Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Michaela fängt ihre erste Stelle als Altenpflegerin in einem Altenheim an. Schnell merkt sie das es dort anders ist als in anderen Altenheimen. Nachts öffnet sich ein Portal aus dem Geisterkinder rauskommen mit denen Michaela Nachts Fußball spielt. Außerdem lernt sie Paul kennen und Verliebt sich in ihn. Paul glaubt nicht an die Geisterkinder bis er selbst Kontakt mit ihnen hat.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 351
Veröffentlichungsjahr: 2023
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es Geister wirklich gibt.
Aber das änderte sich, als ich im Sommer 2006 in einem Altenheim anfing zu arbeiten
Als ich hinfuhr, war ich total nervös.
Wie würden mich meine neuen Kollegen aufnehmen?
Erst wenige Tage zuvor hatte ich mein Examen gerade bestanden, und nun hatte ich schon eine Stelle.
Am Vortag war ich da gewesen, hatte einen Probetag gehabt und anschließend sofort einen Vertrag bekommen.
Ich freute mich riesig und rief gleich meine Eltern an.
»Oh super, mein Schatz, das freut mich für dich.«
Meine Mutter war froh, dass ich eine Arbeit gefunden hatte. Denn es gab so viele Arbeitslose.
Es war kurz vor sechs Uhr, als ich ankam.
Ich ging in die Umkleidekabine, die ich am Vortag gezeigt bekommen hatte.
Nachdem ich mich umgezogen hatte, stand ich weiß bekleidet vor dem Aufzug und wartete.
Eine junge Frau kam und wartete auch vor dem Aufzug.
Müde sagte ich:
»Morgen.«
Die Frau wirkte schon wacher.
»Guten Morgen.«
In dem Moment kam der Aufzug. Ich ließ die Frau zuerst einsteigen.
Sie drückte auf die Zwei.
»Wohin?« Fragend sah sie mich an.
»Auf die Fünf.«
»Ah ja, auf die Kinderstation.«
Verwundert sah ich sie an.
Sie lächelte nur und verließ kurz darauf den Fahrstuhl.
Nun war ich allein im Aufzug.
Was hatte sie wohl gemeint mit Kinderstation?
Ich hatte mich doch als Altenpflegerin beworben und nicht als Kinderkrankenschwester.
Es dauerte nicht lange, da ging die Tür auf.
Vom Dienstzimmer hörte ich Stimmen. Ich lief dorthin.
Drinnen saßen drei junge Frauen und ein Mann.
»Hallo, ich bin Paul«, begrüßte mich der Mann und gab mir die Hand.
Ich stellte mich vor.
»Ich bin Tina«, rief eine der Frauen.
Die beiden anderen kannte ich schon vom Vortag.
Wir blieben noch eine halbe Stunde im Dienstzimmer sitzen und tranken Kaffee.
Anschließend fingen wir an.
Paul nahm mich mit.
Wir gingen in einen langen Flur, der zum Altbau gehörte.
Dort zeigte er mir zwei Bewohner, die ich versorgen sollte.
Im ersten Zimmer saß die Bewohnerin schon in ihrem Sessel.
»Na endlich«, rief sie, als ich reinkam.
Ich stellte mich kurz vor.
»Jaja, schon gut«, rief die Frau und lief ins Bad.
Nachdem ich ihr beim Waschen und Anziehen geholfen hatte, klopfte es an der Tür.
Es war Paul.
Er fragte mich, ob ich ihm helfen könnte. Ich bejahte und ging hinter Paul her.
Wir gingen ans Ende des Flures, in ein Zimmer. Dort wohnte eine Frau mit Namen Wilmer. Wir gingen ins Zimmer.
Das Zimmer war sehr groß und kühl.
Frau Wilmer war eine etwas korpulentere Frau.
Sie saß auf ihrem Bett.
Ich half Paul, sie auf einen Toilettenstuhl zu setzen.
Während Paul mit Frau Wilmer ins Badezimmer fuhr, wollte ich die Heizung anmachen.
Doch als ich sie andrehen wollte, merkte ich, dass sie schon ganz heiß war.
Ich wunderte mich, dass es trotzdem so kalt im Zimmer war.
Gegen acht Uhr hatten wir alle Bewohner geweckt und versorgt.
Alle saßen nun im Aufenthaltsraum und warteten auf das Frühstück.
Dieses wurde in einem großen Wagen auf den Wohnbereich gebracht.
Tina und ich fingen an, das Frühstück erst im Aufenthaltsraum zu verteilen und anschließend im Altbau.
Ich nahm das Frühstückstablett von Frau Wilmer und ging damit zu ihr.
Ich klopfte an die Tür.
»Herein!«, rief Frau Wilmer fröhlich.
Ich betrat das Zimmer.
Frau Wilmer saß im Sessel und lächelte mich an.
Ich stellte das Frühstück vor sie auf den Tisch.
Immer noch empfand ich es im Zimmer als sehr kühl.
»Ist Ihnen das nicht zu kalt?«, fragte ich.
Frau Wilmer sah mich mit großen Augen an.
»Wenn wir es wärmer machen, kommen die Kinder doch nicht mehr.«
Ich sah Frau Wilmer an.
In meiner Ausbildung hatte ich gelernt, dementen Bewohnern nie zu sagen:
»Sie spinnen, das ist doch ein Altenheim«, sondern ihnen zuzustimmen.
Ich sah Frau Wilmer an und sagte:
»Ach ja, stimmt ja.«
Frau Wilmer nickte und nahm ihr Brötchen, das bereits mit Butter und Marmelade geschmiert war, in die Hand.
Ich verließ das Zimmer.
Als ich nach vorne Richtung Aufenthaltsraum lief, kam Tina mir entgegen.
»Komm mit, ich zeige dir Frau Bieber. Ihr kannst du das Frühstück anreichen.«
Wir gingen in ein Zimmer am Anfang des Flurs.
Frau Bieber lag in ihrem Bett.
»F r a u Bieber, es gibt Frühstück.«
Frau Bieber öffnete kurz die Augen, sah mich an und schloss die Augen wieder.
Ich stellte mich vor und teilte ihr mit, dass ich ihr das Frühstück anreichen wollte.
Frau Bieber nickte.
Ich setzte mich an ihr Bett und fing an, ihr den Grießbrei anzureichen.
Dabei ließ sie ihre Augen geschlossen.
»Mögen Sie Ihren Job?«, fragte sie mich.
»Ja, sehr sogar«, antwortete ich und strahlte über das ganze Gesicht.
Schon als Kind wollte ich Altenpflegerin werden.
Damals waren meine Urgroßeltern in einem Kurzzeitpflegeheim gewesen, weil meine Uroma sich nach einem Oberschenkelhalsbruch dort erholen sollte.
In der Zeit, als sie dort war, arbeitete auch ein sehr netter Altenpfleger in dem Heim.
Dieser hatte mich damals inspiriert.
Und seit diesem Tag wollte ich Altenpflegerin werden.
»Es ist wichtig, dass man seine Arbeit mag«, sagte Frau Bieber.
»Ich habe als Kinderkrankenschwester gearbeitet, auf einer onkologischen Station.«
»Das war bestimmt nicht immer leicht?«, fragte ich.
Frau Bieber nickte.
Nachdem sie den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, nahm ich das Geschirr und verließ das Zimmer.
Nachdem alle Bewohner fertig gefrühstückt hatten setzten wir Mitarbeiter uns zusammen und frühstückten gemeinsam.
Anschließend brachten wir die Bewohner nach unten zur Betreuung.
Als ich wieder mit dem Aufzug hochgefahren war, fragte Paul, ob ich Frau Bieber waschen wollte.
Ich bejahte und machte mich auf den Weg.
Ich klopfte an die Tür.
Von drinnen rief Frau Bieber freundlich:
»Herein.«
Ich betrat das Zimmer.
Frau Bieber lächelte mich an.
Sofort fing ich an, eine Waschschüssel vorzubereiten.»Seit wann sind Sie mit Ihrer Ausbildung fertig?«, fragte Frau Bieber aus dem Zimmer.
»Seit Oktober«, antwortete ich und kam mit der Waschschüssel ins Zimmer.
»Oh, dann sind Sie ja noch ganz frisch.«
Ich nickte.
Ich fuhr das Kopfteil etwas hoch und gab Frau Bieber den Waschlappen.
»Ich habe hier früher als Krankenschwester gearbeitet, auf der onkologischen Station für Kinder...und nun liege ich selbst in diesem Gebäude.«
Ich sah sie verwundert an.
»Ja, mein Kind, das Haus war vor zehn Jahren ein Krankenhaus. Hier oben war die onkologische Station für Kinder.«
Während ich Frau Bieber weiterhalf, sich zu waschen, erzählte sie mir von ihrer Arbeit.
Zum Schluss sagte sie:
»Das Schlimme ist, dass manche Kinder nicht gehen können.«
Verwundert sah ich Frau Bieber an, doch sie lächelte nur.
Nachdem ich alles aufgeräumt hatte,verließ ich das Zimmer.
Nun war es an der Zeit, die Bewohner wieder von der Betreuung zu holen.
Ich schob eine ältere Frau mit ihrem Rollstuhl vor mir her.
Hinter mir liefen Frau Wilmer und ihre Nachbarin Frau Wolke.
Ich hörte, wie sich beide unterhielten.
»Und? Wie viele waren es heute Nacht?«, fragte Frau Wolke.
Frau Wilmer fing an zu zählen:
»Ich glaube, ich habe sechs gezählt«, antwortete sie dann.
Der Aufzug kam und wir stiegen ein.
Die beiden Damen mussten auf den nächsten Aufzug warten.
Oben angekommen wurde bereits das Mittagessen verteilt.
Ich setzte mich in den Aufenthaltsraum zu einem alten Mann mit einer Brille. Er sah mich die ganze Zeit an, sagte aber nichts.
Nachdem alle gegessen hatten, fragte Paul mich, ob ich ihm helfen würde, Frau Berg ins Bett zu bringen. Ich bejahte.
Anschließend gingen wir zu Frau Bieber und drehten sie auf die andere Seite.
Als ich den Müll vom Boden aufhob, fragte Frau Bieber:
»Hast du sie schon gesehen?«
Ich sah sie fragend an.
»Ach, Luisa«, grinste Paul,
»Michaela war heute den ersten Tag da.«
Unsicher sah ich Paul an.
Dieser musste laut lachen.
»Wenn du sie siehst, musst du immer freundlich sein und am besten spielst du mit ihnen«, rief Frau Bieber.
Nachdem wir aus dem Zimmer gegangen waren, fragte ich Paul:
»Wen meint die? Wer kommt?«
»Ach, die Alte. Die meint Kinder, die früher hier auf der onkologischen Station lagen. Die spinnt einfach.«
Es dauerte nicht lange, da hatte ich meinen ersten Dienst als Fachkraft hinter mir.
Da ich ca. 45 Minuten bis nach Hause fuhr, machte ich mir in dieser Zeit nochmal Gedanken über das Erlebte.
Zuhause angekommen, setzte ich mich vor den Computer und googelte das Altenheim, wo ich nun angestellt war.
Nach einer Weile fand ich einen Artikel über das Haus, bevor es ein Altenheim geworden war.
Es war seit 1970 ein Krankenhaus, ein sehr großes.
Im Jahr 1997 gab es auf der onkologischen Kinderstation ein Feuer.
Viele Kinder und Schwestern sowie Ärzte sind dabei gestorben.
Ein Bild zeigte den Flur der Kinderstation.
Kinder hatten mit Handabdrücken die Wand verziert.
Ich surfte noch ziemlich lange im Internet,als mein Telefon klingelte.
Es war meine Mutter.
»Na, wie war dein erster Arbeitstag?«
Ich erzählte ihr alles, nur die Geschichte mit der Kinderstation ließ ich erst einmal weg.
»Schön, das freut mich«, antwortete meine Mutter und erzählte mir, dass sie heute neue Möbel gekauft hatte.
Sie hatte sich wenige Wochen vorher von meinem Vater getrennt und nun seit ein paar Tagen eine eigene Wohnung.
Nachdem ich aufgelegt hatte, legte ich mich aufs Sofa und schlief sofort ein.
Als ich wieder wach wurde, war es draußen bereits sehr dunkel.
Ich ging runter in die Küche. Dort saß mein Vater und las ein Buch.
Auch er fragte mich, wie mein Tag war.
Ich erzählte ihm das Gleiche, wie ich meiner Mutter erzählt hatte.
Nach dem Abendessen ging ich gleich hoch ins Bett, denn ich war trotz Mittagsschlaf sehr müde.
Am nächsten Morgen wurde ich durch starken Harndrang wach.
Ich sah auf den Wecker: 4:45 Uhr.
Langsam stand ich auf und ging ins Badezimmer.
Dort traf ich meine Schwester, die auf der Toilette gewesen war.
Sie grinste mich an:
»Morgen.«
Da ich ein extremer Morgenmuffel bin, sagte ich nichts.
Die Straßen waren fast leer.
Selbst auf der Autobahn war kaum etwas los.
Auf der Arbeit angekommen, ging ich in die Umkleidekabine.
Als ich gerade dabei war, mir die Hose auszuziehen, kam eine junge Frau herein.
»Hallo, ich bin Johanna. Und wer bist du?«
Erneut stellte ich mich vor.
»Wo arbeitest du?«, fragte Johanna.
»Auf der 5.«
»Ui, gruselig«, grinste Johanna.
»Ich bin auf der 4.«
Nachdem wir uns beide umgezogen hatten, gingen wir gemeinsam zum Aufzug.
Unterwegs trafen wir Paul.
»Guten Morgen«, rief er fröhlich.
Ich nickte.
Oben angekommen, gingen wir beide ins Dienstzimmer.
Dort saß Dorothea, die Nachtwache. Sie war ganz blass im Gesicht.
»Na, Thea, geht es dir nicht so gut?«, fragte Paul.
Dorothea sah erst mich, dann Paul mit großen Augen an.
»Ich...ich...« Ihre Stimme zitterte.
»Ich...habe zwei gesehen.«
»Aha...und hast du mit ihnen gespielt?«, fragte Paul und lachte.
Dorothea sah Paul böse an.
»Das ist nicht witzig.«
»Okay, außer dass du welche gesehen hast, war sonst noch etwas los?«, fragte Paul.
Dorothea verneinte.
Paul nahm sich einen Kaffee und bot mir auch einen an. Ich lehnte dankend ab.
Nachdem Dorothea sich verabschiedet hatte, lehnte Paul sich zu mir:
»Die spinnt, die hat wohl zu viel Zeit mit Frau Bieber verbracht.«
Anja und Tina, die heute auch Dienst hatten, lachten laut los.
»Na, wer geht heute ins Geisterzimmer?«, fragte Anja lachend.
Fragend sah ich sie an.
»Was ist das Geisterzimmer?«
»Das ist das Zimmer von Frau Wilmer, deshalb ist es dort immer so kalt«, lächelte Tina.
»Willst du dort anfangen?«, fragte Paul.
»Na klar, kann ich machen«, antwortete ich.
»Vielleicht haben die Kinder ja irgendetwas dagelassen«, grinste Tina.
Nachdem wir unseren Kaffee ausgetrunken hatten, machten wir uns an die Arbeit.
Zuerst ging ich zu Frau Wolke.
Vorsichtig klopfte ich an die Tür.
Da mich keiner hereinbat, öffnete ich vorsichtig die Tür.
Frau Wolke lag in ihrem Bett und schnarchte lautstark vor sich hin.
Leise schloss ich die Tür wieder.
»Guten Morgen«, hörte ich Frau Wilmer sagen, die mit ihrem R ollator an der Tür stand.
»Ist die Lisbeth noch nicht wach?«
Ich nickte und beschloss, mit Frau Wilmer anzufangen.
Sie fuhr mit ihrem Rollator wieder in ihr Zimmer.
Ich lief hinterher.
Im Zimmer waren es gefühlt zwei Grad. Ich fing an zu zittern.
»Ist Ihnen das nicht zu kalt hier?«
»Doch, manchmal«, antwortete Frau Wilmer, die sich gerade ihr Nachthemd auszog.
»Manchmal kann ich aufgrund der Kälte morgens nicht allein aufstehen.
Aber wenn es warm ist, öffnet sich in der Nacht das Portal nicht und keiner kommt.«
Ich sah sie fragend an.
»Wer kommt dann nicht?«
»Na, die Kleinen«, äußerte Frau Wilmer.
»Kommen Sie mir jetzt helfen oder wollen Sie dort Wurzeln schlagen?«
Mit einem kurzen Blick auf die Heizung, die auf fünf aufgedreht war, kam ich ins Bad.
Ich half Frau Wilmer beim Waschen.
»Drehen Sie die Heizung an?«, fragte ich.
»Nee, die ist eigentlich immer an, weil es ja so kalt ist.
Die Schwestern denken, dass ich sonst krank werde, aber ich habe doch meinen Mantel, den mir meine Schwester genäht hat, der hält warm.«
Frau Wilmer zog einen alten braunen Mantel aus dem Kleiderschrank.
»Das ist er – fühlen Sie mal, wie warm der ist.«
Ich fasste den Mantel an und nickte.
Kurz bevor ich rausging, wollte ich wissen, ob die Heizung eventuell kaputt war.
Ich fasste mit der linken Hand nach der Heizung.
Diese war nicht kalt –sie war fast schon heiß.
»Na, haben Sie etwas anderes erwartet?«
Ich sah Frau Wilmer an und nickte. Frau Wilmer setzte sich auf ihren Sessel, der neben einer kleinen Couch stand.
Ich verließ das Zimmer.
Auf dem Weg zum Mülleimer traf ich Tina.
»Na, wie viele Kinder waren heute da?«
Ich zuckte mit den Schultern.
Nachdem ich mir ein neues Handtuch und einen neuen Waschlappen geholt hatte, klopfte ich an die nächste Tür.
Dort wohnte Frau Griffel. Sie lag noch in ihrem Bett. Als sie mich sah, sagte sie:
»Morgen, ach – das war wieder so laut da draußen«, und gähnte lautstark.
Sie setzte sich an die Bettkante.
Ich half ihr, die Hausschuhe anzuziehen.
Anschließend gingen wir ins Bad.
»Was hört man denn, wenn es da draußen so laut ist?«, fragte ich neugierig.
»Ach, da schreien die Kinder herum und spielen auf dem Flur«, antwortete Frau Griffel.
Nachdem ich Frau Griffel die Haare gekämmt hatte, verabschiedete ich mich und verließ das Zimmer.
Während ich mir erneut Handtücher und Waschlappen holte, dachte ich nach. Es musste doch etwas geben, um herauszufinden, ob an der ganzen Geschichte etwas Wahres dran war.
Nachdem ich noch zwei weiteren Bewohnern geholfen hatte, rief mich Paul.
»Komm, wir machen jetzt erst einmal Pause.«
Wir setzten uns ins Dienstzimmer. Anja und Tina kamen auch.
»Und, wie läuft es?«, fragte Paul.
»Es läuft«, erwiderte ich.
»Schon Kontakt mit den Kindern gehabt?«, fragte Anja grinsend.
Ich schüttelte den Kopf.
»Wisst ihr, wie die Kinder aussehen?«, fragte ich in die Runde.
»Nee, aber du kannst Thea fragen, die hat welche gesehen«, sagte Tina lachend.
»Oder frag Frau Wilmer – die kennt fast alle
Kinder, die aus dem Portal kommen.«
Tina lachte sich halb kaputt.
»Wen haben wir noch?«, unterbrach Paul ihr Lachen.
Jeder zählte auf, wen er noch versorgen musste.
»Gut«, sagte Paul, »dann können wir anschließend frühstücken. Anja, da du schon fertig bist, fang schon mal an, das Frühstück auszuteilen.«
Wir standen alle auf.
Ich ging zu Frau Wolke und klopfte.
»Wer ist da?«, hörte ich eine leise Stimme.
»Ich bin’s, Frau Wolke – Michaela, die neue Schwester.«
Langsam öffnete ich die Tür. Frau Wolke lag im Bett.
»Sie müssen mir nur die Strümpfe anziehen, den Rest schaffe ich selbst.«
Ich nickte und begann mit den Antithrombosestrümpfen.
»Waren Sie schon bei Gerti?«, fragte sie.
»Wer ist Gerti?«
»Ach so, Frau Wilmer meine ich.«
Ich nickte. Frau Wolke beugte sich zu mir und flüsterte:
»Die hat einen an der Klatsche, aber ich mag sie.
Aber sagen Sie ihr das nicht.«
Ich versprach es.
»Können Sie mir den Fernseher anmachen, bevor Sie gehen?«
»Na klar«, sagte ich, schaltete ihn ein und verließ das Zimmer.
Im Flur traf ich Anja mit dem Frühstückstablett für Frau Wolke. Ich hielt ihr die Tür auf.
Nachdem ich auch Herrn Johnson versorgt hatte, kam Paul.
»Na, bist du soweit?«
»Ich hab noch Frau Bieber«, sagte ich.
»Die kannst du nach dem Frühstück machen.«
Im Aufenthaltsraum hatte Anja den Tisch bereits gedeckt.
»Heute gibt´s Eier!«, rief sie.
Ich setzte mich.
Hinter mir saß Frau Merz, eine sehr alte, etwas demente Dame.
Ihr Brötchen lag noch auf dem Teller. Ich nahm es, gab es ihr in die Hand und sagte:
»Jetzt haben Sie schon das Ei gegessen – jetzt noch das Brötchen.«
Sie sah mich groß an. Ich half ihr beim ersten Biss, dann aß sie weiter alleine. Ich setzte mich wieder.
»Von Frau Nett wird der Rollstuhl abgeholt«, sagte Anja.
»Ist der noch drüben?«, fragte sie Paul. Der nickte.
»Du kannst ihn ja mit Michaela holen – dann sieht sie auch das Lager mal.«
»Ich muss erst noch Frau Bieber versorgen«, entgegnete ich.
»Passt«, sagte Anja.
»Dann bringe ich ein paar Bewohner zur Betreuung nach unten.«
Nach dem Frühstück machte ich mich mit Waschlappen und Handtüchern auf den Weg zu Frau Bieber. Ich klopfte.
»Herein«.
»Ach, Sie sind es«, sagte sie, als sie mich sah.
Im Bad bereitete ich die Waschschüssel vor, während sie sich bereits auszog.
Ich half ihr beim Waschen.
»Haben Sie immer als Kinderkrankenschwester gearbeitet?«, fragte ich.
Frau Bieber schüttelte den Kopf, blickte gedankenverloren in die Luft.
»Ich hatte mit meinem Herbert...«
Sie deutete auf ein Foto.
»Meine Tochter Naomi.«
Ich sah das Bild an – ein Mann und ein etwa vierjähriges Mädchen. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Sollen wir das Thema wechseln?«, fragte ich.
»Nein«, sagte sie und erzählte weiter.
»Naomi war unsere Adoptivtochter. Ich konnte nach einer OP keine Kinder mehr bekommen.
1995 bekam Naomi Leukämie. Wir waren oft im Krankenhaus.
Auch am 9. September 1997 waren wir dort – ein Spender war gefunden worden. Wir verabschiedeten uns kurz, um meine Mutter zu Hause zu versorgen...
Können Sie mir den Rücken mit Bodylotion eincremen?«, unterbrach sie.
Ich nickte.
»Naomi liebte diese Lotion.«
Es klopfte. Anja stand in der Tür.
»Na, wie weit bist du?«
»Gleich fertig«, sagte ich.
Frau Bieber lächelte.
»Teil 2 erzähle ich beim nächsten Mal.«
»Versprochen?«, fragte ich. Sie nickte.
Draußen stand Anja und wartete auf mich.
»Wenn du fertig bist, gehen wir rüber. Ich hole nur schnell den Schlüssel.«
Wir gingen ins Treppenhaus. Hinter der schweren Tür lag ein langer Gang – der alte Krankenhausflur.
»Das ist der zweite Trakt«, erklärte Anja.
An den Türen standen noch alte Namensschilder:
Dr. Dreier, Dr. Zwirn, Dr. Boll.
»Boll ist unser Lager.«
Im Raum standen viele Rollstühle. Ich entdeckte den von Frau Nett.
»Sehr gut«, sagte Anja, »mir ist es hier zu unheimlich.«
Zurück im Wohnbereich wurde das Mittagessen verteilt.
Ich half und ging dann zu Frau Bieber.
»Teil 2?«, fragte sie.
»Aber essen müssen sie auch«, sagte ich lächelnd.
Ich schnitt ihr das Essen klein und reichte ihr Gabeln.
»Am 9. September machte ich meiner Mutter Spinat mit Kartoffeln.
Als wir wieder zum Krankenhaus fuhren, kamen uns Feuerwehrautos entgegen.
Dann sahen wir den Rauch. Es brannte im Kindertrakt. Das Feuer war durch ein durchgebranntes Kabel entstanden. Naomi war unter den Opfern.«
Ich reichte ihr Schokopudding.
»Naomi besucht mich fast jede Nacht. Ich hätte sie gern aufwachsen gesehen.«
Ich spürte, wie mir selbst ein Kloß im Hals steckte.
»Wegen Naomi bin ich Krankenschwester geworden.«
Als ich gehen wollte, sagte sie:
»Sie gehen jetzt besser – sonst werden Sie vermisst.«
Auf dem Flur traf ich Paul.
»Wo warst du so lange?«
»Bei Frau Bieber, Essen anreichen und...zuhören.«
Er sah auf die Uhr.
»Das nächste Mal mach bitte das Anwesenheitslicht an.«
Ich nickte.
»Wir müssen nur noch Frau Merz zur Mittagsruhe bringen.«
Ich holte Frau Merz im Aufenthaltsraum ab.
»Wollen Sie sich ein wenig hinlegen?«
Sie nickte.
Als ich sie ins Bett gebracht hatte, schloss sie die Augen und schlief ein.
Ich verließ leise das Zimmer.
Auf dem Weg nach vorne traf ich eine etwa 50-jährige Frau.
»Hallo, du musst Michaela sein. Ich bin Anna«, sagte sie und reichte mir die Hand.
»Komm, wir müssen zur Übergabe, damit du bald Feierabend machen kannst.«
Anna zwinkerte mir zu.
Gemeinsam gingen wir ins Dienstzimmer.
Dort saßen schon die anderen .
»Hallo, ich bin Katharina«, sagte eine junge Frau, die neben Paul saß. Ich stellte mich ebenfalls vor, dann drehte sie sich wieder zu Paul.
»Na, waren die Kinder wieder da?«
»Oh ja, Thea hatte wieder Besuch«, grinste Tina.
»Ich glaube, Nachtdienst ist nichts mehr für Thea. Ich werde morgen mal mit ihr sprechen«, sagte Paul.
»Wäre Nachtdienst etwas für dich?«, fragte er mich.
»Ich habe es noch nie gemacht, aber ich würde es mal versuchen.«
»Du bist ja auch nicht allein – du bekommst ja Besuch von den Kindern«, witzelte Anja.
Anja lachte, sah zu Tina, und beide brachen in schallendes Gelächter aus.
»Okay, jetzt ist es mal gut. Schließlich müssen wir Übergabe machen«, bremste Paul sie.
Sofort wurde es still. Paul begann mit der Übergabe.
»Wenn ihr etwas habt, schmeißt es einfach rein.«
Gespannt hörten wir zu, wie Paul vom Frühdienst berichtete. Anna schrieb sich wichtige Dinge in ein schwarzes Notizbuch.
Als Paul fertig war, zeigte er auf das Buch.
»Dort steht alles Wichtige drin.«
Ich nickte.
»So, einen ruhigen Dienst und für die anderen einen schönen Feierabend!«, sagte Paul, stand auf und verließ das Dienstzimmer.
Tina, Anja und ich verabschiedeten uns von Anna und Katharina und gingen in die Umkleidekabine.
Nachdem wir uns umgezogen hatten, gingen wir gemeinsam zu den Autos.
»Bis morgen«, verabschiedete ich mich und stieg in mein Auto.
Zuhause angekommen, legte ich mich erst einmal für eine Stunde zur Mittagsruhe auf die Couch. Ich wachte auf, als mein Handy laut auf dem Tisch klingelte.
Verschlafen ging ich dran – es war meine Mutter.
»Hast du Lust, die Wohnung anzuschauen?«
Eigentlich hätte ich lieber abgesagt, aber ich sagte zu und versprach, in einer halben Stunde da zu sein.
Müde stand ich auf, ging ins Bad, kämmte mir die Haare und machte mir einen neuen Zopf.
Dann zog ich mir die Jacke an und fuhr los.
Meine Mutter hatte sich in Gießen in einem Hochhaus eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung genommen. Ich parkte an der Straße und suchte an der Klingel nach ihrem Namen. Es dauerte ein wenig, bis ich ihn fand.
»Ja?«, fragte sie über die Sprechanlage.
»Ich bin´s.«
»Gut, komm in den dritten Stock, zweite Tür links.«
Ich betrat das Haus und stieg die Treppen hoch.
Oben wartete meine Mutter bereits vor der Tür. Wir umarmten uns und gingen hinein.
Sie führte mich durch die Wohnung.
»Die Küche kommt nächste Woche«, sagte sie.
»Und was isst du bis dahin?«
»Petra bringt mir öfter etwas Warmes, und sonst esse ich viel Brot.«
Petra war eine gute Freundin meiner Mutter.
Beide hatten sich auf der Arbeit kennengelernt.
Nachdem wir alles angeschaut hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer.
»Möchtest du etwas trinken?«
Ich nickte. Sie brachte mir ein Glas Orangensaft und setzte sich auf einen blauen Sessel gegenüber.
»Und wie ist es auf der Arbeit?«, fragte sie.
»Es macht mir echt Spaß, und die Mitarbeiter sind alle sehr nett.«
Ich trank einen Schluck.
»Sag mal, hast du mal von einem Brand in dem Altenheim gehört?«
Sie überlegte.
»Ich glaube, da war mal etwas, als es noch ein Krankenhaus war.«
»Warum interessiert dich das?«, fragte sie mich.
»Ach, man hört viele Geschichten – da wollte ich mal nachforschen.«
»Du kannst ja mal im Keller schauen. Dein Vater hat früher viele Zeitungen aufgehoben.«
Ich nickte.
Später gingen wir noch in den Garten.
»Hier kann ich dann die Sonne genießen.«
Ich sah meine Mutter an – sie wirkte endlich wieder fröhlich.
Nachdem wir zurück in der Wohnung waren, aßen wir gemeinsam zu Abend. Dann verabschiedete ich mich und fuhr nach Hause.
Zuhause merkte ich, dass niemand da war. In der Küche lag ein Zettel:Liebe Michaela, ich bin kurz weg, komme gegen 20:30 Uhr wieder. Hab dich lieb. Papa.
Ich sah auf die Uhr. Es war 19:20 Uhr.
Da mir die Zeitungen keine Ruhe ließen, ging ich in den Keller.
Im Raum meines Vaters war alles vollgestellt. Wie sollte ich da je etwas finden?
Ich beschloss zu warten, bis er zurückkam.
Ich ging in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und schaltete den Fernseher ein.
Es dauerte nicht lange, da schlief ich ein.
»Michaela, bist du da?«
Erschrocken wachte ich auf – es war mein Vater, der von unten rief
.»Ich komme«, antwortete ich und ging in die Küche.
Dort saßen mein Vater und meine beiden jüngeren Schwestern am Tisch.
»Wir wollen Skip-Bo spielen!«, rief Aurelia.
»Willst du mitspielen?«
Ich nickte und setzte mich neben Maria.
Beim Spielen mussten wir oft lachen.
»Schon wieder gewonnen«, grinste Aurelia.
Während sie die Karten mischte, sah ich meinen Vater an.
»Papa, Mama meinte, du hättest alte Zeitungen?«
Er sah mich erstaunt an.
»Wofür brauchst du die?«
Kurz erzählte ich von dem Brand.
»Und da arbeitest du jetzt?«, fragte Maria.
Ich nickte.
»Ich schau morgen mal nach, was ich finde«, sagte mein Vater. Ich dankte ihm.
»So, jetzt aber noch ein letztes Spiel – das ihr verlieren werdet«, grinste Aurelia.
Natürlich gewann sie wieder.
Danach verabschiedete ich mich und ging schlafen.
Am nächsten Morgen wurde ich wach, als mein Vater rief:
»Micha, bist du schon wach?«
»Jetzt schon«, murmelte ich.
Ich setzte mich auf die Bettkante. Es war 5:20 Uhr.
Verschlafen ging ich ins Bad, stellte das Radio an und begann mich auszuziehen.
Nachdem ich geduscht und die Zähne geputzt hatte, ging ich in die Küche. Mein Vater saß am Tisch.
»Warum bist du schon wach?«, fragte ich ihn.
»Ich konnte nicht schlafen. Ich war im Keller und habe ein paar alte Zeitungen rausgesucht.
Vielleicht ist was Passendes dabei.«
Auf meinem Stuhl lagen die Zeitungen.
Ich legte sie zur Seite, aß mein Schokomüsli und trank ein Glas Milch. Danach machte ich mich auf den Weg zur Arbeit.
In der Umkleide traf ich Johanna.
»Na, wie gefällt es dir hier?«
»Sehr gut«, sagte ich.
»Und hast du schon von den Kindern gehört?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Und, glaubst du, da ist was dran?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht. Eigentlich ist das ja unmöglich.«
Im Aufzug hing ein Plakat: Der Kindergarten wolle demnächst vorbeikommen und für die Bewohner singen. Johanna zeigte darauf.
»Dann sehen unsere Bewohner mal richtige Kinder«, lachte sie.
Oben angekommen, lief ich zum Dienstzimmer.
»Aber Paul, die Kinder gibt es wirklich!«, hörte ich Thea.
»Ach Thea, ich glaube, das sind Hirngespinste.«
»Aber Paul⋯«
Ich lief langsamer.
»Thea, wenn du deine Arbeit trotzdem machen würdest, wäre es ja egal. Aber jeden Morgen, nachdem du angeblich Kinder gesehen hast, sind die Bewohner nicht ordentlich versorgt.
Laut Protokoll reagierst du ab drei Uhr kaum noch auf die Klingeln.«
»Weil ab drei Uhr die Kinder da sind«, entgegnete sie.
»Aha, ab drei Uhr also.«
Paul sah sie ernst an.
»Thea, ich habe beschlossen, dich erst mal aus der Nacht rauszunehmen.«
Sie blickte ihn erschrocken an.
»Aber Paul...«
»Kein Aber. Wir schauen, ob du im Tagdienst besser zurechtkommst.«
»Guten Morgen!«, rief ich beim Eintreten.
»Guten Morgen«, grüßte Paul freundlich und wandte sich dann wieder Thea zu.
»Du machst deine zwei Nächte noch, und nächste Woche sehen wir weiter.«
Ich hörte, wie Anja und Tina lachend zu uns kamen.
»Na, Thea, hattest du wieder Action... mit den Kindern?«
Grinsend sah Tina Thea an.
»Schluss damit! Ich will heute nichts mehr davon hören«, unterbrach Paul das Gelächter.
Thea begann mit der Übergabe.
Als sie fertig war, stand sie auf und schrie in die Runde:
»Und die Kinder gibt es wirklich!«
Dann verließ sie den Raum. Paul stand auf und lief ihr hinterher.
Sie unterhielten sich im Flur. Ich konnte aber nicht verstehen, was sie miteinander sprachen.
»Du trinkst keinen Kaffee?«
Fragend sah mich Tina an. Ich nickte.
»Willst du einen Tee?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein danke.«
Tina gab Anja einen Kaffee und stellte Paul eine Tasse auf den Tisch. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis Paul zurückkam.
Er nahm den Kaffee und trank einen Schluck.
»Wollen wir es so machen wie gestern?«
Fragend sah er in die Runde. Wir bejahten.
Nachdem alle ihren Kaffee ausgetrunken hatten, nahm ich den Pflegewagen und fuhr ihn in den Altbau.
Als ich ankam, sah ich, dass Frau Stein, die sonst selbstständig war, klingelte.
Ich lief zur Tür und klopfte. Da keiner »Herein«
rief, öffnete ich die Tür.
Frau Stein saß mit Bademantel in einem grünen Sessel. Als sie mich sah, rief sie:
»Ach Schwester, wie gut, dass Sie da sind, mein Kopf platzt gleich.«
»Haben Sie das öfter?«
Fragend sah ich sie an.
»Ja, das ist Migräne, Kind. Bitte hol mir eine Tablette.«
Ich nickte und verließ das Zimmer. Ich lief zum Dienstzimmer. Dort war Paul, der gerade die Medikamente stellte. Ich erklärte Paul, dass ich Bedarfsmedikation für Frau Stein benötigte.
Paul zeigte mir, wo die Bedarfsmedikation der Bewohner zu finden war und wo ich nachschauen konnte, ob sie diese erhalten durfte.
Zum Schluss erklärte er mir, wo ich eintragen musste, dass ich die Tablette verabreicht hatte.
Mit einer Sumatriptan-Tablette ging ich zurück zu Frau Stein.
»Gott sei Dank«, rief sie und nahm sofort die Tablette.
»Wenn es nicht besser wird, melden Sie sich bitte noch mal«, teilte ich Frau Stein mit und verließ das Zimmer.
Nun machte ich mich mit neuen Waschlappen und Handtüchern auf den Weg zu Frau Wilmer.
Nachdem ich geklopft hatte, ging ich ins Zimmer. Ich hörte Frau Wilmer in ihrem Bad herumräumen. Ich klopfte an.
»Jaja, kommen Sie schon rein.«
Ich betrat das Bad.
»Ach, heute haben die wieder so ein Chaos gemacht« rief Frau Wilmer und steckte etwas in ihren Badeschrank.
»Die Kinder?«
Fragend sah ich Frau Wilmer an.
»Na klar, die Kinder, wer denn sonst?«
Ich half Frau Wilmer beim Waschen. Während ich ihr den Rücken wusch, fragte ich:
»Wie viele Kinder sind das immer?«
Ich sah, wie Frau Wilmer mit ihren Händen anfing zu zählen.
»Das ist unterschiedlich, mal sind es fünf, manchmal auch bis zu zehn Kinder.«
»Dann ist ja richtig was los hier, wie können sie dann schlafen bei so einem Krach?«
»Das Portal ist ja nur für eine Stunde offen. Von drei bis vier Uhr. Dann schließt es sich wieder. Und eine alte Frau wie ich...« äußerte Frau Wilmer
»die hat um drei Uhr schon ausgeschlafen, wenn sie jeden Abend schon um 19:00 Uhr ins Bett geht.«
Nachdem ich Frau Wilmer geholfen hatte sich anzuziehen ging ich ins Zimmer. Als ich aus dem Bad trat, kam mir Kälte entgegen. Ich begann das Bett zu machen. Ich sah auf die Heizung, aber auch heute stand sie auf 5. Frau Wilmer sah, dass ich anfing zu frieren.
»Die anderen Schwestern bringen sich immer eine Jacke mit.«
»Das mache ich wohl besser morgen auch.«
Frau Wilmer grinste und zog sich selbst eine rote Strickjacke an.
»Wo genau befindet sich das Portal?«
Fragend sah ich Frau Wilmer an.
»Na, Sie interessieren sich ja sehr dafür.«
Sie zeigte ihrem rechten Zeigefinger in die Mitte des Zimmers.
»Dort auf dem Boden erscheint es.«
Ich ging zu der Stelle, die mir Frau Wilmer zeigte . »Aber hier ist nichts.«
»Na klar, das Portal ist ja jetzt geschlossen. Es öffneterst heute Nacht wieder “ erklärte Frau Wilmer mir.
»Wie kommt es, dass alle Kinder es rechtzeitig schaffen wieder durch das Portal zu gehen?«
Fragend sah ich Frau Wilmer an.
»Wenn das Portal sich öffnet, läutet eine Glocke dreimal und wenn es sich schließt viermal. Das hören die Kinder und gehen zum Portal.«
Interessiert hörte ich zu. Als ich auf die Uhr sah, erschrak ich. Schon wieder hatte ich mich festgequatscht.
Schnell räumte ich im Bad auf und verabschiedete mich von Frau Wilmer.
Nachdem ich die schmutzige Wäsche weggebracht hatte, ging ich zu Frau Wolke.
Diese lag in ihrem Bett und las ein Buch.
»Was lesen Sie?«
»Ruf der Wildnis von Jack London.«
»Worum geht es dort?« fragte ich, während ich die Thrombosestrümpfe anzog.
»Es geht um einen Hund, der entführt wird und als Schlittenhund nach Alaska verschleppt wird. Weiter habe ich noch nicht gelesen.«
»Na, dann haben Sie jetzt noch etwas Zeit, bis das Frühstück kommt, und können noch etwas weiter Lesen.«
Frau Wolke bejahte und äußerte:
»Aber erst werde ich mich mal waschen gehen.«
Ich nickte und verließ das Zimmer.
Als nächstes ging ich zu Frau Werner. Sie war mit 103 Jahren die älteste Bewohnerin im Heim.
Eine zierliche kleine Frau, die sehr dement war.
Sie rief fast den ganzen Tag nur »Ja ja ja«. Ich betrat das Zimmer und hörte Frau Werner schon reden. »Ja ja ja.«
»Guten Morgen«,begrüßte ich s ie.
Es dauerte nicht lange, da fing sie wieder mit ihrem »Ja ja ja« an. Ich mobilisierte sie, nachdem ich sie unten herum gewaschen und angezogen hatte, auf den Toilettenstuhl und schob sie ins Bad. Ich zog ihr das Nachthemd aus. »Ja ja, ja« rief sie.
Nachdem sie sich den Mund ausgespült hatte, gab ich ihr den Waschlappen in die rechte Hand.
»Jetzt können Sie sich das Gesicht waschen.«
»Gesicht waschen?«
Fragend sah sie mich an. Ich nahm ihre Hand und führte sie damit zu ihrem Gesicht.
»Ja ja ja« rief sie und fing an sich zu waschen.
Nachdem ich Frau Werner fertig geholfen hatte, setzte ich sie in ihren Rollstuhl und fuhr sie in den Aufenthaltsraum, wo bereits ihr Frühstück stand.
»So, jetzt können Sie Frühstücken. Lassen Sie es sich schmecken.«
»Ja ja ja« rief Frau Werner und fing an ihr geschmiertes Marmeladenbrot zu essen.
Ich machte mich währenddessen auf den Weg zu Frau Griffel.
Gerade als ich anklopften wollte, klingelte sie. Ich betrat das Zimmer.
»Ich wollte fragen, wann jemand zum Duschen kommt.«
»Hier ist schon jemand«, rief ich freundlich.
»Sehr gut.«
Wir gingen gemeinsam ins Bad. Dort setzte sich Frau Griffel auf einen Duschstuhl, der in der Dusche stand. Als ich dabei war Frau Griffel abzutrocknen äußerte sie:
»Im Moment sind die Kinder jede Nacht so laut.
Aber das liegt an Schwester Dorothea...
aber sagen Sie ihr das nicht.«
»Ach, woher wissen Sie das?«
»Mich kommen die Kleinen auch besuchen.«
Sie zeigte auf einen Schrank, den man vom Badezimmer im Flur sehen konnte.
»Da oben in der Schublade habe ich immer Schokolade für die Kleinen.«
»Ah ja ⋯ also Bestechung ist das Zauberwort.«
Frau Griffel grinste und nickte.
Nachdem Frau Griffel sich ihre Tageskleidung angezogen hatte, kämmte ich ihr noch die Haare. Sie hatte schulterlange graue Haare, die sie meistens als Zopf trug.
Als ich das Zimmer verließ kam Tina auf mich zu.
»Wie weit bist du? Wir wollen frühstücken?«
Ich überlegte kurz.
»Herr Gerold und Frau Bieber«, antwortete ich.
»Gut, dann mach noch Herrn Gerold und ich decke schon mal den Tisch.«
Ich nickte und machte mich auf den Weg zu Herrn Gerold. Dieser lag noch in seinem Bett und schnarchte vor sich hin. Leise verließ ich das Zimmer und schaute stattdessen bei Frau Bieber rein. Diese lag im Bett.
Neben ihr saß Anja, die ihr das Frühstück anreichte.
Als ich mich umdrehte, rief Anja:
»Du kannst bleiben, wir sind fertig.«
»Kann ich Sie dann waschen?«
Fragend sah ich Frau Bieber an. Diese bejahte.
Anja verließ das Zimmer, während ich eine Waschschüssel vorbereitete .
»Haben Sie gut geschlafen?«, fragte ich Frau Bieber und stellte die Waschschüssel auf den Nachtschrank.
»Ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen, da ich keinen Besuch erhalten habe.«
Nachdem ich ihr geholfen hatte sich zu waschen und anzuziehen, sah sie mich an und fragte:
»Werden Sie auch mal Nachtdienst machen?«
»Bestimmt irgendwann mal.«
»Na, dann lernen Sie die Kleinen bestimmt mal kennen.«
Nachdem ich Frau Bieber noch auf die rechte Seite gelagert hatte, ging ich in den Aufenthaltsraum.
Dort saßen bereits Tina und Paul. Ich setzte mich hin und nahm ein Brötchen.
»Wie geht es Frau Stein?«
Fragend sah Paul mich an.
»Bisher hat sie sich nicht mehr gemeldet, aber ich schaue nachher nochmal nach ihr.«
Paul nickte und biss in sein Wurstbrötchen.
»Hier, der Kaffee ist fertig.«
In der Tür stand Anja mit der schwarzen Kaffeekanne in der Hand. Sie kam rein und reichte Paul die Kaffeekanne. Der wirkte etwas nachdenklich.
»Paul, ist alles in Ordnung?« fragte Anja.
»Ja ja«, antwortete Paul und aß weiter.
Wir unterhielten uns über das kommende Sommerfest, welches in einer Woche stattfinden sollte.
Nachdem wir fertig gefrühstückt hatten, saßen wir noch etwas zusammen.
Paul sah mich an und fragte:
»Wen hast du noch?«
»Herrn Gerold“ antwortete ich.
»Tina, kannst du Herrn Gerold machen?«
Tina sah auf die Uhr.
»Na klar, das werde ich schon schaffen.«
Verwundert sah ich Paul an.
»Ich muss gleich mit dir sprechen«, sagte Paul.
Sofort schossen mir viele Gedanken durch den Kopf. War ich zu langsam? Hatte sich jemand über mich beschwert?
Hatte ich etwas falsch gemacht?
»Jetzt mach dir mal nicht so viele Gedanken, es ist nichts Schlimmes«.
Lachend sah Paul mich an.
Etwas erleichtert ließ ich mich auf den Stuhl zurückfallen.
Paul trank seinen Kaffee leer, stand auf und sagte zu mir:
»Kommst du mit ins Dienstzimmer?«
Ich nickte und trank meine Tasse mit Tee aus.
»Und ihr zwei geht wieder an die Arbeit«, teilte Paul den anderen beiden mit.
»Jawohl Chef«, grinste Anja.
Zusammen mit Paul ging ich ins Dienstzimmer.
Dort setzte Paul sich an den Tisch.
»Setz dich«, sagte er zu mir und zeigte mir den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches.
»Wir haben ein Problem« äußerte Paul.
Wieder schossen mir Gedanken durch den Kopf, was ich falsch gemacht haben könnte.
»Eben hat Thea angerufen und sich für die nächsten zwei Nächte krank gemeldet.«
Gespannt hörte ich zu.
»Für heute kann Anna einspringen, aber morgen habe ich keine Fachkraft, die ich nehmen kann.
Und da wollte ich dich fragen«, Paul zögerte, »ob du evtl. ⋯Ich weiß, du hast das hier noch nie gemacht, aber Anna würde dir alles aufschreiben und du hast auf der 3 noch Nina, die ist auch Fachkraft. Du musst dich nur um unseren Wohnbereich kümmern und Medikamente auf der 4 verteilen.
Könntest du vielleicht eine Nacht machen und wir schauen dann mal, wie es dir gefällt?«
Paul sah mich an.
»Und, was meinst du?«
Am liebsten hätte ich sofort Ja geschrien und wäre vor Freude aufgestanden, denn ich wollte endlich rausbekommen, was es mit den Kindern auf sich hatte.
Stattdessen sagte ich:
»Ich kann es ja mal versuchen.«
Paul nahm mich in den Arm und bedankte sich.
Er roch sehr gut nach Creed Aventus Parfüm.
Während er mich noch umarmte, kam Anja die Tür rein.
»Oh, störe ich?«
Paul ließ mich sofort los.
»Nee, was ist?«
»Frau Stein hat geklingelt. Sie hat gesagt, ihr sei jetzt durch die Kopfschmerzen ganz schlecht, und fragt, ob sie etwas dagegen haben kann.«
»Michaela, schau mal, ob sie etwas haben kann! « sagte Paul und gab mir den Medikamentenschlüssel.
Es dauerte nicht lange, da war ich mit einer Vomex- Tablette auf dem Weg zu Frau Stein.
Da Frau Stein nicht antwortete, als ich klopfte, öffnete ich die Tür.
Drinnen war alles dunkel. Frau Stein lag in ihrem Bett.
Neben ihr stand ein Eimer, in den sie erbrochen hatte.
Ich konnte sehr gut nachempfinden, wie sich Frau Stein fühlen musste, da ich selbst an Migräne erkrankt war.
Ich gab Frau Stein die Tablette und verließ das Zimmer wieder.
Vor dem Aufzug stand Tina.
»Kommst du mit, die Bewohner zu holen?« fragte sie mich.
»Nee, die kommt mal hier her«, rief Paul aus dem Dienstzimmer.
»Tja«, sagte ich zu Tina und ging ins Dienstzimmer. Dort stand er, groß gebaut, dunkle gebräunte Haut mit mehreren Tattoos, am Medikamentenschrank.
»Du teilst für das Mittagsessen die Medikamente aus... Keine Angst, ich komme mit. Aber zunächst musst du sie dir stellen.«
Er zeigte mir genau, wie ich die Medikamente stellen musste und wo ich schauen konnte, welcher Bewohner noch Tropfen erhalten musste. Ich war gerade dabei, für Frau Merz Novalgintropfen abzuzählen, als die Pflegedienstleitung mit der Heimleitung reinkamen.
»Und? Alles in Ordnung?« fragte die Pflegedienstleitung.
Paul nickte. Der Heimleiter sah sich um, aber sagte kein Wort.
»Und wie gefällt es Ihnen?«
»Sehr gut.«
»Und trauen sie sich schon zu Nachtdienst zu machen?«
»Ich werde es versuchen«, antwortete ich der Pflegedienstleitung.
Als die beiden das Dienstzimmer verlassen hatten ,erklärte Paul mir:
»Die kommen jeden Tag und fragen, ob etwas los war. Wenn du Schichtleitung hast, wirst du gefragt.«
»Der Herr Bergwald ist ja nicht sehr gesprächig.«
Paul lachte.
»Ja, das ist nicht so seine Stärke.«
»So, dann können wir loslegen« rief Paul, nachdem ich die Medikamente vorbereitet hatte.
Zunächst gingen wir in den Aufenthaltsraum und teilten dort die Medikamente aus.
»Frau Werner, ich habe hier Ihre Medikamente » , teilte ich Frau Werner mit und gab sie ihr mit einem Löffel. »Ja ja ja» rief sie und spuckte sie wieder auf den Teller.
Paul musste lachen.
Erneut nahm ich die Tabletten auf einen Löffel.
»Hier sind noch mal die Medikamente, diesmal mit Tomatensoßengeschmack.«
»Ja ja ja«.
Frau Werner sah mich an und schluckte diesmal die Tabletten mit einem Schluck Wasser herunter.
Dann drehte ich mich zu Frau Merz und verabreichte ihr auch die Medikamente.
Nachdem alle ihre Medikamente bekommen hatten, ging ich mit Paul wieder ins Dienstzimmer, um das Tablett wegzuräumen.
Paul klopfte mir auf die Schulter.
»Haste gut gemacht.«
Zufrieden ging ich raus, um den anderen beim Anreichen zu helfen.
»Du kannst Frau Thomson helfen«, teilte Anja mit, die gerade neben Frau Merz saß und ihr beim Essen half.
Ich drehte mich um. Dort saß Frau Thomson in einem Stuhl und wühlte mit den Händen im Kartoffelbrei herum. Ich nahm einen Lappen und putzte ihr erst einmal die Hände sauber.
»Im Mund wird es bestimmt besser schmecken, glauben Sie mir.«
Ich sah Frau Thomson an. Dann nahm ich den Löffel und reichte ihn ihr an.
Frau Thomson nahm den Löffel in den Mund und leckte ab.
»Und? Schmeckt es?«
»Oh ja«, antwortete sie freudig.
»Möchten Sie noch mehr?«
»Ja.«
Ich reichte Frau Thomson das restliche Mittagessen an.
Anschließend fing ich an das Geschirr abzuräumen.
»Wollen wir Frau Bieber und Frau Kräuter lagern?«
Fragend sah Paul mich an.
»Können wir machen.«
Paul roch immer noch sehr gut. Wir gingen zunächst zu Frau Kräuter.
Sie lag im Bett und schlief.
Sie wurde wach, als Paul ihr das Kissen, welches unter ihrem rechten Rücken lag, rauszog. Sie fing an zu schimpfen:
»Arschloch!«
Ich sah Paul an. Der grinste und teilte mir mit:
»Elvi schimpft gerne.«