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In Die Dopamin Nation stellte Dr. Lembke der Welt ihre bahnbrechende Forschung vor, die zeigt, dass Überfluss selbst ein Stressfaktor ist, der zu den steigenden Zahlen von Suchterkrankungen, Depressionen und Angstzuständen beiträgt. Im offiziellen Arbeitsbuch zu Die Dopamin-Nation bietet sie nun interaktive Aufgaben und lebensnahe Beispiele an, mithilfe derer Sie die Substanzen und Angewohnheiten in Ihrem eigenen Leben identifizieren können, von denen es Ihnen Schwierigkeiten bereitet, sich zu lösen. Mit dem für sie typischen Einfühlungsvermögen und ihrer fachlichen Autorität erklärt Dr. Lembke, wie Dopaminfasten funktioniert, wie man das Belohnungssystem zurücksetzt und wie sich die Erkenntnisse aus Die Dopamin-Nation umsetzen lassen, um ein erfüllteres Leben zu führen.
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2025
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ANNA LEMBKE, MD
DAS OFFIZIELLE ARBEITSBUCH ZU
DIE DOPAMIN NATION
Ein praktischer Leitfaden, um im Zeitalter des Vergnügens ein Gleichgewicht zu finden
Anna Lembke, MD
Das offizielle Arbeitsbuch zu Die Dopamin-Nation
Ein praktischer Leitfaden, um im Zeitalter des Vergnügens ein Gleichgewicht zu finden
1. deutsche Auflage 2025
ISBN 978-3-96257-362-1
© 2025, Narayana Verlag
1. englische Ausgabe 2017
The official dopamine nation workbook: your companion to finding
balance in the age of indulgence
© Anna Lembke, Dutton, an imprint of Penguin Random House LLC
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with Dutton, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of
Penguin Random House LLC.
Übersetzung aus dem Englischen:
Ruben Alexander Zumstrull
Layout, Satz: Mona Königbauer, Buch&media GmbH
Umschlaggestaltung: Pete Garceau
Lektorat: Dr. Monika Bächer
Herausgeber:
Unimedica im Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern
Tel.: +49 7626 974970-0
E-Mail: [email protected]
www.unimedica.de
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Erkenntnisse in der Medizin unterliegen einem laufenden Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Autorin und Übersetzerin dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den Nutzer dieses Werkes jedoch nicht von der Verpflichtung, anhand einschlägiger Fachliteratur und weiterer schriftlicher Informationsquellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Werk abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (*). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
Die Gleichberechtigung aller Geschlechteridentitäten ist in unserem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Wir sehen daher davon ab, diese Haltung auch in unseren Publikationen zu betonen, und verzichten zugunsten des Leseflusses auf Mehrfachnennungen, um einzelne Geschlechter ansprechen. Mit der Verwendung des generischen Maskulinums als neutrale, klassische Schreibweise sind alle Identitäten gemeint.
Für meine Patienten, die mich jeden Tag aufs Neue inspirieren.
EINLEITUNG
WIE DIESES ARBEITSBUCH ZU VERWENDEN IST
KAPITEL 1: Daten
KAPITEL 2: Objectives / Ziele
KAPITEL 3: Probleme
KAPITEL 4: Abstinenz und Askese
KAPITEL 5: Mindfulness / Achtsamkeit
KAPITEL 6: Insight / Einsicht (und radikale Ehrlichkeit)
KAPITEL 7: Nächste Schritte
KAPITEL 8: Experiment
DANKSAGUNGEN
Ich habe dieses Arbeitsbuch als Begleitmaterial zu Die Dopamin-Nation geschrieben – für Einzelpersonen, Eltern, Familien, Berater, Therapeuten, Lehrer und alle, die nicht nur über das Thema sprechen, sondern auch praktische Übungen machen möchten, um ihr Belohnungssystem im Gehirn neu zu kalibrieren und ein erfüllteres Leben zu führen. Wenn Sie sich angesprochen fühlen, freue ich mich riesig auf die gemeinsame Reise, die vor uns liegt.
Wie bereits in Die Dopamin-Nation ist die zentrale Idee dieses Buches, dass der Überfluss selbst ein Stressfaktor ist und damit weltweit zu steigenden Raten von Sucht, Depression, Angststörungen und Suizid beiträgt. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte waren die grundlegenden Überlebensbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Unterkunft) für so viele Menschen gesichert. Zudem haben wir mehr verfügbares Einkommen, einen leichteren Zugang zu Luxusgütern und mehr Freizeit als je zuvor, was selbst für die Ärmsten der Armen gilt. (Bis zum Jahr 2040 wird die durchschnittliche tägliche Freizeit in den USA voraussichtlich 7,2 Stunden betragen, während die tägliche Arbeitszeit auf nur noch 3,8 Stunden sinkt.) Nahezu jeder Aspekt unseres Lebens ist darauf ausgerichtet, noch angenehmer, noch zugänglicher, noch aufregender und noch intensiver zu werden – mit anderen Worten: süchtig machender.
Dennoch zeigen Umfragen, dass die Menschen heute unglücklicher, depressiver und ängstlicher sind als noch vor 30 Jahren. Sie sterben auch früher. 70 Prozent der weltweiten Todesfälle sind mittlerweile auf veränderbare Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel und eine schlechte Ernährung zurückzuführen. Am rätselhaftesten ist jedoch, dass die Menschen in wohlhabenderen Ländern trotz besserem Zugang zu psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung unglücklicher, depressiver und ängstlicher sind als die Menschen in ärmeren Ländern. Dieses Phänomen nenne ich das Überfluss-Paradox.
Neben dem Stress, den ein Zuviel an allem mit sich bringt, habe ich den Verdacht, dass wir beim Verständnis psychischer Gesundheit etwas Grundlegendes übersehen. In meiner Laufbahn als Psychiaterin bin ich zunehmend Patienten begegnet – darunter gesunde, junge Menschen aus liebevollen Familien mit erstklassiger Bildung und finanzieller Sicherheit –, die unter lähmender Depression und Angst leiden. Ihr Problem ist weder Trauma noch soziale Isolation oder Armut. Ihr Problem ist Überfluss und die Art, wie ständige Reizüberflutung und schnelle Belohnungen unser Gehirn verändern.
Ein Patient von mir, Justin, ein kluger und nachdenklicher junger Mann Anfang 20, kam mit schwerer Angst und Depression zu mir. Er hatte sein Studium abgebrochen, lebte wieder bei seinen Eltern und spielte mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. Gleichzeitig verbrachte er fast den gesamten Tag und die halbe Nacht mit Videospielen.
Vor 20 Jahren hätte ich einem Patienten wie ihm als Erstes ein Antidepressivum verschrieben. Heute empfehle ich stattdessen etwas völlig anderes: ein Dopaminfasten. Ich riet ihm, einen Monat lang komplett auf Videospiele zu verzichten.
»Waaaaas?!«, rief er aus. »Warum sollte ich das tun?! Videospiele sind das Einzige, was mir überhaupt noch Erleichterung verschafft.«
Ich erklärte ihm, dass unser Gehirn bei angenehmen Aktivitäten – etwa beim Videospielen – eine kleine Menge Dopamin ausschüttet, unseren Neurotransmitter für Belohnung, wodurch wir uns gut fühlen. Eine der wichtigsten Entdeckungen der Neurowissenschaften in den letzten 75 Jahren ist jedoch, dass Freude und Schmerz in denselben Gehirnregionen verarbeitet werden. Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, ein Gleichgewicht zwischen beiden aufrechtzuerhalten. Sobald die Waage in eine Richtung kippt, setzt das Gehirn Mechanismen in Gang, um wieder in die neutrale Mitte zurückzukehren – ein Prinzip, das Neurowissenschaftler als Homöostase bezeichnen.
Sobald Dopamin ausgeschüttet wird, passt sich das Gehirn an den erhöhten Dopaminspiegel an, indem es die Anzahl der stimulierten Dopaminrezeptoren verringert oder »nach unten reguliert«. Dadurch stellt sich ein Gleichgewicht ein, indem das System in Richtung Schmerz kippt, weshalb auf ein Hochgefühl oft ein Kater oder ein Stimmungstief folgt. Wenn wir lange genug warten, vergeht dieses Gefühl und die Neutralität wird wiederhergestellt. Doch es liegt in unserer Natur, dem entgegenzuwirken, indem wir zur Quelle des Vergnügens zurückkehren, um uns eine neue Dosis davon zu holen.
Behalten wir dieses Muster jedoch über Stunden hinweg, Tag für Tag, über Wochen oder Monate bei, verändert sich in unserem Gehirn der Ausgangspunkt für Freude. Dann müssen wir weiterspielen, allerdings nicht mehr, um Freude zu empfinden, sondern nur noch, um uns normal zu fühlen. Sobald wir aufhören, erleben wir die typischen Entzugserscheinungen jeder süchtig machenden Substanz: Angst, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit und eine gedankliche Fixierung auf den nächsten Konsum – das, was wir als Verlangen bezeichnen.
Kurz gesagt kann die unerbittliche Jagd nach Vergnügen zu Anhedonie führen, der Unfähigkeit, überhaupt noch Freude zu empfinden. Doch wenn wir für eine gewisse Zeit auf stimulierende Substanzen und / oder Verhaltensweisen verzichten, sind wir in der Lage, unsere Belohnungswege im Gehirn zurückzusetzen und unsere Fähigkeit zur echten Freude wiederzugewinnen.
Mein Patient war überzeugt genug, es zumindest auszuprobieren.
Einen Monat später kam er zurück – nach vollständigem Verzicht auf Videospiele – und berichtete, dass er sich besser fühle als seit Jahren. Weniger ängstlich. Weniger deprimiert. Warum? Weil sein Gehirn, nachdem es nicht mehr ständig mit Dopamin überflutet wurde, die Chance hatte, seinen natürlichen Ausgangspegel wiederherzustellen. Er selbst war am meisten überrascht, dass es ihm tatsächlich besser ging – eine Reaktion, die ich häufig erlebe. Denn sobald wir dem Dopamin hinterherjagen, fällt es uns schwer, Ursache und Wirkung klar zu erkennen. Erst wenn wir Abstand von unserer bevorzugten »Droge« nehmen, sehen wir den wahren Einfluss unseres Konsums auf unser eigenes Leben und auf die Menschen um uns herum.
Doch machen wir uns nichts vor: Dieser Prozess ist alles andere als einfach. Je nach Substanz, Person und Umständen kann es sich anfühlen wie der Aufstieg auf den Mount Everest – und das in Badesachen. Deshalb müssen wir den Entzug planen, Schritt für Schritt vorgehen und uns Unterstützung holen.
Darüber hinaus ist das Problem unseres süchtig machenden Ökosystems (einer Welt, in der fast alles zur Droge geworden ist) ein gesellschaftliches Problem. Die Unternehmen, die diese hochwirksamen Genussmittel produzieren und davon profitieren, tragen auch eine Verantwortung, an der Entwicklung von Lösungen mitzuwirken. Schulen, Regierungen und andere Institutionen können und sollten Schutzmechanismen und Anreize schaffen, um gesundes Verhalten zu fördern. Aber als Einzelpersonen und Familien können wir nicht darauf warten, dass sie handeln. Es geht um Menschenleben. Wir müssen dort anfangen, wo wir gerade sind, und mit dem arbeiten, was uns zur Verfügung steht. Indem wir uns selbst verändern, eine Person nach der anderen, können wir auch die Welt verändern.
Das Akronym des englischen Wortes DOPAMINE, das in Die Dopamin-Nation eingeführt wurde, bildet die strukturelle Grundlage für den interaktiven Leitfaden, der nun folgt. Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Buchstaben dieses Akronyms: Daten, Objectives (Deutsch: Ziele), Probleme, Abstinenz und Askese, Mindfulness (Deutsch: Achtsamkeit), Insight (Deutsch: Einsicht) / (und radikale Ehrlichkeit), Nächste Schritte und Experiment. Das Ziel des Offiziellen Arbeitsbuchs zu Die Dopamin-Nation besteht darin, eine praxisnahe und anpassbare Ressource bereitzustellen, die Menschen dabei hilft, sich in einer von übermäßigem Vergnügen und Schmerz geprägten Welt besser zurechtzufinden.
Es gibt keinen bestimmten richtigen Weg, dieses Arbeitsbuch zu nutzen. Sie können es erst einmal komplett durchlesen und dann zu den Übungen zurückkehren. Oder Sie beginnen direkt mit den Kapiteln, die für Sie am relevantesten sind, und holen die anderen später nach.
Um jedoch das Beste aus diesem Buch herauszuholen und Ihre Chancen auf eine erfolgreiche und nachhaltige Verhaltensänderung zu maximieren, empfehle ich folgende Vorgehensweise:
• Lesen Sie die Kapitel 1 bis 4 und machen Sie die darin enthaltenen Übungen, bevor Sie mit dem in Kapitel 4 beschriebenen Dopaminfasten beginnen.
• Während des Dopaminfastens gehen Sie die Kapitel 5 und 6 durch.
• Gegen Ende des Dopaminfastens arbeiten Sie sich durch die Kapitel 7 und 8.
Wie auch immer Sie dieses Arbeitsbuch nutzen – das Wichtigste ist, dass Sie es aktiv nutzen. Holen Sie sich Kugelschreiber, Bleistifte, Marker oder sogar Wachsmalstifte und schreiben Sie hinein. Kritzeln Sie es voll. Notieren Sie Ihre Gedanken und Ideen. Reißen Sie wichtige Seiten heraus, stecken Sie sie in Ihre Tasche oder Ihren Planer und nehmen Sie sie mit – zum Lesen in der Bahn, am Schreibtisch oder wenn Sie an einer roten Ampel warten. Der Prozess mag etwas Heiliges haben, aber dieses Buch selbst sollte nicht heilig sein. Also machen Sie es sich zu eigen, lieber Leser.
Wenn Sie die Inhalte lieber in digitaler Form bearbeiten wollen, nur zu. Viele meiner Patienten aus dem Silicon Valley, insbesondere Ingenieure, erstellen aus den vorgeschlagenen Übungen ihre eigenen ausgeklügelten Tabellen. Aber falls Sie, so wie ich, versuchen, weniger Zeit am Bildschirm zu verbringen, dann ermutige ich Sie, bei der langsameren, haptischen Erfahrung des handschriftlichen Schreibens zu bleiben.
Zu guter Letzt gibt es keinen festen Zeitplan, wie lange Sie für dieses Arbeitsbuch brauchen sollten. Gehen Sie es in Ihrem eigenen Tempo durch. Aber vergessen Sie nicht: Die Perfektion ist der Feind des Guten. Es ist besser, das Buch irgendwie durchzuarbeiten, als nur die Hälfte perfekt zu machen und nie fertig zu werden. Während Sie die Übungen machen, schreiben Sie nur so viel, dass es für Sie Sinn ergibt. Fühlen Sie sich nicht gezwungen, in vollständigen Sätzen zu schreiben, grammatikalisch korrekt zu sein oder besonders leserlich zu schreiben. Wichtiger ist, dass Sie sich mit den Ideen auseinandersetzen und Ihre Gedanken so strukturieren, dass Sie mit dem Buch vorankommen.
Also, legen wir los. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Es geht um Ihr Leben.
Das D in DOPAMINE steht für Daten. Hier geht es um Fakten, nicht um Gefühle. Das heißt nicht, dass Gefühle unwichtig wären, ganz im Gegenteil. Aber um sie kümmern wir uns später.
Sucht wird im weitesten Sinne als das fortgesetzte, zwanghafte Konsumieren einer Substanz oder das wiederholte Ausführen eines Verhaltens definiert, trotz nachweislichen Schadens für sich selbst oder andere. Sucht tritt in einem großen Spektrum auf. Die meisten von uns kämpfen nicht mit lebensbedrohlichen Süchten, doch fast jeder von uns hat in irgendeiner Form mit zwanghaftem Überkonsum zu tun.
Denken Sie an eine Substanz oder an ein Verhalten – vielleicht sind es sogar mehrere –, die Sie auf eine Weise nutzen, die Ihren eigenen Wünschen oder Absichten widerspricht. Etwas, das sich negativ auf Ihre Gesundheit, Ihre Beziehungen oder Ihre Karriere auswirkt und nicht mit Ihren Zielen im Einklang steht. Vielleicht konsumieren Sie mehr, als Sie geplant haben. Vielleicht haben Sie sich schon mehrfach gesagt: »Morgen mache ich eine Pause damit«. Doch dieses Morgen kommt nie. Vielleicht lügen Sie sich selbst oder andere über Ihr Konsumverhalten an, verharmlosen die investierte Zeit oder das Geld, das Sie dafür ausgeben. Vielleicht haben Ihnen auch andere Menschen schon gesagt, dass Sie es übertreiben.
Denken Sie über die gängigen süchtig machenden Substanzen und Verhaltensweisen wie Alkohol oder Zigaretten hinaus. Weiten Sie Ihren Blick: In der heutigen Welt kann fast alles zur Sucht werden, weil nahezu alles so optimiert wurde, dass es noch intensiver und neuartiger und dazu noch im Überfluss vorhanden und leicht zugänglich ist. Denken Sie nur an verarbeitete Lebensmittel, soziale Medien, Videospiele, Online-Shopping, exzessiven Sport, ständiges Texten und Chatten – die Liste ist endlos. Wie ich in Die Dopamin-Nationbeschrieben habe, habe ich in meinen frühen Vierzigern eine milde Sucht nach frivolen Liebesromanen entwickelt.
Menschen können genauso von unangenehmen oder schmerzhaften Reizen abhängig werden wie von angenehmen. Zum Beispiel habe ich selbst mit obsessiven Grübeleien über das Wohl meiner Kinder zu kämpfen. Rumination, abgeleitet vom lateinischen Wort ruminare (wiederkäuen), bedeutet, Dinge immer wieder im Kopf durchzukauen. Ich kann Stunden damit verbringen, mich in unproduktiven Sorgen um meine Kinder zu verlieren, und schade damit sowohl mir selbst als auch ihnen. Es schadet mir, weil ich wertvolle Zeit darauf verschwende, über Dinge nachzudenken, die außerhalb meiner Kontrolle liegen, anstatt mich mit den realen Problemen zu beschäftigen, die ich tatsächlich beeinflussen kann. Es schadet meinen Kindern, weil ich sie zu Objekten meiner Ängste mache; ihr Wohlergehen wird zu meinem Wohlergehen. Das führt zu einem Kreislauf der Co-Abhängigkeit, der sie unter Druck setzt, gesund und glücklich zu wirken, selbst wenn sie es nicht sind. Auf paradoxe Weise sind diese Sorgen, die ich mir mache, meine Komfortzone.
Meine Patienten berichten von ähnlichen obsessiven Sorgen – über nationale Politik, den Klimawandel, Krankheiten, vergangene Traumata, Fehler, die sie gemacht haben oder machen könnten, und vieles mehr.
Die Frage liegt nahe: Was ist der Unterschied zwischen einer Leidenschaft, einer Gewohnheit und einer Sucht? Der entscheidende Unterschied ist der Schaden, den die Substanz oder das Verhalten verursacht. Doch dieser Schaden ist nicht immer sofort offensichtlich. Manchmal sehen andere ihn, während wir ihn selbst nicht wahrnehmen, und manchmal ist der Schaden äußerst subtil und summiert sich erst über die Zeit. Besonders schwer zu erkennen sind Abhängigkeiten von Medikamenten, die wir als Heilmittel betrachten, oder von Dingen und Verhaltensweisen, die gesellschaftlich gefeiert werden, wie Arbeit, Status, Geld oder Macht.
Selbst wenn Sie nicht das Gefühl haben, ein massives Problem mit Überkonsum zu haben, gibt es vielleicht Bereiche in Ihrem Leben, in denen Sie aktiv dafür kämpfen müssen, dass sie nicht überhandnehmen. Andernfalls könnten sie früher oder später Schaden anrichten.
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In der Tabelle auf der nächsten Seite finden Sie eine Auflistung von Substanzen und Verhaltensweisen, zu denen meine Patienten, meine Leser und ich selbst im Laufe der Jahre eine ungesunde Beziehung entwickelt hatten, darunter Drogen, Medikamente, Medien, Internet, Technologie, andere Menschen, unser eigener Körper, Sport, Bewegung, Spiele, Adrenalin, Essen, Arbeit, Erfolg und Geld.
Kreuzen Sie die Substanzen und / oder Verhaltensweisen an, mit denen Sie in der Vergangenheit oder Gegenwart zu kämpfen hatten, insbesondere die Verhaltensweisen, die Sie gerne ändern würden oder bei denen Sie darüber nachdenken, ob Sie sie ändern möchten. Überspringen Sie diesen Schritt nicht und beschönigen Sie nichts. Es ist wichtig, dass wir es langsam angehen und uns die Zeit nehmen, unsere Verhaltensweisen wirklich zu betrachten. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf diese Weise lenken, wird das Bewusstsein geschärft. Sich einer Sache bewusst zu werden, ist der erste Schritt zur Veränderung.
INTERAKTIVE ÜBUNG:
Identifizierung problematischer Substanzen und Verhaltensweisen
(Kreisen Sie die zwanghaften Verhaltensweisen ein, die auf Sie zutreffen.)
Drogen
Medikamente
Medien, Internet, Technologie
Andere Menschen, unser eigener Körper
Sport, Bewegung, Spiele, Adrenalin
Essen
Arbeit, Erfolg, Geld
Alkohol
Opioide
Videos, Filme, Serien gucken
Liebe
Videospiele
Zucker
Arbeitsbesessenheit
Nikotin
Beruhigungsmittel
Soziale Medien, Chatten, Posten, Bloggen, Liken, Kommentieren
Sex
Sport treiben, Ausdauertraining, trotz Verletzung weitertrainieren
Koffein, Energydrinks
Preise gewinnen / öffentliche Anerkennung
Cannabis
Aufputschmittel
Endloses, sinnloses scrollen
Pornografie, Dating-Apps
Sportübertragungen schauen
Softdrinks
Öffentliches Reden
Heroin
Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren
Doomscrolling (Endloses Scannen negativer Nachrichten), Online-News, Kommentare
Masturbation
Sportwetten
Fett
Social-Media-Follower / Likes generieren
Halluzinogene
Muskelrelaxantien
Promiklatsch
Selbstverletzung, Ritzen
Schach, Kartenspiele spielen
Salz
Schmeichelei, Komplimente
Inhalationsmittel
Husten- und Erkältungsmedikamente
Online-Sport
Haare ausreißen
Spielautomaten, Lotterien, Rubbellose
Kohlenhydrate / Stärke
Investitionen, Börsenhandel, ständig nach den Anlagen gucken
Kokain
Kopfschmerzmittel
Medizinische Online-Informationen
Tattoos
Stehlen, Feuer legen
Hochverarbeitete Lebensmittel
Boni
Meth
Schlafmittel
Online-Reiseinformationen
Andere Menschen manipulieren
Fallschirmspringen, Bungee-Jumping, Klettern
Essanfälle
Kryptowährungen
Psychedelika
Nahrungsergänzungsmittel
Online-Wetterinformationen
Lügen
Autos, Motorräder, schnelles Fahren, Offroad fahren
Ess-Brech-Sucht
Materieller Erwerb zur Statussymbolisierung: Autos, Kleidung, Häuser, Uhren, Schmuck
Kratom
Steroide
Online-Shopping
Sorgen machen
Kämpfen, Wutausbrüche, körperliche Gewalt
Kalorienrestriktion, Kalorienzählen
Karriereaufstieg in der professionellen Hierarchie: Unternehmen, Justiz, Wissenschaft, Militär
Mein problematischer Konsum konzentriert sich zum Beispiel auf Unterhaltungsliteratur, sinnlose YouTube-Videos, Schokolade und die Sorge um meine Kinder. Mein Patient Riley* hat mit Netflix, TikTok, Alkohol und übermäßigem Verzehr von Fertiggerichten zu kämpfen. Mein Patient Andy hingegen hat ein Problem mit übermäßigem Sport und der Einschränkung seiner Ernährung durch zwanghaftes Kalorienzählen. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Nehmen Sie die Substanzen oder Verhaltensweisen, die Sie in der obigen Tabelle eingekreist haben, oder zusätzliche, die Sie in der Tabelle nicht gefunden und die Sie hinzugefügt haben, und übertragen Sie sie in die untenstehende Tabelle, indem Sie ein Häkchen oder ein X in die Spalten setzen, die auf das jeweilige Verhalten zutreffen. Diese Übung wird Ihnen dabei helfen, Ihr Verhalten besser zu charakterisieren, einschließlich des Verhaltens, das außer Kontrolle geraten ist, das Lügen beinhaltet, um das Verhalten zu vertuschen, und das von anderen bemerkt wurde.
INTERAKTIVE ÜBUNG:
Charakterisierung problematischer Substanzen und Verhaltensweisen
Substanz oder Verhalten
Mehr oder häufiger konsumiert als geplant
Ich habe versucht, den Konsum zu reduzieren, kann es aber nicht oder habe eine Ausrede genutzt, um weiter zu konsumieren
Ich habe anderen oder mir selbst gegenüber bezüglich des Konsums gelogen oder berichtet, weniger oder seltener zu konsumieren, als es tatsächlich der Fall war
Andere Leute haben mein Verhalten kommentiert oder sich besorgt darüber geäußert
Nachdem wir unsere problematischen Verhaltensweisen identifiziert haben, wollen wir uns nun auf die Häufigkeit und Menge konzentrieren. Häufigkeit und Menge sind wichtig, weil wir von Natur aus dazu neigen, unseren Konsum geringer darzustellen, als er ist. Dazu kommt, dass wir, je mehr wir von einer Droge konsumieren oder ein Verhalten praktizieren, unser Gehirn stärker verändern und Gefahr laufen, in den Strudel der Sucht zu geraten.
Wenn wir die objektiven Informationen nutzen, die uns zur Verfügung stehen, und unseren Konsum in 24-stündige Abschnitte der vergangenen Woche aufschlüsseln, anstatt den Wochendurchschnitt zu schätzen, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir eine genaue Bilanz erhalten. Die Aufzeichnung des täglichen Konsums über eine Woche ist die Time-Line-Follow-Back-Methode, die sich als genauere Methode zur Messung des Alkoholkonsums erwiesen hat als die Frage: »Wie viel trinken Sie in einer bestimmten Woche?« Wir nutzen diesen Ansatz in der klinischen Betreuung für alle Substanzen und Verhaltensweisen.
Wie kann ein verstärktes Bewusstsein die Handlungsfähigkeit verbessern? Es könnte etwas mit dem präfrontalen Kortex zu tun haben. Der präfrontale Kortex ist der große Bereich der grauen Substanz hinter unserer Stirn, der aktiviert wird, wenn wir Geschichten erzählen, zukünftige Konsequenzen abschätzen und Belohnungen aufschieben. Er ist auch ein wichtiger Teil des Belohnungsschaltkreises in unserem Gehirn, der als Bremse für übermäßigen Konsum dient. Auf der nächsten Seite finden Sie eine vereinfachte Darstellung der Belohnungsbahnen des Gehirns, bestehend aus dem präfrontalen Kortex, dem Nucleus accumbens und dem ventralen tegmentalen Areal.
Die Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen, prägen nicht nur unsere Erfahrungen in der Vergangenheit, sie sind auch ein Wegweiser für die Zukunft. Wenn wir unser Verhalten genau beobachten und schildern, haben wir Zugang zu besseren Informationen, als wenn das Verhalten einfach nur in den dunklen Nischen unseres Gehirns herumschwirrt. Wir erzeugen auch kognitive Dissonanz – die Nichtübereinstimmung mit unseren veralteten Denkmodellen –, was uns wiederum dazu veranlasst, neuere, bessere Modelle zu entwickeln, die mit dem übereinstimmen, wie die Welt wirklich funktioniert, oder unsere beste Annäherung an sie.
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Denken Sie an die vergangene Woche. Wie viel und wie oft haben Sie die Droge Ihrer Wahl genommen? Ich verwende den Begriff »Droge« hier sowohl für Substanzen, die wir konsumieren, als auch für Verhaltensweisen, die wir ausüben.