Das normale Christenleben - Watchman Nee - E-Book

Das normale Christenleben E-Book

Watchman Nee

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Beschreibung

Wie sieht ein normales Christenleben aus? Im Neuen Testament finden wir die Lehre (z. B. Mt. 5-7) und das Vorbild des Menschen Jesus Christus. Ist dieses Leben ein unerreichbarer Standard für einen Gläubigen? Der Apostel Paulus zeigt uns sein Verständnis eines Christenlebens: "Nicht mehr lebe ich, Christus lebt sein Leben in mir." Dies ist kein unerreichbarer Standard, sondern der von Gott vorgegebene einfache Weg des Lebens, den gilt es zu finden. Anhand des Römerbriefes legt Watchman Nee die wesentlichen Glaubensschritte von der Sündenvergebung bis hin zum Aufbau der Gemeinde in nachvollziehbarer Weise dar. Ein segensreiches Buch, sowohl für junge als auch im Glauben gewachsene Christen.

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Imprint

Das normale Christenleben

WATCHMAN NEE

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2014 Verlag Der Strom

ISBN 978-3-8442-8535-2

Übersetzt aus dem Englischen

Originaltitel: The Normal Christian Life

Copyright CLC Ministries International, Fort Washington, USA

Copyright der deutschsprachigen Gesamtausgabe 1995 Verlag ›Der Strom‹ GmbH, D-70599 Stuttgart

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Blut Christi
Unser zweifaches Problem: die Sünden und die Sünde
Gottes zweifache Antwort: das Blut und das Kreuz
Das Problem unserer Sünden
Das Blut stellt zuallererst Gott zufrieden
Gott ist Genüge getan
Der Zugang der Gläubigen zu Gott
Der Verkläger wird überwunden
Das Kreuz Christi
Der natürliche Zustand des Menschen
Wie in Adam, so in Christus
Der göttliche Weg der Befreiung
Sein Tod und seine Auferstehung – stellvertretend und uns einschließend
Der erste Schritt: die Tatsachen erkennen
Unser Sterben mit Christus – eine historische Tatsache
Der erste Schritt: „Da wir ja wissen ...“
Göttliche Offenbarung ist grundlegend für unsere Erkenntnis
Das Kreuz geht unserem Problem an die Wurzel
Der zweite Schritt: sich einschätzen
Schätzt auch ihr euch so ein!
Sich durch den Glauben einschätzen
Versuchung und Versagen – die Herausforderung an den Glauben
In ihm bleiben
Die große Scheidung durch das Kreuz
Zwei Schöpfungen
Begräbnis bedeutet Beendigung
Die Auferstehung zu neuem Leben
Der dritte Schritt: unsere Hingabe an Gott
„Gebt euch selbst Gott ...“
Abgesondert für den Herrn
Diener oder Sklave?
Der ewige Vorsatz
Der Erstgeborene unter vielen Brüdern
Das Weizenkorn
Adams Entscheidung
Adams Entscheidung machte das Kreuz notwendig
Wer den Sohn hat, der hat das Leben
Alle stammen von einem
Der Heilige Geist
Der ausgegossene Geist
Der Glaube ist der Schlüssel
Verschiedene Erfahrungen
Der innewohnende Geist
Der Schatz in irdenen Gefäßen
Die absolute Herrschaft Christi
Die Bedeutung von Römer 7
Das Fleisch und der Zusammenbruch des Menschen
Was das Gesetz lehrt
Christus – das Ende des Gesetzes
Unser Ende ist Gottes Anfang
Gott sei Dank!
Der vierte Schritt: im Geist wandeln
Das Fleisch und der Geist
Christus – unser Leben
Das Gesetz des Geistes des Lebens
Die Wirkung des Gesetzes des Lebens
„... die wir nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist“
Ein Leib in Christus
Eine Pforte und ein Pfad
Das vierfache Werk Christi am Kreuz
Ein lebendiges Opfer
Durch ihn sind wir mehr als Überwinder
Das Kreuz und das Seelenleben
Die Bedeutung des Falles
Die Seele des Menschen
Natürliche Kraft im Werk Gottes
Licht von Gott
Der fünfte Schritt: das Kreuz tragen
Die Grundlage des wahren Dienstes
Das subjektive Wirken des Kreuzes
Das Kreuz und das Fruchttragen
Eine dunkle Nacht – ein Auferstehungsmorgen
Das Ziel des Evangeliums
Verschwendung
Ihm wohlgefallen
Ihn im voraus salben
Ein Wohlgeruch
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Vorwort

Der Dienst W. Nees war im englischen Sprachraum bis zur Veröffentlichung des „Normalen Christenlebens“ 1957 in Bombay nur durch Mitschriften seiner gesprochenen Botschaften bekannt, die in Traktaten und Zeitschriften veröffentlicht worden waren. Dieses erste Buch nun in englischer Sprache wurde damals sofort allerorten willkommen geheißen. Es enthält eine Sammlung von Ansprachen, die W. Nee während und kurz nach seiner Reise nach Europa in den Jahren 1938 und 1939 gehalten hat. Die Herausgabe erfolgte aufgrund von persönlichen Mitschriften in Abwesenheit des Autors.

Im Jahre 1920, als der Student Nee To-sheng anläßlich des Besuchs eines chinesischen Evangelisten in seiner Heimatstadt Fuchow den Herrn Jesus Christus als seinen Retter fand, gab er sich Gott sogleich vorbehaltlos zum Werk unter seinen Landsleuten hin. Im Laufe der Jahre wurde er als ein begabter Evangelist und ausgezeichneter Ausleger der Heiligen Schrift in China bekannt, dessen Dienst beachtliche Frucht in einzelnen Christen und ebenso in vielen Gruppen von Christen trug. Dieses Buch zeigt W. Nees persönliches Verständnis des Christenlebens gegen Ende der ersten Jahre seines hingebungsvollen Dienstes für seinen Herrn.

In den darauf folgenden zwanzig Jahren ging die Gemeinde Gottes in China wiederholt durch Zeiten allerschwerster Prüfungen mit nur kurzen Zeiten des Aufatmens hindurch. Gemeinsam mit vielen seiner Mitarbeiter und Mitzeugen erhielt er bis zum heutigen Tag vollen Anteil an diesen Erfahrungen der Gemeinden. Daher überrascht es nicht, daß sein Dienst uns heute immer noch voller Frische und Kraft erreicht. Viele Leser haben bereits von den Veränderungen berichtet, die in ihrem Leben durch die erneute Entdeckung der Größe Christi und seines am Kreuz vollbrachten Werkes gewirkt wurden.

Der Ruf nach einer Neuauflage ermöglichte nun eine weitere sorgfältige Überarbeitung des Textes. Der Leser sei noch einmal daran erinnert, daß es sich um eine Sammlung gesprochener Botschaften und nicht, wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheint, eine systematische Abhandlung christlicher Lehren handelt. Bei der Lektüre sollte nicht die intellektuelle Bereicherung im Vordergrund stehen, sondern die Botschaft Gottes an das Herz. Auf diese Weise wird der Geist Gottes selbst in seiner herausfordernden Kraft durch dieses Buch zu uns sprechen können.

Angus I. Kinnear

Das Blut Christi

Was ist das: ein normales Christenleben? Es ist gut, sich gleich von vornherein diese Frage zu stellen. In der folgenden Betrachtung wollen wir zeigen, daß es sich durchaus von dem Leben des durchschnittlichen Christen unterscheidet. Tatsächlich drängt sich uns beim Lesen des geschriebenen Wortes Gottes – wie etwa der Bergpredigt – die Frage auf, ob ein solches Leben überhaupt je auf Erden gelebt wurde außer von dem Sohn Gottes selbst. Aber gerade diese Einschränkung enthält bereits die Antwort auf unsere Frage.

In Galater 2:20 gibt uns der Apostel Paulus seine Definition eines Christenlebens: „Nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.“ Er beschreibt damit nichts Außergewöhnliches oder Eigenartiges im Sinne eines besonders hochentwickelten Christenlebens, sondern vielmehr Gottes Norm für den Christen schlechthin, die kurz gefaßt so lautet: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt sein Leben in mir.

Gott macht es in seinem Wort ganz klar, daß er auf jedes menschliche Problem nur eine Antwort hat: seinen Sohn Jesus Christus. All sein Handeln an uns besteht darin, daß er uns beseitigt und Christus an unsere Stelle setzt. Der Sohn Gottes starb an unserer Statt, damit wir Vergebung erlangten. Er lebt an unserer Statt, damit wir befreit werden. So können wir von einer zweifachen Stellvertretung sprechen: sein stellvertretender Tod am Kreuz, der uns Vergebung erwirkt, und sein stellvertretendes Leben in uns, das uns den Sieg verschafft. Es wird uns eine große Hilfe sein und uns vor mancher Verirrung bewahren, wenn wir uns beständig vor Augen halten, daß Gott alle unsere Fragen nur auf eine einzige Art und Weise beantwortet, nämlich, indem er uns mehr von seinem Sohn zeigt.

Unser zweifaches Problem: die Sünden und die Sünde

Wir gehen bei unserer Betrachtung von der umfassenden Darstellung des normalen Christenlebens aus, die wir in den ersten acht Kapiteln des Römerbriefes finden, und werden sie von der praktischen Erfahrung her beleuchten. Die Kapitel 1 bis 8 des Römerbriefes bilden eine in sich geschlossene Einheit und lassen sich in zwei Abschnitte gliedern, deren beider Themen völlig Unterschiedliches behandeln.

Der erste Abschnitt reicht bis Kapitel 5:11 und der zweite von Kapitel 5:12 bis 8:39. Im ersten Teil wird vorzugsweise das Mehrzahlwort „Sünden“ gebraucht, wohingegen im zweiten immer wieder von der „Sünde“ in der Einzahl, aber kaum einmal von den „Sünden“ die Rede ist. Warum?

Der erste Teil handelt von den zahlreichen und aufzählbaren Sünden, die ich vor Gott begangen habe, während im zweiten Teil die Sünde als ein Prinzip, das in mir wirkt, beschrieben wird. Gleichgültig, wie viele Sünden ich begehe, es ist immer dieses eine Prinzip der Sünde, das mich dazu treibt. Für meine Sünden brauche ich Vergebung, aber um der Macht der Sünde zu entrinnen, brauche ich Befreiung. Das erstere betrifft mein Gewissen, das letztere mein Leben. Es mag sein, daß mir alle meine Sünden vergeben sind, daß ich aber wegen meiner Sünde trotzdem den bleibenden Frieden in meiner Seele nicht finde.

Wenn Gottes Licht zum ersten Mal in mein Herz hineinscheint und ich erkenne, daß ich vor ihm gesündigt habe, so flehe ich um Vergebung. Habe ich aber einmal Vergebung der Sünden erlangt, mache ich eine neue Entdeckung: die der Sünde. Ich werde gewahr, daß ich nicht nur gegen Gott gesündigt habe, sondern daß auch tief in mir etwas verkehrt ist. Ich trage die Natur eines Sünders in mir, eine Neigung zur Sünde, eine innere Macht, die mich zur Sünde hinzieht. Wenn diese Macht wirksam wird, begehe ich Sünden. Ich mag vielleicht Vergebung der Sünden erbitten und auch erlangen, doch dann sündige ich erneut. So drehe ich mich nur im Kreis von Sündigen, Vergebung, und wieder Sündigen. Zwar erfasse ich dankbar die kostbare Tatsache der göttlichen Vergebung, doch brauche ich mehr: ich brauche Befreiung. Ich bedarf der Vergebung für das, was ich getan habe, aber ich brauche zusätzlich die Befreiung von dem, was ich bin.

Gottes zweifache Antwort: das Blut und das Kreuz

In den ersten acht Kapiteln des Römerbriefes werden uns also zwei Aspekte der Errettung gezeigt: erstens die Vergebung unserer Sünden und zweitens die Befreiung von der Sünde. Darüber hinaus müssen wir aber nun einen weiteren Unterschied erkennen.

Im ersten Teil des genannten Abschnittes wird das Blut des Herrn Jesus zweimal erwähnt (Kapitel 3:25 und 5:9). Im zweiten Teil wird in Kapitel 6:6 ein neuer Gedanke entwickelt, nämlich, daß wir mit Christus gekreuzigt wurden. Zunächst wird also der Aspekt des Werkes des Herrn beleuchtet, der durch das Blut dargestellt wird, das für unsere Rechtfertigung zur Vergebung der Sünden vergossen wurde. Diese Wendungen werden im zweiten Teil jedoch nicht mehr wieder aufgegriffen. Dort geht es hauptsächlich um den Aspekt seines Werkes, der durch das Kreuz dargestellt wird, d. h. durch unsere Einheit mit dem Herrn in seinem Tod, seinem Begrabensein und seiner Auferstehung. Diese Unterscheidung ist wesentlich. Sie zeigt, daß das Blut unsere Taten behandelt, während das Kreuz das behandelt, was wir sind. Das Blut nimmt unsere Sünden hinweg, während durch das Kreuz Hand an die Wurzel unserer Fähigkeit zur Sünde gelegt wird. Auf das letztere werden wir in späteren Kapiteln noch zurückkommen.

Das Problem unserer Sünden

Anhand der folgenden Schriftstellen wollen wir nun zuerst das kostbare Blut des Herrn Jesus Christus betrachten und dessen Wert für uns bei der Behandlung unserer Sünden und unserer Rechtfertigung vor Gott. Dies wird uns in den folgenden Versen gezeigt:

„Alle haben gesündigt“ (Röm. 3:23).

„Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Um wieviel mehr nun werden wir durch ihn vom Zorn errettet werden, nachdem wir jetzt in seinem Blut gerechtfertigt worden sind!“ (Röm. 5: 8-9).

„Und werden ohne Verdienst gerechtfertigt aus seiner Gnade durch die Erlösung in Christus Jesus: Ihn hat Gott hingestellt als Sühnedeckel durch den Glauben an sein Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit – weil die vorher geschehenen Sünden durch Gottes Nachsicht ungestraft geblieben waren –, zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, damit er allein gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens Jesu ist“ (Röm. 3:24-26).

In späteren Kapiteln werden wir die wahre Natur des Falles und seine Wiederherstellung genauer betrachten. An dieser Stelle wollen wir uns nur vor Augen führen, daß die Sünde sich bei ihrem ersten Auftreten im Ungehorsam Gott gegenüber äußerte (Röm. 5:19). Vergeßt nicht, daß unmittelbar auf ein solches Ereignis immer Schuldbewußtsein folgt.

Die Sünde tritt als Ungehorsam auf und verursacht zunächst eine Trennung zwischen Gott und dem Menschen, wobei der Mensch von Gott abgeschnitten wird. Gott kann aufgrund des Hindernisses, das in der ganzen Schrift als „Sünde“ bezeichnet wird, keine Gemeinschaft mehr mit dem Menschen haben. So ist es also zunächst Gott, der sagen muß, „daß sie alle unter der Sünde sind“ (Röm. 3:9). Erst an zweiter Stelle verursacht die Sünde, die von diesem Zeitpunkt an ein Hindernis für die Gemeinschaft des Menschen mit Gott darstellt, in ihm ein Schuldgefühl, eine Entfremdung Gott gegenüber. Nun ist sich der Mensch durch sein erwachtes Gewissen selbst bewußt: „Ich habe gesündigt“ (Luk. 15:18). Dies ist aber noch nicht alles, denn die Sünde gibt auch Satan Grund zur Anklage vor Gott, während unser Schuldgefühl ihm Grund zur Anklage in unserem Herzen gibt. Drittens kommt also der „Verkläger unserer Brüder“ (Offb. 12:10) mit ins Spiel, der nun spricht: „Du hast gesündigt.“

Um uns zu erlösen und uns zum Vorsatz Gottes zurückzubringen, mußte der Herr Jesus diese drei Probleme – das der Sünde, das des Schuldgefühls und das der Anklage Satans gegen uns – lösen. Zunächst mußten unsere Sünden beseitigt werden – dies geschah durch das kostbare Blut Christi. Unser Schuldgefühl mußte beseitigt, d. h. unser schuldbeladenes Gewissen beruhigt werden, und dies konnte erst geschehen, als wir die Kraft des Blutes erkannten. Schließlich begegnet das Blut Christi auch den Angriffen und Anklagen Satans. Wir sehen in der Schrift, daß das Blut des Herrn auf allen drei Gebieten wirksam ist – gegenüber Gott, gegenüber dem Menschen und gegenüber Satan.

Die Kostbarkeit des Blutes muß uns deshalb stets bewußt sein, wenn wir vorangehen wollen. Dies ist außerordentlich wichtig. Wir müssen unbedingt erkennen, daß der Tod unseres Herrn Jesus am Kreuz ein stellvertretender Tod war, und wir müssen ebenso die Wirksamkeit seines Blutes für unsere Sünden begreifen. Ohne diese Grundlage können wir als Christen unseren Lauf nicht beginnen. Laßt uns im folgenden diese drei Aspekte genauer betrachten.

Das Blut stellt zuallererst Gott zufrieden

Das Blut bewirkt Versöhnung und betrifft zunächst unseren Stand vor Gott. Wir brauchen Vergebung für die von uns begangenen Sünden, damit wir nicht gerichtet werden. Und sie werden uns tatsächlich vergeben, nicht weil Gott unsere Übertretungen großzügig übersieht, sondern weil er das Blut ansieht. Daher ist die Wirkung des Blutes nicht hauptsächlich auf uns gerichtet, sondern auf Gott. Wenn ich den Wert des Blutes begreifen will, muß ich Gottes Wertschätzung dafür kennen. Wenn ich mir nämlich des Wertes, den Gott dem Blut beimißt, nicht bewußt bin, kann ich auch niemals seinen Wert für mich erfassen. Erst wenn mir durch seinen Heiligen Geist Gottes Wertschätzung für das Blut Christi offenbart wird, nützt es auch mir selbst und ich erkenne, wie kostbar das Blut auch für mich ist. Das Blut wirkt also zunächst einmal Gott gegenüber. Im ganzen Alten und Neuen Testament wird das Wort „Blut“ immer in Verbindung mit der Sühnung verwendet, ich glaube über hundert mal, und jedesmal wirkt es Gott gegenüber.

Im alttestamentlichen Kalender gibt es einen Tag, der eine große Auswirkung auf die Sünden hatte, nämlich der Versöhnungstag. Das Problem unserer Sünden wird nirgends so klar dargestellt wie in der Beschreibung dieses Tages. In 3.Mose 16 sehen wir, daß das Blut des Sündopfers am Versöhnungstag ins Allerheiligste gebracht und dort siebenmal vor dem Herrn gesprengt wurde. Über die Bedeutung dieser Tatsache müssen wir uns im klaren sein. An jenem Tag wurde das Sündopfer öffentlich im Vorhof der Stiftshütte geschlachtet. Jedermann konnte dabeisein und zuschauen. Der Herr befahl jedoch, daß in die Stiftshütte selbst kein Mensch außer dem Hohenpriester eintreten sollte. Einzig der Hohepriester durfte das Blut ins Allerheiligste bringen und es dort zur Versöhnung vor dem Herrn sprengen. Warum? Weil der Hohepriester ein Bild auf den Herrn Jesus in seinem Erlösungswerk ist (Hebr. 9:11-12), der diese Arbeit tat. Er war der einzige, der hineingehen durfte. Das Blut, das er zu Gott hineintrug, hatte Gott angenommen als etwas, das ihn zufriedenstellen konnte. Dieses Ereignis fand einzig und allein zwischen dem Hohenpriester und Gott im Allerheiligsten statt und war den Augen der Menschen, die doch den Nutzen davon haben sollten, verborgen. So wollte es Gott. Aus diesem Grund ist das Blut zunächst einmal nicht für uns, sondern für Gott.

Schon vor jener Anordnung Gottes finden wir bereits in 2.Mose 12:13 die Beschreibung, wie das Blut des Passahlamms zur Erlösung der Kinder Israel in Ägypten vergossen wurde. Dies ist wohl eines der deutlichsten Sinnbilder im Alten Testament für unsere Erlösung. Mit dem Blut wurden die Oberschwelle und die Türpfosten bestrichen, während das Fleisch des Lammes im Hause gegessen wurde. „Und wenn ich das Blut sehe, dann werde ich an euch vorübergehen“ (2.Mose 12:13), sprach Gott. Hier sehen wir abermals, daß das Blut für Gott geopfert werden mußte und nicht für die Menschen, die im Hause feierten und das Blut an der Oberschwelle und an den Türpfosten gar nicht wahrnahmen.

Gott ist Genüge getan

Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit erfordern ein sündloses Leben als Sühneopfer für den Menschen. Im Blut ist Leben, und Blut muß für mich, für meine Sünden vergossen werden. Dies ist die Anordnung Gottes. Er ist es, der verlangt, daß Blut vergossen wird, damit seiner Gerechtigkeit Genüge getan ist; er ist es, der sagt: „Wenn ich das Blut sehe, dann werde ich an euch vorübergehen.“ Das Blut Christi leistet Gott volle Genüge.

Hier möchte ich ein Wort an meine jüngeren Geschwister im Herrn richten, weil wir an dieser Stelle sehr oft in Schwierigkeiten geraten. Als Ungläubige mögen wir von unserem Gewissen völlig in Ruhe gelassen worden sein, bis das Wort Gottes begann, uns aufzuwecken. Unser Gewissen war tot, und in diesem Zustand ist jeder Mensch gewiß völlig unbrauchbar für Gott. Später nun, nachdem wir gläubig geworden sind, kann es sein, daß unser erwachtes Gewissen äußerst empfindsam ist und uns schwer zu schaffen macht. Das Bewußtsein unserer Sünde und Schuld kann so stark, so erschreckend werden, daß wir davon nahezu gelähmt sind, weil wir den klaren Blick für die Wirksamkeit des Blutes verloren haben. Vielleicht sind wir uns ständig unserer Sünden bewußt und gelangen gar an einen Punkt, wo uns eine bestimmte Sünde sogar mächtiger erscheint als das Blut Christi. Unser Problem rührt daher, daß wir den Wert des Blutes und seine Wirksamkeit subjektiv empfinden wollen. Das ist aber nicht möglich. Die Wirksamkeit des Blutes ist nicht zu fühlen, denn das Blut hat eine andere Wirkung. Zuallererst sieht Gott das Blut an, und wir Menschen sollen es akzeptieren, daß Gott das Blut schätzt. Nur so können wir Errettung erfahren. Wenn wir statt dessen jedoch die Bedeutung des Blutes mit unserem Gefühl ermessen wollen, gehen wir leer aus und bleiben in Finsternis. Nein, nun gilt es, dem Wort Gottes zu glauben! Wir müssen glauben, daß das Blut in Gottes Augen kostbar ist, weil er es gesagt hat (1.Petr. 1:18-19). Wenn Gott das Blut als Sühne für unsere Sünden und als Preis unserer Erlösung annehmen kann, dürfen wir absolut sicher und beruhigt sein, daß die Schuld bezahlt ist. Wenn Gott das Blut zu seiner Zufriedenstellung annimmt, muß es ausreichend sein. Unsere Bewertung ist gänzlich von der seinen abhängig. Sie kann nicht höher, darf aber auch nicht geringer sein. Haltet euch vor Augen, daß er heilig und gerecht ist und daß es ihm zusteht zu sagen, daß das Blut in seinen Augen wohlangenehm ist und ihm volle Genüge tut.

Der Zugang der Gläubigen zu Gott

Ist das Blut für Gott ausreichend, sollte es auch uns genügen. Die zweite Wirkung des Blutes ist also auf den Menschen gerichtet. Im Hebräerbrief sehen wir, daß das Blut unser Gewissen reinigt. Wir sollen „besprengt in unseren Herzen und los vom bösen Gewissen“ (Hebr. 10:22) vorwärtskommen.

Es ist wichtig, daß wir den Sinn dieser Worte genau erfassen. Der Schreiber des Hebräerbriefes sagt nicht, daß das Blut des Herrn Jesus unsere Herzen reinigt. Wir dürfen das Blut nicht auf diese Weise mit dem Herzen in Zusammenhang bringen. Das Gebet: „Herr, reinige durch dein Blut mein Herz von der Sünde“ zeigt möglicherweise ein falsches Verständnis dessen, was das Blut in uns vollbringt. Gott sagt, daß das Herz „unheilbar“ ist (Jer. 17: 9). Darum muß viel mehr mit unserem Herzen geschehen als nur eine Reinigung: Gott muß uns ein neues Herz geben. Kleider, die wir wegwerfen wollen, waschen und bügeln wir nicht mehr. Wie wir im folgenden sehen werden, ist das Fleisch zu verdorben, als daß es noch gereinigt werden könnte – es muß gekreuzigt werden. Gott muß etwas völlig Neues in uns wirken. „Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben“ (Hes. 36:26).

Nirgends in der Schrift finden wir ausgedrückt, daß das Blut unsere Herzen reinigt. Seine Wirkung ist nicht subjektiv, sondern gänzlich objektiv vor Gott. Zwar wird schon von der reinigenden Kraft des Blutes in Hebräer 10 als einer Auswirkung auf unser Herz gesprochen, doch geht sie über unser Gewissen: „Besprengt in unseren Herzen und los vom bösen Gewissen.“ Was bedeutet dieser Vers?

Wir können es so erklären, daß etwas zwischen mir und Gott stand, und ich deshalb immer ein schlechtes Gewissen hatte, wenn ich mich ihm nähern wollte. Ständig wurde ich an die Schranke zwischen mir und ihm erinnert. Nun aber ist durch die Wirkung des kostbaren Blutes etwas vor Gott geschehen, wodurch diese Schranke beseitigt wurde. Gott hat mich in seinem Wort von dieser Tatsache unterrichtet, und sobald ich sie im Glauben annehme, ist mein Gewissen gereinigt und ich bin frei von meinem Schuldgefühl, so daß ich Gott gegenüber kein schlechtes Gewissen mehr verspüre.

Wir alle wissen, wie köstlich es ist, in unserem Umgang mit Gott ein Gewissen zu haben, das frei von Anklage ist. Ein gläubiges Herz und ein Gewissen, das von jeder Anklage frei ist, haben für uns eine gleich wichtige Bedeutung, denn sie bedingen einander. Sobald uns unser Gewissen bedrückt, schwindet auch unser Glaube und wir scheuen uns, Gott gegenüberzutreten. Um daher mit Gott weiter vorangehen zu können, müssen wir den immer gültigen Wert des Blutes erkennen. Gott läßt unsere Schuld nicht lange anstehen. Täglich, stündlich, ja jede Minute haben wir durch das Blut Zugang zu Gott. Nie verliert es seine Wirkung als Grundlage für unseren Zugang, solange wir es nur in Anspruch nehmen. Welche andere Grundlage als allein das Blut haben wir denn, um in das Allerheiligste hineingehen zu dürfen?

Wir müssen uns jedoch prüfen, ob wir tatsächlich einzig und allein aufgrund des Blutes Gottes Gegenwart suchen, oder ob unsere Grundlage eine andere ist. Was meine ich, wenn ich sage, „aufgrund des Blutes“? Ich meine ganz einfach, daß ich meine Sünden zugebe, daß ich bekenne, ich bedarf der Reinigung und der Sühnung, und daß ich aufgrund des vollbrachten Werkes des Herrn Jesus zu Gott komme. Immer ist es Gott zuzuschreiben, daß ich mich ihm nahen darf, niemals meiner eigenen Leistung. Daß ich heute besonders freundlich oder geduldig war oder etwas für den Herrn getan habe, kann dazu nichts beitragen. Jedesmal muß ich den Zugang erneut durch das Blut nehmen.

Wenn Gott uns schon bis zu einem gewissen Grad behandelt hat, uns schon weiter in ihn hineingebracht und uns bereits tiefere Lektionen in bezug auf das Kreuz gelehrt hat, so besteht für viele von uns die Versuchung, zu glauben, daß er damit neue Maßstäbe an uns anlege und wir nur in Erfüllung dieser Maßstäbe ein reines Gewissen vor ihm haben könnten. Nein! Grundlage für ein reines Gewissen können niemals unsere Leistungen sein, sondern einzig und allein das vergossene Blut des Herrn Jesus.

Ich fürchte, manche unter uns neigen dazu zu denken: „Heute war ich ein wenig mehr auf der Hut, heute war ich ein wenig besser. Heute morgen habe ich das Wort Gottes mit mehr Inbrunst gelesen, darum kann ich heute besser beten.“ Oder umgekehrt: „Heute hatte ich einige Schwierigkeiten in der Familie. Schon am Morgen war ich schlechter Laune und niedergedrückt. Und auch jetzt geht es mir noch nicht viel besser. Irgend etwas kann da nicht stimmen. So kann ich nicht zu Gott kommen.“

Was ist denn die Basis für unseren Zugang zu Gott? Kommen wir auf der schwankenden Grundlage unseres Gefühls zu ihm, daß wir heute etwas für ihn geleistet haben? Oder kommen wir auf der viel sichereren Grundlage der Tatsache, daß das Blut vergossen wurde und daß Gott das Blut ansieht und damit zufrieden ist? Natürlich wäre die Basis unseres Zugangs zu Gott in Frage gestellt, wenn die Kraft des Blutes irgendeiner Veränderung unterläge. Das Blut hat aber seine Kraft niemals eingebüßt und wird dies auch nicht tun. Wir dürfen uns Gott beständig mit Freimut nahen – Freimut, den uns das Blut und niemals unser eigener Verdienst verschafft. Was immer ihr auch in der Vergangenheit erreicht haben mögt, spielt keine Rolle, wenn ihr euch bewußt ins Allerheiligste begebt. Dies kann einzig und allein auf der sicheren Grundlage des vergossenen Blutes geschehen. Ob ihr einen guten oder einen schlechten Tag hattet, ob ihr bewußt gesündigt habt oder nicht, das Blut des Herrn ist die unveränderliche Basis für euren Zugang zu Gott. Die Tatsache, daß Gott dieses Blut angenommen hat, ist die einzige Grundlage, auf der ihr hineingehen könnt. Eine andere Grundlage gibt es nicht.

Wie vieles in unserem Glaubensleben besteht auch unser Zugang zu Gott aus einer einmaligen anfänglichen Erfahrung und einer ständigen Praxis. Den ersten Aspekt finden wir in Epheser 2, den zweiten in Hebräer 10 beschrieben. Am Anfang war es das Blut, das uns einen Stand vor Gott sicherte, denn wir sind „nahe geworden in dem Blut Christi“ (Eph. 2:13). Auch danach ist die Grundlage für unseren beständigen Zugang zu Gott immer noch das Blut, denn der Apostel ermahnt uns: „Weil wir denn nun, Brüder, durch das Blut Jesu den Freimut haben zum Eingang in das Heiligste, ... so laßt uns vorwärtskommen“ (Hebr. 10:19, 22). Zu Beginn bin ich nahe geworden durch das Blut, und um weiter in dieser neu geschaffenen Beziehung stehen zu können, komme ich jedesmal durch das Blut zu ihm. Es ist also nicht so, daß meine Errettung auf einer und meine Gemeinschaft mit Gott auf einer anderen Grundlage beruht. Ihr mögt vielleicht einwenden, daß dies doch das ABC des Evangeliums sei. Gewiß, aber der Haken liegt bei vielen von uns darin, daß wir uns vom Elementarsten entfernt haben. Wir glauben, daß wir bereits Fortgeschrittene seien und das ABC nicht mehr brauchten, doch das ist falsch. Mein anfänglicher Zugang zu Gott geschah auf der Grundlage des Blutes, und auch weiterhin muß mein Zugang zu Gott auf dieser Grundlage beruhen. Bis zum Ende werden wir einzig und allein auf der Grundlage des kostbaren Blutes zu ihm kommen können.

Das bedeutet jedoch nicht, daß wir oberflächlich sein dürfen. Wir werden bald anhand einer anderen Seite des Todes Christi sehen, daß das Gegenteil der Fall ist. Vorerst aber wollen wir festhalten, daß das Blut für uns da ist und völlig ausreicht.

Mag sein, daß wir schwach sind, doch dadurch, daß wir auf unsere Schwachheit schauen, werden wir auch nicht stärker. Alles Bemühen um Selbstzerknirschung und Buße macht uns keinen Deut heiliger. Darum laßt uns aufgrund des Blutes kühn vorwärtskommen und sagen: „Herr, ich kann den Wert des Blutes nicht völlig erfassen, aber ich weiß, daß es dir genügt. Darum ist es auch für mich genug, es ist das einzige, was ich dir bringen kann. Ich erkenne jetzt, daß es keine Rolle spielt, ob ich im Glauben fortgeschritten bin und etwas erreicht habe. Ich komme vor dich einzig und allein aufgrund des kostbaren Blutes.“

Auf diese Weise können wir ein reines Gewissen vor Gott haben. Ohne das Blut kann kein Mensch ein reines Gewissen haben. Einzig das Blut gibt uns den Freimut.

„Kein Bewußtsein von Sünde mehr“ – dies sind die gewaltigen Worte von Hebräer 10:2. Wir sind von jeder Sünde gereinigt, und mit Paulus können wir aus vollem Herzen die Worte Davids nachsprechen: „Selig der Mann, welchem der Herr die Sünde gewiß nicht zurechnet“ (Röm. 4:8).

Der Verkläger wird überwunden

Angesichts dieser Tatsachen können wir nun auch dem Feind gegenübertreten. Eine weitere Wirkung des Blutes richtet sich gegen Satan. Satan tritt in unserer Zeit vor allem als „der Verkläger unserer Brüder“ auf (Offb. 12:10), und als solchem begegnet ihm unser Herr, der Hohepriester, „durch sein eigenes Blut“ (Hebr. 9:12).

Wie sieht denn nun die Wirkung des Blutes gegen Satan aus? Das Blut bringt Gott gegen Satan auf die Seite des Menschen. Durch den Sündenfall gewann Satan Boden im Menschen, so daß Gott sich notwendigerweise zurückziehen mußte. Der Mensch befand sich infolgedessen außerhalb des Gartens und hatte Mangel an der Herrlichkeit Gottes (Röm. 3:23), da er sich innerlich von Gott entfremdet hatte. Durch sein eigenes Verschulden kam etwas in den Menschen hinein, was es Gott unmöglich machte, sich auf seine Seite zu stellen. Das Blut aber beseitigte das Hindernis und brachte den Menschen zu Gott und Gott zum Menschen zurück. Der Mensch ist ihm nun wieder angenehm. Da Gott auf seiner Seite steht, kann der Mensch Satan furchtlos gegenübertreten.

Die folgende Übersetzung des Verses im ersten Johannesbrief gefällt mir am besten: „Das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde“ (1.Joh. 1:7). Eigentlich heißt es nicht „von aller Sünde“ im allgemeinen, sondern von jeder einzelnen Sünde.

Welch eine wunderbare Tatsache! Gott ist im Licht, und wenn wir mit ihm im Licht wandeln, werden wir von diesem Licht bloßgestellt, so daß Gott alles sehen kann. Und dennoch kann uns das Blut von jeder Sünde reinigen. Welch eine Reinigung! Nicht, daß ich mich nicht genügend erkenne oder Gott mich nicht durch und durch kennt. Ich versuche auch nicht, etwas zu verbergen, und Gott will auch nichts übersehen. Nein, Gott ist im Licht, ich bin im Licht, und dort reinigt mich das kostbare Blut von jeder Sünde. So wirksam ist das Blut!

Manche von uns sind angesichts ihrer bedrückenden Schwachheit gelegentlich versucht, zu glauben, daß es Sünden gibt, die vielleicht nicht vergeben werden können. Es heißt jedoch: „Das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.“ Große Sünden, kleine Sünden, Sünden, die ganz dunkel und solche, die nicht ganz so schlimm zu sein scheinen, Sünden, die ich für vergebbar und andere, die ich für unvergebbar halte, ob bewußte oder unbewußte, erinnerliche und vergessene Sünden, alle Sünden sind in diesen Worten „jede Sünde“ eingeschlossen. „Das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.“ Dies ist so, weil es zuallererst Gott Genüge tut.

Worauf will Satan seine Anklage noch stützen, wenn Gott, der alle unsere Sünden im Licht sieht, diese aufgrund des Blutes vergeben kann? Vielleicht klagt Satan uns an, doch „ist Gott für uns, wer will gegen uns sein?“ (Röm. 8:31). Gott verweist Satan auf das Blut seines lieben Sohnes. Dies ist eine Antwort, die Satan zum Schweigen bringt. „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer will verdammen? Christus Jesus ist es, der gestorben ist, ja vielmehr, der auferweckt wurde, der sogar zur Rechten Gottes ist, der auch für uns eintritt“ (Röm. 8:33-34). Auf diese Weise begegnet Gott allen Anklagen Satans.

Wir müssen also unbedingt erkennen, daß das kostbare Blut vollkommen ausreicht. „Christus aber, der erschienen ist als ein Hoherpriester ..., ist durch sein eigenes Blut ein für allemal in das Heiligste eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben“ (Hebr. 9:11-12). Einst war er der Erlöser, seit fast zweitausend Jahren nun ist er unser Hoherpriester und Fürsprecher. Er steht vor Gott und ist „die Sühnung für unsere Sünden“ (1.Joh. 2:2). In Hebräer 9:14 heißt es: „Wieviel mehr wird das Blut Christi ... unser Gewissen reinigen.“ Diese Worte machen vollkommen klar, daß sein Dienst Gott ganz und gar zufriedengestellt hat.

Wie sollte nun unsere Haltung Satan gegenüber sein? Diese Frage ist wichtig, da er uns nicht nur vor Gott, sondern auch in unserem eigenen Gewissen anklagt. „Du hast gesündigt und sündigst immer wieder. Du bist schwach, und Gott will nichts mehr mit dir zu tun haben“, lauten seine Anschuldigungen. Wir sind dann versucht, auf uns selbst zu schauen und zu unserer Verteidigung in unserem Gefühl oder Verhalten den Beweis zu finden, daß Satan im Unrecht ist. Oder wir neigen zum anderen Extrem, unsere Hilflosigkeit einzugestehen und in Depression und Verzweiflung zu fallen. So wird die Anklage zu einer der stärksten und wirksamsten Waffe Satans. Er legt uns unsere Sünden vor Gott zur Last, und sobald wir auf seine Anschuldigungen eingehen, verlieren wir den Boden unter den Füßen. Der Grund für unsere Bereitschaft, auf Satan zu hören, liegt darin, daß wir immer noch die Hoffnung hegen, in uns sei doch noch Gerechtigkeit zu finden. Diese Hoffnung ist jedoch grundfalsch, denn auf diese Weise gelingt es Satan, unseren Blick in die falsche Richtung zu lenken. Damit erreicht er, was er wollte: wir sind lahmgelegt. Wenn wir jedoch gelernt haben, nicht auf Fleisch zu vertrauen, wundern wir uns nicht darüber, wenn wir sündigen, denn es ist das Wesen des Fleisches zu sündigen. Versteht ihr, was ich meine? Nur solange wir unsere wahre Natur und unsere Hilflosigkeit noch nicht erkannt haben, setzen wir noch Hoffnung auf uns selbst und liegen darnieder, sobald Satan kommt und uns verklagt.

Gott ist sehr wohl in der Lage, mit unseren Sünden fertig zu werden. Einen Menschen, der die Anklage Satans annimmt, kann Gott jedoch nicht behandeln, weil ein solcher dem Blut nicht vertraut. Das Blut spricht für ihn, doch er glaubt statt dessen dem Feind. Christus ist unser Anwalt, aber wir, die Angeklagten, stellen uns auf die Seite des Verklägers. Wir haben noch nicht erkannt, daß wir nichts anderes als den Tod verdient haben, daß wir, wie wir im folgenden sehen werden, sowieso nur dazu taugen, gekreuzigt zu werden. Wir haben noch nicht erkannt, daß einzig und allein Gott dem Verkläger gegenübertreten kann und daß er dies in dem kostbaren Blut bereits getan hat.

Unsere Rettung besteht darin, daß wir auf den Herrn Jesus schauen und sehen, daß das Blut des Lammes der ganzen Not, die durch unsere Sünden verursacht wurde, bereits begegnet ist. Auf dieser sicheren Grundlage stehen wir. Versucht niemals, Satan euer gutes Verhalten entgegenzuhalten, sondern immer nur das Blut. Ja, es ist richtig, daß wir sündig sind, aber – Gott sei gelobt! – das Blut reinigt uns von jeder Sünde. Gott sieht das Blut an, womit sein Sohn bezahlt hat, und so wird Satan jegliche Grundlage für seine Angriffe entzogen. Einzig unser Glaube an das kostbare Blut und unsere Weigerung, auf irgend etwas anderes zu schauen, können Satan zum Schweigen bringen und ihn in die Flucht schlagen (Röm. 8:33-34), und dies wird auch bis zum Ende so bleiben (Offb. 12:11). Welch eine Befreiung wäre es doch, wenn wir erkennten, welchen Wert das kostbare Blut seines lieben Sohnes für Gott hat!

Das Kreuz Christi

Wie wir gesehen haben, lassen sich die Kapitel 1 bis 8 des Römerbriefes in zwei Teile gliedern. Im ersten wird uns gezeigt, daß das Blut für unsere Taten vergossen wurde, während wir im zweiten erfahren, daß das Kreuz unser Wesen behandelt. Das Blut brauchen wir zur Vergebung, und ebenso brauchen wir das Kreuz zur Befreiung. Im vorigen Kapitel haben wir uns bereits kurz mit dem Blut beschäftigt, und nun werden wir uns eingehender mit dem Kreuz befassen. Zuvor jedoch wollen wir einige weitere Merkmale betrachten, die den auffallenden Unterschied zwischen dem Inhalt der beiden Teile verdeutlichen.

In den Kapiteln 1 bis 8 werden zwei Aspekte der Auferstehung beleuchtet: einer in Kapitel 4 und der andere in Kapitel 6. In Römer 4:25 wird die Auferstehung des Herrn Jesus im Zusammenhang mit unserer Rechtfertigung genannt: „... welcher um unserer Übertretungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde.“ Inhalt dieses Verses ist unser Stand vor Gott. In Römer 6:4 jedoch wird gezeigt, daß uns die Auferstehung neues Leben austeilt, um uns einen heiligen Wandel zu ermöglichen: „... damit, wie Christus aus den Toten auferweckt wurde ..., ebenso auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln sollen.“ Dieser Vers spricht über unser Verhalten.

Auch der Friede ist ein Thema, um das es in beiden Abschnitten geht, nämlich in den Kapiteln 5 und 8. Römer 5 spricht vom Frieden mit Gott als einer Auswirkung der Rechtfertigung durch den Glauben an sein Blut: „Da wir nun durch Glauben gerechtfertigt sind, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm. 5:1). Dies bedeutet, daß Gott nun, da ich Vergebung der Sünden empfangen habe, kein Anlaß zur Furcht mehr für mich sein muß. Ich, der ich ein Feind Gottes war, wurde „versöhnt ... durch den Tod seines Sohnes“ (Röm. 5:10). Sehr rasch stelle ich jedoch fest, daß ich mir selbst die allergrößten Schwierigkeiten bereite. Die Unruhe in mir ist noch nicht gewichen, denn etwas in mir treibt mich zu sündigen. Ich habe Frieden mit Gott, doch den Frieden mit mir selbst habe ich noch nicht gefunden. Vielmehr ist mein Herz der Schauplatz eines regelrechten Bürgerkrieges. Dieser Zustand wird in Römer 7 sehr trefflich beschrieben, wo sich das Fleisch und der Geist in mir in tödlicher Feindschaft gegenüberstehen. Davon ausgehend jedoch wird uns in Kapitel 8 der innere Friede eines Wandels im Geist gezeigt. „Die Gesinnung des Fleisches ist Tod“, da sie „Feindschaft gegen Gott“ bedeutet, aber „die Gesinnung des Geistes ist Leben und Friede“ (Röm. 8:6, 7).

Zusammenfassend kann man sagen, daß es in der ersten Hälfte im großen und ganzen um die Rechtfertigung geht (Röm. 3:24-26; 4:5, 25), während die zweite Hälfte die daraus folgende Heiligung zum Thema hat (Röm. 6:19, 22). Wenn wir die kostbare Wahrheit der Rechtfertigung durch den Glauben erfassen, haben wir aber immer erst die Hälfte der Wahrheit erkannt. Durch diese Tatsache ist lediglich das Problem unseres Standes vor Gott gelöst. Wenn wir vorangehen, hat Gott mehr für uns bereit, nämlich die Lösung für das Problem unseres Wandels – eine Tatsache, die durch den Gedankengang in diesen Kapiteln betont werden soll. Der zweite Schritt folgt immer auf den ersten. Kennen wir aber nur den ersten, führen wir immer noch kein normales Christenleben. Wie aber können wir ein normales Christenleben verwirklichen? Wie ist dies möglich? Zunächst einmal müssen wir Vergebung der Sünden, Rechtfertigung und Frieden mit Gott haben. Dies ist unser unbedingt notwendiges Fundament. Ist dieses Fundament durch unseren anfänglichen Schritt des Glaubens an Christus einmal gelegt, wird aus den genannten Versen deutlich, daß wir weiter vorangehen müssen.

Das Blut hat objektiv unsere Sünden beseitigt. Der Herr Jesus hat sie für uns als unser Stellvertreter am Kreuz getragen und uns dadurch Vergebung, Rechtfertigung und Versöhnung erworben. Nun aber müssen wir nach Gottes Plan einen Schritt weitergehen und erkennen, wie er mit dem Prinzip der Sünde in uns verfährt. Das Blut kann wohl meine Sünden, nicht aber meinen alten Menschen abwaschen. Dieser muß gekreuzigt werden, und dazu brauche ich das Kreuz. Das Blut beseitigt die Sünden, das Kreuz jedoch muß den Sünder beseitigen.

In den ersten vier Kapiteln des Römerbriefes taucht das Wort „Sünder“ kaum auf, da es nicht in erster Linie um den Sünder selbst, sondern vielmehr um die von ihm begangenen Sünden geht. Der Begriff „Sünder“ taucht erst in Kapitel 5 auf, wobei es aufschlußreich ist, was bei seiner ersten Erwähnung über den Sünder ausgesagt wird. In diesem Kapitel wird deutlich, daß ein Mensch ein Sünder genannt wird, weil er als Sünder geboren wurde und nicht, weil er Sünden begangen hat. Dieser Unterschied ist sehr wichtig. Zwar benutzen Evangelisten, wenn sie einen Menschen auf der Straße davon überzeugen wollen, daß er ein Sünder ist, den sehr bekannten Vers in Römer 3:23, wo es heißt, daß „alle gesündigt haben“. Diesen Vers so zu verwenden, ist jedoch nach der Schrift nicht ganz zu rechtfertigen, da die Gefahr besteht, das Pferd von hinten aufzuzäumen: Der Römerbrief lehrt nicht, daß wir Sünder sind, weil wir Sünden begehen, sondern daß wir sündigen, weil wir Sünder sind. Durch unser Wesen, nicht durch unser Handeln, sind wir Sünder. In Römer 5:19 heißt es: „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind ...“

Wodurch wurden wir zu Sündern gemacht? Durch Adams Ungehorsam. Nicht durch unsere Taten wurden wir zu Sündern, sondern durch das, was Adam tat und wurde. Ich spreche Englisch, aber dadurch bin ich noch lange kein Engländer, ich bin Chinese. In Römer Kapitel 3 wird zwar tatsächlich auf unsere sündigen Taten hingewiesen – „alle haben gesündigt“ –, dennoch sind wir nicht dadurch zu Sündern geworden.

Einmal stellte ich einer Schulklasse die Frage: „Wer ist ein Sünder?“ Die Antwort kam prompt: „Jemand, der sündigt.“ Ja, jemand, der sündigt, ist ein Sünder, doch die Tatsache, daß jemand sündigt, ist lediglich der Beweis dafür, daß er schon vorher ein Sünder war, und nicht der Grund dafür, daß er ein Sünder ist. Zwar ist jemand, der sündigt, ein Sünder, doch ist jemand, der nicht sündigt, aber von Adam abstammt, genauso ein Sünder und braucht die Erlösung. Könnt ihr dies verstehen? Es gibt schlechte Sünder und gute Sünder, moralische und verdorbene Sünder, doch Sünder sind sie alle gleichermaßen. Wir glauben manchmal, daß alles in Ordnung wäre, hätten wir nur eine ganz bestimmte Sache nicht getan. Das Problem liegt jedoch weitaus tiefer: Nicht was wir tun, ist das Problem, sondern was wir sind. Ein Chinese mag in Amerika geboren sein und kein Wort Chinesisch sprechen, und dennoch ist er ein Chinese, weil er als Chinese geboren wurde. Auf die Geburt kommt es an. Ich bin darum ein Sünder, weil ich in Adam geboren bin. Entscheidend ist nicht mein Verhalten, sondern mein Erbe, meine Abstammung. Nicht weil ich sündige, bin ich ein Sünder, sondern ich sündige, weil ich vom falschen Geschlecht abstamme. Ich sündige, weil ich ein Sünder bin.

Oft meinen wir, daß wir zwar eine böse Tat begangen haben, daß wir jedoch so schlimm gar nicht seien. Es kostet Gott die allergrößte Mühe, uns zu zeigen, daß wir in uns selbst verwerflich, ja von Grund auf verwerflich sind. Die Wurzel des Übels ist der Sünder, also muß dieser behandelt werden. Unsere Sünden werden durch das Blut behandelt, doch wir selbst müssen durch das Kreuz behandelt werden. Das Blut bringt uns Vergebung für alle unsere Taten, das Kreuz hingegen verschafft uns Befreiung von dem, was wir sind.

Der natürliche Zustand des Menschen

Laßt uns nun zu Römer 5:12-21 kommen. In diesem bedeutenden Abschnitt wird die Gnade der Sünde gegenübergestellt und der Gehorsam Christi dem Ungehorsam Adams. Dieser Vergleich steht am Anfang des zweiten Teiles (Röm. 5:12 bis 8:39), mit dem wir uns im folgenden ausführlich beschäftigen wollen. Aus der Beweisführung in den genannten Versen wird eine Schlußfolgerung abgeleitet, um die es in unseren weiteren Betrachtungen geht. Welche Schlußfolgerung? Sie steht in dem bereits zitierten Vers 19: „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht.“ An dieser Stelle möchte uns der Geist Gottes zunächst einmal zeigen, was wir sind, um dann zu erklären, wie es dazu kam.

Am Anfang unseres Christenlebens achten wir mehr auf unser Handeln als auf unser Sein. Was wir getan haben, betrübt uns weit mehr als das, was wir sind. Wir glauben, wenn wir nur einige Dinge korrigieren könnten, wären wir sicherlich gute Christen, und so beginnen wir, unser Verhalten zu ändern. Das Ergebnis jedoch entspricht nicht unseren Erwartungen. Sehr zu unserem Entsetzen stellen wir fest, daß es hier um weit mehr als nur um äußerliche Schwierigkeiten geht, daß nämlich die Not in unserem Inneren viel schwerwiegender ist. Wir versuchen, dem Herrn zu gefallen und entdecken in uns etwas, das ihm gar nicht gefallen will. Wir versuchen, demütig zu sein, doch in unserem Innersten gibt es etwas, das sich weigert, demütig zu sein. Wir versuchen zu lieben, doch entdecken wir in unserem Inneren völlige Lieblosigkeit. Wir lächeln und versuchen, sehr freundlich auszusehen, doch innerlich sind wir das ausgesprochene Gegenteil. Je mehr wir versuchen, die Dinge äußerlich zu korrigieren, desto mehr spüren wir, wie tief das Problem sitzt. Dann ist es soweit, daß wir zum Herrn kommen und bekennen: „Herr, jetzt erkenne ich es! Nicht nur, was ich getan habe, ist verdorben, ich bin verdorben.“

Die Tragweite der Schlußfolgerung aus Römer 5:19 beginnt uns zu dämmern. Wir sind Sünder. Wir gehören einem Geschlecht an, das von seinem Wesen her anders ist, als Gott es vorgesehen hatte. Durch den Sündenfall trat eine grundlegende Veränderung im Wesen Adams ein, durch die er zum Sünder wurde, zu einem Menschen, der wesensmäßig nicht in der Lage ist, Gott zu gefallen. Die alle Menschen verbindende Ähnlichkeit betrifft nicht nur das Äußerliche, sondern vielmehr ihr innerstes Wesen. Wir sind „zu Sündern gemacht worden“. Wie aber kam es dazu? „Durch den Ungehorsam des einen“, lautet die Begründung des Apostels. Laßt mich euch dies durch ein einfaches Beispiel veranschaulichen.