Das Pferd in der Cellostunde - Pepi Hofer - E-Book

Das Pferd in der Cellostunde E-Book

Pepi Hofer

4,9

Beschreibung

Impact bedeutet Einwirkung, Einfluss, Effekt, Eindruck. In der Psychotherapie steht der Begriff für eine Technik, die Informationen, Anregungen und Interventionen so "verpackt", dass sie hoch wirksam beim Klienten ankommen und eine nachhaltige Reaktion auslösen. Pepi Hofer, Cellolehrer an der Liechtensteinischen Musikschule, zeigt, wie abstrakte Inhalte auch in der Pädagogik durch Geschichten und Bilder konkret, fassbar und (be-)greifbar werden. Wenn Emanuele sein Cello mit einer Tonleiter gegen Grippe impfen kann, Frederik mit Miraculix' Zaubertrank im Rücken sorgfältiger intoniert, Tanja ihre Finger wie Cellobabys behandelt und Petra mit Hilfe eines Krokodils ihre Finger besser platzieren kann, verwandelt sich die Cellostunde in eine magische, kindnahe Erlebniswelt, in der sich die Kinder wohlfühlen, weil sie genau verstehen, was gemeint ist.

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Inhalte

Vorwort

Impact-Techniken in der Pädagogik

Im Cello-Wunderland

Randgeschichten

50 Anregungen und Tipps für Eltern

50 Anregungen und Tipps für Schüler

Nachwort

Dank

Das Pferd in der Cellostunde

Praktische Beispiele fürkindgemäßen Instrumentalunterrichtunter Anwendung der Impact-Pädagogik

Pepi Hofer

üben & musizieren

texte zur instrumentalpädagogik

Dieses Buch entstand mit Unterstützung der Kulturstiftung Liechtenstein.

© 2013 Schott Music, Mainz

Redaktion: Rüdiger Behschnitt

Inhalt

Vorwort von Gerhard Mantel

Impact-Techniken in der Pädagogik. Eine Einführung von Maya Hofer

Im Cello-Wunderland

Randgeschichten

50 Anregungen und Tipps für Eltern

50 Anregungen und Tipps für Schüler

Nachwort

Danksagung

Autorenhinweise

Vorwort

Man kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus, liest immer weiter und meint schließlich, selbst durchs Schlüsselloch zu schauen und Zeuge sein, mitlachen, sogar mitlernen zu dürfen. Diese Sammlung von „Kindermund“ im Unterricht ist aber viel mehr als eine augenzwinkernd unterhaltsame Lektüre: Ohne dass Pepi Hofer auch nur den Versuch macht, sich als idealen Lehrer darzustellen, zeigt er in diesem Buch exemplarisch die fantasievolle Arbeit eines Instrumentalpädagogen, der ein derart konstruktiv-liebevolles Verhältnis zu seinen Schülern aufgebaut hat, dass eine solche Sammlung überhaupt entstehen konnte. Man fragt sich ein bisschen verlegen: Reden meine Schüler auch so offen, frei, witzig, lustig, verschmitzt, frech, bewundernd mit mir – und vielleicht auch über mich? Der unerschöpfliche Ideenreichtum des Lehrers wird durch eine üppige kindliche Fantasie der verschiedensten Schülertypen gespiegelt und, würde Pepi Hofer wohl sagen, immer wieder neu inspiriert – und das fach­liche Ergebnis kann sich wahrlich sehen lassen!

Hofer spricht unumwunden auch die möglichen Schwachstellen eines Lehrers an: Er kann die falsche „Maßnahme“ ergreifen, er kann die Reaktion eines Kindes missverstehen, er kann auch einmal „auf der Leitung stehen“, kurzum, er ist auch nur ein Mensch. Vielleicht lieben ihn seine Schüler gerade deshalb so sehr!

Das Buch hat aber einen noch weit darüber hinausgehenden pädagogischen Wert: Jede einzelne Episode hat eine Meta-Bedeutung, die uns Kollegen daran erinnert, wie sich aus dem System Schüler-Lehrer eine beglückende und bei allem Spaß ernsthafte und intensive Beschäftigung mit Musik ergeben kann. Es entstehen Vertrauen und damit Entwicklung allein schon durch das Menschenbild, das den Hintergrund der kleinen Geschichtchen bildet.

Maya Hofer stellt in ihrer wissenschaftlichen Zusammenfassung und Deutung dieser Arbeit den Begriff des „Impact“ als Eindruck, Einfluss, eben als die pädagogische Nachhaltigkeit und damit letztlich als die Voraussetzung des Unterrichtserfolgs in den Mittelpunkt. Sie unterstreicht noch einmal, wie Verhalten, Wertschätzung, Freude, bilderreiche Fantasie, spielerische Vergleiche, auch Spaß, auch Ernst auf Kinder wirken („Impact“ erzeugen) und von ihnen akzeptiert und honoriert werden, wenn sie als Personen im „System“ integriert sind und nicht als „Erziehungsobjekte“ gesehen werden.

Am Anfang eines Schüler-Lehrer-„Systems“ steht die Interaktion, die Beziehung zwischen den beiden; ihre Bedeutung im Unterricht wiegt prinzipiell schwerer als selbst die kompetenteste Übermittlung des sachlichen Inhalts. Dies zu erkennen und danach zu handeln fällt Lehrern als Erwachsenen oft schwer, denn ihr Interesse ist ja verständlicherweise und im Sinne der ihnen übertragenen Aufgabe vorwiegend und vielleicht eben ein bisschen einseitig auf die Vermittlung des Unterrichtsstoffs gerichtet, oft, ja meist verbunden mit durchaus legitimem Ehrgeiz in Bezug auf die Leistung ihrer Schüler.

Die Tipps für Eltern und Schüler gegen Ende des Buchs scheinen manchmal trivial, und doch ertappt man sich dabei, fast verwundert festzustellen: Eigentlich hat er ja Recht! Es hat sich schon gezeigt, dass Eltern für diese ihnen selbst gar nicht trivial erscheinenden Tipps sehr dankbar sind. Eltern sind ja der dritte Eckpunkt des „Sys­tems“ und ihr Verhalten entscheidet in hohem Maße mit über den Erfolg auch des engagiertesten Lehrers.

In diesem Buch ist neben seinem hohen „Entertainment“-Wert mehr informative Theorie („Anschauung“) enthalten als in mancher umfänglichen wissenschaftlichen Abhandlung darüber, was ein Instrumentallehrer tun oder lassen soll. In diesem Sinne sei dem Leser bei der Lektüre ebenso viel Gewinn wie Spaß gewünscht!

Gerhard Mantel

Impact-Techniken in der Pädagogik

Eine Einführung

Impact bedeutet Auswirkung, Einwirkung, Einfluss, Anschlag, Effekt, Beeinflussung, Berührung, Eindruck, Einschlag, Wirkung, Stoßwirkung, Zusammenprall. Im Englischen wird der Begriff im Zusammenhang mit Bomben, Umwelt, Kometen und Technik verwendet. Ed Jacobs (1994), Professor für Psychologie an der Universität in West Virginia, prägte den Ausdruck für eine psychotherapeutische Technik, die Informa­tionen, Anregungen und Interventionen so „verpackt“, dass sie hoch wirksam beim Klienten ankommen und eine nachhaltige Reaktion auslösen. Impact-Kommunikation wirkt vor allem durch die Kraft der Bilder, Metaphern und Symbole, die alle Sinne und Areale im Gedächtnis ansprechen, die mit einer bloß digitalen, verbalen Botschaft nicht erreicht werden können. Impact-Aussagen wirken durch ihre Analogie, durch die Gefühle, die sie auslösen.

Danie Beaulieu (2005) hat die Techniken sowohl für die psychotherapeutische wie pädagogische Arbeit weiterentwickelt. Ihr verdanken wir zwei wunderbare Bücher.*

Viele Therapeuten und Lehrpersonen arbeiten intuitiv mit diesen Techniken, ohne Jacobs oder Beaulieu zu kennen. Auch wir sind erst nach dem Zusammentragen der Fallbeispiele auf den Begriff und die dazu gehörende Theorie gestoßen. Die in diesem Buch enthaltenen Beispiele aus der Praxis des Cellounterrichts zeigen eine aus Einfühlung, Intuition, Humor und reicher Erfahrung entstandene Pädagogik, die sich ohne theoretische Einbindung oder Kenntnis entwickelte. Sie resultierte aus vermeintlich simplen Einsichten:

1. Kinder brauchen Geschichten und Bilder, um zu begreifen.

2. Kinder müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen.

3. Kinder brauchen einen angstfreien, von Humor geprägten Unterricht.

4. Kinder brauchen Be-ziehungen, nicht Er-ziehungen.

5. Kinder brauchen positive Verstärker, nicht Tadel und Strafen.

6. Kinder lernen gerne, Kinder wollen es „recht machen“.

7. Kinder brauchen Wertschätzung.

„Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Diese oft missverstandene Redewendung drückt aus, dass die meisten Kinder (und viele Erwachsene) Informationen nicht über akustische Sinne am besten wahrnehmen, sondern andere Modalitäten brauchen, um nachhaltig zu lernen, zu verarbeiten und umzusetzen. Beaulieus Standard-Beispiel aus der psychotherapeutischen Praxis veranschaulicht diese Wirkung nachhaltig: Einer misshandelten Klientin verbal zu versichern: „Sie sind immer noch wertvoll“, hat nicht die gleiche Schlagkraft, wie vor ihr eine Banknote zu zerknüllen, auf ihr herumzutrampeln und sie dann sorgfältig wieder zu glätten. Die Note hat immer noch den gleichen Wert wie vor der Misshandlung, auch wenn sie zerknittert ist. Die nonverbal demonstrierte Bildhaftigkeit löst im Gedächtnis der Klientin tief wirksame und heilsame Erkenntnisse und Gefühle aus.

Abstrakte Inhalte werden auch in der Pädagogik durch Geschichten und Bilder konkret, fassbar und (be-)greifbar. Wenn Emanuele sein Cello mit einer Tonleiter gegen Grippe impfen kann, Frederik mit Miraculix’ Zaubertrank im Rücken sorgfältiger intoniert, Tanja ihre Finger wie Cellobabys behandelt und Petra mit Hilfe eines Krokodils ihre Finger besser platzieren kann, verwandelt sich die Cellostunde in eine magische, kindnahe Erlebniswelt, in der sich die Kinder wohlfühlen, weil sie genau verstehen, was gemeint ist. Für Eva wird die Anweisung, täglich ein bisschen zu üben, statt alles auf einmal, erst verständlich, wenn ihr klar gemacht wird, dass sie ja auch nicht nur einmal pro Woche für die ganze Woche essen kann. Wenn Angelika beim Cellospielen Fische jagen darf, lernt sie durch diese Imagination spielerisch und nachhaltig. Das Gelernte prägt sich gleichsam von selbst in das Gedächtnis ein, weil es verknüpft ist mit positiven Gefühlen und weil es ganz einfach Spaß macht. Und Esther muss nicht ständig zum Üben aufgefordert werden, weil sie unbedingt das Cello-Wunderland finden möchte, was eben nur durch Üben möglich ist.

Auch Jugendliche und Erwachsene sind durchaus empfänglich für Bilder, die ihnen einen Impuls geben. Manchmal genügt es, ihnen einen anderen Blickwinkel anzubieten (z. B. statt fehlerorientiert ressourcenorientiert zu üben), eine Excel-Tabelle zu führen oder sie daran zu erinnern, dass ihr „Akku“ noch nicht leer sein kann. Auch ein Vater eines Schülers sieht durch den Vergleich mit einer ihm bekannten Situation aus dem Sport ein, dass es seine und nicht die Aufgabe des Lehrers ist, dafür zu sorgen, dass der Sohn nicht auf der „Cello-Ersatzbank“ sitzen muss, weil er zu wenig „trainiert“.

Wenn ein Kind in die Musikstunde kommt, bringt es alles mit, was es im Moment beschäftigt, worüber es nachdenkt und grübelt, was es erlebt hat, wie es empfindet. Es bringt seine (Vor-)Freude oder Angst mit, seine Aufregung und seinen Eifer, seine Frustration oder Traurigkeit. Wir Erwachsenen haben gelernt, wie wir all dies ausklammern, wenn es um unsere Pflichten geht; von Kinder erwarten wir das täglich in der Schule. Die Musikstunde darf deshalb eine kleine Oase sein, die das Kind dort abholt, wo es gerade ist. Ob Teddybären als Übe-Assistenten eingesetzt werden, ­Paninibildchen zum Sammeln von Übe-Sequenzen auf dem Cello anregen oder das Pferd zuhören darf – das Kind weiß ganz genau, dass dies Tricks sind, aber es lässt sich lustvoll darauf ein, weil es neugierig ist, weil es ein Spiel ist und weil es mitspielen darf.

Die Lehrperson, die während einer Lektion die gerade aktuellen Gegenstände, ­Ereignisse, Gefühle und Gedanken der Kinder in ihren Unterricht einbinden kann, nimmt ihre Schüler damit bedingungslos ernst und begegnet ihnen „auf Augenhöhe“. Lernpsychologisch gesehen führt die Verknüpfung von methodisch-didaktischen Inhalten mit der jeweiligen Lebenswelt zudem zu neuronalen Vernetzungen und verstärkt dadurch den Lerneffekt. Was wir mit bereits bekannten und positiv besetzten Gefühlen verknüpfen können, bleibt im Gedächtnis nachhaltig haften, weil es zu diesem eindrücklichen „Impact-Effekt“ kommt, der „Aha-Erlebnisse“ auslöst.

Das heißt für die Lehrperson: hinhören, hinschauen, achtsam wahrnehmen und aufgreifen, was pädagogisch eingebaut werden kann. Das heißt auch: erkennen, was für ein Kind ich vor mir habe, wie es am besten lernt, welches Umfeld es prägt, welche Glaubenssätze auf seiner „Festplatte“ verankert sind. Ein Kind, das einen perfektionistischen Anspruch hat, braucht andere Impulse als ein übe-faules. Ersteres muss man eher darin bestärken, Fehler zuzulassen, ein anderes braucht Impacts, um seine Motivation anzuheizen. Manchmal genügen kleinere, feine Impulse, manchmal braucht es diese Stoßkraft, da ein Bild mehr als viele Worte auslösen kann.

Kinder lernen gerne und wollen es recht machen. Natürlich sind sie ab und an auch faul, undiszipliniert und nachlässig. Wir alle kennen das Gefühl des schlechten Gewissens, nicht oder nur ungenügend vorbereitet in eine Stunde, in die Schule, zu einer Prüfung zu gehen. Welche Wohltat zu wissen, dass keine Moralpredigt und keinedrohenden Zeigefinger warten, sondern dass einfach weiter gearbeitet oder geübt wird.

Natürlich werden auch hier von den Kindern Leistungen verlangt. Impact-Techniken einsetzen und nicht tadeln, sondern verstärken, ist nicht gleichzusetzen mit Kuschelpädagogik. In den Fallbeispielen wird mehr als deutlich, dass Leistungen, Einsatz und Disziplin absolut selbstverständlich sind. Durch eine großzügige und einfühlsame pädagogische Haltung ergeben sich die Leistungsbereitschaft und die Motivation indessen fast wie von selbst. Wer einmal erfahren hat, wie viel mehr Spaß Lernen macht, wenn er etwas weiß oder kann, wenn ihm Dinge gelingen, braucht kaum mehr extrinsische Antriebskräfte. Die wirksamste Motivation ist bekanntlich die von innen ausgehende, die intrinsische, die aus mir selbst gewachsene Überzeugung, dass ich es selbst will und schaffen kann. Impacts helfen zusätzlich, eigene Res­sourcen zu aktivieren und lebendig zu halten.

Nicht jedes Kind ist empfänglich für Impact-Techniken. Wenn Sie versuchen, mit Bildern und Geschichten Sachverhalte anschaulich zu machen, werden Sie erleben, dass das eine oder andere Kind damit nichts anfangen kann, dass es Ihnen auch nicht immer gelingt, die wundersame Wirkung zu erzielen. Wie oft fallen uns erst im Nachhinein die guten Vergleiche oder die passenden Worte ein. Lassen Sie sich nicht entmutigen! Schreiben Sie auf, was gepasst hätte, und versuchen Sie es immer wieder. Nehmen Sie wahr, in welcher Stimmung Ihre Schüler bei Ihnen ankommen, was sie gerade beschäftigt, was sie erlebt haben. Ihre Schüler werden allein an Ihrer Haltung, an Ihren Bemühungen, sie dort abzuholen, wo sie stehen, unbewusst merken, dass sie sich in einem empathischen, wohlwollenden Raum bewegen, in dem sie lustvoll lernen können.

Neuere Forschungen auf dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation belegen eindrücklich, dass wir gegenseitig auf Mikro-Zeichen, die weder dem Empfänger noch dem Sender bewusst sind, reagieren. Es sind z. B. minimale Veränderungen in der Kopf- und Körperhaltung, die unserem Gegenüber signalisieren, ob wir ihm geneigt sind, ihn für intelligent oder sympathisch halten oder eben nicht. Allein Ihre Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für die momentane Verfassung eines Schülers verändert Ihre Körperhaltung und sendet eine implizite Botschaft von Wohlwollen und Empathie aus.

Aus unbekannter Quelle stammt die Lebensweisheit: „People will forget what you said, people will forget what you did, but people will never forget how you made them feel.“ (Menschen vergessen, was du gesagt und getan hast, aber niemals, wie sie sich bei dir gefühlt haben.) Das Englische „how you made them feel“ macht deutlich, dass es in unserem Tun oder Machen liegt, ob der andere sich gut oder unwohl fühlt. Diese Impulse werden ausschließlich auf der Beziehungsebene ausgetragen, auf die wir bekanntlich (meist unbewusst) hochsensibel reagieren.

Impact-Techniken wirken, „schlagen ein“, lösen etwas aus, veranschaulichen und verdeutlichen. Sie halten die Kinder hellwach, machen die Stunde zu einem kleinen Abenteuer und die Lernerfolge sichtbar. Mit Geschichten und Bildern zu arbeiten erfordert Flexibilität, Lust am Spiel, Improvisation und ein hohes Maß an Präsenz und Achtsamkeit.

Auch wenn Sie am Abend dann vielleicht „geschafft“ sind, weil Ihre Kreativität und Flexibilität gefordert worden sind – die Freude der Kinder beim Spielen und Lernen wird Sie dafür mehr als entschädigen.

Maya Hofer

* Danie Beaulieu: Impact-Techniken für die Psychotherapie, Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2005Danie Beaulieu: Klimazone Klassenzimmer. 88 originelle Techniken für eine bessere Lern­atmosphäre, Auer Verlag, Donauwörth 2008

Salomé, 7 Jahre, in tiefster Glückseligkeit…

Im Cello-Wunderland

1

Ulli, 7 Jahre, hatte bei seinem Viertel-Cello ein Problem mit einem zu stumpfen Stachel. Jede Stunde beklagte er sich wieder darüber und beiläufig schlug ich ihm vor, er solle doch einmal mit seinem Papa in dessen Fabrik gehen (ein industrieller Betrieb für Metallbau), denn da gäbe es bestimmt eine große Schleifmaschine, um diesen Stachel zu spitzen.

Eine Woche später präsentierte Ulli in der Cellostunde triumphierend den frisch gespitzten Stachel. Die Spitze war so scharf, dass man damit eine Infusion hätte legen können. Er setzte sich auf seinen Stuhl, platzierte den Stachel mit Nachdruck und fragte mich prüfend, denn es war schon in der letzten Cellostunde die Rede davon: „Und – was ist mit dem größeren Cello?“ Ich erklärte ihm, dass ich mit dem Geigenbauer gesprochen hätte und dass wir ein halbes Cello zum Ausprobieren holen dürften. „Und wenn diese Größe passt, dann dürfen wir beim Geigenbauer das beste von den halben Celli aussuchen.“ Ulli meinte darauf mit sachlicher Überzeugung und endgültig abschließender Selbstsicherheit: „Gut, dann nehmen wir das mit dem spitzigs­ten Stachel.“

Cellistisch waren wir gerade beim Thema staccato. Wir spielten in dieser Cellostunde alle möglichen staccato-Noten einmal mit spitzem, einmal mit stumpfem Stachel und lernten, dass von ultra-kurz bis fast-legato alle Notenlängen als staccato bezeichnet werden können. Der zweite Satz der a-Moll-Sonate von Vivaldi eignete sich hervorragend dafür und Ulli war fasziniert davon, die Notenlängen mit allen möglichen Arten von „Stachelspitzen“ zu spielen.

2

Emanuele, 8 Jahre, rief eines Abends an und beklagte sich, er könne nicht mehr üben. Auf meine Frage, warum, sagte er: „Es ist zu gefährlich!“ – „Was ist zu gefährlich?“ – „Es ist hochansteckend!“ – „Was ist denn so hochansteckend?“ – „Mein Cello hat die Cellogrippe!“ (Die Mutter berichtete mir später, dass die Familie beim Abendessen über die Vogelgrippe diskutiert habe.)

Ich sagte daraufhin zu Emanuele: „Da gibt’s nur eins: impfen.“ – „Wie macht man das?“ – „Ganz einfach, ein Cello impft man mit einer C-Dur-Tonleiter und da du dich bereits angesteckt hast, muss du auch dich mit einer C-Dur-Tonleiter impfen. Jetzt legst du den Hörer auf den Tisch und spielst mir am Telefon zwei Mal eine C-Dur-Tonleiter vor.“ Emanuele führte das seriös und mit Überzeugung aus und konnte fortan wieder „ungefährdet“ weiterüben.

Auch später litt das Cello immer wieder einmal unter einer leichten Grippe oder einem ausgewachsenen Schnupfen. Wir legten uns dann ein paar Übungen zurecht, die diese „Krankheiten“ heilen konnten. Vor allem entdeckten wir mit der Zeit, welche Übungen sozusagen eine Prophylaxe darstellten, um solch akute „Erkrankungen“ zu verhindern.

3

Mit Nina, 6 Jahre, entwickelte sich ein geheimes Spielchen mit falschen oder unsauberen Tönen. Wenn sie gar zu unsauber intonierte, zog ich eins meiner Hosenbeine leicht hoch und wies augenzwinkernd darauf hin, dass es mir bei so falsch gespielten Tönen fast die Socken ausziehe.

Eines Tages hatte Nina ausnahmsweise an einem Samstagvormittag Cellostunde. Sie war sehr müde, da sie abends zuvor spät ins Bett gegangen war und folglich zu wenig geschlafen hatte. Entsprechend spielte sie ausgesprochen unsauber. Ich fragte sie, ob es ihr denn bei so unsauberen Tönen nicht auch die Socken ausziehe, und prompt kam die Antwort: „Nein, ich habe heute Morgen extra eine Strumpfhose angezogen.“

Wir spielten anschließend das Stück nochmals und teilten alle Takte nach Strumpf­hosen und Socken ein. Strumpfhosen-Takte waren die unsauberen, Socken-Takte die sauberen. Am Schluss der Stunde war Ninas Aufmerksamkeit so groß, dass wir gefahrlos das ganze Stück auch „barfuß“ spielen konnten.

4

Gabriel, 6 Jahre, spielte leere Saiten. Mitten im Spiel hörte er auf und fragte: „Duuu, welche Lastwagen findest du cooler, die Drei-Achser oder die Sechs-Achser?“

Sechs-Achser können mehr Gewicht laden als Drei-Achser. Wir hatten somit eine vierspurige Autobahn (die vier Saiten) und zwei verschiedene Lastwagentypen. Die leichteren Drei-Achser fuhren in der unteren Bogenhälfte, die schwereren Sechs-Achser in der oberen Bogenhälfte. Da die Sechs-Achser länger gebaut sind, musste man den Arm strecken, um sozusagen um die Kurve fahren zu können. Das Beugen und Strecken des Unterarms bereitet allen Anfängern Mühe. Es ist aber eine unverzichtbare Bewegungsform, um an der oberen Bogenhälfte „gerade“ streichen zu können.

Der „Benzin-Verbrauch“ beim Üben zu Hause war in der folgenden Woche enorm und es wurde sehr viel „Material“ transportiert. Mit den Fingern der linken Hand kamen dann später noch die Chauffeure und Bauarbeiter hinzu.

5

Piero, 6 Jahre, unterbrach mitten im Spielen sein Menuett und fragte: „Kann ein Haifisch ein Loch in ein Frachtschiff beißen?“