Das Schattenimperium (Verfemung der Sterne 12) - Jens Fitscher - E-Book

Das Schattenimperium (Verfemung der Sterne 12) E-Book

Jens Fitscher

0,0
3,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In der sogenannten Schattenwelt waren die E‘mokks dabei, die Grundstrukturen der universellen Gesetze zu verändern. Bisher war es ihnen nur rudimentär gelungen, Naturkonstanten zu manipulieren. Ihr Ziel, oder der Grund, weshalb sie es taten, war unbekannt. Noch waren die Auswirkungen ihres Tuns relativ überschaubar. Connar, seine Tochter Chloe und Prinzessin Sha’hon begeben sich auf eine nicht ungefährliche Reise, um weitere Informationen zu bekommen. Dann geschieht das Unfassbare: Commander Tarik Connar gerät durch einen unüberlegten ‚Distanzlosen Schritt‘ in eine alternierende Wirklichkeit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 250

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



JENS FITSCHER

Das Schattenimperium

VERFEMUNG DER STERNE

BUCH 12

© 2023 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Alle Rechte vorbehalten

1.Auflage

ISBN: 978-3-96674-631-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig und wird sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Der Lohn des Lebens besteht nicht darin, materielle Dinge zu erhalten. Der Lohn des Lebens wird uns erst ausgezahlt, wenn wir diese Welt verlassen.  

Inhalt:

Prolog

Im Planetensystem der Tongva

Familien-Geschichten

Ruf der Kshatriyas

Das Band des Schicksals

Zeitverwerfungen

Alternierende Erde 2048

Connars Erwachen

Carla von Staufenberg

Amanda Selinger

Festus Helmstett

Wayne-Zeno Uelisch

Erste Begegnung

Die Zusammenkunft

Weltraumtransporter

Fluchtvorbereitungen

Das Schiff der namenlosen Invasoren

Kampf den Aggressoren

Die fremde Raumstation

Okkupation

Metamorphose II

Gefechtsalarm

Zu neuen Ufern

Der Höllenplanet

In den Händen der Tongva

Prolog

Schattenhafte Wesen huschten über die Oberfläche des Planeten. Für menschliche Sinne fast nicht wahrnehmbar, gingen sie ihrer Aufgabe nach.

Was sie genau taten, wäre für menschliche Beobachter ebenso nicht nachzuvollziehen.

Der Planet, auf dem sie sich bewegten, war nicht wirklich groß. Er hatte einen Äquatorialdurchmesser von 6955 Kilometer.

Seine Oberfläche bestand nur aus Karstgestein, Felsen und Einöde.

Die höchsten Bergmassive erstreckten sich bis zu einer Höhe von lediglich 2170 Kilometer.

Leben, wie wir es auf der Erde kennen, gab es nicht, obwohl der Planet in der Habitablen Zone lag. Merkwürdigerweise hatte seine Atmosphäre fast die gleiche Zusammenstellung wie die Erde. Das Außergewöhnliche dagegen war, dass sein Stern in einem dunklen Licht strahlte.

Die Bewohner des Planeten, wenn man von Bewohner überhaupt sprechen konnte, zeigten eine sehr starke Affinität zu ihre Welt.

Diese Welt war in einer eigentümlichen Dimension verankert. Sie lebten in einer geistig dreidimensionalen Umgebung und begannen gerade, ihre 4. Dimension zu erforschen.

Verglich man die menschliche Vorstellung von Dimensionen, so ging es hier zunächst vielmehr um die räumliche Darstellung von Körpern; Länge, Breite und Höhe.

Die sogenannte 4. Dimension wurde als Zeit definiert. Die geistige, spirituale Darstellung von abstrakt, mentalen Inhalten wäre in der Menschenwelt so nicht vorstellbar.

Obwohl es auch hier Ansätze dazu gab, wie zum Beispiel die Hermetischen Gesetzte.

Die Lebensform der E’mokks war diesbezüglich jedoch vollkommen verschieden von der normalerweise vorherrschenden Lebensformen der Galaxie.

Vielleicht hing dies auch damit zusammen, dass sich ihr Lebensraum sehr nahe an einem Schwarzen Loch befand, das in einer bestimmte Form mutierte Hawking-Strahlung emittierte.

Die Energie hierfür stammte aus seinem Gravitationspotential.

Schattenhafte, nichtmenschliche Wesen, in einer geistig, spiritualen Umgebung lebend, verfolgten einen gemeinsamen Zweck.

Ihr Hunger nach Erfolg und Erfüllung wurde gespeist durch den Planeten selbst, auf dem sie lebten. Es war MOK selbst, der über allem stand. MOK, ein aus Urgestein entstandener Planet mit einem Bewusstsein.

Im dreidimensionalen Raum nur ein unscheinbarer und scheinbar toter Gesteinsklotz von 6955 Kilometern Durchmesser, jedoch in der metaphysischen, geistigen Dimension ein Gigant.

MOK hatte begonnen, nur wenige Zeiteinheiten nach seiner Selbstfindung, geistige Ableger von sich zu generieren.

So erschuf er seine Bewohner selbst. Es waren metaphysisch, geistig mentale Lebensformen; mehr Schatten als materielle Körper.

Zunächst bewegten sie sich schwebend. Erst, nachdem MOK ihnen eine gewisse Selbstständigkeit mitgab, verankerte sich ihre Form mit dem Planetenboden.

Zwei kleine Tentakel schlossen damit den Kontakt zu MOK. Wie auf Stelzen gingen die neuen Planetenbewohner zuerst über den Boden.

Erst nach und nach wurde ein neuer Bewegungsablauf etabliert.

Nunmehr, nach 100 Zeiteinheiten, war diese Art der Fortbewegung zur Routine geworden.

Die Zeit verging weiter und MOK erkannte die 4. Dimension.

Jahrhunderte, Jahrtausende vergingen und die E’mokks, wie sich die Ableger des Planeten ebenfalls nannten, entwickelten eine Art Quasiindividualität.

Es wurden selbstständige Bewusstseine, welche sich nicht mehr wirklich an die geistige Entität erinnerten, die sie aus sich selbst heraus geboren hatte.

Der Planet MOK befand sich seit etwa 1000 Sonnenumläufen in Trance. Er versuchte auf diese Art und Weise, mehr Wissen über die 4. Dimension zu erhalten.

Set’al’ta, der oberste Wissensgelehrte, befand sich gerade auf dem Weg in die Wissens-Akademie, als er einen Fon-Ruf seines Kollegen erhielt, welcher in der Forschung tätig war.

„Set’al’ta, wir haben einen Durchbruch! Ich benötige deine Anwesenheit, um eine Wissenssicherheit herzustellen.“

Der Ruf war klar. Prioritäten von Anbeginn allen Wissens gesetzt.

Die Forschung war das Lebenselixier und einzige Lebensgrundlage der E’mokks.

So stand es in den Annalen der Schöpfung. Set’al’ta beeilte sich, den Forschungskomplex zu erreichen.

Jedoch nicht, bevor er noch einen Fon-Ruf an die Wissens-Akademie getätigt hatte. Dort würde man zunächst ohne seine Anwesenheit zur Tagesordnung übergehen.

Es gab anderer Wissensgelehrte, die ihn ersetzen konnten.

Jet’sel’ka, sein Kollege im Forschungs-Ressort, benötigte ihn, und allein das zählte.

„Die Raumzeit ist keine Konstante. Sie ist auch kein Einweg-Pfad. Energie und Materie stehen in Wechselbeziehung innerhalb der baryonischen Materie. Es ist tatsächlich kein Widerspruch. Die 4. Dimension ist räumlich, wie auch zeitlich gesteuert“, empfing ihn Jet’sel’ka aufgeregt.

„Siehe selbst!“ Er deutete mit seinen mentalen Gliedmaßen auf eine Ansammlung von energetischen Strömungsfelder.

„Wir haben Kontakt“, kam von weiter hinten der Ruf eines anderen Forschers.

Sie befanden sich alle in einer Art Subraum-Kontinuum innerhalb einer räumlich-mental fixierten Umgebung.

Set’al’ta fühlte sofort die Aufgeregtheit alle dreiundzwanzig anwesenden E’mokks.

„Initialisierung starten. Der Kontakt muss mit allen Mitteln gefestigt werden!“

Jet’sel’kas Anweisung erhöhte die Erregung unter den Wissenschaftlern und Forschern nochmals und ließ die Dramatik des Geschehens in eine fast unermessliche Höhe schnellen.

In dem dimensional übergeordneten, mental abstrakten Geistes-Tableau manifestierte sich das Abbild eines fernen Sonnensystems.

Jet’sel’ka sowie der dazugekommene Set’al’ta erkannten sofort die Wichtigkeit dieser Information. „Dort ist der Ursprung. Dort werden wir alle unsere Fragen beantwortet bekommen.“

Jet’sel’ka wurde regelrecht euphorisch, was eine wirkliche Seltenheit unter den E’mokks war. „MOK wird zufrieden mit uns sein“, hörte Set’al’ta einen anderen Wissenschaftskollegen sagen.

„Es ist eindeutig ein Drei-Planetensystem. Es kommen immer mehr Datensätze herein. Set’al’ta hilf mir mit der Analyse. Bevor wir mit MOK in direkten Kontakt treten, muss eine lückenlose Datenauswertung vorliegen.“

Der oberste Wissensgelehrte und sein Team benötigten genau 11.5 Zeiteinheiten, ohne eine Pause einzulegen, um eine komplette, wissenschaftlich nachprüfbare Auswertung zu erstellen. Dann meldete sich MOK mit einem gewaltigen, glockenähnlichen Ton in mentaler Form.

Alle E’mokks erstarrten regelrecht vor Ehrfurcht und ihre Gedanken fokussierten sich nur noch auf die gewaltige, mentale Präsenz.

„Der GEN-CODE befindet sich in dem Drei-Planeten-System. Es ist oberste Priorität diesen zu bekommen. Nachdem die Koordinaten des Planetensystems vorliegen, wird Set’al’ta eine Armada zusammenstellen. Diese Streitmacht muss imstande sein, allen Widrigkeiten entgegenzuwirken, die sich auf dem Weg zur Beschaffung des GEN-CODEs möglicherweise ergeben könnten.“

Der Wissenschaftler Jet’sel’ka konnte die Aussage von MOK zunächst überhaupt nicht richtig einordnen. Dachte er doch bisher, dass einzig und allein die Erforschung der 4. Dimension Grundlage seines Wirkens war.

Nunmehr sprach MOK aber von einem GEN-CODE.

Verstört blickte er Set’al’ta an. Aber auch dieser konnte sich keinen Reim darauf machen.

Nichtsdestotrotz begann Set’al’ta nunmehr mit der Erschaffung der notwendigen, dreidimensionalen Werkzeugen.

Das künstlich entstandene Leben der E’mokks hatte bisher eher ein stiefmütterliches Verhältnis zur Raumfahrt. War doch die Erforschung der 4. Dimension als Grundlage ihrer Lebensphilosophie viel wichtiger gewesen.

Es war nicht einfach für, Set’al’ta, aus einer geistig, spiritualen Umgebung heraus, in das materielle Universum vorzudringen.

Dazu benötigte es neu zu erstellende Fertigungsanlagen, Rohstoffe und physikalisches Wissen. Umso erstaunter war er, als die zentrale Steuereinheit seiner Wissens-Akademie plötzlich voll war, von ganzen physikalischen Regelwerken, Formeln und Konstruktionsunterlagen, welche als Basis für die Konstruktion und Erschaffung der sogenannten ‚Armada‘ grundlegend waren.

Es gab hierzu keine andere Erklärung, als dass MOK selbst diese Informationen eingespielt hatte. Set’al’ta begann unverzüglich mit seiner Arbeit. Viele tausend E’mokks wurden in Folge von ihm auf dieses, neue, sehr wichtige Ziel ausgebildet und regelrecht formatiert.

Es war nicht einfach, für Lebewesen, welche vornehmlich in einer geistig, spiritualen Umgebung lebten, sich mit körperlich, materiellen Dingen zu befassen.

Es war dementsprechend umso schwieriger, als hier ebenfalls noch eine Verbindung zu höherdimensionalen Energien geschaffen werden musste. Schließlich bewegten sich Raumschiffe mit Überlicht, also mussten ihre Aggregate entsprechend ausgestattet sein.

Auch die Waffensysteme waren ein sehr wichtiger Bestandteil der ‚Armada‘. Schlussendlich gab es noch die Dimensionierung der einzelnen Objekte, welche unter der Terminologie Raum-Cruiser entwickelt wurden.

Größe, Form und Menge wurden von MOK definiert. Zeit war für die einzelnen E’mokks relativ, jedoch nicht so für MOK selbst.

Er forderte immer mehr Tempo, je länger sich die Entwicklung und der Bau der ‚Armada‘ verzögerte.

Set’al’ta verstand zunächst diese merkwürdige Erregungsform seines Schöpfers nicht.

Sein Kollege Jet’sel’ka hatte ihm versichert, dass es kein Problem war, die 4. Dimension zu nutzen, das heißt, zeitliche Transmissionen waren möglich. Natürlich wusste dies auch MOK.

Jedoch verhielt sich die Entität gänzlich umgekehrt proportional zu dieser Erkenntnis, was die leitenden E’mokks mehr als irritierte.

Mittlerweile, nach einem fast ganzen Lebenszyklus, war ein erstes Kontingent Raum-Cruiser fertiggestellt.

Der Plan zielte jedoch auf mindestens drei Kontingenten a 500 Einzelschiffen.

MOK schien jedoch nicht bereit zu sein, nochmals so lange zu warten. Er befahl die sofortige Bemannung der Raum-Cruiser und die zeitnahe, vollständige Einsatzmeldung.

Ein Fehler, der sich erst viel später als grundlegend herausstellen sollte, war dabei, dass man den Besatzungen der Raum-Cruiser keine wirkliche Ausbildung zukommen ließ.

Dies wäre umso wichtiger gewesen, als es gerade für Wesen, die sich in der 3-dimensionalen materiellen Welt überhaupt nicht zu Hause fühlten.

Als sich die Armada mit 498 Raum-Cruiser in Bewegung setzte, zwei Schiffe waren durch schwere Schäden durch unsachgemäßer Bedienung ausgefallen, war ihr Zielgebiet als das Riija Sonnensystem definiert, und zwar fast genau 1.500 Jahre in der Vergangenheit, gerechnet von Commander Connar Ankunftszeit auf dem zweiten Planeten Chinigchinu.

Das Riija Sonnensystem verfügte damals noch über drei Planeten. Der zur Sonne hin am nächsten gelegene Planet hieß Dvija, und war die Ursprungswelt der Kshatriyas.

Im Planetensystem der Tongva

„Ich bin Ratsmitglied Selec’t. Das Volk der Tongva begrüßt die auf so überraschend und auf eindrucksvoller Art erschienenen Besucher. Darf ich Sie alle zu einem etwas ruhigeren Ort führen. Dort ist es einfacher, diese Begegnung zu vertiefen.“

Ich versuchte, die letzten Minuten noch geistig zu verarbeiten, da betraten wir bereits einen Raum, in dessen Mitte ein ovaler Tisch mit Stühlen stand. Wir, das waren meine ehemalige Frau Carolin, Chloe, ihre Tochter, von dessen Existenz sie hier und jetzt noch nichts wusste, Prinzessin Sha’hon, eine Sa’lfeniens und meine Gefährtin, ein gewisser Haakon, anscheinend der Gefährte von Carolin und Felix, ein Eichkater, der es sich auf der rechten Schulter von Carolin gemütlich gemacht hatte. Allen voraus betrat Ratsmitglied Selec’t als erster den Raum.

„Du kennst diese merkwürdige Frau mit dem Tier auf der Schulter. Du kennst sie sogar sehr gut, ist das richtig?“

Plötzlich erschienen Sha’hons Gedanken in meinem Kopf.

Sie sprach mich telepathisch über die sogenannte ‚Geweihte Sprache‘ an. Nur bestimmte, hochgestellte Persönlichkeiten der Sa’lfeniens beherrschten sie.

Natürlich hatte ich noch keine Gelegenheit, Sha’hon über alle Hintergründe zu informieren. Sie wusste nicht, dass Carolin meine ehemalige Frau war.

„Bitte nehmt Platz. Ich werde umgehend für eine Erfrischung sorgen. Wir können uns ganz ungezwungen unterhalten.“

Ratsmitglied Selec’t unterbrach meine Konzentration.

Ich blickte Sha’hon an, die mir nicht von der Seite wich und sich direkt rechts neben mich setzte, während Carolin und Haakon zur anderen Seite des Tischs gingen.

Mein Magen verkrampfte sich etwas, als ich sie so ungezwungen und relativ entspannt sah.

Ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass alles Außerirdische sie mehr als nur erschreckt hatte.

Es war auch der Grund gewesen, dass sie sich von mir getrennt hatte. Sie hatte damals erfahren, dass mein Körper von organischen Naniten verändert worden war.

Sie hielt mich damals tatsächlich für einen mutierten Alien. Wie war das wohl jetzt? Ich versuchte mich auf das hier und jetzt zu fokussieren.

„Wir können später darüber reden. Aber du hast recht, Carolin war einmal meine Ehefrau gewesen. Aber das ist schon lange her“, antwortet ich telepathisch auf Sha’hons Frage.

„Und Chloe?“

„Ja, sie ist meine Tochter. Aber davon weiß Carolin noch nichts. Das ist ein Faktor, den wir noch klären müssen. Hängt wohl mit der Zeit-Korrelation zusammen. Wir befinden uns anscheinend in der Vergangenheit. Der Transmitter hat uns damit nicht nur räumlich versetzt, sondern auch zeitlich.“

Chloe hatte links von mir Platz genommen, während sich Selec’t am Kopfende des ovalen Tisches niederließ. Dort gab es eine kleine Erhebung auf der Tischplatte, welche ich als Sensorfläche mit mehreren Tastenfeldern erkannte.

Carolin schaute mich eindringlich an, als wir uns gesetzt hatten. Auch ihr Eichkater zeigte einen angespannten Gesichtsausdruck und sein Blick wechselte ständig von mir zu Sha’hon und Chloe.

Lediglich Haakon schien die Ruhe selbst zu sein. „Nachdem was ich mittlerweile gehört und gesehen habe, kann ich wohl davon ausgehen, dass sich die Anwesenden nicht ganz unbekannt sind. Obwohl das Erscheinen der drei letzten Besucher mehr als ausgewöhnlich war. Darf ich deshalb zunächst sie bitten, mir, als Vertreter der hiesigen Spezies, zu erklären, was ihre Anwesenheit auf unserem Planeten ausgelöst hat.“ Ratsmitglied Selec’t blickte von Sha’hon über Chloe zu mir.

Anscheinend sah er in mir zu Recht den Anführer unserer kleinen Gruppe.

Ich überlegte kurz, wo ich mit meiner Geschichte anfangen sollte. Nicht nur Carolin bedachte mich mit einem erwartungsvollen Blick.

Selbst der Eichkater auf ihrer Schulter wirkte auf einmal sehr ruhig und schien begierig zu sein, mehr über unsere Mission zu erfahren.

Obwohl, war es überhaupt unsere Mission? Ließ ich mich dabei nicht fremdsteuern? Ja sogar instrumentalisieren?

Durch eine fremde Macht? Mein Blick richtete sich zufällig auf Chloe. Sie fixierte regelrecht das Gesicht ihrer Mutter.

Ich konnte mir vorstellen, dass es ihr ziemlich schwer fallen musste, sich ihre gegenüber nicht als ihre Tochter zu erkennen zu geben. Ich gab mir einen Ruck.

„Der Grund unseres Hierseins, ist wohl die Entscheidung eines uralten Sternenvolks, das einst sehr fortschrittlich war und in diesem Bereich der Galaxie lebte, das Volk der Kshatriays. Auf dem Planeten Sa’lf, der Welt der Sa’lfeniens, kam es zu einer ersten Kontaktaufnahme. Die Festungsanlage ELLIA meldete sich bei mir. Gleichzeitig kam es wohl auch zur Bewusstseinsbildung des Planeten Sa’lf, ein Ereignis, welches irgendwie mit der bewusst herbeigeführten Veränderung der Universellen Naturkonstante in Verbindung steht. Du Carolin, hast bereits ebenfalls so etwas angedeutet. Planeten beginnen zu leben. ELLIA war wohl der Meinung, dass ich hier in diesem Planetensystem mehr darüber erfahren könnte“

Der Eichkater auf Carolins Schulter gab einen merkwürdigen, piependen Ton von sich und plötzlich vernahm ich eine mentale Stimme in meinem Bewusstsein.

„Was genau hat diese Kshatriays Festung mitgeteilt? Du musst dich nicht fürchten, ich bin Quaoarie. Der zum Leben erwachte dritte Planet des Riija Sonnensystems.“

Anscheinend hatten alle Anwesenden die Stimme gehört. Ratsmitglied Selec’t Gesichtsausdruck war genauso verstörend, wie meiner.

Nur für Carolin und ihren Partner schien es ganz normal zu sein, dass ein Planetenbewusstsein zu ihnen in dieser Form sprach.

Was sollte ich antworten? Diese neu erwachte Entität war wohl genau das eigentliche Problem, soviel ich verstanden hatte.

Ich hörte noch die mentale Stimme des Avatars: „Die universelle Konstante des Lebens wird in Frage gestellt und der Bedarf einer Regulation wird unabdingbar.“

Diese Aussage konnte ich aber nicht weitergeben. Es würde im Endeffekt bedeuten, dass eine sogenannte ‚Regulierung‘ das Erlöschen des Planetenbewusstseins herbeizuführten gedachte.

Ich musste improvisieren. „Vorsicht, du bewegst dich auf dünnem Eis“, vernahm ich Sha’hons Gedanke, dann konzentrierte ich mich.

„Im diesem Planetensystem wurde einst ein ganzer Planet zerstört. Der Aggressor wird wieder zuschlagen. Die Aufgabe besteht darin, herauszufinden, was er tatsächlich will!“

Jetzt schaute mich meine Tochter verstört an. Ich hatte keine Zeit, um mir eine wirklich gute und plausible Geschichte auszudenken. Also habe ich mir etwas zusammengereimt.

Das sollte ihr doch klar sein.

„Hast du nähere Informationen bezüglich dieses sogenannten Aggressors?“

Die mentale Frage von Quaoarie stand unvermittelt in meinem Geist.

„Nein, ich denke genau deswegen wurde ich ja von ELLIA hierhergeschickt, um herauszufinden, um wen es sich dabei handelt. Vielleicht gibt es in den geschichtlichen Aufzeichnungen der Tongva mehr Informationen.“

Ich schaute zu Ratsmitglied Selec’t.

„Er hat deine kurze Kommunikation mit Quaoarie nicht mitbekommen! Du musst deine Frage nochmals verbal wiederholen!“

Carolin hatte laut gesprochen, so dass es alle am Tisch hören konnten. Ich wiederholte Selec’t gegenüber nochmals meine Frage.

„Die Zerstörung des 3. Planeten unseres Sonnensystems wird bis heute in meinem Volk regelrecht als Tabu behandelt. Selbst in den Schulen und Universitäten wird dieses historische Ereignis mehr oder wenig totgeschwiegen. Es ist nicht einfach für mich, darüber zu sprechen. Unsere Geschichtsschreibung beginnt viele Jahrhunderte nach diesem Geschehen. Auch ich kann Ihnen dazu sehr wenig sagen.“

„Es müssen doch irgendwelche Aufzeichnungen existieren. Schließlich war solch ein Exitus ein gewaltiger Einschnitt in das Leben. Besonders die Evakuierung zum Nachbarplaneten und dessen Besiedelung war ein gigantische Unterfangen.“ Haakons spontane Äußerung blieb nicht ohne Erwiderung.

„Es gibt eine Ratskommission für historische Entwicklungen, deren Vorsitz eine Kollegin von mir, SEketa Melm’ste, innehat. Ich werde mich erkundigen, ob sie vakant ist.“

Selec’t erhob sich abrupt von seinem Platz, schaute nochmals kurz in die Runde, und verließ sichtbar erleichtert, den Raum.

„Ähm, und jetzt,“ rutschte es Chloe heraus. Carolins Gesichtsausdruck wirkte nachdenklich, als sie in ihre Richtung blickte. Unvermittelt öffnete sich wieder die Tür. Doch anstatt Ratsmitglied Selec’t standen dort zwei Saaldiener in einheitlich wirkender Kleidung.

„Wir bitten Sie, uns zu folgen. Es stehen Räumlichkeiten zu Verfügung, um es Ihnen so angenehm wie möglich zu gestalten. Dort können Sie die Zeitspanne bis zur nächsten Besprechung bequem überbrücken.“

Verblüff über diese Aussage eines der Saaldiener schauten wir uns alle gegenseitig an.

„Das war aber eine kurze Zusammenkunft“, vernahm ich Sha’hons Gedanke.

„Das hört sich aber für meine Begriffe wie eine ständige Überwachung an.“ Carolin sah Chloe erstaunt an. „Nein, so ist das absolut nicht gemeint, glaube mir. Ich denke eher, dass Ratsmitglied Selec’t selbst zunächst Zeit benötigt, um weitere Informationen zum angesprochenen Thema zu beschaffen. Dazu gehört auch, dass er Kontakt zu SEketa Melm’ste aufnimmt. Es macht keinen Sinn, nur theoretisch zu spekulieren. Auch Quaoarie ist dieser Auffassung.“

Wie als Zeichen der Zustimmung, gab der Eichkater auf ihrer Schulter einen schmatzend-gackernden Ton von sich. Auch Haakon nickte zustimmend.

„Na, wenn das so ist, dann beugen wir uns der Macht des Faktischen!“

Ich lächelte Carolin zu, was auch sofort Sha’hon auffiel. Sie zischte böse und blickte mich mit ihren gelb-geschlitzten Katzenaugen warnend an.

Ich musste kurz leise auflachen. Außer Chloe merkte es niemand und sie ließ auch nicht erkennen, was sie in dem Moment dachte.

Wir erhoben uns alle fast gelichzeitig von den Plätzen und folgten den beiden Saaldiener.

Wenige Meter neben dem kleinen Raum, den wir gerade verließen, befand sich ein Lift. Er beförderte uns zehn Stockwerke nach oben.

Wir schwiegen uns gegenseitig an, wobei die Blicke, die wir uns dabei zuwarfen, wohl ganze Bände sprachen.

Die Situation zwischen allen Anwesenden war zweifelsohne angespannt. Ich hatte bemerkt, dass Chloe mehrmals ansetzte, etwas zu sagen. Nur meine warnende Blicke hielten sie jedoch davon ab, ihre Mutter anzusprechen, die von ihrer Tochter noch überhaupt nichts wusste.

„Es wird sich ein besserer Zeitpunkt ergeben, dann kannst du mit ihr sprechen“, ließ ich sie telepathisch wissen, als wir den Lift wieder verließen. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch schweigen kann, Es ist ein sehr blödes Gefühl, zu wissen, dass meine Mutter, bei der ich großgeworden bin, von meiner Existenz noch überhaupt nichts weiß“, konterte sie ebenfalls telepathisch.

„Es stehen Ihnen zwei Logis zur Verfügung. Bitte wählen Sie die Aufteilung.“

Die beiden Türen der uns zugewiesenen Räumlichkeiten lagen sich direkt gegenüber. Wir standen in einem relativ schmalen Gang von etwa fünf Meter Länge und blickten uns etwas verwundert an.

Während vor jedem der beiden Saaldiener sich die Tür automatisch öffnete, standen wir etwas unsicher davor.

Erst als sie sich grußlos zurückzogen und den Eingang freigaben, kam in unsere kleine Gruppe Bewegung. Wie selbstverständlich betraten Carolin und Haakon zusammen eine Suite und während ich ihnen nachschaute, hatte Sha’hon bereits ebenfalls durch die gegenüberliegende Tür die dahinter befindlichen Räumlichkeiten betreten.

„Wir sehen uns später!“ Carolin hatte sich kurz zu mir umgedreht.

Bevor Chloe, die immer noch neben mir stand, auf dumme Gedanken kam, schupste ich sie in die andere Richtung und folgte ihr, ohne eine Erwiderung zu geben.

Sha’hon schaute uns schnippisch entgegen, als wir durch die Tür traten.

„Ihr beide macht Gesichter, als wärt ihr gerade gestorben!“

„Wie soll ich das denn verstehen? Tode machen keine Gesichter mehr!“

„Eben“, schnurrte Sha’hon.

Chloe ging schweigsam an mir vorbei in den Raum und steuerte zielbewusst auf die zweite Tür zu, welche sich an der, vom Eingang aus, rechten Seite des etwa sieben mal zehn Meter großen Zimmers befand.

„Tarik, wie sieht nun dein weitere Plan aus? Ich fühle Unsicherheit. Seitdem du diese Carolin wiedergesehen hast, bist du so merkwürdig.“

Sha’hon stand jetzt ganz dicht vor mir und ihre gelb leuchtenden Augen schauten mich durchdringend an.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

Ich wusste tatsächlich selbst nicht, was mit mir los war. Sha’hon hatte wirklich ein sehr sensibles Gespür dafür.

Mich hatte tatsächlich der so unerwartete Anblick meiner geschiedenen Frau irgendwie aus dem Gleichgewicht gebracht.

Erinnerungen kamen auf und verunsicherten mich noch zusätzlich.

„Lass und zunächst darüber sprechen, was genau unsere Mission ist. Wenn man überhaupt von einer Mission sprechen kann. ELLA, die Festungsanlage der Kshatriays, hat mir, beziehungsweise uns diesbezüglich ja überhaupt keine andere Chance gelassen. Jetzt sind wir hier und sollten das Beste Daraus machen.“

„Du zweifelst an dir selbst, ist es das?“

Sha’hons Frage irritierte mich, aber nur kurz.

Sie bezog sich natürlich auf meinen Gefühlszustand.

Sie trat noch etwas näher an mich heran und nahm mich behutsam in den Arm. So sensibilisiert kannte ich die Prinzessin überhaupt nicht.

„Mir ging es ähnlich mit Marlon, als ich dir begegnet bin. Vergangene Werte sind gut, um Erfahrungen zu sammeln. Jedoch ist die Vergangenheit im hier und jetzt nur noch eine schöne Geschichte, die dein Ego dir erzählt.“

Sie sprach leise, aber dafür sehr eindringlich. Ich begann die Wärme ihres Körpers zu fühlen und wurde etwas ruhiger, als ich ihrer Stimme zuhörte. „Du machst das gut, meine kleine Prinzessin von den Sternen, erwiderte ich telepathisch.

„Auch Helden benötigen des Öfteren etwas seelischen Beistand. Du weißt doch, eines der kosmischen Gesetzte sagt, dass das gesamte Universum auf der Verbindung von männlichen und weiblichen Qualitäten basiert. Diese Geschlechtlichkeit ist in allem. Im ausgeglichenen Zusammenspiel offenbart sich die wahre Kraft des Geistes.“

Jetzt blickte ich sie wirklich erstaunt an. Solch metaphysikalische Weisheiten hatte ich von ihr als Letztes erwartet.

„Du erstaunst mich immer mehr!“

Sie schnurrte und leckte mit ihrer weichen Zunge über mein Ohrläppchen.

„Als Prinzessin hatte ich die Möglichkeit, von den größten Philosophen meines Volkes zu lernen.“ Ihre animalische Art und das gleichzeitig herausstechende, intellektuelle Ergo, ließ mich regelrecht innerlich erzittern.

Ich schaute in ihre gelben Schlitzaugen und beobachtete, wie sich die Pupillen mit einem Mal stark vergrößerten.

Gleichzeitig spürte ich ihre Handflächen an meinem verlängerten Rückgrat, wie sie sich langsam nach unten bewegten.

„Du weißt, dass sich Chloe im Nebenzimmer aufhält. Wir sind hier nicht allein.“

Ein tiefes, fast schon aggressives Knurren entwich ihrem Mund.

„Deine Spezies scheint immer nur auf das eine fixiert zu sein. Warum bist du so angespannt? Macht es dir denn keinen Spaß, zu spielen?“

Etwas verblüfft wollte ich einen Schritt zurück machen, aber sie hatte mich fest im Griff. Erst einige Sekunden später gab sie mich frei, jedenfalls tat sie so, aber ich fühlte immer noch ihre Hände an meinem Körper.

Familien-Geschichten

Prinzessin Sha’hon zog ruckartig ihre Hand von der Stelle, an der sie eben noch gelegen hatte, als Carolin den Raum betrat, nämlich auf einem meiner Pobacken.

Sha’hon knurrte zornig, aber leise, sodass nur ich es vernahm.

„Wenigstens sitzt diese komische Kreatur nicht mehr auf ihrer Schulter“, vernahm ich Sha’hons Gedanken.

Ich schaute neugierig geworden Carolin entgegen. Sie hatte den uns temporär zugewiesenen Aufenthaltsraum, ohne anzuklopfen, betreten.

„Tarik, ich möchte mit dir reden!“

Ihre Augen leuchteten kurz hell auf, was mich zunächst etwas irritierte.

„Es ist viel geschehen, seitdem du mich am Haus meiner Großmutter abgesetzt hast, obwohl noch nicht einmal ein Jahr vergangen ist.“

„Ich bin damals zurück in das Jahr 2274 gegangen, schon vergessen? Frage mich nicht, wieso ich jetzt und hier wieder in deiner Gegenwart aufgetaucht bin. Ich nehme stark an, der Transmitter der Kshatriyas hat uns nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich versetzt. Für mich sind bereits mehr als ein Jahr vergangen!“

Ich dachte in diesem Moment an meine Begegnung mit Chloe. Wie konnte es nur sein, dass Carolin immer noch überhaupt keine Anzeichen einer Schwangerschaft zeigte?

„Können wir reden, allein?“

Und bevor Sha’hon sich beleidigt fühlen konnte, wandte sie sich ihr zu.

„Seien Sie mir nicht böse, es ist nicht persönlich gemeint. Aber es sind, denke ich, zwischen ihm und mir noch einige sehr individuelle Dinge zu besprechen.“

Sha’hon ließ nicht erkennen, was sie gerade dachte. Sie schnurrte nur kurz in meine Richtung und ging dann betont langsam auf die Zwischentür zu, die in den zweiten Raum der Suite führte.

Bevor sie die Tür erreichte, wurde sie bereits von der anderen Seite geöffnet. Unvermittelt stand Chloe im Türrahmen.

„Zu diesen individuellen Dingen gehöre ich wohl ebenfalls dazu! Wenn nicht sogar hauptsächlich, nicht wahr Tarik?“

Chloe kam auf uns zu, während hinter Sha’hon sich die Tür schloss. Ich vernahm noch ihren Gedanken: „Na dann viel Spaß bei deiner Vergangenheitsbewältigung“, dann wurde ich voll und ganz von meiner Tochter und meiner Exfrau, oder so, in Beschlag genommen. Carolin schaute mich irritiert an.

„Lasst es uns zunächst etwas bequemer machen!“ Ich deutet auf die Sitzlandschaft, die mitten im Raum stand. Sie war in U-Form gestaltet, mit einer sehr dynamischen und individuellen Optik in schwarzem Leder mit roten Applikationen an den multifunktionalen Kopfteilen und große Touch Wheel Fernbedienungen der Raumbeleuchtung in den Armlehnen, welche teilweise in der Luft zu schweben schienen.

Desgleichen verfügte sie über Federkernpolsterung und einer breiten Liegefläche.

„Wie du meinst!“

Carolins Augen versprühten ein Feuer, das ich so früher noch nie an ihr bemerkt hatte. Bevor Chloe ihre Mutter mit der für sie bestimmt überaus bizarren Wahrheit konfrontierte, versuchte ich deren Auswirkung auf die Zukunft kurz zu überdenken. „Chloe, ich hoffe nur, du weiß, was du tust. Schließlich kann es zu Verwerfungen von zukünftigen Ereignissen führen oder sogar ein Paradoxon auslösen“, sagte ich laut und deutlich in ihre Richtung.

„Was ist hier los? Tarik, willst du mich nicht in euer Geheimnis einweihen?“

„Genau das will Chloe ja bereits die ganze Zeit über tun. Ich möchte nur nicht, dass uns ein Zeitparadoxon alles zerstört. Ich habe schon einmal dabei einen geliebten Menschen verloren.“

„Ich passe schon auf, was ich von der Zukunft erzähle, Papa. Keine Angst.“

Carolins Pupillen begannen sich spontan zu vergrößern und auf ihrer Stirn bildeten sich große Falten.

„Papa? Sie ist deine Tochter? Alle Achtung!“

Bevor ich ihr antworten konnte, kam mir Chloe zuvor.

„Ja Mama, Tarik ist mein Vater. Deine Schwangerschaft hat, wie du mir mal erzählt hast, ganze 14 Monate gedauert.“

Tränen standen plötzlich in Chloes Augen, während sie gebannt Carolins Reaktion beobachtete, genauso wie ich natürlich auch.

Es dauerte gefühlt mehrere Minuten, bis Carolin fähig war, etwas zu sagen.

„Was, wie, wann? Nein, das glaube ich nicht. Ihr beide wollt mich wohl veralbern.“

Dabei betrachtete sie nachdenklich Chloes Gesichtszüge.

„Schon merkwürdig. Ich hatte die ganze Zeit so ein komisches Gefühl, als würde ich sie von irgendwoher kennen!“

„Mein vollständiger Name ist Chloe Caprice vanGelden. Ich bin tatsächlich deine Tochter!“

Als Carolin den Namen vernahm, musste sie mehrmals kräftig schlucken.

Sie blickte mehrmals von mir zu Chloe und zurück. Dann strich sie sich über den Bauch.

„Chloe und ich haben einen Zeittransfer hinter uns. Das heißt, sie sogar zweimal, nämlich in beide Richtungen. Es ist wirklich verwirrend, das gebe ich zu. Aber es ist die Wahrheit. Sie ist unsere Tochter.“

Carolins rechte Hand lag immer noch auf ihrem Bauch, während sie mit der linken Chloe berührte, die seitlich neben ihr saß.

Dann konnte Chloe sich nicht mehr halten, beugte ihren Oberkörper nach vorne, und umarmte sie.

„Mama, was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als wir hier ankamen und ich dich sofort erkannte?“

Als Carolin nicht reagierte, ergänzte Chloe: „Ich durfte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Du hast ja von meiner Existenz anscheinend noch nichts gewusst und hättest mir womöglich nicht geglaubt!“

„Es ist auch jetzt für mich noch sehr schwer, zu akzeptieren, dass du meine ungeborene Tochter bist! Überhaupt, wie ist das möglich? Wann…?“ Sie blickte mich dabei an.

„Denk an die letzte Nacht auf der KLONDIKE, bevor ich dich zurück in deine Zeit gebracht habe. Chloe erzählte etwas von einer außergewöhnlichen Schwangerschaft über 14 Monate. Auch wenn du jetzt noch nichts siehst, wächst sie bereits in dir heran. Jedenfalls wirst du in der nächsten Zeit bestimmt Änderungen an deinem Körper bemerken.“

In ihrem Blick lag immer noch so etwas wie Unglaube, dann blitzte es in ihren Augen auf.

„Ich hatte gestern über mehrere Stunden einen wiederkehrenden Brechreiz.“

Sie schaute mich mit großen Augen an.

„Mach einfach einen Schwangerschaftstest, wenn du uns nicht glaubst. Auch die Tongva müssten über so etwas verfügen.“

„Wie peinlich ist das denn? Nein, ich warte, bis ich zurück auf der Erde bin.“

Sie setzte sich jetzt gerade und blickte von Chloe zu mir.

„Jetzt erzählt mir mal die ganze Geschichte. Wann wurdest du geboren?“

Carolin schaute wieder zu Chloe. Bevor sie jedoch irgendetwas erwidern konnte, musste ich warnend einschreiten.

„Vorsicht, Zeitparadoxon. Chloe sei bitte vorsichtig, was du von dir gibst. Ich denke insbesondere dein Geburtsdatum solltest du nicht mitteilen. Es könnte schnell eine Zeitanomalie entstehen, die sich bis zu deiner jetzigen Existenz erstrecken kann.“

Chloe blickte mich erschrocken an.

„Tut mir leid, Mama, aber Tarik hat recht. Ich darf dir nichts erzählen. Die Gefahr, dass sich die Zukunft dadurch verändert, wäre zu groß.“

„Es ist schon schwer genug, sich vorzustellen, dass du, eine erwachsene Frau, zum zweiten Mal als Fötus in meinem Bauch existierst. Aber es ist nochmals ein ganz anderes Ding zu wissen, dass ich tatsächlich Mutter sein werde über einen Zeitraum hinweg, den du bereits hinter dir hast.“ Carolin blickte mich hilfesuchend an.

„Du glaubst nicht, wie überrascht ich gewesen war, als unsere Tochter sich so plötzlich bei mir vorgestellt hat. Es ist nicht einfach, wenn man es mit der sogenannten 4. Dimension zu tun bekommt.“

Bevor wir uns weiter mit den Tatsachen der Zukunft quälen konnten, öffneten sich fast zur gleichen Zeit die Eingangstür und die gegenüberliegende Wohnraumtür. Sha’hon kam aus dem zweiten Zimmer, während am Eingang eine weibliche Tongva mit zwei männlichen Begleiter stand.

Sie ließ kurz ihren Blick über uns schweifen, bevor sie sprach.

„Ratsmitglied Selec’t hat mich informiert. Ich bin SEketa Melm’ste. Meine beiden Begleiter, Dozenten an der hiesigen Hochschule, Marl Kuvie und Septer Jumpf.“

Sie schaute beide kurz bei der Nennung ihrer Namen an und wandte sich dann direkt an mich.

„Sie sind Commander Connar, richtig.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Sie sind an der historischen Entstehung unseres Volkes interessiert. Sie wissen aber auch, dass wir uns hier auf einem Niveau begeben, dass fast schon an einem Tabubruch grenzt!“

Die Vorsitzende der Ratskommission für historische Entwicklungen kam auf uns zu und setzte sich unaufgefordert mir gegenüber.

Ihre beiden Begleiter platzierten sich beidseitig neben sie.

„Ich denke, es ist auch im Interesse von Quaoarie, wenn wir mehr über die Vergangenheit des Riija-Systems erfahren“, entgegnete Carolin ihr.

„So, so, Quaoarie! Nun ja, es ist, wie gesagt, ein Tabu, aber ich werde versuchen, mein Bestes zu geben.“

Noch bevor ich die erste Frage stellen konnte, betrat Haakon ebenfalls den Raum.

Auf seiner rechten Schulter saß Felix, der Eichkater.

Sha’hon Mundwinkel verzogen sich leicht und ein weiches Knurren verließ ihren Mund.

Felix hatte es als einziger bemerkt und ich sah erstaunt, dass sich seine Fellhaare geradezu kerzengrade aufstellten.

„Quaoarie hat mich informiert, dass hier und jetzt Fragen der Vergangenheit beantwortet werden.“ Felix spitzte die Ohren. Plötzlich kitzelte mich etwas in meinen Gedanken.

Verwundert bemerkte ich, dass Carolin mich starr anschaute.

Dann vernahm ich bereits leise ihre Gedanken: „Tarik, ich möchte mit dir später noch etwas ausführlicher über die Situation sprechen. Das mit unserer Tochter hat mich sehr mitgenommen.“

Ich nickte kurz zu ihr rüber. „Ja, das können wir. Ich kann gut verstehen, dass du das alles nicht so einfach wegstecken kannst. Ich bin schon froh, dass du nicht sofort umgekippt bist. Du hast dich sehr verändert, in den wenigen Monaten, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, weißt du!“ Ich sah am Schimmer ihrer Augen, dass sie ebenfalls meine auf sie gerichteten, telepathischen Worte verstanden hatte.

„In den Analen unserer Vergangenheit ist verzeichnet, dass das Riija Sonnensystem einst über drei Sauerstoffplaneten verfügte, welche sich in der habitablen Zone um die Sonne drehten. Bei dem ursprünglich inneren Planeten handelte es sich tatsächlich um unsere Heimatwelt Dvija“, hörte ich SEketa Melm’ste weiter sprechen.

Felix hüpfte aufgeregt mehrmals auf und ab, sodass Carolin ihn mit der Hand festhalten musste, bevor er von ihrer Schulter gefallen wäre.

„Was genau ist damals geschehen?“

Ihre Frage ließ den Eichkater augenscheinlich etwas ruhiger werden.

„Unser Heimatplanet wurde durch ein unbekanntes Ereignis zerstört. Es gibt merkwürdigerweise überhaupt keine genauen Berichte zu diesem Ereignis. Unsere Vorfahren konnten sich jedoch noch rechtzeitig auf den zweiten Planeten, Chinigchinu, retten. Damals sind jedoch auch viele Tausende umgekommen, soviel wurde noch überliefert.“ 

„Wer waren die Feinde der Tongva? Oder handelte es sich um ein Naturereignis? Es ist absolut nicht plausibel, dass hierzu keine Aufzeichnungen existieren. Auch über eine solche lange Zeit hinweg muss es doch etwas geben!“

Ich blickte SEketa Melm’ste eindringlich an. Sie wechselte mehrere Blicke mit ihren beiden Dozenten, bevor sie antwortete: „Ja, es gibt da tatsächlich ein paar Ungereimtheiten in den Aufzeichnungen. Jedoch gibt es, nach meinem Kenntnisstand, keinen Historiker, der diese sehr floskelhaften Erwähnungen für bare Münze nimmt, oder sie überhaupt beachtet.“