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Vom Jetzt ins NUN. Aus erwachter Sicht schildert das Buch, was Erwachen ist und welche Bedeutung es für den Einzelnen und das Zusammenleben von Menschen hat. Wie kein anderes knüpft es Fäden zu Fragen rund um das Erwachen. So werden Zusammenhänge zwischen Erwachen, Psychotherapie, Spiritualität, Religion, Politik und Philosophie beleuchtet, ohne sich in Details zu verlieren. Neben vielen Denkanstößen, die Mut machen sich weiter mit dem Thema zu befassen, stellt das Buch ein Bündel an praktischen Übungen bereit, die einen Boden bereiten, auf dem sich Erwachen ereignen kann.
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gewidmet:
Dir
Übungen auf einen Blick
Einleitung
Glauben
Das NUN
Das Eine-Sein
Erwachen oder Erleuchtung?
Geschichte(n)
Die Geschichte und das Geschichte
Das Geschichte u. seine Bedeutung für Therapie und Erwachen
Übung: Die 3 Leitlinien von AIM
Alexander d. Große und Diogenes. Eine Erwachens-Geschichte
Meine Erwachens-Geschichte
Alles ist Geschichte
Übung: Geschichtslos sein
Unsere Ego-Geschichte
Das Ego ist ein leerer Käfig
Übung: Ich-Suche
Ich stärken oder loslassen? Therapie oder Erleuchtung?
„Teufels Küche", Erwachen anstreben ersetzt keine Therapie
Teuflisches Ego? Der Fall Luzifer(s)
Verletztes Ich. Das Ego aus therapeutischer Sicht
Exkurs: Verschwörungstheorien
Ankommen im geschichtslosen Sein. Der Weg ist das Ziel
In den Körper finden
Übung: Gefühle im Körper spüren
Verdrängung und Trauma
Flucht in die Realität
Übung: Kaskade
Sein-lassen und Gewahrsein
Entspannen
Übung: leichtes Entspannen
Übung: Umgang mit hartnäckigen Anspannungen
„Radikale Akzeptanz", in der Ruhe liegt die Kraft
Übung: der NUN-Sessel
Meditation ohne Ehrgeiz
Meditation, Heilung und Trauma-Therapie
Widerstände in Therapie und Spiritualität
Übung: Umgang mit Widerständen
Widerstände und Vergebung
Übung: Vergeben
Übung: Tipi, „Geschichten" auf körperlicher Ebene auflösen
Grenzen-los-sein
Grenzenlos glücklich
Übung: Grenzen spürend erforschen
Am Anfang war das Wort. Die „Grenz-Infektion"
Heilsame Grenzen
Grenzen als Schutz
Angst vor Grenzenlosigkeit
Tod, eine lebensnotwendige Grenze?
Die Illusion von Grenzen
Der Verstand hilft uns heraus
Bedeutung von Grenzen für Therapie und Spiritualität
Liebe
Übung: Liebe spüren
Liebe und Erwachen
Leben, Liebe und Angst
Übung: das Herz spüren
„Angst fressen Seele auf, Herzöffnung
Übung: Angst spüren, das Herz öffnen
Erwachen
Von der Erleichterung, unwichtig zu sein
Was wir sind und nicht sind
Übung: „Wer bin ich"
Bin ich nach dem Erwachen gleichgültig?
Übung: Sein, was ist
„Werdet wie die Kinder" und „das Innere Kind"
Dissoziation und „Spiritual Bypassing"
Erkenntnis
Wer erkennt und wer erwacht?
Religion und Erwachen
Therapie und Erwachen
Umweltschutz und Frieden
Politik und Erwachen
Psychedelika in Therapie und Spiritualität
Spiritualität ist ein menschliches Bedürfnis
Literatur
Dank
Kontakt
Die 3 Leitlinien von AIM
Geschichtslos sein
Ich-Suche
Gefühle im Körper spüren
Kaskade
Leichtes Entspannen
Umgang mit hartnäckigen Anspannungen
Der NUN-Sessel
Umgang mit Widerständen
Vergeben
Tipi, „Geschichten" auf körperlicher Ebene auflösen
Grenzen spürend erforschen
Liebe spüren
Das Herz spüren
Angst spüren, das Herz öffnen
„Wer bin ich"
Sein, was ist
Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken
(J. W. v. Goethe)
Anmerkung vorab:
Da es in diesem Buch ausschließlich um geistige und seelische Zusammenhänge geht, wird anstelle von Psychotherapie stets das weniger sperrige Wort Therapie verwendet.
Erwachen. Viel ist in einem Zeitraum von Jahrtausenden schon darüber geschrieben worden.
In den letzten Jahrzehnten ist das Thema jedoch verstärkt in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Angestoßen wurde es wohl vor allem durch den Erwachten Eckhart Tolle und sein Buch: „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart". Mir scheint, dass damit auch das „sich Ereignen des Erwachens" an Fahrt aufgenommen hat. Die neuen Medien, Internet, Sozial-Media, die es ermöglichen, sich unkompliziert mit großer Ausbreitung mitzuteilen, tragen ihren Teil dazu bei. So gelangte auch ich über das Internet zur Gnade des Erwachens.
In den meisten Beiträgen zum Erwachen wird deutlich, dass es keinen direkten Weg zum Erwachen gibt. Dass das erwachte Sein zeit-und raumlos und somit weglos ist. Dass jemand, der sich das Erwachen zum Ziel setzt, von seinem Ego getrieben wird, das eben dies will. Dass es gerade dieses Ego loszulassen gilt, usw.
Wenn man es also nicht willentlich erreichen kann, wozu dann die Bücher, Berichte, Vorträge, Seminare?
Und warum sollte man dieses Erwachen überhaupt wollen?
Du, der du dies liest, möchtest du erwachen?
Und wenn ja, was versprichst du dir davon?
Wenn man sich die prominenten Eiwachten ansieht, was transportieren sie, nach dem man auch streben wollen könnte?
Buddha sagte sinngemäß, er habe alles verloren. Jesus lebte ein karges Leben und wurde hingerichtet. Einer der bekanntesten Erleuchteten des letzten Jahrhunderts, Ramana Maharshi, zog sich nach seinem Erwachen in eine Höhle auf einen Berg zurück und wurde gefüttert. Eckhart Tolle verbrachte nach dem Erwachen 2 Jahre seines Lebens auf einer Parkbank in London. Allen ist gemein, dass ihnen die Versprechungen des Erdendaseins nur mehr wenig bedeuteten bzw. bedeuten. Was also ist attraktiv daran?
Ich arbeite seit 2008 mit Menschen, um sie und mich selbst auf dem Weg des Zu-sich-Findens trauma-sensibel zu unterstützen.
Mit trauma-sensibel meine ich die achtsame und heilsame Berücksichtigung und Hinwendung zu seelischen Verletzungen - Traumen - mit denen wir alle(!) mehr oder weniger zu tun haben.
„Zufällig", ohne dass ich danach gestrebt hätte, wurde mir 2021 das Erwachens-Ereignis zuteil. Meinen Weg auf der Ebene der Selbstfindung bin ich damit zu Ende gegangen. Es gibt nichts mehr, was ich noch erlangen müsste, um mich zu verwirklichen. Warum das so ist, soll in diesem Buch deutlich werden.
Im zeit-räumlichen Dasein folge ich nur mehr meinem Herzen. Hin und wieder sagt es: „jetzt wollen wir schreiben". Dann tue ich es.
Ich begleite weiterhin Menschen auf ihrem Weg (der das Ziel ist), jedoch aus einer anderen Perspektive heraus. Dieser liegt die Gewissheit zu Grunde, dass wir alle nichts als reine Liebe sind, auch wenn das in der Raum-Zeit-Welt alles andere als offensichtlich ist. Diese Gewissheit und die damit verbundene Erkenntnis- und Seins-Ebene nenne ich das NUN.
Dieses Buch ist das Ergebnis von „Schreiblust", die sich in ungezählten Momenten spontan ausdrückte. Es entstand aus dem NUN und inspiriert durch meine Begleitung von Menschen.
In meinem täglichen Ruhen im NUN, in zeitloser Stille, man kann es auch Meditation nennen, „fielen Ideen in mich hinein". Diese Ein-Fälle hielt ich später stichpunktartig fest und weitete sie irgendwann, wenn mich Lust dazu überkam, zu Texten aus. Den ersten Text, der sich im Kapitel „Grenzenlos glücklich" findet, habe ich Mitte Dezember 2023 geschrieben. Weitere Aufschreibungen folgten. Irgendwann wollten die Texte geordnet und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden. Sie fügten sich nach und nach mühelos zum Buch.
Das Inhaltsverzeichnis ist somit Teil des Schreibprozesses und spiegelt keine zeitliche Chronologie wider, in der die Texte niedergeschrieben wurden.
Während sich die Texte zu einem Ganzen zusammenfügten, kristallisierte sich auch heraus, dass es mir Freude macht, Bezüge zwischen Spiritualität, Therapie, Zusammenleben und Politik herzustellen und damit etwas Klarheit zu schaffen.
Mir wurde klar, dass diese drei Ebenen, Zusammenleben, Spiritualität und Therapie unbedingt zusammen zu sehen sind. Sie greifen notwendig ineinander für ein friedliches Dasein und Zusammenleben mit Mutter Erde und ihren Kindern. Nach und nach formte sich ein Buch aus dem NUN über das NUN.
Ein Wort zu Bibel und Religion.
Ich bin konfessionslos und fühle mich religiös ungebunden. Meine Sympathie neigt sich noch am ehesten dem Buddhismus zu. Dennoch zitiere ich hin und wieder aus der Bibel. Ich betrachte sie, genauer das Neue Testament, als spirituelles Buch und nicht als Religionsgrundlage. Falls jemand aufgrund seiner Erfahrungen oder Gedanken zu Kirche Schwierigkeiten damit hat, bitte ich um Nachsicht. Da ich im christlichen Kulturkreis lebe, geboren und aufgewachsen bin, ist es das spirituelle Buch, das ich am besten kenne und ich halte es, wenn man es losgelöst von der Institution Kirche und fragwürdigen Traditionen liest, für ausgesprochen lehrreich.
Und noch etwas möchte ich im Kontext Spiritualität und Religion, bzw. deren Institutionalisierung, aus der Perspektive des NUN sagen. Da beides, Spiritualität und Religion, weite Felder sind, nehme ich zunächst eine Eingrenzung vor. Ich betrachte hier das Erwachens-Ereignis als spirituelle Erfüllung. Dasselbe gilt für Religion, sofern sie von der Sehnsucht nach dem Göttlichen geleitet ist. D.h. ich setzte das Erkennen des geschichtslosen, raumlosen Seins mit dem Erkennen des Göttlichen gleich. Auf dieser Ebene unterscheiden sich Spiritualität und Religiosität nicht voneinander.
Es gibt Menschen, denen das Erwachens-Ereignis zu Teil wurde, in jeder Religion oder Spirituellen Bewegung. Meist waren solche Menschen auch die, auf deren Leben und Lehren sich Religionen erst bildeten, sogenannte Religionsstifter, z.B. Krishna im Hinduismus, Buddha im Buddhismus, Jesus im Christentum, um einige zu nennen. Auch haben Religionen oft innerhalb ihrer selbst Ausrichtungen, die sich auf Erwachens-Ebene bewegen. So z.B. die Gnostiker im Juden- und Christentum und die Sufisten im Islam. Der Buddhismus hat das Erwachen sowieso zum Programm. Probleme entstehen durch die unvermeidlichen Missverständnisse, die zwangsläufig durch Versprachlichungsbemühungen des nicht zu Versprachlichen auftreten. Spätestens dann, wenn Regelwerke daraus entstehen und sich Institutionen und Traditionen bilden.
Die gute Nachricht ist, dass es auf Erwachens-Ebene keinerlei Uneinigkeit zwischen den Menschen gibt. Das wäre auch widersinnig, denn Erwachen bedeutet auch die Erkenntnis der Alleinheit, bzw. des Einen-Seins. Worum ich beim Lesen dieses Buches bitte ist, nichts ungeprüft zu glauben von dem, was ich über Erwachen schreibe. Verstehen kann man es sowieso nicht. Erleben ist möglich!
Um noch einmal auf die Eingangsfrage „warum über das Erwachen schreiben?" zurückzukehren: Ich habe Lust dazu! Mein Herz möchte sich mitteilen und Mitmenschen, die auf der Suche sind, unterstützen. Der Text soll, so gut mir das möglich ist, Klarheit schaffen über das Erwachens-Ereignis. Er geht auf Begrifflichkeiten zum Thema ein und klärt Zusammenhänge von Ich (Ego), Erwachen, Therapie und Zusammenleben. So wird er, unterstützt durch praktische Übungen, zum Boden für das Erwachens-Ereignis. Denen, die es möchten, wünsche ich von ganzem Herzen, dass ihnen dies Ereignis zu Teil wird!
Der Weg ist das Ziel. Einfach gehen.
Vorausschicken möchte ich die Einladung, mir nichts ungeprüft zu glauben.
Im Alter von 21 Jahren habe ich mich zum Atheismus bekannt, weil ich nichts erkennen konnte, was mir die Existenz Gottes plausibel gemacht hätte. Ich habe Gott nicht abgestritten, aber eben auch nicht an ihn geglaubt. Gleichzeitig bin ich jedoch offen und neugierig geblieben für Erfahrungen. Ein Suchender. Und schließlich hat sich mir 35 Jahre später, als ich gar nicht damit gerechnet habe, etwas offenbart, das ich Gott nennen könnte.
Im Sinne vieler Religionsvertreter bin ich jedoch sicher immer noch ein „Ungläubiger". Das ist in Ordnung, denn ich wollte nie ein Glaubender sein und brauche keinerlei Bescheinigung für das, was ich erkannt habe. Mir ging es immer um eigenes Erleben, Entwicklung und Wachstum. Was ich erfahren habe, ruht tief und friedlich in mir. Niemand kann es mir nehmen und niemand braucht es mir zu glauben. Was ich mitteile, ist lediglich ein Angebot zum Prüfen. Ich wünsche mir nur soviel Vertrauensvorschuss, dass die zur Überprüfung motivierende Neugier entsteht.
Glauben hat übrigens in meinen Augen auch etwas Gutes und Kraftspendendes. An etwas zu glauben, wie etwa eine liebevolle Kraft, an der wir teilhaben, kann sehr tröstlich und gesund sein. Der Wille zu glauben kann einem Bedürfnis nach Halt und Orientierung in einer unsicheren Welt entspringen. Noch bedeutsamer scheint mir jedoch die Sehnsucht nach etwas wie „Heimat" zu sein. Diese Sehnsucht ist Quelle einer Ahnung von Verbundenheit. Eines verborgenen Wissens, dass uns ahnen lässt und willens macht zu glauben, dass wir getragen sind von etwas Unaussprechlichem, das unseren Verstand übersteigt, weil wir weit mehr sind als Verstand.
Problematisch wird es immer dann, wenn Glauben mit fragwürdigen Vorschriften, Wertvorstellungen und unumstößlichen Dogmen verknüpft wird.
Ich sehe es so, dass allen Religionen dasselbe zugrunde liegt. Zumindest den Weltreligionen Hinduismus, Buddhismus, Daoismus, Judentum, Christentum und Islam. Nämlich die Offenbarung oder Erkenntnis, eins zu sein mit allem, mit anderen Worten das Erwachen. Aus meiner Sicht ist daher Streit über Glaubensfragen der beste Indikator dafür, dass mit dem Glauben etwas nicht stimmt (s. „Religion und Erwachen").
Um Klarheit zu schaffen, Verstehen zu ermöglichen und Missverständnissen soweit wie möglich vorzubeugen, möchte ich ein paar Begriffe klären, die ich in diesem Buch oft verwende.
Ich gebrauche das Wort „NUN" als Abgrenzung zum „Jetzt".
Es ist populär geworden vom „Hier und Jetzt" zu sprechen. Dieses Hier und Jetzt ist dem Raum (hier) und der Zeit (jetzt) untergeordnet. Es ist wunderbar, dass wir uns mehr und mehr dazu besinnen, bewusst wahrzunehmen und zu genießen, was gerade ist. Und doch meine ich mit NUN ein besonderes Jetzt, das außerhalb der Zeit liegt.
Wir haben das Gefühl, unser gegenwärtiger Augenblick ist beschränkt und begrenzt. Er scheint zwischen Vergangenheit und Zukunft eingeklemmt zu sein. Denn durch die Verwechslung von Erinnerungssymbolen mit Tatsachen erlegen wir der zeitlosen Gegenwart eine Grenze auf, spalten sie in die Gegensätze Vergangenheit und Zukunft auf und begreifen Zeit dann als eine Bewegung von der Vergangenheit her durch unsere „flüchtige Gegenwart" hin zur Zukunft [...] Die Vergangenheit scheint etwas Wirkliches und Wesentliches hinter mir zu sein [...] An der anderen Seite unserer verstreichenden Gegenwart liegt die Zukunft. Auch sie erscheint als sehr real. (Ken Wilber 2008, S. 139)
Während wir unter „Jetzt" also einen wahrgenommenen Moment verstehen und sich die Zeit sozusagen aus lauter aufeinanderfolgenden Augenblicken bildet, meine ich mit NUN einen „endlosen Moment", ein zeitloses Jetzt.
Unsere Gegenwart ist also ... ein (zwischen Gegenwart und Zukunft) eingeklemmter, zusammengepresster und darum flüchtiger Moment. Sie geht einfach vorbei... Aber wenn man erkennt, dass die Vergangenheit als Erinnerung immer ein Gegenwartserlebnis ist, bricht die Grenze hinter diesem Augenblick zusammen... Ebenso explodiert die Grenze nach vorn vor diesem Augenblick, wenn man erkennt, dass die Zukunft der Erwartung immer ein gegenwärtiges Erlebnis ist... Diese Gegenwart ist nicht mehr umzingelt, sondern dehnt sich aus und erfüllt alle Zeit, und so entfaltet sich die „verstreichende Gegenwart" zur ewigen Gegenwart, die die christlichen Mystiker als nunc stans bezeichnen. Das nunc fluens, die verstreichende Gegenwart, kehrt in das nunc stans, die ewige Gegenwart zurück (Ken Wilber 2008, S. 140/141).
Es ist das nunc stans, wie Ken Wilber es beschreibt, welches ich mit NUN meine.
So sehr ich es schätze, dass das geflügelte Wort Hier-und-Jetzt an Popularität gewinnt, uns zur Besinnung auf das Leben auffordert und unsere schnelllebige Welt ein wenig entschleunigt, so ist mir wichtig, dass es nicht gleichbedeutend ist mit dem, was ich mit NUN meine, das man erlebt, sobald das Erkennen des Einen-Seins geschehen ist. Auch möchte ich darauf hinweisen, dass das NUN nicht mit dem Verstehen erlebt werden kann. Wie Ken Wilber sagt: „wenn man erkennt, dass die Vergangenheit als Erinnerung immer ein Gegenwartserlebnis ist, bricht die Grenze hinter diesem Augenblick zusammen". Man beachte, dass er das Wort „erkennen" nutzt, nicht „verstehen". „Erkennen" meint, ganz besonders auch im Kontext des Erwachens, etwas anderes als „verstehen". Es ist etwas „Tieferes", das nicht nur auf Verstandesebene abläuft. Mehr dazu im Kapitel „Erwachen" unter der Überschrift „Erkenntnis".
„Höheres Selbst", „Wahres Selbst", „Essenz", „Bewusstsein der Alleinheit", „Sein"... alle diese Wörter meinen dasselbe und doch sind es nur Worte, die auf etwas hinweisen, das man nicht erklären, sondern nur erfahren bzw. erkennen kann. Dies geschieht auf einer Ebene, die nichts mit dem Verstand zu tun hat und auch nicht „nur" Gefühl ist, obwohl man Gefühle und später natürlich auch Gedanken dazu hat.
Es ist die „Erkenntnis-Erfahrung", dass etwas durch uns, mit uns, um uns lebt, das schon immer da war, nie geboren wurde, zeitlos und somit geschichtslos ist. Einige Zeit habe ich es daher mein geschichtsloses Sein genannt, beeinflusst auch durch meine Eiwachens-Geschichte (s. „Meine Erwachens-Geschichte"). Im Moment nenne ich es das Eine-Sein im Unterschied zu meinem Sein. Das Eine-Sein ist allumfassend, während mein Sein eine Spielform des Einen-Seins ist. Ich könnte auch sagen „ich bin das Leben, das sich durch mich lebt". Was beim Erwachens-Ereignis geschieht, ist das Erkennen des Einen-Seins. Des Seins, das gedankenlos und geschichtslos „hellwach" ist. Natürlich gibt es keine Grenze zwischen meinem Sein und dem Einen-Sein (s. „Grenzen"). Wenn wir, so wie es hier geschieht, Sprache verwenden um zu kommunizieren, ist es jedoch eine sprachliche Notwendigkeit, zu definieren.
Soeben habe ich das Wort „hellwach" für ein Sein ohne Gedanken und ohne Geschichte verwendet. In diesem schönen Adjektiv finden sich die beiden Qualitäten von Erleuchtung/Erwachen, hell und wach.
„Erleuchtung wird oft auch das Erwachen oder Aufwachen genannt - gemeint ist damit dasselbe. Der Begriff des >Aufwachens< stellt in den Vordergrund, dass einem ab diesem Moment der Transformation das bisherige Leben wie ein Traum vorkommt. >Erwachen< ist der Begriff der östlichen Spiritualität, der Buddha war der >Erwachte<. Der Begriff Erleuchtung ist der abendländische, der westliche Begriff" (Christian Meyer, 2023, S.13).
Sicher war es ursprünglich so, dass, wie Christian Meyer sagt, Erwachen und Erleuchtung dasselbe meinte. Erwachen folgt dabei dem östlichen Sprachgebrauch, Erleuchtung dem westlichen. Bei der Beschäftigung mit dem Thema ist mir jedoch aufgefallen, dass es momentan keinen Konsens darüber gibt, ob Erleuchtung oder Erwachen ein Wort für dasselbe ist. Allerdings herrscht allgemein Übereinstimmung, dass Erleuchtung das Erwachen einschließt.
Ich betrachte das Erwachen als das größte spirituelle Ereignis, von dem wir momentan Kenntnis haben. Mit dem Erwachen schwindet auf einer Ebene Zeit und Raum. Wir erkennen uns als all-eines, zeitloses Sein. Das „Eine-Sein". Dieses hat in meinem Empfinden einen vertikalen Charakter, sozusagen stillstehend. Dennoch sind wir, auch wenn Erwachen geschehen ist, zugleich noch Menschen in Bewegung und Veränderung innerhalb der Raum-Zeit, die ich als horizontal gemäß einer Zeitlinie wahrnehme.
Als erleuchtet möchte ich in diesem Buch einen Menschen bezeichnen, der erwacht ist und sämtliche Prozesse, die seine persönliche Geschichte anbelangen (s. „Die Geschichte und das Geschichte") abgeschlossen, bzw. hinter sich gelassen hat. Dies geht mit dem Erwachen nicht zwangsläufig einher, so meine eigene Erfahrung und mein Wissen, das ich dazu Zusammentragen konnte.
Bis zur Erleuchtung leben wir, auch nach dem Erwachens-Ereignis, in zwei Welten, vertikal und horizontal: Während wir uns als das Eine-Sein erleben, sind wir zugleich noch gefangen in Projektionen, die wir Stück für Stück erkennen und auflösen.
Mit Erwachen meine ich somit ein spirituelles Ereignis, das zwar gleichzeitig auch die Erleuchtung sein, dem aber andererseits auch noch eine prozesshafte und eventuell therapeutisch unterstützte Zeit des Auflösens von Projektionen folgen kann und an deren Ende die Erleuchtung steht.
Das klingt wie ein Widerspruch, denn entweder bin ich eins mit Allem, das Eine-Sein, oder ich bin ein Innen und projiziere in das Außen. Tatsächlich gibt es dieses „Zwitterdasein". Für den Verstand ist das nicht nachvollziehbar. So wie das Erwachen eben auch.
Erleuchtung oder Erwachen sind beides Begriffe, die etwas bestimmen und eingrenzen sollen, also Definitionen (lateinisch „definitio", „Abgrenzung"). Nun ist jedoch die Erkenntnis grenzenlosen Seins, der Existenz von etwas Undefinierbarem, das allem zu Grunde liegt, alles durchdringt, sozusagen ein Wesensmerkmal, ja sogar das Wesensmerkmal von Erwachen. Somit ist es auch ein Widerspruch, darüber schreiben und es in Worte fassen und definieren zu wollen.
Dennoch schreibe ich darüber, wohl wissend, dass alles Gesagte die Gefahr missverstanden zu werden in sich birgt. Worum ich bitte ist, nichts von dem hier Gesagten zur Grundlage von Diskussionen, Argumentationen oder gar Auseinandersetzungen zu machen. Niemand, dem das Erwachens-Ereignis zu Teil wurde, hat noch Notwendigkeit, über das Erkannte zu „streiten". Das ist Sache der Religionen (s. „Religion und Erwachen") Man ist sich einig. Alle Worte sind nur Fingerzeige, nie das zu Schauende selbst.
Machen wir uns das Wort „Geschichte" einmal bewusst. Darin steckt „Schicht" (von mittelhochdeutsch seiften „teilen", Wikipedia). Eine Schicht ist ein Abschnitt, der von einem weiteren überlagert wird oder auf den ein anderer folgt, so wie eine Schicht, die sich abgesetzt hat, oder Schichten, aus denen sich etwas zusammensetzt.
Geschichte hat drei Bedeutungen: Eine Geschichte, erfunden oder wahr, als eine in sich abgeschlossene Begebenheit, die sich aus Schichten aufeinanderfolgender Ereignisse und Handlungen zusammensetzt. Die Geschichte, die wir aus Geschichtsunterricht oder Wissenschaft kennen, und das Geschichte, aus der z.B. ein Baumkuchen oder eine Bodenprobe besteht.