Das Mountainbike erlebnispädagogisch einsetzen - Jochen Simek - E-Book

Das Mountainbike erlebnispädagogisch einsetzen E-Book

Jochen Simek

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Beschreibung

Mountainbiken bedeutet, sich von einem Sportgerät faszinieren zu lassen, Natur zu erleben, die Potenziale des eigenen Körpers auszuloten, in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten etwas für die Gesundheit zu tun. Die Popularität dieser Natursportart steigt stetig. Wie man das Mountainbike pädagogisch einsetzen kann, zeigen Jochen Simek und Simon Sirch, beide erfahrene Erlebnispädagogen. Neben einer Einführung in die Grundlagen des erlebnispädagogischen Mountainbikens bietet das Buch zahlreiche praktische Übungsbeschreibungen. Je nach persönlichem Stand und Interesse finden sich Anregungen aus den Kategorien Orientieren, Auf-Tour-Sein, Befahren von Fahrpassagen, Helfen und Sichern, Kooperieren, Spielen, Bauen, Springen sowie Einstimmen und Reflektieren. Darüber hinaus erhalten LeserInnen kompakte und nützliche Informationen zur Kompetenzförderung mit dem Mountainbike, zu Material und Ausrüstung, Natur- und Umweltaspekten und Risikomanagement.

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Band 15Herausgegeben vonProf. i. R. Dr. Werner Michl und Holger Seidel

Jochen Simek • Simon Sirch

Das Mountainbikeerlebnispädagogischeinsetzen

Grundlagen und Praxis

2., aktualisierte Auflage

Mit 42 Abbildungen und 3 Tabellen

Ernst Reinhardt Verlag München

Jochen Simek ist als Bildungsreferent, Coach und Trainer tätig. Er leitet die erlebnispädagogische Zusatzqualifikation „Mountainbike“ im Trägerverbund des Instituts für Jugendarbeit, Gauting, den Bayerischen Jugendbildungsstätten und den beteiligten Fachsportverbänden. www.jochensimek.de

Dr. Simon Sirch, Sozialwissenschaftler, Dipl.-Sportwissenschaftler und Erlebnispädagoge (ZQ), leitet die Alpha Inspiration Academy und ist als Business-Trainer in ganz Deutschland unterwegs. www.nowtation.com

Hinweis

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-61736-4 (PDF-E-BOOK)

ISBN 978-3-497-61737-1 (EPUB)

2., aktualisierte Auflage

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in Europe

Cover unter Verwendung eines Fotos von Markus Knöpfle

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Einführung

1Mountainbiken: Hintergründe und Formen der Sportaktivität

1.1Historische Entwicklungslinien

Vereinigte Staaten

Europa

Weltweit

1.2Ausprägungsformen des Mountainbikens

Cross-Country und Marathon

Orienteering

Downhill, Enduro und Four-Cross

Trial

Freeride

Tour

1.3Dimensionen des Mountainbikens

Unterwegs-Sein

Spielen

Leisten

Wagen

2Erlebnispädagogik – und das Mountainbiken als Medium

2.1Erlebnispädagogik als Praxis und als theoretisches Konzept

Erlebnispädagogik als Praxis

Erlebnispädagogik als theoretisches Konzept

2.2Kompetenzförderung durch erlebnispädagogisches Mountainbiken

Kompetenz und Kompetenzförderung

Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen durch erlebnispädagogisches Mountainbiken

3Erlebnispädagogische Praxis mit dem Mountainbike

3.1Voraussetzungen der Praxis

3.2Erlebnispädagogische Aktivitäten mit dem Mountainbike

Orientieren

Auf Tour sein

Befahren von Fahrpassagen

Kooperieren

Helfen und Sichern

Spielen

Bauen

Springen

Einstimmen und Reflektieren

4Material und Ausrüstung

4.1Das Mountainbike

4.2Die Ausrüstung

Schutzausrüstung und Kleidung

Bordwerkzeug

Das Erste-Hilfe-Set

4.3Defekte

4.4Bike-Check

Bremsen

Schnellspanner

Reifen

Steuerzentrale

Sattel

Kurbel / Pedale

Helm

5Natur- und Umweltaspekte

6Risikomanagement

6.1Grundlagen

6.2Angewandtes Risikomanagement bei Mountainbike-Maßnahmen

Gefahren erkennen

Risiko einschätzen und Entscheidung treffen

Maßnahmen umsetzen

6.3Risiko und Wagnis beim erlebnispädagogischen Mountainbiken

Schluss

Anhang

Literatur

Glossar

Internet-Links

Bildnachweis

Sachregister

Einführung

Dieses Buch möchte eine Verbindung zwischen der Erlebnispädagogik auf der einen und der Natursportart Mountainbiken auf der anderen Seite aufzeigen. Für die Erlebnispädagogik ist es nichts Neues, dass natursportliche Aktivitäten zur Persönlichkeitsentwicklung und zur Förderung von Sozialkompetenzen eingesetzt werden. Doch während natursportliche Aktivitäten wie Bergwandern, Klettern, Kanufahren, Segeln oder Höhlenbegehungen in der erlebnispädagogischen Literatur häufig genannt werden, blieb das Mountainbiken bislang weitgehend unberücksichtigt. Auch in der pädagogischen Praxis scheint das Mountainbiken weniger häufig eingesetzt zu werden.

Auf der anderen Seite stellt das Mountainbiken eine Natursportart mit steigender Popularität dar. Dies zeigt sich etwa im Tourismus, wo Mountainbike-Angebote inzwischen einen festen Bestandteil ausmachen. Anreize hierfür können das Erleben der Natur und der Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers, aber auch das Gruppenerlebnis sowie die Faszination des Sportgeräts sein.

Aus pädagogischer Sicht sind die Möglichkeiten des Mountainbikens nicht ausgeschöpft. Das Vorhaben, ein Buch zum Thema „Erlebnispädagogik und Mountainbiken“ zu schreiben, entwickelte sich aus der Idee, dieses Potenzial aufzubereiten und zwischen beiden Bereichen eine fundierte Verknüpfung herzustellen.

Wir wollen mit diesem Buch hauptsächlich zwei Gruppen von Lesenden ansprechen: Zum einen Personen, die im Bildungs- und Erziehungsbereich tätig sind und sich dem Medium Mountainbike (MTB) methodisch annähern wollen. Zum anderen richtet sich das Buch an Personen, die mit dem Mountainbike in einem fachsportlichen Rahmen arbeiten und einen erweiterten und vertieften Zugang zum Mountainbiken finden sowie erlebnispädagogische Zusammenhänge kennenlernen wollen. Nicht zuletzt bietet das Buch Anregungen für alle Interessierten, die sich dieser Sportaktivität aus einer anderen Perspektive annähern möchten.

Der Inhalt des Buches gliedert sich in einen Grundlagenteil und einen Praxisteil. Im Grundlagenteil wird zunächst das Mountainbiken als Sportaktivität vorgestellt (Kap. 1). Dabei werden neben der Geschichte und den Ausprägungsformen des Mountainbikens auch die Handlungsdimensionen dieser Aktivität herausgearbeitet, an denen die Erlebnispädagogik ansetzen kann. Nach einer Klärung des Begriffs Erlebnispädagogik und des Kompetenzbegriffs wird dann anhand vieler Beispiele aufgezeigt, wie das erlebnispädagogisch orientierte Mountainbiken zur Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen beitragen kann (Kap. 2).

Der Praxisteil beginnt mit einer Beschreibung der Voraussetzungen, die in der erlebnispädagogischen Arbeit mit dem Mountainbike berücksichtigt werden sollten. Darauf folgen konkrete Anregungen für die Praxis (Kap. 3), die sich in neun Kategorien gliedern:

■Orientieren

■Auf Tour sein

■Befahren von Fahrpassagen

■Kooperieren

■Helfen und Sichern

■Spielen

■Bauen

■Springen sowie

■Einstimmen und Reflektieren

Im Anschluss werden unter „Material und Ausrüstung“ (Kap. 4), „Natur- und Umweltaspekte“ (Kap. 5) und „Risikomanagement“ (Kap. 6) weitere praxisrelevante Themen dargestellt. Eine Schlussbetrachtung, ein Glossar und nützliche Internet-Links runden die Ausführungen ab.

Wir möchten ab dieser Auflage des Buches die Gleichstellung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ausdruck bringen. Wir bedienen uns deshalb einer geschlechtergerechten Sprache und Schreibweise.

Ohne die Unterstützung von vielen Seiten wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Unser Dank gilt dem Konzeptteam der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik sowie den Kollegenschaft der Schwäbischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Babenhausen. Ein Dankeschön geht auch an das DAV-Bundeslehrteam Mountainbike. Außerdem wollen wir uns bei Christian, Thomas, Josy und Knopf für die Fotos inklusive der legendären Shootings bedanken – und natürlich bei den „Models“ Jakob, Martin, Johannes, Jonathan, Laurenz, Leon, Leonard, Matthias, Marius, Benni und Paulina. Mit Witz und Kreativität haben außerdem die damaligen Teilnehmenden der Ausbildung zur Fachübungsleitung Mountainbike des Deutschen Alpenvereins ihren Beitrag geleistet und insbesondere die Teilnehmenden der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik im Handlungsfeld Mountainbike.

Bei der Deutschen Initiative Mountain Bike e. V. (DIMB) bedanken wir uns für die freundliche Nutzungsgenehmigung der TrailRules in Kap. 5. Dem Ernst Reinhardt Verlag und den Herausgebern schließlich danken wir für die Zusammenarbeit.

Wir freuen uns über die 2. Auflage dieses Buches. Im Zuge dessen haben wir einige Aktualisierungen und Überarbeitungen vorgenommen. Mögen unsere Ausführungen den Interessierten viel Inspiration und praktische Handreichung geben.

Buchloe, im November 2022

Jochen Simek, Simon Sirch

1Mountainbiken: Hintergründe und Formen der Sportaktivität

Ein Buch, das Erlebnispädagogik und Mountainbiken miteinander verknüpft, kann entweder bei der Erlebnispädagogik oder beim Mountainbiken beginnen. Wir fangen mit dem Mountainbiken an und behalten die Erlebnispädagogik im Auge. Dabei gehen wir von folgenden Fragen aus:

■Wo liegen die historischen Wurzeln des Mountainbikens?

■Welche Bereiche lassen sich innerhalb des heutigen Mountainbike-Sports voneinander unterscheiden?

■An welchen Dimensionen des Mountainbikens können wir erlebnispädagogisch ansetzen?

In Abb. 1 ist das Mountainbiken in einem ganzheitlichen Bezugsrahmen dargestellt, der auf dem Integralen Ansatz beruht (Wilber 1995). Dabei wird der vielseitige Zusammenhang deutlich, in dem wir das Mountainbiken – auch als erlebnispädagogisches Medium – betrachten können. Vor allem die Faktoren in den beiden rechten Quadranten beeinflussen die Entwicklung des Mountainbikens in hohem Maße.

■Beteiligte Systeme: Mountainbiken ist eine Aktivität, die in freier Natur ausgeübt wird, wobei das Sportgerät eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Neben der räumlichen Umgebung spielt auch das Zusammenwirken von Technologien und gesellschaftlichen Systemen eine Rolle, wie etwa dem Sportsystem und den Medien.

■Kultur: Wir werden sehen, dass die historische Entwicklung des Mountainbikens auch durch die Werthaltungen und Weltanschauungen bestimmter Gruppen vorangetrieben wurde. Dadurch hat sich im Mountainbiken und seinen Bereichen eine eigene Sprache mit Fachbegriffen herausgebildet, von denen einige im Glossar am Ende des Buches erläutert werden.

Abb. 1: Das Mountainbiken in einem ganzheitlichen Bezugsrahmen

1.1Historische Entwicklungslinien

Wurde das Mountainbiken wirklich in den USA erfunden? Naheliegend wäre es, denn schließlich klingt „Mountainbiken“ sehr amerikanisch. Gehen wir einmal davon aus, dass der Ursprung der Sportart wirklich in den USA liegt – diese Entwicklungslinie ist umfangreich dokumentiert (z. B. Berto 1999; Savage 2007). Doch zusätzlich lenken wir den Blick auch auf andere Entwicklungslinien.

Vereinigte Staaten

Wo Kulturen aufeinandertreffen, entsteht etwas Neues – wie in den 1970er Jahren in Kalifornien, als sich die Kultur des traditionellen Wettkampfsports und die alternative Hippie-Kultur begegneten. Denn die Umsetzung der Idee, mit einem Fahrrad ins Gelände zu gehen und Spaß zu haben, wurde von jungen Männern vorangetrieben, die als Leistungssportler im Straßenradsport aktiv waren. Beispielhafte Namen sind Gary Fisher, Joe Breeze, Otis Guy, Charlie Kelly oder Tom Ritchey. Damals wie heute war die Kultur des Straßenradsports geprägt von hartem sportlichen Wettkampf, Reglementierung, Leistungs- und Ergebnisorientierung sowie von diszipliniertem, kilometerfressendem Training.

Zur gleichen Zeit war San Francisco eine Hochburg der Hippie-Bewegung, die sich als Gegenbewegung („counter culture“) zur bürgerlichen „mainstream culture“ verstand. Die Hippies idealisierten Sanftheit und Harmonie, Freiheit und Natürlichkeit, Erlebnisorientierung und gemeinschaftliche Selbstentfaltung. Dabei bezogen sie sich nicht zuletzt auf Henry David Thoreau, der als ein Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik gilt (Michl 2011, 22 ff.).

An den jungen Radsportlern und ihren Cliquen, die nördlich von San Francisco wohnten, ging die gegenkulturelle Bewegung nicht vorüber. Sie ließen sich lange Haare wachsen, gründeten einen alternativen Radsport-Club, hörten Rockbands wie Grateful Dead, rauchten Marihuana und wollten „crazy stuff“ erleben. Insofern lag nichts näher, als mit dem Fahrrad die asphaltierten Straßen zu verlassen, um dem Drang nach Natürlichkeit, individueller Freiheit und außeralltäglichen Erlebnissen nachzugehen. Die räumliche Gelegenheit dazu lag direkt vor ihrer Haustür, am knapp 800 Meter hohen Mount Tamalpais.

Nach den Angaben dieser „Mountainbike-Pioniere“ wurden an den Hängen des Mount Tam die ersten Ausfahrten unternommen. Hierbei ging es noch nicht um sportlichen Wettkampf, sondern darum, ohne einschränkende Regeln mit Freunden in der Natur unterwegs zu sein – umso besser, wenn der Rückweg eine gute Abfahrt bot. Für diese Beanspruchung schienen ihnen Fahrräder aus den 1930er und 1940er Jahren am besten geeignet, die sie als „Klunkerz“, „Cruisers“ oder „Ballooners“ bezeichneten. Diese Räder mit geschwungenen Stahlrahmen waren robust, aber auch schwer – selbst wenn überflüssige Teile abgebaut wurden. Das hohe Gewicht, die häufigen technischen Defekte und die Einschränkungen beim Versuch, das Rad leichter bergauf und kontrolliert bergab zu fahren, veranlassten zu technischen Modifikationen. Beispielsweise wurden Bremsen aus dem Motorradsport und Gangschaltungen aus dem Rennradbereich nachgerüstet. Das Herzstück blieb aber vorerst ein schwerer Klunker-Rahmen.

Im Zuge der ersten technischen Innovationen und kleinerer Produktionsserien durch die Pioniere entwickelte sich eine regionale Szene. Ob es an ihren Wurzeln im Wettkampfsport gelegen hat, dass sie im Oktober 1976 am Mount Tamalpais das erste Rennen austrugen? Allerdings nicht bergauf, wie es im Straßenradsport oft entscheidend ist, sondern in Einzelläufen bergab. Downhill! Die Rennen wurden „Repack Downhill“ genannt, weil nach der Abfahrt die Mechanik der Rücktritt-Hinterradnabe wieder neu mit Fett verpackt (engl. repack) werden musste. Dieses hatte sich durch die Hitzeentwicklung verflüssigt.

Wegweisende Innovationen ließen nicht lange auf sich warten. 1977 soll Joe Breeze – und kurz darauf Tom Ritchey – die ersten Offroad-Fahrradrahmen aus leichtem Chrom-Molybdän-Stahl gebaut haben. Andere Tüftler entwarfen spezielle Komponenten. Dem ersten Härtetest wurden die neuen Räder auf der Pearl Pass Tour unterzogen. Die etwa 60 Kilometer lange Strecke verläuft über den 4000 Meter hohen Pearl Pass über gröbsten Schotter. Die Tourberichte erschienen in regionalen Zeitungen.

Anfang 1979 erregte die ungewöhnliche Bewegungskultur auch die Aufmerksamkeit der überregionalen Massenmedien, der Radsport-Magazine und damit der breiten Öffentlichkeit. Einige Pioniere wurden zu Unternehmern. Es folgte die Wortschöpfung „Mountainbike“ und die Reaktion der großen Fahrradhersteller. In den 1980er Jahren erlebte das Mountainbike als Sportgerät – und damit auch das Mountainbiken – einen Boom.

Europa

An dieser Stelle spulen wir die Zeit zurück und schauen nach Europa. Hier scheint die Entwicklung nicht so sehr an ein geländetaugliches Sportgerät gebunden zu sein, vielmehr zeigt sich der naturbezogene Aspekt („Mountain“) und weniger die technische Seite („Bike“) des Bergradfahrens. Denn bereits Jahrzehnte vor der Präsentation der ersten Mountainbikes war das Fahrrad ein günstiges Hilfsmittel für Bergsteigende. Ein prominentes Beispiel ist der Allgäuer Alpinist Anderl Heckmair, einer der Erstbesteiger der Eigernordwand. Er fuhr mit dem Rad mit vollem Gepäck in die Dolomiten, 1932 sogar bis ins Atlasgebirge nach Marokko. Bis heute wird das Fahrrad – mittlerweile meist ein Mountainbike – von Bergsteigenden eingesetzt, um den Zu- und Abstieg zu verkürzen, also eher aus pragmatischen Gründen.

Im Gegensatz dazu stand bei den kalifornischen Mountainbike-Pionieren der Selbstzweck des Radfahrens im Vordergrund. Den verfolgte wohl auch Anderl Heckmairs Sohn Andreas Heckmair, der 1989 eine klassische Alpencross-Route („Heckmair-Route“) für das Mountainbike ausarbeitete und veröffentlichte. Sowohl bei der hochalpinen Pearl Pass Tour als auch in den Unternehmungen von Vater und Sohn Heckmair kommt ein Bezug zur Erlebnispädagogik zum Vorschein: das Abenteuer. In der Kultur des Bergsteigens war und ist das Abenteuer eine zentrale Kategorie. In dieser Ausrichtung kann das Mountainbiken auch als Bergsportart verstanden und der Kultur des Alpinismus zugeordnet werden. Weil Personen, die Bergsport betreiben, außerdem nicht selten auch auf dem Mountainbike unterwegs sind (Winter / Dick 2009) und diese gemeinsam mit Mountainbikenden häufig dieselben Hütten und Wege nutzen, hat der Deutsche Alpenverein (DAV) das Mountainbiken in die alpine Ausbildung und in sein Leitbild aufgenommen.

Abb. 2: Manfred Huber am Bavellapass, Korsika (1983)

Weitere Entwicklungslinien des Mountainbikens kommen aus England. Im Jahre 1955 wurde im Lake District die Rough Stuff Fellowship gegründet (Griffith 2009). „Rough stuff“ war bis in die 1980er Jahre der Ausdruck für das Radfahren im Gelände. Den Mitgliedern dieser Kameradschaft ging es ebenfalls um das Erleben von Abenteuern, von Einsamkeit und wilder Natur abseits der Straßen und Schotterwege. Im Übrigen wurde wohl eine der ersten Alpenüberquerungen von einer Engländerin gefahren und dokumentiert. Elizabeth Robins Pennell veröffentlichte 1898 ihren überaus unterhaltsamen Erlebnisbericht Over the Alps on a Bicycle (Pennell 1898).

Weltweit

Es ließen sich sicher weitere Quellen finden, die belegen, dass das Mountainbiken keine ausschließlich amerikanische Erfindung ist. Doch ohne Zweifel gäbe es diese Sportart nicht ohne das dortige Zusammenwirken von Hippie-Kultur, Wettkampfsport, Massenmedien und Unternehmergeist. Von den USA ausgehend breitete sich das Mountainbiken weltweit aus. Aus der Idee einer Hippie-Clique ist eine Freizeit- und Trendsportart geworden. Ähnliche Entstehungsmuster finden sich im Übrigen auch beim Snowboarden oder Sportklettern (Lamprecht / Stamm 1998).

1990 wurde das Mountainbiken vom internationalen Radsportverband UCI offiziell anerkannt und 1991 die erste Weltcup-Serie durchgeführt. Im Rahmen der Olympischen Spiele 1996 fanden erstmals Mountainbike-Cross-Country-Rennen statt. Es ist festzustellen, dass ein Teil des Mountainbikens wieder dorthin zurückgekehrt ist, wo die US-amerikanischen Pioniere herkamen: zum Wettkampf- und Leistungssport.

1.2Ausprägungsformen des Mountainbikens

Bis heute haben sich innerhalb des Mountainbike-Sports verschiedenste Bereiche herausgebildet. Wir unterscheiden die Ausprägungsformen Cross-Country und Marathon, Orientierung, Downhill, Enduro und Four-Cross, Freeride und Tour. Die Einteilung könnte auch anders vollzogen werden, aber im Rahmen dieses Buches ist sie sinnvoll.

Cross-Country und Marathon

Die Disziplin Cross-Country (XC) ist in starkem Maße von der Kultur des Wettkampfsports beeinflusst und dieser zuzuordnen. Das zeigt sich etwa darin, dass es ein formales Regelwerk gibt und die Wettkampfserien von etablierten Sportorganisationen (z. B. der UCI) organisiert werden. Mountainbike-Cross-Country wurde im Jahre 1996 olympisch.

Cross-Country-Rennen werden vorwiegend auf einem Rundkurs von fünf bis neun Kilometern Länge ausgetragen. Der Kurs wird mehrmals befahren, umfasst Anstiege und Abfahrten, befindet sich zumeist in einem naturnahen Gelände und sollte nicht mehr als 15% asphaltierten Untergrund beinhalten. Die UCI gibt eine Wettkampfdauer von einer bis eineinhalb Stunden an, wobei die Teilnehmenden gleichzeitig und gegeneinander die vorgegebene Rundenzahl fahren.

Mountainbike-Marathon (XCM) kann als Variante des Cross-Country verstanden werden. Ein Marathon-Rennen weist eine längere Strecke auf (60–120 km), die in der Regel nur einmal befahren wird. Aufgrund dieser Anforderungen werden im Cross-Country und Marathon meist sehr leichte Räder mit einem Gewicht unter zehn Kilogramm und wenig Federweg gefahren.

Orienteering

Das Mountainbike-Orienteering (MBO) gilt eher als Randdisziplin des Mountainbike-Sports, sollte jedoch hinsichtlich seines erlebnispädagogischen Potenzials beachtet werden. Das klassische Orienteering ist eine Wettkampfsportart. Es geht darum, eine Reihe von Kontrollpunkten (Posten) in einem unbekannten naturnahen Gelände möglichst schnell abzufahren. Dazu stehen den Athlet*innen Karte, Kompass und eine Postenbeschreibung zur Verfügung. In der Regel ist die Route zwischen den Posten frei wählbar. Auch Staffel- oder Teamwettkämpfe sind keine Seltenheit.

Historisch gesehen entspringen die Wurzeln des MTB–Orienteering dem Orientierungslauf, dessen Ursprünge bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Zunächst eher in einem militärischen Rahmen ausgeführt, entwickelte sich der Orientierungslauf vor allem in skandinavischen Ländern zu einer populären Sportart. Im Zuge seiner weltweiten Ausbreitung entstanden Varianten wie der Ski-Orientierungslauf oder eben das MTB–Orienteering.

Downhill, Enduro und Four-Cross

Auch die Disziplinen Downhill (DH) und Four-Cross (4X) bzw. Biker-Cross sind von der Kultur des Wettkampfsports geprägt. Die ersten inoffiziellen Mountainbike-Rennen am Mount Tamalpais waren Downhill-Rennen. Bei heutigen Downhill-Wettkämpfen geht es ebenfalls darum, eine anspruchsvolle Bergab-Strecke einzeln und möglichst schnell zu befahren. Im Spitzenbereich liegen die Geschwindigkeiten bei etwa 80 Kilometern pro Stunde. Die 1,5 bis 3,5 Kilometer langen Wettkampfkurse beinhalten Sprünge, Steilkurven sowie Wurzel- und Felspassagen. Die Disziplin Mountainbike-Enduro ist eine zunehmend populäre Kombination aus Downhill und Cross-Country. Die Athletinnen und Athleten durchlaufen verschiedene Etappen mit und ohne Zeitmessungen, teilweise mit Fahrzeiten über mehrere Tage.

Im Unterschied dazu treten beim Four-Cross jeweils vier Fahrende gleichzeitig in mehreren Qualifikations- und Finalrunden gegeneinander an. Die Läufe auf einem Bergab-Kurs mit Sprüngen, Wellen und Steilkurven dauern kaum länger als eine Minute. Unbeabsichtigter Körperkontakt ist laut Reglement geduldet. Für die Zuschauenden und Massenmedien ist dieses Format der Wettkämpfe ideal. Die Idee des Four-Cross erinnert an den BMX-Rennsport.

Den Anforderungen entsprechend ist der Einsatzbereich der Bikes relativ eng. Für den Downhill-Sport gibt es robuste vollgefederte Räder mit viel Federweg, die aufgrund ihrer Bauweise und ihres hohen Gewichts (ca. 16–20 kg) nur für die Abfahrt geeignet sind. Enduro-Bikes sind mit einem Gewicht zwischen 12–16 kg und einer moderaten Geometrie besser für Touren geeignet. Im Four-Cross werden zumeist stabile und zugleich leichte Räder mit flacher Rahmengeometrie verwendet. Teilweise wählen die Fahrenden je nach Streckenbeschaffenheit auch ein vollgefedertes Rad.

Trial

In der Wettkampfversion des Fahrrad-Trial geht es darum, auf dem Bike eine Reihe von natürlichen oder künstlichen Hindernissen zu überwinden, ohne dabei den Fuß abzusetzen. Im Mountainbike-Trial werden ungefederte 26-Zoll-Räder mit geringer Rahmenhöhe und kleiner Übersetzung gefahren. Dadurch ist zum einen eine größere Bewegungsfreiheit zum Erhalt des Gleichgewichts gewährleistet, zum anderen ist es mit kleiner Übersetzung leichter zu beschleunigen. Neben der wettkampfsportlichen Variante gibt es auch eine wettkampffreie Form des Bike-Trial, die zumeist in einem städtischen Bewegungsraum durchgeführt wird. In dieser Form des Trial-Bikens zeigen sich zum Teil jugendkulturelle Einflüsse, wie aus dem BMX-Freestyle oder der Hiphop-Kultur.

Freeride

Eigentlich widersetzt sich das Freeriden einer Definition, denn was „frei“ sein will, möchte sich auch begrifflich nicht eingrenzen lassen. Die International Mountainbike Association (IMBA) betont den Aspekt der Fahrtechnik und definiert „Freeriding“ als „a style of mountain biking that celebrates the challenges and spirit of technical riding and downhilling“ (Blumenthal 2004, 2) Zur vollständigeren Beschreibung des Mountainbike-Freeride muss jedoch der kulturellen Aspekt berücksichtigt werden. Denn ab Mitte der 1990er Jahre entfaltete sich eine Form des Mountainbikens, die sich äußerlich von den bereits bekannten Disziplinen unterschied, und zwar nicht nur im Fahrstil, sondern beispielsweise auch im Kleidungsstil. In der Verbreitung spielten wiederum die Massenmedien mit Videoproduktionen wie Extreme oder Kranked eine wichtige Rolle.

In dieser Form des Mountainbikens geht es weder um reglementierten sportlichen Wettkampf noch darum, auf vorgegebenen Wegen geplante Touren nachzufahren. Ziel ist vielmehr eine kreative Auseinandersetzung mit der Umgebung, bei der die Ästhetik der Befahrung und das entsprechende Erleben einen hohen Stellenwert einnehmen. Die Herausforderungen im ursprünglichen Mountainbike-Freeride werden nicht vom wettkampfsportlichen Vergleich mit anderen sporttreibenden Personen oder von einer Tourenbeschreibung beeinflusst, sondern sie werden selbst bestimmt – sei es durch die kreative und ästhetische Anpassung des Fahrens an die Geländebedingungen, etwa durch möglichst flüssiges Befahren schwieriger Passagen, sei es durch die aktive Anpassung des Geländes an die fahrerischen Möglichkeiten, z. B. durch das Anlegen von Pfaden und den Eigenbau von Sprüngen, Pumptracks oder hölzernen Stegen und Wippen (North-Shore-Trail). „Echtes“ Freeriden ist mit Werten wie Selbstbestimmung („freedom“), Ästhetik („style“), Risiko und individueller Kreativität verknüpft.

Bemerkenswert ist, dass in anderen Natursportarten ähnliche Ausprägungen auftreten, etwa beim Snowboarding oder Kajakfahren. Bemerkenswert ist auch, dass es mittlerweile Wettkämpfe und professionelles Freeriding gibt. Die Kultur des Mountainbike-Freeride ist mit einer (jugendlichen) Szene und einem entsprechenden Lebensstil verbunden. Während das Freeriding in den Anfängen vorwiegend von Downhill-orientiertem Fahren geprägt war, zeigen sich verstärkt Einflüsse aus dem BMX-Freestyle oder dem Ski- und Snowboard-Bereich.

So vielseitig wie das Freeriden selbst sind auch die verwendeten Fahrräder. Sie reichen von kompakten Dirtbikes ohne Heckfederung bis zu vollgefederten „Freeride-Bikes“, die in ihrer Optik eher den Downhill-Bikes ähneln.

Tour

Das Tourenfahren umfasst halb- oder ganztägige Ausfahrten bis hin zu mehrtägigen oder mehrwöchigen Touren mit dem Mountainbike. Bei einer Tour spielen Planung und Orientierung eine zentrale Rolle. In gewisser Weise stellt das Tourenfahren eine freizeitsportliche Variante des Mountainbikens dar und grenzt sich damit von den wettkampfsportlichen Ausprägungen ab. In diesem Bereich sind vermutlich die meisten Mountainbikenden unterwegs, wobei sich das Führen von Touren in einigen Regionen mittlerweile als eigener Tourismusbereich etabliert hat. Bei einer geführten Tour sind die Teilnehmenden von den Aufgaben der Planung und Orientierung entlastet und können sich dem Erleben von Bewegung, Natur und Gemeinschaft widmen.

Als ein Beispiel für die Beliebtheit des Tourenfahrens sind die Alpencross-Touren zu nennen, die jährlich von tausenden Mountainbikenden angegangen werden. Wir sehen im Tourenfahren kulturelle Parallelen zur Wanderbewegung und zum Alpinismus. Sowohl das Wandern als auch das Bergsteigen beinhalten Aspekte der Planung, der Orientierung und der Führung. Nicht zuletzt nutzen Personen, die tourenbiken, häufig die gleiche Infrastruktur wie Wandernde und Bergsteigende.

Aufgrund der langen Zeit im Sattel zeichnen sich geeignete Tourenbikes durch eine komfortable Sitzposition und ein niedriges Gewicht aus. In zunehmendem Maße werden auch Mountainbikes mit Elektromotor (E-Bikes) verwendet, wobei der Deutsche Alpenverein diese Entwicklung aktuell kritisch sieht (Deutscher Alpenverein 2021). Auch so genannte Gravelbikes werden beliebter.

Zwischen den beschriebenen Ausprägungsformen des Mountainbikens kommen Überschneidungen und teilweise starke Wechselwirkungen vor. Beispielsweise gibt es Wettkämpfe im Freeriding oder Freeride-orientierte Alpencross-Angebote. Ein weiteres Beispiel sind breitensportliche Varianten des Cross-Country, Marathon oder Enduro, in denen es eher ums Dabeisein und nicht primär um Höchstleistung und Sieg geht.

1.3Dimensionen des Mountainbikens

Zum Einsatz des Mountainbikes in der Freizeit- oder Erlebnispädagogik sind nur wenige Quellen zu finden. Im Standardwerk Erleben und Lernen (Heckmair / Michl 2018) werden lediglich „Fahrradtouren“ in einem Überblick erlebnispädagogischer Aktivitäten angeführt. Tom Pfeiffer (2012) geht in seinem kurzen Beitrag speziell auf Mountainbike-Touren ein. Dass das Mountainbiken aus erlebnispädagogischer Perspektive viel zu bieten hat, soll in diesem Abschnitt beschrieben werden.