Das Licht zwischen den Wolken - Amy Hatvany - E-Book

Das Licht zwischen den Wolken E-Book

Amy Hatvany

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Beschreibung

Manchmal nimmt die Welt einem alles. Doch die Liebe einer Mutter überwindet jedes Hindernis.

Natalie ist fünfunddreißig, als sie erfährt, dass sie eine Schwester hat. Während sie selbst bei liebenden Adoptiveltern aufwuchs, wurde die damals vierjährige Brooke von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht und konnte nie verstehen, warum man sie von ihrer kleinen Schwester getrennt hatte. Doch es gibt eine Frage, auf die keine der beiden je eine Antwort erhalten hat: Warum hat ihre Mutter sie weggegeben? Gemeinsam machen sie sich auf die Suche, ohne zu ahnen, dass die Wahrheit ihr Leben für immer verändern wird.

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Seitenzahl: 656

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Buch

Natalie ist fünfunddreißig, als sie erfährt, dass sie eine Schwester hat. Während sie selbst bei liebenden Adoptiveltern aufwuchs, wurde die damals vierjährige Brooke von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht und konnte nie verstehen, warum man sie von ihrer kleinen Schwester getrennt hatte. Doch es gibt eine Frage, auf die keine der beiden je eine Antwort erhalten hat: Warum hat ihre Mutter sie weggegeben? Gemeinsam machen sie sich auf die Suche, ohne zu ahnen, dass die Wahrheit ihr Leben für immer verändern wird.

Autorin

Amy Hatvany wurde 1972 in Seattle geboren und studierte an der Western Washington University Soziologie. Nach einer Reihe sehr unterschiedlicher Jobs, von denen sie einige mochte, andere wiederum gar nicht, beschloss sie schließlich, sich ganz dem Schreiben zuzuwenden. Amy Hatvany lebt mit ihrer Familie in Seattle.

Von Amy Hatvany bei Blanvalet bereits erschienen

Ein Platz in deinem Herzen · Das Jahr der Wunder

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Amy Hatvany

Roman

Deutsch von

Alexandra Kranefeld

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel

»Somewhere Out There« bei Washington Square Press,

an Imprint of Simon & Schuster, Inc., New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Copyright der Originalausgabe © 2016 by Amy Hatvany

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017

by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Angela Kuepper

Umschlaggestaltung und -abbildung: www.buerosued.de

AF · Herstellung: sam

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-19887-9V001

www.blanvalet.de

Für Shane und für die Kinder,

die in seinem Herzen ein Zuhause gefunden haben

Soll eine Saat aufgehen, muss jedes einzelne Samenkorn keimen und austreiben und sich infolgedessen selbst zerstören. Die Schale platzt auf, das Innere wird nach außen gekehrt, alles wandelt und verändert sich. Jemanden, der mit den natürlichen Wachstumsprozessen nicht vertraut ist, muss es indes als ein Werk der Vernichtung anmuten.

Cynthia Occelli

Jennifer

Wäre ich nicht so verzweifelt gewesen, hätte ich es niemals getan.

Natürlich nicht. Mir war klar, was auf dem Spiel stand. Ich wusste, dass ich erwischt werden konnte. Aber es war schon nach Mitternacht, und die Kleinen hatten Hunger und heulten. Brooke war gerade vier geworden, Natalie war erst sechs Monate alt. Natalie schrie wie am Spieß, und Brookes untröstliches Schluchzen rieb mir wie Schmirgelpapier die Nerven blank.

Ich wusste nicht mehr weiter. Wir hatten kein Zuhause, keinen Ort, an dem wir zumindest ein paar Tage Unterschlupf hätten finden können. Freunde, die ich um Geld oder einen Gefallen hätte anpumpen können, waren Fehlanzeige. Ewig so weiterfahren konnte ich auch nicht, denn das Benzin wurde langsam knapp. Also bog ich auf den Parkplatz eines Safeway-Supermarkts, der jetzt, so spät in der Nacht, fast leer war. Mir graute jedes Mal davor, aber ich musste es tun, was blieb mir anderes übrig? Ich fühlte mich seltsam leicht und schwummrig, als würde alles in mir sich auflösen. Was aber auch am Hunger liegen konnte. Oder daran, dass ich die letzten Wochen nicht mehr richtig geschlafen hatte. Ich war erschöpft bis auf die Knochen. Am liebsten wäre ich einfach ausgestiegen, hätte die Karre stehen lassen und dann weg, nur weg. Abtauchen, spurlos verschwinden und einfach so tun, als hätte es die letzten fünf Jahre nie gegeben. Konnte ich aber nicht. Ich hatte ja die Mädchen. Ohne sie wäre ich frei, aber so?

Hör auf, wies ich mich zurecht. Denk nicht mal dran, verdammt. Ich parkte den hellblauen Kombi, einen 1970er Toyota Crown, etwas abseits. Der Wagen, ein Geschenk von Brookes Vater, bevor er uns rausgeschmissen hatte, hatte schon zehn Jahre auf dem Buckel und war die letzten drei Jahre unser Zuhause gewesen. Die Luft im Wageninnern war trocken und abgestanden. Uringeruch stieg mir in die Nase und erinnerte mich daran, dass hinten noch immer die Plastiktüte mit Natalies schmutzigen Windeln lag, die ich vergessen hatte wegzuwerfen.

Ich blieb sitzen, hielt das Lenkrad fest umklammert und wartete, dass mein Zittern nachließ. Der Motor lief noch, und im Radio dudelte die wöchentliche Hitparade. Begleitet vom Geplärre meiner Kinder kündigte Casey Kasem Blondies Nummer-eins-Hit »Call Me« an. Als ich den Zündschlüssel abzog und in meine Tasche steckte, gingen mir die immer gleichen Sätze durch den Kopf: Ich kann nicht mehr. Ich halte das nicht mehr aus. Ich will bloß noch weg.

Gedanken, die eine gute Mutter gar nicht haben sollte.

Natalie brüllte nur noch lauter. Ich schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und hätte am liebsten mitgeschrien.

»Mama, was machen wir hier?«, wimmerte Brooke.

Ich drehte mich nach ihr um und sah sie ihre lila Kuscheldecke an sich drücken, mit ihren kleinen fiebrigen Fingern über den fliederfarbenen Satin streichen, mit dem die Ränder eingefasst waren, immer wieder, wie ein Ritual. Irgendwann hatte sie angefangen, den Besatz ihre »feine Seite« zu nennen. Wenn gar nichts mehr half, rief sie so lange »Wo ist meine feine Seite? Ich will meine feine Seite!«, bis ich ihr die Decke gab und sie den kühlen Satin auf ihrer Haut spüren und so lange darüberstreichen konnte, bis sie sich beruhigt hatte. Tränen schimmerten ihr in den Augen, als sie mich jetzt über ihre Decke hinweg ansah, und ihre schwarzen Locken standen ihr kreuz und quer vom Kopf ab, wie bei einem Kobold. Dabei konnte sie mit ihren langen dunklen Wimpern, der hellen Haut und den veilchenblauen Augen so ein entzückendes Kind sein. Es kam immer wieder vor, dass Leute sagten, die Kleine würde sie an die junge Elizabeth Taylor erinnern, was ich auch für mich als Kompliment nahm, denn Brooke war mir wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Ich geh uns nur schnell was zu essen holen«, sagte ich und versuchte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. »Und danach machen wir wieder Camping, okay?«

Zu diesem Zeitpunkt hatte Brooke wahrscheinlich schon öfter »gecampt« als die Nacht in einem richtigen Bett verbracht. Ich musste an das rosa Mädchenzimmer denken, in dem ich die ersten fünfzehn Jahre meines Lebens geschlafen hatte. Es war kein großes Zimmer gewesen und auch nichts Besonderes, aber mittlerweile erinnerte ich mich mit leiser Wehmut an das weiche, warme Bett, die weißen Bücherregale, den Schrank voller sauberer Kleider. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass ich meinen Mädchen so etwas niemals würde bieten können. Bei mir würden sie nie ein richtiges Zuhause haben. Es sei denn, es änderte sich bald etwas, aber was sollte sich ändern? Ich war gerade mal zwanzig, hatte die Schule nicht abgeschlossen und keinen Beruf erlernt. Arbeiten konnte ich nicht, weil niemand da war, der auf die Mädchen aufgepasst hätte. Ich versuchte, irgendwie über die Runden zu kommen. Mal schliefen wir bei Freunden oder Bekannten, mal in billigen Motels oder eben im Auto. Wenn ich mich mit ihnen an die Straße stellte, die Kleine im Arm und die Hand ausstreckte, kam immer genug zusammen, dass es für ein paar Tage reichte. Ich hatte ein Pappschild, auf dem stand: MEINE KINDER HABEN HUNGER. ICH KANN NICHT ARBEITEN. BITTE HELFEN SIE UNS! Es funktionierte, irgendwie. Aber jedes Mal, wenn jemand hielt, das Autofenster herunterkurbelte und mir Geld gab, quoll mir die Scham aus allen Poren wie klebriges schwarzes Pech.

»Mama, neeeeiiiin! Nicht campen!«, heulte Brooke. »Ich will nicht. Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!« Bei jedem »Ich will nicht« trat sie kräftig gegen die Rücklehne des Fahrersitzes.

»Brooke, bitte lass das«, sagte ich und versuchte, sie nicht anzuschreien. Ich war jetzt schon mit den Nerven am Ende – einer ihrer Wutanfälle hatte mir gerade noch gefehlt.

»Nein!«, schrie Brooke und trat noch mal gegen den Sitz.

Das reichte. Ich sah rot.

»Verdammt noch mal, Brooke!«, brüllte ich sie an. »Jetzt hör endlich auf!« Ich spürte eine solche Ohnmacht, eine Wut, wie ich sie früher, vor den Mädchen, nie gekannt hatte. Ich liebte meine Töchter von ganzem Herzen, aber manchmal, wenn ich überhaupt nicht mehr weiterwusste, hasste ich alles, was sie mir abverlangten.

»Tut mir leid«, sagte Brooke mit kleinlauter, zittriger Stimme. Vom Supermarkt schien gerade genug Licht herüber, um mich ihre verängstigte Miene erkennen zu lassen, ehe sie das Gesicht in ihrer Decke vergrub.

Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen und hätte am liebsten selbst geheult. »Oh Kleines, es tut mir leid«, sagte ich. »Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Es tut mir leid, ja?« Außer einem leisen Schniefen kam jedoch keine Reaktion. »Komm schon, Schätzchen. Bitte.« Ich wartete, dass sie hinter ihrer Decke hervorspähen würde, und als sie es schließlich tat, versuchte ich es mit einem Lächeln, das, so hoffte ich, sie beruhigen würde. »Soll ich dir etwas Süßes mitbringen? Kekse vielleicht?«

Brooke nickte, traute sich aber noch immer nicht ganz hinter der Decke hervor.

»Oreos?«, fragte ich, denn die mochte sie am liebsten. Brooke nickte wieder. »Okay«, sagte ich erleichtert. »Du bleibst mit Natalie hier, bis ich zurück bin, ja? Sei eine gute große Schwester und pass schön für mich auf sie auf. Dauert auch nicht lange.«

Brooke ließ die Decke fallen und schüttelte heftig den Kopf. »Will aber nicht hierbleiben!« Ich wusste, dass sie es nicht mochte, allein gelassen zu werden, weshalb ich es auch nur selten tat, aber manchmal ließ es sich eben nicht vermeiden. Es gab bestimmte Dinge, bei denen kleine Mädchen ihrer Mutter besser nicht zuschauten.

»Ich bin gleich wieder zurück«, versprach ich und zeigte hinüber zum hell erleuchteten Gebäude. »Ich gehe nur schnell in das Geschäft dort, und in ein paar Minuten bin ich wieder bei euch.«

»Ich will mitkommen.«

Ich seufzte. »Heute nicht. Du musst im Auto bleiben. Willst du ein großes, mutiges Mädchen sein und auf deine Schwester aufpassen?«

Brooke schaute hinüber zu ihrer Schwester, hob ihre Decke an und strich mit der »feinen Seite« über die flaumige Babywange. Natalie, die endlich aufgehört hatte zu weinen, gluckste vergnügt. Es war unglaublich, wie vernarrt sie in ihre große Schwester war. Ich war ein Einzelkind und hatte es gehasst, ohne Geschwister aufzuwachsen. Die beiden hatten immerhin einander. Wenn es etwas gab, wofür ich dankbar war, dann das.

»Okay«, sagte Brooke mit kieksiger Stimme und sah mich dabei nicht an.

»Danke, mein Schatz. Ich beeil mich auch, versprochen.« Ich warf mir meinen roten Rucksack über die Schulter und stieg aus. Es war eine kalte, dunkle Nacht. Besser als Hochsommer, sagte ich mir. Wenigstens lasse ich die beiden nicht bei Gluthitze im Auto schmoren. Als ob es das in irgendeiner Weise besser gemacht hätte.

Es war Anfang Oktober und die Luft schon beißend kalt. Dicke runde Kürbisse türmten sich in riesigen Stapeln vor dem Supermarkt, und das rote Laub der Ahornbäume, die rings um den Parkplatz standen, tanzte und wirbelte im Wind. Wie so oft malte ich mir aus, was ich wohl gerade machen würde, wenn ich eine normale Zwanzigjährige wäre. Vielleicht wäre ich auf dem College und würde studieren. Ich würde mir überlegen, welches Kostüm ich zu Halloween tragen sollte. Vielleicht hätte ich auch wieder einen Freund, einen, der mir Blumen mitbrachte und mich ins Kino einlud. Oder eine Clique von Freundinnen, mit denen ich shoppen gehen und Spaß haben konnte. Ich wäre jung und ausgelassen, sorglos und zufrieden – nicht so, wie ich mich jetzt fühlte, wie ich mich fast immer fühlte: müde, hungrig und voller Angst vor dem nächsten Tag, der nächsten Nacht.

Von alledem versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen, als ich Brooke durchs Fenster zuwinkte und sie aufmunternd anlächelte. Sie winkte tapfer zurück, doch als ich die Tür abschloss, sah ich, wie ihre Unterlippe zu zittern begann, und wusste genau, wie sie sich fühlte. Sie versuchte, sich zusammenzureißen, irgendwie. Als Natalie wieder zu weinen begann, beugte Brooke sich über ihre Schwester und strich ihr über die Wange, tätschelte tröstend ihre kleine Hand.

Sie schafft das schon, versuchte ich mich zu beruhigen. Die beiden kommen auch mal einen Augenblick lang ohne mich klar. Es ist ja nicht lange, und was bleibt mir anderes übrig? Ich werde so schnell wie möglich zurück sein.

Ich rannte über den Parkplatz und hatte noch immer Natalies Weinen im Ohr, als ich das Gebäude betrat. Die automatischen Schiebetüren schlossen sich mit einem leisen Zischen hinter mir, und ich sondierte kurz die Lage. Es sah ruhig aus, wie um diese Zeit kaum anders zu erwarten. Außer ein, zwei Aushilfen und einem Kassierer würde niemand da sein. Ein paar andere Kunden hier und da, vielleicht ein Vorgesetzter hinten im Büro. Kein Problem, dachte ich, ich musste einfach bloß schnell sein. Nicht durch falsche Hast auffallen, aber schnell. Und ich machte das ja nicht zum ersten Mal.

Ich ging vorbei an den Halloween-Aktionsständen, den Tüten mit Süßigkeiten und den klapprigen Plastikskeletten, nahm mir einen kleinen Einkaufswagen und steuerte die Obst- und Gemüseabteilung an. Dort füllte ich einen Klarsichtbeutel mit sechs rotbackigen Äpfeln, schaute mich unauffällig um und ließ vier weitere in meinem Rucksack verschwinden. Zwei Packungen Babykarotten legte ich in meinen Einkaufswagen, eine dritte wanderte in den Rucksack.

So weit, so gut. Ich schob den Wagen weiter, bog um eine Ecke und fuhr direkt in einen jungen Mann hinein, groß und schlaksig, mit schulterlangen blonden Haaren und Aknenarben auf den Wangen. Er trug ein kurzärmeliges weißes Hemd, eine braune Cordhose und darüber eine grüne Schürze. Ganz offensichtlich arbeitete er hier – ich hätte ihn kaum älter geschätzt als mich. Auf dem Namensschild an seinem Hemd stand RICK.

»Ups, sorry«, sagte ich und versuchte zu lächeln, auch wenn mir das Herz bis zum Hals schlug. »Tut mir leid, Tomaten auf den Augen.«

Rick lächelte zurück, und ich sah, dass seine Zähne gelb und ziemlich schief waren. »Kein Problem«, versicherte er mir und deutete auf meine Einkäufe. »Sie finden sich zurecht?«

»Oh ja, danke. Nur schnell noch ein paar Sachen holen, die ich vorhin vergessen habe.«

»Sagen Sie Bescheid, wenn Sie Hilfe brauchen. Ich bin drüben in Gang vier.«

»Danke«, sagte ich erneut und schob meinen Wagen weiter. Dabei versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn ich recht zielstrebig genau die entgegengesetzte Richtung zu Rick ansteuerte.

Zieh es schnell durch, und dann nichts wie weg hier, dachte ich. Zum Glück entdeckte ich die Oreos gleich am Anfang des übernächsten Gangs und warf praktisch im Vorbeigehen eine Packung in meinen Wagen, eine in den Rucksack, ehe es zur Babynahrung ging. Ich sackte ein Dutzend Breigläschen für Natalie ein sowie eine Schachtel Zahnungskekse. Jetzt brauchte ich bloß noch Brot und Erdnussbutter. Bei den Backwaren griff ich beides ab und hielt dabei verstohlen Ausschau nach Rick oder seinen Kollegen.

Ich versuchte mir einzureden, dass es im Grunde gar nicht so schlimm wäre, da ich ja nur so viel nahm, wie wir für die nächsten Tage brauchten, dass es also kein Diebstahl, sondern Mundraub war. Morgen würde ich beim Betteln vielleicht wieder mehr Glück haben. Für meine Kinder zu stehlen konnte doch kein Verbrechen sein, oder? Sollte ich sie vielleicht hungern lassen? Genau genommen war es eine gute Tat und keine schlechte. Und sollte eine gute Mutter nicht alles für ihr Kind tun? Hätte ich Geld gehabt, hätte ich natürlich für alles bezahlt, aber ich hatte nun mal keins. Windeln, Babytücher und Milchpulver für Natalie hatten gestern meine letzten dreißig Dollar verschlungen. Es war unglaublich, was das alles kostete.

Ich war kurz vor der Kasse, als ich hinter mir Rick rufen hörte. »Hey!« Seine Stimme klang laut und energisch. »Einen Moment, warten Sie!«

Verdammt. Ich blieb stehen und drehte mich um. »Hi«, sagte ich und versuchte, ganz entspannt zu lächeln. Mein Magen krampfte sich zusammen. »Heute ist echt nicht mein Tag«, sagte ich. »Habe gerade gemerkt, dass ich mein Geld zu Hause vergessen habe.« Ich deutete auf den spärlichen Inhalt des Einkaufswagens. »Kann ich das so lange hierlassen? Ich komme gleich wieder und hole es.« Mein Blick schweifte an den Kassen vorbei zu der automatischen Schiebetür, durch die ich vorhin gekommen war. Gleich geschafft. Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, doch Ricks Worte ließen mich wie angewurzelt stehen bleiben.

»Nein«, sagte er und streckte die Hand aus. »Erst würde ich gern in Ihren Rucksack schauen.«

»Was?«, rief ich und versuchte, empört zu klingen, aber das Zittern meiner Stimme verriet mich. »Warum?«

Rick hielt die Hand noch immer ausgestreckt. »Mein Chef hat Sie auf Band«, sagte er und setzte eine gewichtige Miene auf. »Er hat alles gesehen.«

Ich überlegte, ob ich es abstreiten und so tun sollte, als hätte ich keinen blassen Schimmer, was er meinte, aber wenn eine Überwachungskamera tatsächlich alles aufgezeichnet hatte, dürfte Leugnen zwecklos sein. »Bitte, Sie verstehen das nicht«, fing ich an und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. »Ich mache so etwas sonst nie, ehrlich … Aber … meine Kinder haben Hunger, und mir ist das Geld ausgegangen. Wir leben auf der Straße, ich wusste einfach nicht mehr weiter!« Ich schaute über seine Schulter und sah einen kleinen korpulenten Mann mit Glatze auf uns zukommen. Beim Gehen schwangen seine Arme wie Pendel zu beiden Seiten aus, links-rechts, links-rechts.

»Das tut mir leid für Sie«, sagte Rick nun schon etwas freundlicher. »Aber Ihren Rucksack müssen Sie mir trotzdem geben.«

Widerwillig händigte ich ihm die Tasche aus und spürte, wie mir das Blut in den Ohren rauschte. Ich konnte an nichts anderes als an meine beiden Mädchen denken, die dort draußen ganz allein auf mich warteten und sich vor der Dunkelheit fürchteten. Ich hätte alles getan, um so schnell wie möglich wieder bei ihnen zu sein.

Als der Filialleiter uns erreicht hatte, riss er Rick meinen Rucksack aus der Hand. »Da war aber jemand fleißig«, bemerkte er spöttisch. Er hatte kleine Hände und sah mich aus verkniffenen blauen Augen an. Auf seinem Namensschild stand STEVE.

»Hören Sie, es tut mir leid. Ich habe einen Riesenfehler gemacht«, sagte ich in der Hoffnung, mich aus dem Schlamassel herausreden zu können. Ich schaute Rick an, bei dem ich auf mehr Verständnis hoffte. »Ehrlich, ich habe so etwas noch nie getan.« Eine glatte Lüge, aber wenn ich Glück hatte, glaubten sie mir.

»Na klar«, meinte Steve.

Ich trat auf ihn zu und griff nach seinem Arm. »Bitte, das ist die Wahrheit! Ich brauchte etwas zu essen für meine Kinder, sie sind noch ganz klein … Soll ich sie denn verhungern lassen? Bitte, lassen Sie mich gehen. Ich komme auch nie wieder, versprochen.«

Ich merkte, wie er zögerte, und dachte schon, er würde ein Einsehen haben, aber dann sah ich draußen das Flackern des Blaulichts.

Das Blut gerann mir in den Adern. »Sie haben die Polizei gerufen? Ich war doch …« Ich war gerade mal zehn Minuten im Laden gewesen, wenn überhaupt. Der Kerl musste mich die ganze Zeit beobachtet haben!

»Tut mir leid, aber so wird das bei uns gehandhabt – Order von ganz oben«, klärte Rick mich auf und klang tatsächlich ein bisschen so, als täte es ihm leid.

»Nein, warten Sie«, bettelte ich, »das können Sie doch nicht machen!«

»Und ob ich das kann«, entgegnete Steve und schüttelte meine Hand ab.

Als die Tür sich wieder mit diesem leisen Zischen öffnete, verstummte ich. Zwei Polizisten kamen herein und traten neben mich.

»Ist sie das?«, fragte der jüngere der beiden und fasste mich beim Arm. Er war ungefähr so groß wie Rick, aber kräftiger gebaut. Die dunklen Haare trug er kurz geschoren, sein blaues Hemd spannte um den Bizeps. Er roch nach Rasierwasser und kaltem Kaffee.

»Jep«, sagte Steve. »Behauptet, sie hätte nur was zu essen für ihre Blagen geklaut.« Er zog den Reißverschluss meines Rucksacks auf und holte ein Gläschen mit Kürbispüree heraus. »Tja, könnte sogar stimmen«, meinte er mit einem Schulterzucken, als machte es keinen Unterschied, warum ich die Sachen gestohlen hatte.

»Es stimmt«, beharrte ich mit bebender Stimme. »Bitte, lassen Sie mich gehen. Meine Kinder sitzen im Auto und warten auf mich.«

Nun meldete sich der ältere Cop zu Wort. »Sie haben Ihre Kinder da draußen allein gelassen?« Er schaute erst mich an, dann mit zusammengekniffenen Augen hinaus auf den Parkplatz.

»Ich kümmere mich drum«, sagte der jüngere und ließ mich los. »Schlüssel?«

»Bitte lassen Sie mich mitkommen«, sagte ich und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, während ich nach den Autoschüsseln suchte und sie ihm aushändigte. Ich stellte mir Brooke vor, wie sie den Beamten die Tür aufmachen sah, und ich meinte schon ihre Schreie zu hören, wenn sie merkte, dass nicht ich es war. Sie fürchtete sich vor Fremden und würde völlig ausflippen. Ich hatte ihr beigebracht, niemandem zu trauen außer mir. So ungeschützt und allein, wie wir lebten, war das nur zu ihrem Besten.

Als der jüngere Beamte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg machte, mich einfach so stehen ließ, konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten. »Bitte«, rief ich ihm nach und begann am ganzen Körper zu zittern, »lassen Sie mich ihnen doch wenigstens sagen, dass alles gut ist und sie sich keine Sorgen zu machen brauchen!« Wieder eine Lüge, denn nichts war gut, gar nichts. Aber was hätte ich meiner Kleinen nicht alles erzählt, um sie in Sicherheit zu wiegen!

»Wie ist Ihr Name, junge Dame?«, fragte mich der Ältere. Er klang streng, als wollte er mir klarmachen, dass er nicht mit sich reden lassen würde. Sein dicker grauer Schnurrbart erinnerte mich an meinen Großvater, der an einem Herzinfarkt gestorben war, als ich zehn gewesen war. Bei seiner Beerdigung hatte meine Oma geheult wie ein ganzes Rudel Wölfe; meine Mutter, die ihre Gefühle höchstens durch einen Klaps auf die Schulter kundtat, wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Als drei Jahre darauf auch meine Oma gestorben war, hatte meine Mutter nicht eine einzige Träne vergossen.

»Jennifer Walker«, sagte ich leise.

»Und was wird das System wohl ausspucken, wenn ich Ihren Namen in die Datenbank eingebe, Jennifer? Sie machen das doch bestimmt nicht zum ersten Mal, oder?«

Einen Moment hielt ich seinem Blick stand und dachte an all die Situationen in den letzten vier Jahren, in denen ich mich genauso entschieden hatte wie heute. Es war mir nie leichtgefallen, denn natürlich war ich mir der möglichen Konsequenzen bewusst gewesen, aber ich hatte geglaubt, das Risiko abschätzen zu können, und so hatte ich es einfach getan, immer wieder, denn es half ja nichts. Manchmal war es schiefgegangen, aber ich war jedes Mal mit einem blauen Auge davongekommen.

»Nein«, sagte ich und senkte den Blick. Wozu versuchen, es abzustreiten? Er würde es ja sowieso herausfinden.

»Das war jetzt dein viertes Bagatelldelikt«, sagte Gina Ortiz, meine Sozialarbeiterin, und warf einen Blick in meine Akte, die zwischen uns auf dem Tisch lag. Im Laufe der Jahre war so einiges zusammengekommen, und die Mappe war recht dick. Es war der Morgen nach meiner Verhaftung, und mein Pflichtverteidiger hatte gerade das Besucherzimmer verlassen. Zuvor hatte er mir noch mitgeteilt, dass ich diesmal um eine mehrmonatige Haftstrafe nicht herumkäme. »Bis zu zwei Jahre«, hatte er gesagt. »Wenn es ganz schlecht läuft, auch mehr.«

Aber die Mädchen!, hätte ich am liebsten geschrien. Was soll aus meinen Töchtern werden? Es war nicht das erste Mal, dass ich in Schwierigkeiten steckte, ein- oder zweimal hatte ich sogar schon in der Arrestzelle gesessen, aber nie länger als ein paar Stunden und noch nie über Nacht. Wie gesagt, ich war immer mit einer Verwarnung oder einer kleinen Geldstrafe davongekommen. Aber jetzt war es offenbar so weit. Jetzt saß ich hier und musste mich mit dem Gedanken anfreunden, dass Natalie ihre ersten Schritte lernen würde, ohne dass ich bei ihr wäre und ihre Hand halten könnte.

Dass ich Kinder hatte, war allerdings nicht das Problem meines Anwalts, sondern das von Gina. Ich kannte sie seit zwei Jahren. Damals war ich das erste Mal beim Ladendiebstahl erwischt worden, und die Polizei hatte gleich das Jugendamt verständigt. Das war noch vor Natalies Geburt gewesen. Gina hatte mit Brooke unten in der Lobby gewartet, als man auf dem Revier meine Personalien aufgenommen hatte. Nachdem ich mit einer Verwarnung davongekommen war – der Geschäftsinhaber hatte letztlich von einer Anzeige abgesehen –, hatte Gina mir mitgeteilt, dass ich ab der darauffolgenden Woche Kurse der sogenannten Elternschule besuchen sollte. Ich war natürlich nie hingegangen, und als ich Gina jetzt gegenübersaß, tat es mir ziemlich leid.

Gina war recht robust, mit breiten Hüften und schlanken Beinen, was es ihr vermutlich nicht gerade leicht machte, passende Hosen zu finden. Ich wusste selbst nicht, warum ich das dachte, ausgerechnet jetzt. Heute trug sie einen schmalen schwarzen Rock und eine rote Bluse mit einer großen Schleife am Kragen. Die Farbe stand ihr und passte perfekt zu ihrer karamellbraunen Haut. »Und nicht nur das«, fuhr sie fort und sah mich über den Rand ihrer Brille hinweg an, die tief auf ihrer schmalen Nase saß. »Es ist zudem deine zweite Anzeige wegen Kindesvernachlässigung und Gefährdung des Kindeswohls.« Sie machte eine Pause, ehe sie fortfuhr. »Dir ist klar, was das bedeutet?«

Ich schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, damit ich nicht wieder anfing zu heulen. Meine Fingernägel waren schon bis auf die Haut heruntergekaut, und trotzdem kam noch Blut, als ich sie mir jetzt in den Arm grub, ganz fest, bis es wehtat. Vernachlässigung und Gefährdung des Kindeswohls? Was redete sie denn da? Ich würde meine Kinder doch niemals in Gefahr bringen! Klar, sie allein im Auto zu lassen war ganz sicher nicht die beste Entscheidung meines Lebens gewesen, aber der Wagen war abgeschlossen gewesen, und ich wäre höchstens eine Viertelstunde weg gewesen. Das war doch wohl etwas völlig anderes, als wenn ich Brooke mit Messern hätte spielen lassen oder in ihrer Gegenwart Crack geraucht hätte.

»Es heißt, dass die Mädchen in Pflege kommen, solange du in Haft bist«, hörte ich Gina sagen.

»Nein«, entgegnete ich automatisch. »Wer sagt denn, dass ich überhaupt ins Gefängnis muss? Der Richter könnte das doch ganz anders sehen als dieser Anwalt gerade. Ich habe nichts Böses getan, ich wollte einfach nur meine Kinder ernähren!« Dicke, fette Tränen kullerten mir die Wangen herunter. Ich wischte sie nicht weg, es war mir egal. »Bitte, Gina! Können wir nicht erst mal das Urteil abwarten?«

Gina seufzte, setzte ihre Brille ab und klappte die Mappe zu. Die dunklen Haare trug sie aufgesteckt, nur ein paar lose Strähnen hingen ihr ins Gesicht; sie strich sie sich hinter die Ohren und sah mich an. »Es ist so gut wie sicher, dass du wegen Kindesmisshandlung und mehrfachen Diebstahls verurteilt wirst. Während du in Haft bist, werden die Kinder deiner Obhut entzogen. Wenn du wieder draußen bist, können wir schauen, wie es weitergeht, und uns überlegen, was du unternehmen kannst, um sie zurückzubekommen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt tut es mir leid, Jennifer. Da ist nichts mehr zu machen.«

»Ich misshandele doch meine Kinder nicht!«, rief ich und fühlte mich, als hätte ich einen Hieb in die Magengrube bekommen, dass mir die Luft wegblieb. »Ich habe Brooke noch nie geschlagen, kein einziges Mal! Ja, das gestern war dumm. Ich habe einen Fehler gemacht … okay, aber …«

»Nicht nur einen Fehler«, unterbrach Gina mich mit einem vielsagenden Blick. »Und dabei sind all die Male, wo du nicht erwischt worden bist, noch gar nicht mitgezählt.«

Meine Wangen glühten, und ich senkte den Blick. »Aber ich liebe meine Kinder doch«, sagte ich ratlos, denn wie sollte ich es dieser Frau beweisen, die plötzlich das Schicksal meiner beiden Mädchen in ihren Händen hielt? Ich könnte ihr von all den kleinen Dingen erzählen: Wie Brooke sich beim Schlafen einen Zipfel ihrer Kuscheldecke in den Mund steckte, wie sie kicherte, wenn ich das Alphabet von A bis Z herunterrülpste, und wie sie immer »Alle meine Händchen« sang statt »Entchen«, ich es aber nie übers Herz brachte, ihr zu sagen, dass es falsch sei. Ich könnte Gina erzählen, wie Natalie lächelte, wenn ich ihren Bauch und ihre kleinen Füße küsste, oder wie sie sich im Alter von drei Monaten zum ersten Mal allein umgedreht und dann prompt zu weinen angefangen hatte, vor lauter Schreck über das, was ihr gerade gelungen war. Ich wollte Gina zeigen, dass ich trotz all meiner Fehler doch auch ein paar Sachen richtig gemacht hatte.

»Das weiß ich«, sagte sie sanft. »Aber Liebe allein reicht nicht, um eine gute Mutter zu sein. Dazu braucht es noch so viel mehr.«

Vielleicht war es ihr Mitgefühl, das mir den Rest gab. Mir wurde klar, dass sie mir keine Vorwürfe machte, mich nicht verurteilte, sondern die Situation einfach schilderte, wie sie war – und das war schlimm genug. Ich stieß einen tiefen, klagenden Laut aus, als wollte ich mir allen Schmerz von der Seele heulen. Die Gedanken der vorigen Nacht gingen mir wieder in einer Endlosschleife durch den Kopf: Ich kann nicht mehr … Ich halte das nicht mehr aus … Ich will bloß noch weg.

»Es ist alles so schwer«, platzte es aus mir heraus. »Ich liebe meine Kinder, aber es ist so schwer!«

Ich beugte mich vor, vergrub das Gesicht in den Händen und begann mich vor und zurück zu wiegen. Plötzlich sah ich wieder das Gesicht meiner Mutter vor mir, als ich ihr sagte, dass ich mit Brooke schwanger sei und überhaupt nicht daran denke, das Baby abtreiben zu lassen. Mit regloser Miene hatte sie mich angeschaut, als ich ihr meinen Entschluss mitgeteilt hatte, nicht nur das Kind zu behalten, sondern auch die Schule abzubrechen und mit Michael zusammenzuziehen, meinem Freund, der schon achtzehn war, eine eigene Wohnung hatte und einen Job im Elektromarkt.

»Das wirst du nicht«, hatte sie erwidert und die Arme vor der Brust verschränkt.

»Du bist mit siebzehn auch zu Dad gezogen«, hatte ich dagegengehalten, um meine Entscheidung zu rechtfertigen. Meine Eltern hatten sich im letzten Jahr auf der Highschool kennengelernt, und als meine Mutter feststellte, dass sie mit mir schwanger war, hatten sie geheiratet. Zwölf Jahre später hatte mein Vater uns verlassen, sich noch ein-, zweimal im Jahr bei mir gemeldet und irgendwann dann gar nicht mehr. Aber mir und Michael würde das nicht passieren, da war ich mir sicher gewesen. Dazu liebten wir uns viel zu sehr.

»Du siehst ja selbst, was draus geworden ist«, hatte meine Mutter nur gesagt. Ihre Augen, die genau dieselbe Farbe hatten wie meine, hatten böse gefunkelt. »Ich will was Besseres für dich, Jenny. Dir soll es nicht so gehen wie mir.«

»Aber ich habe doch was Besseres«, hatte ich erwidert. »Nur eben mit Michael. Wir heiraten auch nicht sofort, wir lassen es ganz langsam angehen.«

Sie hatte trocken gelacht. »Bei ihm einzuziehen und ein Kind zu kriegen scheint mir ein ziemlich flottes Tempo. Was willst du denn ohne Schulabschluss anfangen? Meinst du, so kriegst du einen guten Job?«

»Ich muss doch nicht arbeiten«, hatte ich erwidert. »Michael wird für uns beide sorgen.«

»So wie dein Vater für uns gesorgt hat?«, hatte sie zurückgegeben und den Kopf geschüttelt. »Das wird dir noch leidtun, glaub mir. Dir ist überhaupt nicht klar, was da auf dich zukommt. Ein Kind großzuziehen ist sogar unter besten Voraussetzungen verdammt schwer.«

Selbst als sie mir dann gesagt hatte, dass ich in ihrem Haus nicht mehr willkommen sei, wenn ich jetzt ginge, hatte ich keine Träne vergossen. Warum hätte ich denn zurückkommen sollen? Ich war mir meiner Sache so sicher gewesen und hatte geglaubt, für mich und mein Kind die beste Entscheidung zu treffen. Aber als ich jetzt bei der Polizei saß, mit Gina in dem kleinen Besucherraum, weinte ich wie seit Jahren nicht mehr. Es war, als bräche auf einmal alles aus mir hervor. Ich weinte, weil ich mich so allein und verlassen fühlte, weil Michael uns rausgeschmissen hatte, als Brooke gerade mal neun Monate alt gewesen war, weil er uns hinterhergeschrien hatte, dass er uns beide nie wiedersehen wollte. Ich weinte, weil ich so dumm gewesen war, ein weiteres Mal schwanger zu werden, obwohl ich doch schon mit Brooke allein kaum zurechtkam. Ich weinte, weil ich meine Kinder abgöttisch liebte und jeden Tag merkte, was für eine beschissene Mutter ich ihnen war.

Aber am meisten weinte ich, weil meine Mutter recht gehabt hatte.

»Es ist schwer, ich weiß«, sagte Gina. Sie stand auf und kam um den Tisch herum, legte den Arm um meine Schultern. »Es ist das Schwerste, was man sich vorstellen kann.«

Ich ließ mich in ihre Arme sinken, ließ mir von ihr übers Haar streichen, spürte ihre Hand tröstend auf meinem Rücken. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mich jemand zuletzt so gehalten hatte. Mittlerweile fiel das immer mir zu, mir ganz allein. Entweder hielt ich Brooke in den Armen oder Natalie. Manchmal auch alle beide. Ständig wollten sie etwas von mir, hingen an mir dran, klammerten sich an mich, verlangten nach Aufmerksamkeit, nach Nahrung und Trost, als gehörte mein Körper längst ihnen und nicht länger mir. Und obwohl ich mir Sorgen um die beiden machte, obwohl ich wusste, dass Brooke inzwischen völlig panisch sein musste, inmitten von Fremden, allein gelassen mit der Frage, warum Mommy nicht wie versprochen zurückgekommen war, empfand ich insgeheim eine bodenlose Erleichterung, eine tiefe Dankbarkeit dafür, ein paar Stunden alle Verantwortung los zu sein und mich nicht mehr darum kümmern zu müssen, dass sie satt und sauber waren, glücklich und zufrieden. Zu meiner Angst, den Schuldgefühlen und der Scham gesellte sich, ganz leise und heimlich, das Gefühl, als sei mir eine schwere Last von den Schultern genommen.

»Ich weiß nicht mehr weiter«, sagte ich und löste mich aus Ginas Umarmung. Mit völlig verheulten Augen schaute ich zu ihr auf. »Ich will doch nur das Beste für die beiden.«

Gina ging neben mir in die Hocke und sah mich an. »Das glaube ich dir, Jennifer. Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich kann aus jedem deiner Worte heraushören, wie sehr du deine Töchter liebst.«

»Danke«, flüsterte ich und wischte mir die Tränen von den Wangen.

Als Gina erneut sprach, lag so viel Mitgefühl in ihrer Stimme, dass ich am liebsten gleich wieder losgeheult hätte. »Bitte sag mir, wenn ich mich täusche«, begann sie, »aber für mich klingt es so, als seist du dir nicht sicher, ob du die Mädchen allein großziehen kannst. Als seist du mit der ganzen Situation überfordert und würdest überlegen, das Sorgerecht für die beiden abzugeben.« Sie ließ mir einen Moment Zeit, damit ich ihre Worte verdauen konnte. »Sehe ich das richtig?«

»Ich … ich weiß nicht …«, stammelte ich. Wäre ich dazu fähig? Könnte ich meine Kinder einfach Gina überlassen, damit sie für die beiden ein gutes Zuhause fände? Ich musste daran denken, wie energisch ich mich gegen den Wunsch meiner Mutter gestellt hatte, abzutreiben oder Brooke wenigstens zur Adoption freizugeben. Wie ich zutiefst davon überzeugt gewesen war, dass niemand meinem ungeborenen Kind eine bessere Mutter sein könnte als ich.

Aber das war, bevor Michael uns rausgeschmissen hatte. Bevor ich anfing, auf der Straße um Geld zu betteln. Bevor ich mich von dem Manager eines Motels in seinem miesen kleinen Büro hatte flachlegen lassen, um im Gegenzug zwei Wochen eins der Zimmer mietfrei überlassen zu bekommen. Bevor ich mir meinen Ekel, mein Elend gleich wieder ausgekotzt hatte und bevor ich vier Monate später endlich gemerkt hatte, dass meine Periode ausgeblieben und ich wieder schwanger war. Bevor ich mich mit Wehen in die Notaufnahme geschleppt und schon bei Natalies Geburt mit Grauen daran gedacht hatte, was ich ihr eigentlich eines Tages erzählen sollte, wer ihr Vater sei.

Könnte ich das alles vergessen, wenn ich meine Töchter weggäbe? So tun, als sei es nie geschehen? Würde ich vergessen können, dass Natalies Vater nicht der Einzige gewesen war, den ich auf diese Weise bezahlt hatte, um meinen Mädchen ein warmes Nachtquartier zu beschaffen? In den kalten Wintermonaten hatte ich, wenn das Geld mal wieder knapp gewesen war, oft nur gegen solche Gefälligkeiten eine Unterkunft für uns gefunden. Könnte ich all das löschen, vergessen, noch einmal ganz von vorn anfangen? Wäre es für die Mädchen nicht das Beste, wenn ich mein Sorgerecht abgab? Oder wäre es nur das Einfachste für mich?

Ich zuckte mit den Schultern und schaute Gina an. »Ich weiß es nicht«, sagte ich erneut, doch diesmal hörte selbst ich die Verzweiflung in meiner Stimme. Meine Lage schien mir so aussichtslos. Wie sollte ich das denn entscheiden? In mir tobte es, ein zäher Wettstreit zwischen dem, was ich wollte, und dem, was mir richtig schien.

Und plötzlich dann die Einsicht – hier ging es nicht um mich, es ging um meine Kinder. Darum, ihnen ein gutes Zuhause zu geben, Stabilität und Chancen, kurzum ein Leben, wie ich es ihnen niemals würde bieten können. Wollte ich ihnen diese Aussicht wirklich nehmen? Ich hatte mein Bestes getan, doch es genügte einfach nicht.

»Ich liebe die beiden doch so sehr.« Ich hörte, wie ich mich selbst wiederholte, als könnte ich so wiedergutmachen, was ich bereits angerichtet hatte. Wie ein Zauberspruch, der alles wieder in Ordnung brachte.

Gina saß schweigend bei mir und schien darauf zu warten, dass ich endlich etwas sagte. Etwas anderes sagte. Dass ich sagte, was unter den gegebenen Umständen das einzig Mögliche war.

Ich seufzte, tief und schwer, und als ich aufblickte, sah ich mich selbst im einzigen Fenster des Raums gespiegelt, ein schwacher Widerschein, den ich kaum erkannte. Ich hatte in den letzten Monaten so stark abgenommen, dass ich mir zwei weitere Löcher in meinen alten Ledergürtel hatte stanzen müssen, damit mir meine Jeans nicht von den Hüften rutschte. Meine dunklen Haare waren stumpf und strähnig, mein Gesicht verquollen, Augen und Nase rot vom Weinen. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal hübsch gefühlt hatte, wann ich mich zuletzt im Spiegel betrachtet und über mein Aussehen gefreut hatte. Jetzt sah ich nur ein Häuflein Elend – ein dummes junges Mädchen, das eine schlechte Entscheidung nach der anderen traf und kläglich gescheitert war. Ich sah ein Mädchen, das nie im Leben etwas auf die Reihe kriegen würde.

Ich wandte mich zu Gina um, atmete tief durch und sagte dann den einen, alles entscheidenden Satz: »Vielleicht sind sie ohne mich besser dran.«

Nie war mir etwas schwerer gefallen, doch jetzt war es heraus. Und dann kamen schon wieder Tränen, und ich heulte noch heftiger als zuvor. Ich heulte Rotz und Wasser, und mit jedem Schluchzer schüttelte es mich am ganzen Körper. Doch statt dass die Tränen meinem Kummer Luft verschafft hätten, hatte ich eher das Gefühl, mich langsam, Stück für Stück, in nichts aufzulösen.

Natalie

Natalie Clark war spät dran.

Es war ein Dienstag, und sie wartete in ihrem Wagen vor der Pine Wood Elementary School, wo ihre Tochter Hailey die zweite Klasse besuchte. Natalie trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad und schaute zu dem großen Schild über dem Eingang, das in knallroten Buchstaben verkündete: 2015 WIRD UNSER ALLERBESTES JAHR! Im Geiste zählte sie die Red-Velvet-Cupcakes durch, die sie hinten im Kofferraum verstaut hatte. Sechs Dutzend waren bestellt, aber für den Fall, dass ihr einige nicht tadellos gelungen waren, hatte sie vorsichtshalber gleich mehr gebacken und dann so viel Zeit darauf verwendet, das Frischkäse-Topping absolut perfekt aufzuspritzen und die Minikuchen unbeschadet in die Kartons zu verfrachten, dass sie jetzt fürchtete, im Eifer des Gefechts einen davon auf dem Küchentisch stehen gelassen zu haben.

»Verdammt«, murmelte sie und schnallte sich ab, sprang aus dem Wagen und lief zum Kofferraum. Es war ein grauer, feuchter Nachmittag Ende September, doch sie verschwendete keinen Gedanken daran, dass der leichte Nieselregen ihre Frisur ruinieren könnte, sondern zählte konzentriert die blassvioletten Kartons durch, in denen sie sämtliche Produkte ihrer Firma Just Desserts auslieferte. Nein, sie hatte nichts vergessen, die Bestellung war komplett eingeladen, ein Glück. Eigentlich hatte Natalie ihre Tochter abholen wollen, nachdem sie die Cupcakes bei der Kundin abgeliefert hatte, um dann auf dem Rückweg auch noch Henry von der Kita mitzunehmen. Nun würde Hailey den kleinen Umweg mitfahren müssen, aber es war ja nicht weit. Und es geschah nicht zum ersten Mal, dass Natalies kulinarischer Perfektionismus ihr einen Strich durch ihren peinlich genau kalkulierten Zeitplan machte.

Das Hupen des Wagens hinter ihr riss sie aus ihren Gedanken, und als Natalie aufschaute, stellte sie fest, dass alle Fahrer vor ihr bereits ihre Kinder abgeholt hatten und verschwunden waren. Sie hielt hier den ganzen Verkehr auf, was unter den Eltern nicht gern gesehen war; wenn man in der Warteschlange über Gebühr bummelte, konnte es einem sogar passieren, dass der Hintermann einen mit der Stoßstange anschob.

»Unglaublich«, hatte Kyle nur gemeint, als Natalie ihrem Mann von dem Auffahrmanöver erzählt hatte, dessen Zeugin sie vor ein paar Wochen geworden war. »Das Opfer sollte ihn wegen Nötigung im Straßenverkehr und möglicher Sachbeschädigung verklagen.« Kyle war Strafverteidiger und neigte dazu, überall potenzielle Rechtsverstöße zu sehen, darin vielleicht einem Elektriker nicht unähnlich, der in jedem fremden Haus erst einmal Lichtschalter und Leitungen in Augenschein nahm.

Natalie war ebenfalls Anwältin, doch nach ihrem Referendariat und drei wenig glücklichen Jahren bei Bender & Beck, der Kanzlei ihres Vaters, hatte sie beschlossen, nach Haileys Geburt nicht in ihren Beruf zurückzukehren. Die Entscheidung war ihr leichtgefallen, das Gespräch mit ihrem Vater war dafür umso schwerer gewesen. Tatsache war, dass sie nie mit Leidenschaft bei der Sache gewesen war und nur deshalb Jura studiert hatte, um ihrem Vater einen Gefallen zu tun. Seit Natalie Mutter war, hatten ihre Prioritäten sich völlig geändert. Plötzlich waren die Tage einfach zu kurz und die Zeit zu wertvoll, um sie an eine Karriere zu verschwenden, die viel Einsatz und Überstunden verlangte, ihr aber wenig Befriedigung oder gar Freude verschaffte. Sie hatte sich mit Kyle darauf geeinigt, dass sie bis zu Haileys Einschulung zu Hause bleiben würde. In dieser Zeit wollte Natalie überlegen, wie genau es für sie beruflich weitergehen könnte. Zwei Jahre später hatte Hailey dann einen kleinen Bruder bekommen, und erst als Henry in den Kindergarten gekommen war, war aus Natalies liebstem Hobby langsam so etwas wie ein Job geworden. Backen war ihre große Leidenschaft. Sie war sieben gewesen, als eine Freundin ihrer Eltern ihr ein Backbuch geschenkt hatte, eine schöne gebundene Ausgabe mit matt schimmerndem Papier und vielen bunten Fotos von perfekt geformten Schokokeksen und üppig verzierten Cremetorten. Sie hatte stundenlang in dem Buch blättern können, sich die Bilder anschauen und die Rezepte lesen, als wären sie richtige Geschichten, mit den Zutaten als Haupt- und Nebenfiguren. Seitdem träumte sie davon, eine eigene Bäckerei zu haben.

Im Laufe der Jahre hatte sie diesen Traum aus den Augen verloren und stattdessen getan, was ihre Eltern von ihr erwartet hatten: Sie hatte Jura studiert. Zugegeben, das Studium war nicht zu ihrem Nachteil gewesen. Natalie war von Natur aus eher schüchtern, doch plötzlich hatte sie über ihren eigenen Schatten springen und ihre Unsicherheit überwinden müssen. Sie hatte in den Seminaren und Übungen mit ihren Kommilitonen über Strafrecht und Präzedenzfälle debattieren müssen und war eine – zumindest dem äußeren Anschein nach – ebenso kompetente wie eloquente Anwältin geworden. Doch ihre wahre Leidenschaft hatte Natalie erst entdeckt, nachdem sie sich endlich ein Herz gefasst und die Kanzlei ihres Vaters verlassen hatte. In ihren Geburtsvorbereitungs- und Mutter-Kind-Kursen war sie schon bald bekannt gewesen für ihre Kuchen und Kekse, und bei gemeinsamen Essen und Festivitäten bat man meist sie, eines ihrer legendären Desserts mitzubringen. Backen war für Natalie eine Möglichkeit, sich anderen Menschen verbunden zu fühlen. Den verzückten Ausdruck in den Gesichtern zu sehen, wenn jemand in einen ihrer Zitronen-Cupcakes biss oder sich ein Stück Karamell-Nuss-Schnitte auf der Zunge zergehen ließ, war ihr der schönste Lohn. Die Liebe zu Süßem war eine Sprache, die jeder verstand.

Schon bald kamen erste Catering-Anfragen, und ihr Talent begann sich auszahlen. Die positiven Rückmeldungen ihrer Kunden bestärkten sie darin, Kurse am Community College zu besuchen, um sich zu qualifizieren, und schließlich ihre eigene Catering-Firma Just Desserts zu gründen. Hailey war in die erste Klasse gekommen, und Henry hatte einen Kitaplatz ergattert, was ihr ausreichend Zeit gab, an ihrem neuen Projekt zu arbeiten. Sie vertraute bei der Auftragsakquise bislang vor allem auf die Empfehlungen zufriedener Kunden und verdiente kein Vermögen, schätzte aber umso mehr die zeitliche Flexibilität, die ihr die Selbstständigkeit erlaubte. »Delikatessen statt Delikte, das süße Leben«, witzelte Kyle gern, worüber Natalie jedes Mal bloß die Augen verdrehte.

Jetzt winkte sie ihrem Hintermann im blauen Honda mit einem entschuldigenden Lächeln zu und hoffte, er würde nicht gleich ihren Wagen rammen, was den Cupcakes ganz gewiss nicht gut bekommen würde. »Sorry!«, rief sie, schloss den Kofferraum und sah zu, dass sie wieder hinters Steuer kam. Sie legte den Gang ein und fuhr ein Stück weit vor, schaute dann selbst ganz ungeduldig zur Uhr. 14:45, und bis drei sollte die Bestellung spätestens geliefert sein. »Ach, Krümelchen, wo bleibst du denn?«, murmelte sie, und wie auf ein Stichwort hörte Natalie auch schon die helle Stimme ihrer Tochter.

»Mommy!«, rief sie. Natalie sah aus dem Beifahrerfenster und lächelte, als sie ihr kleines Mädchen sah, das jetzt, mit sieben, so klein gar nicht mehr war. Die langen dunklen Locken flogen umher, als sie zum Auto gelaufen kam. Natalie brachte es einfach nicht über sich, ihrer Tochter mehr als die Spitzen zu schneiden, und so ringelte sich ein ganzes Nest dunkler Korkenzieherlocken ihren schmalen Rücken hinab. Die Haarfarbe hatte ihre Tochter von Kyle – Natalie war blond –, aber die zierliche Statur von ihrer Mutter, dazu deren feine Gesichtszüge und blaue Augen, ein schöner, seltener Ton, fast ein Veilchenblau, das sie von keinem Elternteil geerbt haben konnte, denn sowohl Kyle als auch Natalie hatten braune Augen. Ebenso wie Henry, der zwar als Baby fast blond gewesen war, dessen Haare aber zusehends dunkler wurden, passend zu seinen Augen. Mit seinen mittlerweile fünf Jahren wurde der Kleine seinem Vater mit jedem Tag ähnlicher.

»Mommy!«, rief Hailey noch einmal, als sie die Autotür aufriss, sich wie ein kleiner Kletteraffe auf den Rücksitz schwang und ihren Rucksack neben sich fallen ließ. Während sie sich anschnallte, fragte sie schon: »Weißt du wa-has?«

»Wa-has?«, wiederholte Natalie und lächelte noch immer, als sie vom Parkstreifen auf die Straße fuhr. »Weißt du was« war seit Kurzem der Auftakt zu allem, was Hailey ihr erzählte. »Weißt du was, Mom? Ich hab ein Viech gesehen!«, oder »Weißt du was? Meine Socken passen heute gar nicht zusammen!« Kyle war langsam genervt davon, aber Natalie fand es eigentlich ganz lustig, vor allem wenn Hailey und Henry das »Weißt du was«-Spiel zusammen machten. »Weißt du was?«, würde Henry seine große Schwester fragen. »Meine Füße stinken nach Fürzen!« Worüber Hailey erst mal kichern musste und dann auftrumpfte: »Dein Gesicht stinkt nach Furz!« Ihre Kinder waren gerade in der Phase, in der die bloße Erwähnung dieses Wortes hysterische Lachanfälle auslöste, was in der Tat etwas anstrengend sein konnte, aber Natalie ging trotzdem jedes Mal das Herz auf, wenn sie die beiden zusammen spielen und lachen sah. Als Einzelkind und von eher zurückhaltendem Wesen, hatte sie sich früher oft einsam gefühlt und sich nichts sehnlicher gewünscht, als einen Bruder oder eine Schwester zu haben. Deshalb war für Natalie schon immer klar gewesen: Sollte sie einmal selbst Kinder haben, würde es nicht bei einem bleiben.

»Ich hab eine Eins im Diktat bekommen!«, verkündete Hailey jetzt. »Ich hab keinen einzigen Fehler gemacht!«

»Das ist ganz toll, mein Schatz«, sagte Natalie und schaute ihre Tochter im Rückspiegel an. »Du hast ja auch fleißig mit Daddy geübt. Ich bin stolz auf dich.«

»Hm«, meinte Hailey, und dann: »Mommy, ich glaube, du fährst falsch.« Sie schaute aus dem Fenster auf die Läden entlang der California Avenue. »Hast du vergessen, wo wir wohnen? Kriegst du etwa Alzheimer?«

Natalie lachte. »Nein. Ich muss nur noch schnell eine Kuchenbestellung abliefern, ehe wir Henry abholen. Es hat etwas länger gedauert heute.« Sie warf einen Blick auf die Uhr und beschleunigte.

»Oooh«, kam es vom Rücksitz. Natalie hörte Papier rascheln, dann fragte ihre Tochter: »Und weißt du, was noch?«

»Was?« Vor einer roten Ampel nahm Natalie langsam das Tempo raus. Sie traute sich kaum zu bremsen, aus Angst, die Kartons könnten umfallen oder auch nur aneinanderstoßen und die in liebevoller Kleinarbeit aufgetragene Creme-Glasur zerdrücken. Sie schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel, dass gleich wieder Grün würde. Grün, Grün, Grün. Die Scheibenwischer quietschten über die Windschutzscheibe, dass Natalie förmlich eine Gänsehaut bekam. Sie stellte sie aus und gleich wieder an. Natalie gehörte zu den Menschen, die zu einer Verabredung stets eine Viertelstunde zu früh eintrafen. Zu spät zu kommen verstieß gegen alles, was ihre Eltern ihr beigebracht hatten. Wer pünktlich war, zeigte, dass er die Zeit anderer Menschen genauso schätzte wie die eigene. Zuspätkommen machte Natalie nervös. Kyle hingegen, der – außer bei Terminen vor Gericht – zur Unpünktlichkeit neigte, konnte ihr eiliges Drängen oft nicht nachvollziehen.

»Mrs. Benson hat gesagt, dass wir diese Woche einen Familienstammbaum machen! Ich soll einen Baum auf ein großes Blatt Papier malen, und an die Äste kommen die Namen von all meinen Verwandten.«

»Oh«, meinte Natalie. »Das klingt ja spannend.« Sie versuchte, begeistert zu klingen, doch die Worte kamen recht gezwungen heraus.

»Hm«, machte Hailey, der die verhaltene Reaktion ihrer Mutter nicht aufzufallen schien. »Aber dazu brauche ich neue Filzstifte.«

»Was ist denn mit deinen alten passiert?«

»Henry hat was damit gemalt und die Kappen nicht wieder draufgemacht«, hörte Natalie ihre Tochter sagen, während sie nach der richtigen Abzweigung Ausschau hielt. »Der nimmt sich dauernd meinen Kram und baut Mist.«

Einen Block vor dem Hiawatha Park bog Natalie in den Admiral Way und beschloss, dass gerade kein guter Zeitpunkt war, um mit ihrer Tochter darüber zu diskutieren, wer denn nun Schuld hatte an ihren ausgetrockneten Filzstiften. Sie konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie sie selbst in der Schule einmal einen solchen Familienstammbaum hatte anfertigen sollen. Und es war keine Erinnerung, an die sie gern zurückdachte. Ein Gefühl der Beklemmung machte sich in ihr breit – wie immer, wenn sie daran dachte, dass es irgendwo da draußen eine Frau gab, eine Fremde, die ihre leibliche Mutter war. Die sie in die Welt gesetzt und mit gerade mal sechs Monaten weggegeben hatte.

Natalie hatte erst mit zehn Jahren erfahren, dass ihre Eltern sie adoptiert hatten. Damals war sie sich dessen nicht bewusst gewesen, aber die Entscheidung ihrer Eltern, ihr doch endlich von ihrer Herkunft zu erzählen, war maßgeblich einem Artikel geschuldet, den ihre Mutter in einem Erziehungsratgeber gelesen hatte. Autor des Artikels war ein renommierter Kinderpsychologe, der die Ansicht vertrat, dass adoptierte Kinder langfristig besser damit klarkämen, wenn man von Anfang an offen mit dem Thema umging, ihnen so früh wie möglich erklärte, dass jemand anders sie geboren habe, ihre Eltern sich jedoch eigens für sie entschieden und sie als ihr Kind ausgewählt hätten.

Natalie erinnerte sich noch ganz genau an den Abend, als ihre Eltern sich mit ihr ins Wohnzimmer gesetzt hatten, um ihr die Wahrheit zu sagen. Sie hatte noch immer den Geruch des chinesischen Essens in der Nase, das ihre Mutter extra zum Abendessen bestellt hatte; sie sah den blau und cremefarben gemusterten Bezug des Sofas vor sich, auf dem sie mit ihren Eltern gesessen hatte, ihre Mutter links von ihr, ihr Vater rechts. Sie hatte den grauen Anzug ihres Vaters vor Augen, seine breiten Schultern, das dunkle, leicht gewellte Haar; sie erinnerte sich an den wadenlangen Jeansrock und die weite blaue Strickjacke, die ihre Mutter getragen hatte. Sie meinte noch immer das Zittern ihrer Stimme zu hören. »Wir müssen mit dir reden, Schätzchen«, begann ihre Mutter damals. »Über etwas sehr Wichtiges.«

Natalie saß mit schlechtem Gewissen da und fragte sich, ob ihre Mutter die Süßigkeiten gefunden hatte, die sie unter ihrem Bett versteckt hielt. Vielleicht sollte sie es einfach zugeben? Doch dann, ehe sie etwas hätte sagen können, ergriff auch schon ihr Vater das Wort.

»Du weißt, wie sehr wir dich lieben«, sagte er, und Natalie konnte sich bis zum heutigen Tag daran erinnern, dass sie sich gewundert hatte, was das denn bitte schön mit ihrem geheimen Naschvorrat zu tun hätte.

»Und weil wir dich so lieb haben«, stimmte ihre Mutter ein, »haben wir dich, als du noch ganz klein warst, adoptiert. Von allen Babys dieser Welt wollten wir nur dich und haben dich als unsere Tochter ausgewählt.«

»Ich bin … adoptiert?«, fragte Natalie und wusste kaum, wie sie sich fühlen sollte. Sie begann zu blinzeln und dachte einen Moment lang wirklich, sie würde anfangen zu weinen. Sie blickte abwechselnd ihre Mutter und ihren Vater an, und es war keineswegs das erste Mal, dass ihr auffiel, wie sehr sie sich im Aussehen von den beiden unterschied. Sie sah weder ihrer Mutter noch ihrem Vater ähnlich, nur hatte sie sich bislang nie groß darüber Gedanken gemacht. Es war einfach so. Ihre Eltern waren beide dunkelhaarig, sie war blond. Ihre Augen waren braun, die ihrer Eltern blau. Natalie war klein für ihr Alter, ein zierliches, fast schon zerbrechliches Kind mit feinen Gesichtszügen; ihr Vater hingegen war ein Schrank von einem Mann, ihre Mutter kaum kleiner und – sehr zu ihrem Leidwesen – ebenfalls recht robust gebaut.

»Ja«, sagte ihre Mutter mit Tränen in den Augen. »Wir haben dich zu uns genommen, als du noch ein Baby warst. Das Mädchen, das dich in ihrem Bauch getragen hat, war noch zu jung, um sich um dich zu kümmern. Die ersten sechs Monate deines Lebens hast du bei ihr verbracht. Sie hatte kein Zuhause und hat mit dir in ihrem Auto gelebt.« Der Ton ihrer Mutter verriet Missbilligung. »Dieses Mädchen hat gut daran getan, dich wegzugeben. Sie wollte nur dein Bestes. Sie hat dich uns gegeben.«

»Sie hat mich nicht mehr haben wollen?«, fragte Natalie leise. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als wäre etwas in ihr entzweigebrochen. Und der Kopf schwirrte ihr, als hätte sie sich zu lange im Kreis gedreht.

»Wir wollten dich«, sagte ihr Vater, legte den Arm um sie und zog sie an sich. Er roch nach dem Rasierwasser, das Natalie und ihre Mutter ihm jedes Jahr zum Geburtstag schenkten. Old Spice, diesen Geruch würde sie nie vergessen. »Als wir dich das erste Mal gesehen haben, wussten wir gleich, dass wir unsere kleine Tochter gefunden hatten.«

»Aber ich bin doch dann gar nicht eure Tochter«, sagte Natalie mit erstickter Stimme. »Nicht eure richtige Tochter.«

»Doch«, sagte ihr Vater. »Das bist du. Und wir sind deine Eltern. Deine einzig richtigen Eltern.«

Natalie saß einen Moment reglos da, schließlich nickte sie langsam, doch ihre Gedanken überschlugen sich schier. Was wohl mit ihrer leiblichen Mutter war? Ob sie außer ihr noch andere Kinder hatte? Würde sie Natalie erkennen, wenn sie sie jetzt sähe? Und ihr leiblicher Vater … ob er auch so groß war und nach Old Spice roch? Vielleicht war er klein und blond, so wie sie.

Ihre Stimme zitterte, als sie ihren Eltern die nächste Frage stellte. »Wenn sie mich weggegeben hat«, begann Natalie mit einem bangen Zögern, »heißt das, ihr könnt mich auch weggeben?« Ihr schien die Sorge durchaus berechtigt, denn was wusste sie schon, wie das alles funktionierte. Was, wenn ihre Eltern sie plötzlich leid waren oder zu dem Schluss kamen, dass sie sich damals vertan hatten und es ein Fehler gewesen war, sie zu adoptieren?

»Ach, Schätzchen«, sagte ihre Mutter, rückte näher und legte ihr nun auch den Arm um die Schultern. »Natürlich nicht. Das würden wir niemals tun. Wir geben dich nicht mehr her, dazu haben wir dich doch viel zu lieb.«

»Sicher?«, fragte Natalie und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Warm und salzig liefen sie ihr über die Wangen. Ihr Vater legte die Hände um ihr Gesicht und strich die Tränen mit dem Daumen weg.

»Ganz sicher«, versicherte er nachdrücklich. Dann ließ er die Hände wieder sinken, drückte Natalie einen Kuss oben auf den Kopf, und ihre Mutter strich ihr beruhigend über den Rücken.

Einen Moment saß Natalie ganz still und fühlte sich geborgen, doch dann musste sie es einfach fragen: »Kann ich sie mal besuchen?« Als sie sah, wie ihre Mutter die Augen schloss und den Kopf abwandte, bereute sie die Frage sofort.

»Nein, Spätzchen«, sagte ihr Vater. »Das kannst du nicht. Wir wissen nicht, wer sie ist. Es war eine verdeckte Adoption. Das heißt, dass beide Seiten nichts voneinander wissen und keinen Kontakt wünschen. Du gehörst jetzt zu uns. Daran wird nichts und niemand etwas ändern.«

Zunächst erzählte Natalie niemandem davon, dass sie adoptiert war. Nachdem ihre Eltern es so lange vor ihr geheim gehalten hatten, nahm sie an, dass man besser nicht mit jedem darüber reden sollte. Doch dann, gar nicht lange nachdem sie von ihren Eltern die Wahrheit erfahren hatte, sollten sie in der Schule besagten Familienstammbaum zeichnen. Als Natalie an jenem Nachmittag von der Schule nach Hause kam, setzte sie sich sofort an den Küchentisch, holte das große Blatt Papier aus ihrer Schultasche, das die Lehrerin ihnen für diese Aufgabe gegeben hatte, faltete es auseinander und strich die Knicke so gut wie möglich glatt. Sie nahm einen braunen Filzstift und hielt ihn ganz fest, damit die Linien nicht so krumm wurden, und malte einen breiten Stamm mit einem langen Ast, daran drei grüne Blätter für ihre Mom, ihren Dad und sich selbst. Ganz außen, an der Spitze des Asts und mit etwas Abstand zu den anderen, malte sie noch ein weiteres Blatt.

»Wie heißt meine leibliche Mutter denn mit Namen?«, fragte Natalie ihre Mutter, die an der Küchentheke stand und Apfelschnitze und Käsewürfel für Natalies Nachmittagssnack zurechtschnitt.

»Was?«, fragte sie und ließ das Obstmesser sinken. Ihre Stimme klang ganz seltsam, angespannt. »Warum?«

Ohne von ihrem Blatt aufzuschauen, erklärte Natalie ihr kleinlaut, was sie als Hausaufgabe machen sollte. Ihre Mutter wischte sich die Hände am Geschirrtuch ab und trat zu ihr. Sie betrachtete erst den gemalten Baum, dann sah sie Natalie an. »Familien können kompliziert sein, Schätzchen«, sagte sie schließlich. »Es kommt doch gar nicht darauf an, wer dich zur Welt gebracht hat, sondern wer dich aufzieht und für dich sorgt. Und das sind wir beide, dein Vater und ich. Wir sind deine Eltern, deine Familie. Dieses Mädchen gehört nicht zu uns.«

»Oh«, sagte Natalie und merkte, wie sie rot wurde. Weil sie einen Fehler gemacht hatte. Aber auch, weil es sie ärgerte, dass Mom ihre leibliche Mutter immer »dieses Mädchen« nannte, gerade so, als wäre die Frau, die Natalie in ihrem Bauch getragen hatte, jemand, für den man sich schämen müsste. Und als könnte dieser Makel auf sie, Natalie, abfärben. »Tut mir leid«, murmelte sie, auch wenn sie sich gar nicht sicher war, wofür sie sich eigentlich entschuldigte. Sie wusste nur, dass sie an der gequälten Miene ihrer Mutter Schuld hatte.

»Schon gut«, erwiderte ihre Mom. »Nimm das andere Blatt doch einfach für Tante Vicki«, schlug sie vor. Tante Vicki war die Schwester von Natalies Vater, lebte auf einer Ranch in Montana, und sie sahen sie einmal im Jahr an Weihnachten. Tante Vicki war nicht verheiratet und hatte keine Familie, nur ihre Pferde. Selbst ihre Kleider rochen nach Pferd. Mehr wusste Natalie im Grunde nicht über sie.

»Mhm … okay«, sagte Natalie, auch wenn sie es falsch fand, ihre leibliche Mutter auszuschließen. Sie schrieb Vickis Namen in das vierte Blatt und betrachtete ihr Werk nachdenklich, als ihr auch schon die nächste Frage in den Sinn kam. »War ich so schlimm als Baby? Hat sie mich deshalb weggegeben?«

Ihre Mutter schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, als wäre sie kurz davor zu weinen. »Nein, du warst ein richtiger kleiner Schatz, ein absolut perfektes Baby«, sagte sie und setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Was wollen wir denn heute zu Abend essen?«, fragte sie betont munter und machte so auf ihre Art klar, dass das Thema damit erledigt sei.

Nicht aber für Natalie. Der Gedanke an ihre leibliche Mutter ließ ihr einfach keine Ruhe. Manchmal stellte sie sich vor, dass ihre »andere« Mutter eines Tages vor der Tür stehen und sie einfach mit sich nehmen würde, in ein völlig anderes Leben. Sie fing an, sich Geschichten rund um ihre Adoption zusammenzufantasieren. Vielleicht, dachte Natalie, ist sie ja Geheimagentin und arbeitet für das FBI! Dass sie im Auto lebte, könnte Tarnung sein. Oder es war Teil ihres Jobs, und weil sie dauernd unterwegs und auf Verbrecherjagd war, hatte sie Natalie auch nicht behalten können. Weil es nämlich viel zu gefährlich war. Genau! Deshalb war die Adoption auch verdeckt gewesen, wie ihre Eltern es nannten. Zwar hatten sie Unterlagen, die bezeugten, dass rechtlich alles einwandfrei und sie jetzt ihre Tochter sei, aber sie wollten Natalie die Papiere nicht zeigen. Es stünde sowieso nichts drin, was sie ihr nicht bereits gesagt hätten.