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Das Mädchen Liz ist jung, schön und kennt keine Hemmungen.
Ihr Haar ist schwarz und wild. Ihre Augen glühen. Und ihre Gedanken gehen die verrücktesten Wege.
Sie fragt nicht nach Moral, nach Gesetz. Worte und Begriffe wie Anstand, Haltung und Ordnung sind ihr fremd.
Sie hasst die Welt, sie hasst die Menschen, vor allem hasst sie die Männer. Aber sie weiß, dass sie die Männer braucht, um nach oben zu kommen.
Und sie will nach ganz oben. Rücksichtslos und ohne Skrupel geht sie ihren Weg. Ein schwarzer Engel aus teuflischen Gefilden, der zu spät erkennt, dass der Weg, den er geht, der Weg in die Hölle ist...
Der Roman Das Mädchen Liz von Frank Kane erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968.
Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Mädchen Liz in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
FRANK KANE
Das Mädchen Liz
Roman
Apex Noir, Band 17
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS MÄDCHEN LIZ
ERSTER TEIL
ZWEITER TEIL
DRITTER TEIL
Das Mädchen Liz ist jung, schön und kennt keine Hemmungen.
Ihr Haar ist schwarz und wild. Ihre Augen glühen. Und ihre Gedanken gehen die verrücktesten Wege.
Sie fragt nicht nach Moral, nach Gesetz. Worte und Begriffe wie Anstand, Haltung und Ordnung sind ihr fremd.
Sie hasst die Welt, sie hasst die Menschen, vor allem hasst sie die Männer. Aber sie weiß, dass sie die Männer braucht, um nach oben zu kommen.
Und sie sie will nach ganz oben. Rücksichtslos und ohne Skrupel geht sie ihren Weg. Ein schwarzer Engel aus teuflischen Gefilden, der zu spät erkennt, dass der Weg, den er geht, der Weg in die Hölle ist...
Der Roman Das Mädchen Liz von Frank Kane erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968.
Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Mädchen Liz in seiner Reihe APEX NOIR, in welcher Klassiker des Hard-boiled- und Noir-Krimis als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden.
Erstes Kapitel
Das Mädchen stand auf dem eisernen Bettgestell in der Zelle und presste das Gesicht gegen das vergitterte Fenster. Das Gefängnis war ein niedriger Ziegelbau, der abseits von der Straße in einem kleinen Gehölz stand. Von ihrem Fenster aus sah sie auf das verstaubte Gebüsch und Gestrüpp. Sie versuchte sich zu erinnern, wie viele Tage sie schon in der heißen, übelriechenden Zelle verbracht hatte, aber sie konnte die Tage und Nächte nicht mehr auseinanderhalten.
Sie stieg von dem Bett herunter und ging ruhelos auf dem rauen Zellenboden auf und ab. Ein schäbiges blaues Baumwollkleid versuchte vergeblich ihre wohlgeformte Figur zu verbergen. Während sie ging, spannte sich der billige Stoff um ihre vollen Hüften, und ihre üppigen Brüste schienen das Kleid beinahe zu sprengen. Ihr Haar war schwarz, dicht und fiel glänzend über ihre Schultern.
Von irgendwoher ertönte das Geräusch einer eisernen Tür, die sich knirschend öffnete. Das Mädchen blieb stehen und sah voll Furcht auf die Zellentür. Schlurfende Schritte kamen den kurzen Gang entlang auf die Zelle zu. Unwillkürlich ging das Mädchen ein paar Schritte rückwärts und presste sich flach gegen die Mauer. Ihre glühenden schwarzen Augen starrten wie gebannt auf die Zellentür, ihre Zähne schimmerten weiß zwischen den geöffneten Lippen. Ihre Brust hob und senkte sich in zunehmender Erregung.
Die schlurfenden Schritte hielten vor ihrer Zelle an. Sie gehörten einem kleinen dicken Mann. Er trug einen Stetson, den er auf den Hinterkopf geschoben hatte. Unter dem Rand standen Büschel grauweißer Haare hervor. Sein graues Hemd hatte unter den Armen halbmondförmige Schweißflecke; seine Blue Jeans waren ausgebleicht und unordentlich geflickt. Auf seiner linken Brusttasche blitzte ein Stern.
»Na, wie geht’s denn meinem Gast?«, fragte er und spähte durch die Gitterstäbe. In dem Halblicht glänzten auf seinem Kinn und der Unterlippe silberne Bartstoppeln.
»Lassen Sie mich in Frieden.«
Der alte Mann schwang einen schweren Schlüssel, der an einem massiven, altmodischen eisernen Ring hing. »Das wäre nicht sehr gastfreundlich, was, Liz? Es wäre nicht richtig, wenn ich meinem Gast nicht ’nen kleinen Besuch abstatten würde.«
»Sie haben kein Recht dazu, mich hier einzusperren, Sheriff. Ich habe nichts verbrochen. Lassen Sie mich hier heraus.«
Der Sheriff schob den Schlüssel in das große Schloss. »Du tust, als würdest du’s nicht verstehen, Liz. Es ist meine Pflicht. Du bist eine schlechte Person, und es ist meine Pflicht, dich zu bessern.«
»Ich habe nichts verbrochen. Sie haben kein Recht, mich einzusperren.«
Der dicke Mann stieß die Tür auf, trat hindurch und warf sie hinter sich zu. Dann griff er durch die Stäbe und drehte den Schlüssel im Schloss herum. »Fang bloß nicht an, dich aufzuspielen, Liz. Ich bin nicht scharf darauf, dir weh zu tun.«
»Ich warne Sie, Sheriff. Fassen Sie mich nicht an. Ich warne Sie.«
Der Sheriff zuckte mit den Schultern und öffnete die Schnalle des schweren Ledergürtels, den er um die Hüfte trug. »Du hast zu viele Ideen in deinem Kopf, Liz. Und die müssen dir ausgetrieben werden. Eine Frau ist wie ein Pferd, sie taugt nichts, bevor man sie nicht an der Kandare hat.«
Die dunklen Augen des Mädchens folgten dem Gürtel, den er vor ihr herumwirbeln ließ. »Wenn Sie mich wieder schlagen, dann bring’ ich Sie um. Ich schwöre es.«
Der dicke Mann schwang den Gürtel über seinem Kopf und ließ ihn dann auf das Mädchen niedersausen. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus, als das Leder in das Fleisch ihres Rückens schnitt. Sie rannte in die hinterste Ecke der Zelle und kauerte sich dort zusammen. Er schlug immer weiter auf sie ein, der Gürtel traf zielsicher ihr weiches Fleisch und hinterließ dicke Striemen. Sie ließ ein unterdrücktes Stöhnen hören.
Aus dem Mundwinkel des Sheriffs rann glitzernder Speichel. Er wischte ihn mit dem Handrücken weg und stellte sich breitbeinig über das Mädchen. Er atmete schwer, sein Hemd klebte ihm feucht am Rücken.
»Steh auf, Mädchen«, sagte er heiser.
Das Mädchen saß zusammengekauert in der Ecke und schützte sein Gesicht mit den Ellenbogen. Sie rührte sich nicht und ließ nicht erkennen, ob sie ihn gehört hatte.
Wieder hob der Sheriff den Gürtel und schlug zu. Sein Arm ging auf und nieder, monoton klatschte das Leder auf ihr Fleisch. Endlich hielt er ein. »Bist du jetzt soweit, dass du das tust, was man von dir verlangt?«, keuchte er.
Das Mädchen nickte und richtete sich auf. Schwer atmend, stand sie vor ihm; ihre Augen glühten voll Hass. »Dafür bring’ ich Sie um«, zischte sie ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen entgegen. »Sie werden’s schon sehen. Für das, was Sie mir angetan haben, bring’ ich Sie um.«
»Zieh den Fetzen aus«, sagte der fette Mann zu ihr. Seine Augen bohrten sich förmlich in die Löcher ihres Kleides, aus denen das geschundene Fleisch schimmerte.
Sie rührte sich nicht, ihre dunklen Augen sahen ihn herausfordernd an.
Der dicke Mann griff mit seiner plumpen Hand nach dem Oberteil ihres Kleides und zerrte daran. Es riss vom auseinander, so dass ihre nackten Brüste zu sehen waren. Sie waren, im Gegensatz zu ihrem sonnengebräunten Hals und Nacken, von einer erregenden Blässe. Sie machte keinen Versuch, sich zu widersetzen; verachtungsvoll stand sie da, während der alte Mann tölpisch an ihrer einzigen Hülle fummelte.
»Du wirst verdammt noch mal genau das tun, was ich sage«, seine Stimme klang heiser. »Keiner weiß, dass du hier bist – keiner außer mir. Und du wirst alles tun, was ich dir sage.« Er riss das ganze Kleid auseinander und warf es in eine Ecke der Zelle. Sie war langbeinig und hatte volle Hüften. Ihre Brüste waren rund und fest und hatten rosa Spitzen, ihr Bauch war flach.
Mit dem Unterarm wischte sich der Sheriff den Schweiß aus dem Gesicht, dann leckte er sich mit seiner dicken roten Zunge die Lippen.
»Komm hierher zu mir«, befahl er.
Das Mädchen rührte sich nicht.
Er trat einen Schritt auf sie zu, fasste sie im Nacken und zog sie zu sich heran. Er konnte die weiche Festigkeit ihrer Brüste gegen seinen Körper spüren und den Druck ihrer Schenkel. Er bedeckte ihren Mund mit dem seinen. Seine Lippen waren feucht und schlaff. Das Mädchen leistete keinen Widerstand, als er eine ihrer Brüste in die Hand nahm und sie spielerisch drückte.
»So bist du gescheit, Liz. Sei nett zu mir, dann bekommst du keine Schläge.« Wieder küsste er sie, dann schob er sie von sich weg. »Geh ein bisschen herum, Mädchen«, sagte er zu ihr. Liz blieb wie eine Statue stehen, nur ihre hasserfüllten Augen zeugten davon, dass noch Leben in ihr war.
Mit einem Grinsen entblößte der Sheriff seine fleckigen Zähne. »Du scheinst den Gürtel gern zu haben. Immer wieder kommt einem eine Frau unter, die das gern hat.«
Er holte aus und schlug auf sie ein. Er grinste, als sie wimmerte, während das Leder in ihre Haut schnitt. Wieder holte er aus und schlug zu. »Hast du jetzt genug?«
»Genug«, keuchte sie.
»Jetzt tu, was ich dir gesagt habe. Geh herum. Geh hübsch und langsam.«
Mit bloßen Füßen ging sie durch die Zelle. Ihre Hüften bewegten sich langsam und leicht, die Muskeln ihres Gesäßes zitterten. An der Mauer angekommen, drehte sie sich um und kam zurück. Ihre Brüste schwangen bei jedem Schritt hin und her. Als sie an ihm vorbeiging streckte der fette Mann die Hand aus und ergriff sie am Arm. Er zog sie zu sich her. Ihr Körper gab ohne Widerstand nach.
»So wird’s immer besser, vielleicht lernst du doch noch etwas.« Wieder presste er seine feuchten Lippen auf die ihren, zog sie ganz nah an sich und bog ihren Oberkörper nach hinten, wobei er sein Knie zwischen die ihren schob.
Plötzlich spannten sich die Muskeln des Mädchens. Mit einem Ruck zog sie ihr Knie an und stieß es dem alten Mann in den Unterleib. Seine Augen tränten vor Schmerz, und er lockerte den Griff, mit dem er das Mädchen hielt. Dann sank er ächzend zu Boden. Mühevoll rang er nach Luft.
Das Mädchen stand hoch aufgerichtet über ihm und spuckte auf ihn hinunter.
Mit vor Schmerz geröteten Augen sah er zu ihr auf. »Dafür wirst du mir bezahlen, du Satan.« Er griff nach ihr, doch als sie aus seiner Reichweite trat, fiel er vornüber flach aufs Gesicht.
Rückwärts ging das Mädchen zur Zellentür, griff hindurch und fasste nach dem eisernen Schlüsselring, den sie durch die Gitterstäbe hereinzog. Sie wartete, während der Sheriff mühselig versuchte, auf die Beine zu kommen, und sich schwankend vor ihr aufrichtete. Über sein Kinn lief der Speichel, und seine Augen waren blutunterlaufen, als er auf sie zukam und mit geballten Fäusten ausholte.
Das Mädchen umklammerte den Schlüssel, hob ihn hoch über den Kopf und ließ den schweren eisernen Ring auf den Schädel des alten Mannes niedersausen. Der Schlag warf ihn zurück auf die Knie. Über eine Backe lief ihm jetzt ein schmaler Blutstreifen. Mit offenem Mund starrte er sie an, in seinen Augen lag Ungläubigkeit. Noch einmal schlug sie mit dem Schlüsselring zu und streckte ihn damit zu Boden.
Jetzt griff sie durch die Gitterstäbe der Tür und schloss diese auf. Sie trat auf den Gang hinaus und ging zu dem kleinen Raum, der ihm als Büro diente.
Als sie wieder zu der Zellentür kam, saß der Sheriff auf der Kante ihres Bettes, das Gesicht in die Hände gestützt. Mit der Handfläche wischte er sich das Blut aus dem Gesicht und starrte dann stumpfsinnig auf seine Hand. Als er das Mädchen in der Tür erblickte, richtete er sich torkelnd auf. »Du hättest davonlaufen sollen, wenn du schon die Möglichkeit hattest. Jetzt werde ich dich...« Seine Augen erstarrten, als er den .45er in ihrer Hand erblickte.
»Ich hab’ mir Ihren Revolver geliehen, Sheriff.« Sie richtete den Lauf auf die Stelle, wo für gewöhnlich seine Gürtelschnalle saß. »Ich dachte, es wird Ihnen nichts ausmachen.«
Ein fahles Weiß überzog das Gesicht des Sheriffs. Seine schlaffen Lippen bemühten sich verzweifelt um ein Lächeln, »Was willst du denn mit dem Revolver, Mädchen? Damit kommst du nur in Schwierigkeiten.« Er streckte seine Hand aus, die heftig zitterte. »Gib her, und wir vergessen, was passiert ist.«
Lächelnd entblößte das Mädchen seine weißen Zähne. »Wie sollte ich in Schwierigkeiten kommen? Niemand weiß, dass ich hier bin. Das haben Sie doch selber gesagt. Ich brauche bloß am Abzug ziehen, und niemand wird je wissen, wer es war.« Der Sheriff wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Ich wollte dir nicht Unrecht tun. Es war zu deinem Besten. Auf die Art kommt es nicht in die Akten. Es gibt keine Akte über dich und...«
»Sie sind ein Lügner. Sie haben mich nur nicht eingetragen, weil Sie nicht wollten, dass irgendjemand erfährt, dass ich hier war. Sie wollten mich hier zu Ihrem eigenen Vergnügen festhalten. Okay, Sie haben Ihr Vergnügen gehabt. Jetzt bin ich an der Reihe.«
Der dicke Mann schüttelte schwach den Kopf. Seine Unterlippe fiel herunter, und unter seinem linken Auge zuckte es heftig. Er ging ein paar Schritte rückwärts. »Sei kein Narr, Liz! Sie erwischen dich. Du brauchst nicht mehr hierzubleiben. Du kannst sofort gehen. Ich werde nichts tun, um dich zurückzuhalten.«
Das Mädchen lachte nüchtern auf. »Was ist denn los, Sheriff? Verliere ich meine Anziehungskraft?« Sie umfasste eine ihrer Brüste mit der Hand und hielt sie ihm höhnisch entgegen. »Ich dachte, gerade so hätten Sie mich gern.« Sie feuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze an. Dann sagte sie mit halbgeschlossenen Augen: »Los, kommen Sie her und nehmen Sie mich!«
Der dicke Mann nickte begierig. »Ich wusste es ja, dass du nicht böse auf den alten Tom bist. Du bist doch nicht böse, oder?« Er machte einen taumelnden Schritt auf sie zu. »Du weißt doch, es gibt Frauen, die haben es gern, wenn man sie hart anfasst.«
Auf die kurze Entfernung dröhnte der .45er wie eine Kanone. Der Schlag traf den Mann genau unter dem Brustbein und warf ihn rücklings gegen die Wand. Er glitt zu Boden und presste seine Hand auf den Leib und versuchte vergebens, den roten Strom einzudämmen. Als er die Augen zu ihr hob, drückte sie noch zweimal ab.
Der alte Mann seufzte leise auf, seine Hände entspannten sich. Er sah sie weiter an, doch seine Augen waren ohne Leben. »Ich habe Sie gewarnt, Sheriff. Ich habe Sie gewarnt; ich habe es satt, immer von Männern getreten zu werden. Von jetzt an werde ich diejenige sein, die tritt.«
Zweites Kapitel
Mickeys Einkehr, ein langgestreckter Blockhausbau, der rund hundert Meter abseits der schmutzigen Straße lag, erfreute sich reger Kundschaft. Ein flackerndes Neonlicht warf einen roten Fleck in Richtung der Straße und verfärbte die hängenden Pinienzweige, die ihm dabei im Wege waren. Vor dem Haus stand eine seltsame Mischung geparkter Autos, die neuesten Modelle neben den ältesten Kisten, die einen schimmernd, die andern schmutzverkrustet.
Das Mädchen trug ein Männerhemd, das ihr locker von den Schultern hing, die Ärmel hatte sie über die Ellenbogen aufgekrempelt. Die Hose hatte sie in der Hüfte zwei, dreimal umgeschlagen und dann befestigt. Dankbar spürte sie das Gewicht des .45ers, den sie in einer zusammengerollten Jacke unter dem Arm trug und der ihr Sicherheit verlieh.
Unentschieden verharrte sie noch kurze Zeit im Schatten, doch dann holte sie tief Luft und ging auf den Eingang zu. Nachdem sie eingetreten war, wartete sie, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Auf der linken Seite erkannte sie eine lange Theke, an der ein dürrer, blasser Mann, der zwar eine Weste, aber keine Krawatte trug, hantierte. Daneben gab es eine briefmarkengroße Tanzfläche, die mit Tischen umstellt war. Diese Tische standen so eng nebeneinander, dass die Barmädchen, wenn sie hindurch wollten, mit ihren Schenkeln und Körpern gegen die Schultern der männlichen Gäste stießen. Vierzig oder fünfzig Halbwüchsige steckten über den Tischen ihre Köpfe zusammen, und der Dauersummton ihrer Unterhaltungen, aus dem von Zeit zu Zeit ein schrilles Lachen klang, drang durch das ganze Lokal. Auf der Tanzfläche wiegte sich ein Dutzend Paare eng verschlungen und unmissverständlich zu den Rhythmen einer grellleuchtenden Jukebox, die an der hinteren Wand stand. Eine dicke Wolke von Tabakrauch hing träge in der schnapsgeschwängerten Luft.
Der Mann hinter der Theke sah von einem Glas, das er blank rieb auf und starrte Liz an. »Wollen Sie was, Miss?«
Sie trat an die Bar und lehnte sich dagegen. »Ein Bier.«
Der Barkeeper stellte das Glas ins Regal und schlurfte auf sie zu. »Was haben Sie sich denn gedacht, womit Sie bezahlen wollen, Miss?« Der Zahnstocher in seinem Mundwinkel wackelte hin und her, während er sprach.
»Ich zahle wie’s mir passt.« Liz zog ein paar zerknüllte Scheine aus der Hosentasche und hielt sie ihm entgegen.
Der Barkeeper hob die Schultern, holte ein Glas aus dem Regal und hielt es mit großem Aufwand unter den Hahn. Das volle Glas – halb Bier, halb Schaum –, setzte er überschwappend vor sie hin.
»Hab’ Sie hier noch nie vorher gesehen. Sind Sie fremd hier?«
Das Mädchen nickte, nippte an dem Bier und verzog das Gesicht.
»Nennen Sie das Bier?«
Der Barkeeper nickte freundlich und zeigte grinsend seine gelben Zähne. »So nennen wir es.« Er nahm einen der Scheine an sich, tippte fünfzehn Cent auf seiner Registrierkasse und legte das Wechselgeld wieder vor sie hin. »Haben Sie vor, länger zu bleiben?«
»Das kommt darauf an. Wen könnte ich denn hier wegen eines Jobs fragen?«
Der Mann hinter der Theke kaute auf seinem Zahnstocher, zog ihn aus den Zähnen und betrachtete aufmerksam das verfärbte Ende.
»Was können Sie denn?«
»Drinks rumtragen und alles andere, was die andern auch können.«
Der Barkeeper verzog die Lippen und drückte seine Nase zwischen Daumen und Zeigefinger. Er beugte sich über die Bar und betrachtete kopfschüttelnd die zusammengebundene Hose und das beutelige Hemd. »Sind das die einzigen Klamotten, die Sie haben?«
Das Mädchen nickte. »Vielleicht können Sie mir aushelfen, bis ich neue habe.«
»Könnte schon sein.« Er betrachtete verstohlen die formlosen Kleidungsstücke und versuchte sich vorzustellen, wie sie ohne diese Sachen aussehen würde, dann schüttelte er den Kopf. »Aber erst muss ich sehen, was ich kaufe. Ich kaufe die Katze nicht im Sack.«
Das Mädchen zögerte einen Augenblick, doch dann nickte sie. »Einverstanden.« Sie hob ihr Glas und nahm einen tiefen Schluck.
»Wie heißen Sie denn, Miss?«
»Liz Allen.« Sie leerte das Glas und stellte es auf die Bar zurück. »Wohin soll ich gehen?«
Er deutete mit dem Kopf auf eine Tür am hinteren Ende der Bar. »Draußen sind ’n paar kleine Bungalows. Nehmen Sie Nummer eins, das ist der erste, gleich nach der Hintertür. Ich komme nach, sowie ich jemanden gefunden habe, der auf die Bar aufpasst.«
Die Hintertür führte auf einen schmalen überwachsenen Pfad hinaus, der sich zwischen vier niedrigen, ungestrichenen Bretterbuden dahinschlängelte. Undeutliche Gesprächsfetzen und von Zeit zu Zeit ein schrilles Gekicher durchdrangen die Dunkelheit.
Liz stieß die Tür zu dem kleinen Raum auf und tastete herum, bis sie den Lichtschalter an der Wand fand. Eine nackte Birne verbreitete ein schwaches Licht, so dass ein großes, schlecht gemachtes Doppelbett, ein schiefhängender Spiegel und eine halboffene Tür, die in einen Waschraum führte, sichtbar wurden.
Müde ging sie auf das Bett zu und setzte sich auf die Kante. Nach einer kurzen Ruhepause wickelte sie den .45er aus der Jacke und schob ihn unter das Kopfkissen. Dann setzte sie sich wieder zurecht und wartete.
Sie brauchte nicht lange zu warten. Nach weniger als fünf Minuten öffnete sich die Tür. Der Barkeeper kam herein und knallte die Tür mit dem Absatz hinter sich zu. Er trug ein gelbes Kleid über dem Arm, das er aufs Bett warf. Ärgerlich sah er das noch angezogene Mädchen an. »Was ist denn los? Haben Sie sich’s anders überlegt?«
»Nein, aber...«
»Kein Aber, Miss. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich keine Katze im Sack kaufe«, knurrte er sie an. »Wenn Sie den Job nicht haben wollen, dann sagen Sie es.«
»Ich will den Job haben.«
»Dann ziehen Sie sich diese Sachen aus.
Liz nickte. Sie stand auf, öffnete die Knöpfe des Hemdes und ließ es von den Schultern gleiten. Die Augen des Mannes hafteten wie gebannt auf der klaren Linie ihres Halses, ihrer schmalen Taille und auf ihren runden, festen Brüsten. Er spitzte die Lippen zu einem geräuschlosen Pfiff. »So, und jetzt das andere noch.«
Sie öffnete den Gürtel und ließ die Hose die Beine hinuntergleiten, bis sie in einem Knäuel um ihre Füße lag. Dann trat sie heraus und stieß das Bündel mit den Zehen weg.
Sie blieb ruhig stehen und ließ seine abschätzenden Blicke ohne Bewegung über sich hingehen.
»Da hast du, weiß der Teufel, ’n paar prima Sachen versteckt gehabt, Mädchen«, nickte er zustimmend, »’n paar prima Sachen.« Er schlurfte näher auf sie zu. »Ich kaufe.«
»Das haut nicht hin. Ich bin nicht zu verkaufen. Das einzige, was ich möchte, ist ein Job.«
Der Barkeeper grinste sie verschlagen an. »Na, das ist aber nicht die richtige Art, mit dem Jungen zu sprechen, der ihn dir verschaffen kann. Wie wär’s denn, wenn du ’n bisschen nett wärst, dann bin ich vielleicht großzügig und stelle dich ein.« Er streckte die Hand aus und wollte sie fassen. Sein Blick verfinsterte sich, als sie ihm entwischte und unter seinem Arm hindurchschlüpfte.
»Vergessen Sie die Sache mit dem Job. Ich gehe«, sagte Liz zu ihm. »Los, gehen Sie raus, damit ich mich anziehen kann!«
»Ah, ’ne Spröde? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mit so was beim alten Sam durchkommst?«, fauchte er. »Du kommst hier erst raus, wenn ich soweit bin, dass ich dich gehen lasse.«
»Ich warne Sie, Mister. Ich möchte keine Schwierigkeiten mit Ihnen bekommen, aber wenn Sie mich anfassen, dann wird’s Ihnen leid tun.«
Der hagere Mann grinste sie hinterhältig an. »Was willste denn tun, schreien? Das ist mein Zimmer. Ich sperr’ dich hier ein und werfe den Schlüssel weg.« Seine Stimme wurde schmeichlerisch. »Warum bist du denn nicht ein bisschen nett? Ich möchte ja nur ’n freundschaftlichen kleinen Kuss. Das tut doch keinem weh.«
Mit einer plötzlichen Schnelligkeit, die man einem Mann in seinem Alter nie zugetraut hätte, schoss er nach vorn und fasste sie um die Hüfte. Sie roch seinen fauligen Atem, als er sie nahe an sich zog. Er schien überrascht, als sie rückwärts auf das Bett zuging, doch als sie sich darauf, niederfallen ließ, grinste er schlau.
Er konnte ihre Hand nicht sehen, die unter das Kissen griff und sich um den Kolben des .45ers schloss. Sie leistete nur geringen Widerstand, als er sie auf das Bett niederdrückte. Er beugte sich über sie und presste weiche nasse Lippen auf die Seite ihres Halses.
»Lass die Finger davon, Sam«, krächzte eine blecherne Stimme.
Der dürre Mann erstarrte, richtete sich von den. Mädchen auf und blickte ängstlich auf die Tür. Die Frau, die dort stand, war groß und grobknochig und hatte einen üppigen Busen. Ein formloses braunes Kleid war nachlässig um ihre Taille gerafft und betonte ihre Größe. Sie hatte harte Augen, die stark geschminkt waren. Ihr roter Lippenstift war unregelmäßig im Gesicht verschmiert, und ein Wust von sprödem, gelbem Haar formte sich unordentlich auf ihrem Kopf.
»Ich hatte gar nicht vor, irgendwas zu tun, Mickey. Sie hat mich hier rein gezerrt und...«
»Geh raus!« Die Augen der großen Frau waren zusammengekniffen und böse. Verächtlich trat sie zur Seite, als sich der dünne Mann an ihr vorbei durch die Tür schlängelte und sie hinter sich zuwarf. »Wer sind Sie, und was tun Sie hier, Miss?«, wandte sie sich dann an Liz.
»Ich suche einen Job. Er sagte, dies sei sein Lokal und...«
»Es ist mein Lokal. Ich bin Mickey. Ich vergebe die Jobs hier.«
»Das habe ich nicht gewusst.« Liz zog ihre Hand unter dem Kissen hervor und griff nach ihrer Hose.
»Wo wollen Sie hin?«, wollte die Frau wissen.
Liz, die gerade einen Fuß in ein Hosenbein stecken wollte, sah auf. »Sie wollen mich doch nicht hierbehalten. Oder?«
»Sie haben doch gesagt, Sie wollen einen Job. Stimmt’s?« Mickey spitzte ihre vollen Lippen. »Steh mal auf und lass dich richtig anschauen.«
Das Mädchen ließ die Hose sinken und richtete sich auf. Die ältere Frau ging um sie herum und nickte beifällig. »Nicht schlecht. Wo bist du denn bis jetzt gewesen?«
»Auf der Straße.«
»Wie alt bist du?«
»Neunzehn.«
Mickey rieb sich mit der Hand über das Kinn. »Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Was ist denn mit diesen Striemen. Woher hast du die?«
»Mein Vater. Er hat mich mit einem Riemen verdroschen. Deshalb bin ich weggelaufen«, sagte Liz zu ihr. »Hören Sie, Chefin, ich möchte diesen Job wahnsinnig gern haben. Kriege ich ihn?«
Die Frau überlegte einen Augenblick und nickte dann. »In Ordnung.« Sie trat zu der zerknüllten Hose auf dem Boden und stocherte mit dem Fuß daran herum. »Ist das der einzige Fetzen, den du hast?«
Liz nickte. »Er hat mir das dort gebracht.« Sie deutete auf das gelbe Kleid auf dem Bett. »Er wollte es mir leihen, bis ich mir selber etwas kaufen kann.«
Mickey nickte, ging zum Bett und ließ sich mit einem Seufzer darauf nieder. »Zieh es an.« Kritisch sah sie zu, während Liz das Kleid überstreifte und es über ihren Schenkeln glattstrich. Dann nickte sie beifällig. »Das passt wirklich gut.«
»Ist das alles, was ich zum Anziehen bekomme?«
Mickeys Hals entstieg ein tiefes dumpfes Lachen. »Mehr trägt keins der Mädchen, ’n bisschen freie Hand müsst Ihr den Jungs schon lassen für ihr Geld. Die werden richtig sauer, wenn sie mal wo hin fassen wollen und ’n Höschen spüren. Immerhin zahlen sie ja dafür. Aber vielleicht passt dir irgendwas nicht daran?«
»Mir passt alles.«
»Gut!«, nickte die ältere Frau. Sie betrachtete das Mädchen kritisch. »Hast du Puder oder einen Lippenstift?«
Liz schüttelte den Kopf.
»Das brauchst du aber.« Mit einem Seufzer erhob sie sich. »Du kannst heute Abend anfangen. Wir haben sowieso zu wenig Personal.«
»Was bekomme ich bezahlt?«
»Das gleiche wie jedes andere Barmädchen. Drück auf die Getränke und pass auf, dass keine leeren Gläser rumstehen. Wenn du sie dazu bringen kannst, dass sie dir etwas zu trinken kaufen, dann ist das gut für dich. Du bekommst Ginger Ale, und er bezahlt für Scotch. Und pass auf, dass dir keine Langsamtrinker deine Tische verstopfen.« Sie tätschelte das Mädchen an den Hüften. »So, wie du gebaut bist, solltest du schon zurechtkommen.«
Liz nickte. »Und was ist mit den Zimmern hier? Gehört das auch mit zu der Arbeit?«
Die große Frau zuckte mit den Schultern. »Das liegt bei dir. Wenn du 'n paar extra Scheinehen machen willst, hab’ ich nichts dagegen. Jedes Mal, wenn du ein Zimmer benutzt, kostet es dich einen Dollar. Nur, meine Liebe, ich würde mich da nicht zu sehr darauf verlassen. Dafür laufen hier zu viele Amateure herum, als dass ein Mädchen anständig was verdienen könnte.«
Liz nickte. »Okay. Es ist ja nur, damit ich weiß, in was ich mich hier eingelassen habe.« Sie straffte das Kleid eng über die Hüften und war sehr angetan von dem Erfolg. »Sobald ich kann, werde ich mir ein Kleid kaufen und...«
»Darüber mach dir keine Gedanken, meine Liebe. Für all das sorge ich. Das Kleid kostet dich fünfzehn. Du bekommst alle deine Kleider nur durch mich. Schuhe kosten zehn und Make-up fünf. Ich behalte es gleich von deinem Wochengeld ein. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Kluges Mädchen!«, kicherte die Frau. »Gibt’s sonst noch Fragen?«
»Nur eine. Was ist mit diesem Kerl, dem Sam?«
»Mit dem? Dem schuldest du nichts. Wenn er dich noch einmal belästigt, dann lass ihn abfahren. Du brauchst dir von niemandem etwas gefallen zu lassen, hörst du, außer von den Kunden.«
Drittes Kapitel
Die Nächte in Mickeys Einkehr versanken bald in der gewohnten Routine. Dieselbe Horde ungehobelter junger Burschen erschien Nacht für Nacht, um zuerst nach der von Platten gespielten Beatmusik herumzustampfen, und dann, wieder zurück an ihren Tischen, in den Nischen offen herumzuschmusen. Liz gewöhnte sich an das trunkene Getaste der jugendlichen Hände, während sie sich zwischen den dichtbesetzten Tischen hindurchquetschte.
Der Mord an dem Sheriff in dem angrenzenden Landbezirk war für eine Woche die Sensation. Oftmals während dieser Tage bildete sich Liz ein, Mickeys abschätzenden Blick auf sich zu spüren, aber die große Frau erwähnte die Angelegenheit nie. Es gab vielerlei Vermutungen und Getuschel, aber als der Name des neuen Sheriffs feststand, erstarb das Interesse an der alten Sache. Liz atmete wieder leichter und fühlte sich sicher. Aber die Sicherheit brachte die Langeweile mit sich und die altvertraute Sehnsucht nach der Landstraße.
Die Entscheidung fiel in einer Samstagnacht.
Liz lehnte gerade gegen die Bar, als die beiden Kerle eintraten. Der größere war dunkel, mit gelocktem Haar, sein gutes Aussehen wurde nur durch das zu weichliche Kinn beeinträchtigt. Er stand in der Tür und sah sich hochmütig um und genoss die Aufmerksamkeit, die sein Erscheinen erweckte. Sein Begleiter war ein oder zwei Jahre älter, trug einen Bürstenhaarschnitt und eine schwere Hornbrille auf dem Höcker einer großen Nase. Sein Kinn war breit, und seine Lippen waren gut geschnitten. Ein frostiges Grinsen lag auf seinen Zügen.
»Wer ist denn der große Angeber da drüben, Sam?«, fragte Liz den Mann hinter der Bar.
Sam unterbrach das Polieren eines Glases gerade so lange, dass er aufsehen konnte. »Das ist der Gunson Balg. Wusste gar nicht, dass er schon wieder raus ist.« Er griff unter den Bartisch und drückte auf einen Knopf. »Das wird Mickey nicht gern sehen. Sie hat’s nie gern gehabt, wenn Gunson sich hier rumgetrieben hat. Der macht immer Schwierigkeiten.«
»Hat er gesessen?«
Sam nickte. »Damals haben sie ihn zu fünf Jahren verknackt. Davon muss er bestimmt noch was absitzen.«
»Ich dachte, ein Lokal wie dies hier wäre für ’nen Kerl auf Bewährung verboten.«
»Das ist es auch«, gab Sam gelassen zu. »Aber Gunson pflegt sich nicht an derartige Vorschriften zu halten.«
Liz sah dem Neuankömmling nach, der auf eine leere Nische zu stolzierte. Auf seinem Weg dorthin blieb er an einer Reihe von Tischen stehen, schlug einem Bekannten auf den Rücken oder beugte sich über ein besonders hübsches Mädchen. Liz bemerkte, dass die Mädchen ihm willigst ihre Lippen boten. Ihre Begleiter gaben sich betont gleichgültig oder sahen sogar weg, während der große dunkle Mann ihre Mädchen küsste und sie tätschelte.
»Der hat sie alle in der Hand, was?«, fragte Liz.
»Sie haben alle ganz schön Angst vor ihm. Und haben auch allen Grund dazu. Er wurde verurteilt, weil er das Gesicht eines anderen Burschen mit einer zerbrochenen Bierflasche zu Hackfleisch verarbeitet hat. Die kleinen Huren sind’s nicht wert, dass man sich für sie zerfetzen lässt.«
Die rückwärtige Tür öffnete sich. Mickey schlurfte herein. »Weswegen hast du geläutet, Sam? Ärger?«
Sam nahm ein anderes Glas hoch und hielt es gegen das Licht. »Könnte sein, dass es welchen gibt. Sie haben Besuch bekommen. Gunson und ein Freund von ihm sind gerade gekommen. Da drüben sitzen sie.«
Mickey fluchte leise und sah finster zu der Nische hinüber. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich Unruhestifter wie den da nicht hier drin haben will.«
»Gesagt haben Sie’s mir«, nickte Sam ergeben. »Sie haben mir nur nicht gesagt, wer sie raussetzen soll. Ich jedenfalls nicht. Mein Gesicht ist weiß Gott nichts Besonderes, aber ich hab’s gern, so wie es ist, mit der Nase in der Mitte.«
Die große Frau kratzte sich gereizt am Kopf. »Der Kerl ist durch und durch falsch, und wir können uns keinen Ärger hier leisten. Irgendwie musst du mit ihm fertig werden, Sam.«
»Ich nicht«, sagte Sam und schüttelte entschlossen den Kopf.
»Lassen Sie mich die Nische übernehmen, Mickey«, schlug Liz vor. »So wild sieht er mir gar nicht aus.«
Mickey sah sie an und überlegte. Dann hob sie die Schultern.
»Na gut! Aber pass auf. Lass dich nicht von seinem Kindergesicht täuschen. Er ist ein schlechter Schauspieler.«
»Ich sehe mich schon vor. Fragen Sie Sam.«
Der Barkeeper blickte sie finster an und murrte leise, dann schlurfte er ans hintere Ende der Bartheke.
Mickey freute sich über seine Niederlage und lachte kehlig. »Vergiss aber nicht, dass Gunson und Sam zwei paar Stiefel sind, Mädchen.«
Liz nickte, brachte ihr Haar mit ein paar Handgriffen in Ordnung und strich sich den Rock glatt über die Schenkel. »Ich hab’ keine Angst.« Sie ging quer durch den Raum zu Gunsons Nische, wobei sie sich, durch die Erfahrungen der letzten Wochen gewitzigt, den ausgestreckten Händen der Burschen entzog.
Der lockenköpfige Raufbold sah in seiner Nische auf, als sie darauf zu kam. Bei näherem Augenschein war es ganz offensichtlich, dass er bereits getrunken hatte. Seine Augen waren blutunterlaufen und seine Haare zerzaust, als wäre er sich nur mit den Fingern hindurchgefahren. Er fixierte sie mit einem abschätzenden Blick, als sie an seinem Tisch stehenblieb.
»Gut, gut! Frisches Fleisch. He, Doc, schau dir das an.«
Der Mann mit der dicken Hornbrille sah sich um und lächelte sie leer an, dann drehte er sich wieder weg und starrte auf die Tanzfläche.
»Freundlich, was?«, brummte Liz.
»Er ist nicht freundlich, dafür bin’s ich«, grinste Gunson läppisch. »Wie lange bist du denn schon in diesem Krähennest, Kleine?« Er schob seine Hand unter ihren Rocksaum und fuhr ihre Beine entlang.
»Es reicht«, lächelte sie freundlich. Mit einem kurzen scharfen Schlag ihrer Handkante traf sie ihn am Handgelenk. Mit einem Wehlaut zog er seine Hand zurück und versuchte taumelnd aufzustehen. Sie stieß ihn auf seinen Sitz zurück.
»Meinetwegen brauchen Sie nicht aufzustehen. Ich bin hier bloß eine Bedienung.«
Die blutunterlaufenen Augen wurden ganz schmal und gemein.
»Du kleines Aas. Was denkst du denn, mit wem du es zu tun hast. Weißt du, wer ich bin?«
»Ich hab’ Sie noch nie gesehen. Wollen Sie etwas zu trinken, oder sind Sie nur gekommen, um sich umzusehen?«
Das war eine Herausforderung für den Mann in der Nische, er knurrte wütend und versuchte aufzustehen, verwickelte aber seine Beine unter dem Tisch. Er ließ sich von seinem Begleiter zurück auf seinen Sitz zerren.
»Hör schon auf, Gun«, sagte der Höckernasige zu ihm. »Die ist es doch gar nicht wert.«
»Mir kommt keine frech, Doc. Ich will...«
Doc zog ein Zigarettenpäckchen aus seiner Jackentasche, nahm eine Zigarette heraus und steckte sie Gun zwischen die Lippen.
»Benimm dich hier, oder sie schnappen dich wieder, und du kannst den Rest deiner Zeit abarbeiten.« Er riss ein Zündholz an hielt es an die Zigarette und wartete, bis Gunson seine Lungen voll Rauch gepumpt hatte und diesen in zwei Rauchfahnen wieder ausströmen ließ.
»Sie sollten nett zu meinem Freund sein, Miss. Er hat heute einen schlechten Tag gehabt«, sagte Doc zu ihr und hatte noch immer das halbleere Lächeln auf den Lippen.
»Er wird ’ne noch schlechtere Nacht haben, wenn er versucht, mit mir Schindluder zu treiben. Das einzige, was ich zu verkaufen habe, gibt’s in Flaschen. Machen Sie ihm das klar, wenn Sie können.«
Gunson starrte sie an, doch sein Blick verwässerte sich zu einem weichlichen, trunkenen Grinsen. »He, du bist ’n ganz schön helles Weibsstück. Haste das gehört, Doc?« Er schlug seinem Begleiter mit der Handkante auf den Brustkasten. »Sie hat nichts zu verkaufen, und ich denke die ganze Zeit, das gehört hier zum Tischdienst.«
Sie haben ja noch nicht einmal einen Tisch! Mickey hat nicht gern Gäste, die die Plätze wegnehmen und nichts bezahlen.«
Gunson nickte schwer mit dem Kopf und grinste. »Okay, bring uns zwei Scotch. Für dich auch einen. Außer du bist nur Champagner gewöhnt.«
»Den trink’ ich so leicht, wie Sie für ihn bezahlen können.«
Der gutmütig trunkene Blick umwölkte sich zornig. »Was für ein Biest ist denn das? Willst du damit vielleicht sagen, ich wär’ ’n Angeber?« Er stieß seine Hand in die Tasche und zog ein dickes Bündel Geldscheine heraus. »Sieht das so aus, als könnt’ ich nicht dafür bezahlen?«
Doc ergriff ihn am Arm und zog seine Hand unter den Tisch. »Gun, hör auf mit dem Geld herumzuwedeln. Sofort werden diese Bauernlümmel hier über das Geld reden, mit dem du angibst. Wir gehen hier lieber weg.« Er schob den Tisch weg und stand auf. »Kommst du?«
Gunson starrte ihn an. »Nicht, bevor ich den Drink bekommen habe.«
»Okay, Alter! Dann pass’ von jetzt an selber auf dich auf. Ich habe dich gewarnt! Ich verschwinde, sowie du anfängst verrückt zu spielen.«
Gunson sah wütend hoch, dann senkte er die Augen und hob die Schultern. »Okay, Doc, du hast gewonnen.« Schwerfällig zog er sich hoch und stieß Liz beiseite. »Und du bleib hier, Miss, wir beiden haben das nächste Mal noch was zu besprechen.« Hinter Doc her drängelte er sich zwischen den Tischen hindurch bis zur Bar und dann durch die Tür hinaus. Weder er noch Doc warfen einen Blick zurück.
Liz ging gemächlich zur Bar zurück und blinzelte Mickey zu. »Sie haben beschlossen, wieder zu gehen.«
»Gute Arbeit geleistet, Liz«, grinste Mickey zurück. »Mir ist gleich viel besser, wenn er draußen ist.«
»Wer ist denn sein Freund?«, fragte Liz.
Mickey hob die schweren Schultern. »Hab’ ihn noch nie gesehen. Du, Sam?«
Der Barkeeper schüttelte mürrisch den Kopf.
»Sie hatten ein dickes Bündel Scheine bei sich«, sagte Liz mit leiser Stimme. »Der andere Kerl wurde wütend, als Gunson sie vorzeigte. Es klang so, als war’ er der Chef.«
»’n dickes Bündel?«
»Genug, um einen Hai damit zu füttern.«