einen Berg wunderschön beschreiben, kann ihn malen, ein Gedicht über ihn verfassen, aber das Wort, die Beschreibung, das Gedicht ist nicht der tatsächliche Berg. Im Allgemeinen werden wir emotional und auf irrationale Weise von dem Wort, von der Beschreibung mitgerissen.

Das Gute ist nicht das Gegenteil vom Bösen. Das Gute steht mit dem Hässlichen, Bösen, Schlechten, Unschönen in keiner Weise in Zusammenhang. Das Gute steht allein für sich. Wenn Sie sagen, das Gute geht aus dem Schlechten, dem Bösen, dem Hässlichen hervor, dann trägt das Gute das Böse, das Hässliche und Brutale in sich.

Das Gute muss also völlig unabhängig von dem sein, was nicht gut ist – und das ist es auch.

Das Gute kann unmöglich existieren, wenn irgendeine Form von Autorität akzeptiert wird. Autorität ist etwas sehr Komplexes. Da gibt es die Autorität der Gesetze, die sich der Mensch seit Jahrtausenden geschaffen hat. Dann gibt es die Naturgesetze und das Gesetz unserer eigenen Erfahrung, dem wir gehorchen, sowie das Gesetz unserer eigenen kleinlichen Reaktionen, die unser Leben beherrschen. Außerdem gibt es die Gesetze der Institutionen, der organisierten Glaubenssysteme, die wir Religionen oder Dogmen nennen. Wir sagen, dass das Gute keinerlei Beziehung zu irgendeiner Form von Autorität hat.

Untersuchen Sie das, schauen Sie es sich an. Das Gute hat nicht das geringste mit dem Streben nach Konformität zu tun. Wenn Sie sich einem Glauben, einer Vorstellung, einer Idee, einem Prinzip anpassen, ist das nicht gut, weil es einen Konflikt erzeugt. Das Gute kann nicht durch irgendjemand anderen zum Erblühen gebracht werden, durch keine religiöse Persönlichkeit, kein Dogma, keinen Glauben. Das Gute kann nur auf dem Boden umfassender Aufmerksamkeit erblühen, da, wo es keine Autorität gibt. Die Essenz des Guten ist ein konfliktfreier Geist. Das Gute umfasst auch große Verantwortung. Man kann nicht gut sein und gleichzeitig zulassen, dass Kriege geführt werden. Ein Mensch, der wirklich gut ist, ist absolut verantwortlich für sein ganzes Leben.

Wir fragen uns, ob jemand, der in einer Gesellschaft mit dem ganzen Druck der Institutionen, der Glaubensvorstellungen, der autoritären religiösen Menschen aufgewachsen ist, überhaupt gut sein kann; denn nur, wenn Sie gut sind, wenn Sie, als menschliches Wesen, vollkommen und uneingeschränkt gut sind – vollkommen, nicht nur teilweise –, dann können wir eine andere Gesellschaft schaffen. Kann man in dieser Welt leben, verheiratet sein, Kinder haben, einen Beruf ausüben, und dabei gut sein? So wie wir das Wort »gut« benutzen, steht es für große Verantwortlichkeit, Fürsorglichkeit, Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Liebe. All das ist in diesem Wort enthalten. Ist Ihnen das möglich? Wenn nicht, dann akzeptieren Sie die Gesellschaft, wie sie ist. Eine andere Gesellschaft zu erschaffen, eine Gesellschaft, die von Grund auf gut ist, in dem Sinne, wie wir das Wort »gut« gebrauchen, erfordert viel Energie. Es erfordert Ihre ganze Aufmerksamkeit, das heißt Ihre Energie. Menschen haben eine Menge Energie; wenn sie etwas wirklich machen wollen, dann tun sie es.

Was hält alle Menschen davon ab, absolut gut zu sein? Was ist das Hindernis? Wo ist die Blockade? Warum sind die Menschen – sind Sie – nicht auf normale, gesunde Weise absolut gut? Ein Mensch, der die Dinge beobachtet, erkennt, was die Welt ist und dass er die Welt ist. Er sieht, dass die Welt nicht anders ist als er, dass er diese Welt erschaffen hat, dass er die Gesellschaft und die Religionen mit ihren unzähligen Dogmen, Glaubenssystemen, Ritualen, mit ihren Aufspaltungen in Gruppen und Untergruppen erschaffen hat. Menschen haben das geschaffen. Ist es das, was uns daran hindert, gut zu sein? Ist es, weil wir an etwas glauben oder weil wir so sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt sind, unseren sexuellen Schwierigkeiten, unseren Ängsten, unserer Einsamkeit, unserem Verlangen nach Erfüllung, unserem Wunsch, uns mit irgendetwas zu identifizieren? Ist es das, was ein menschliches Wesen davon abhält, gut zu sein? Wenn diese Dinge uns daran hindern, dann sind sie wertlos. Wenn Sie sehen, dass die Entfaltung des Guten durch jeglichen Druck gleich welcher Art – Ihr Glaube, Ihre Prinzipien und Ideale eingeschlossen – absolut verhindert wird, werden Sie all das ganz einfach ohne zu zweifeln und ohne inneren Konflikt ablegen, denn Sie erkennen, wie dumm das ist.