Das Science Fiction Abenteuer Großpaket April 2024 - Wilfried A. Hary - kostenlos E-Book

Das Science Fiction Abenteuer Großpaket April 2024 E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: (499) Wilfried A. Hary: Finale auf der Damon Wilfried A. Hary: Das grausame Universum Wilfried A. Hary: Sterbende Welten Wilfried A. Hary: Die Rache der Carmas Manfred Weinland: Die Macht der Fraktalen Alfred Bekker: Logan und das Schiff der Ktoor Hendrik M. Bekker: Der neunte Planet Er heißt John Willard. Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben. Die Macht über das Universum! Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen. Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER GALAXIEN...

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Wilfried A. Hary, Manfred Weinland, Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker

Das Science Fiction Abenteuer Großpaket April 2024

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Inhaltsverzeichnis

Das Science Fiction Abenteuer Großpaket April 2024

Copyright

Finale auf der DAMON

Das grausame Universum

Sterbende Welten

Die Rache der Carmas

Die Macht der Fraktalen

​Logan und das Schiff der Ktoor

Der neunte Planet

Das Science Fiction Abenteuer Großpaket April 2024

Wilfried A. Hary, Manfred Weinland, Alfred Bekker, Hendrik M. Bekker

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Wilfried A. Hary: Finale auf der Damon

Wilfried A. Hary: Das grausame Universum

Wilfried A. Hary: Sterbende Welten

Wilfried A. Hary: Die Rache der Carmas

Manfred Weinland: Die Macht der Fraktalen

Alfred Bekker: Logan und das Schiff der Ktoor

Hendrik M. Bekker: Der neunte Planet

Er heißt John Willard.

Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben.

Die Macht über das Universum!

Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.

Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER GALAXIEN...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Finale auf der DAMON

Wilfried A. Hary

„ Das Ende der Angst – und der Beginn eines neuen Zeitalters!“

John Willard, der Diener des Sternenvogts, des Herrn der Welten, erfährt, daß der Sternenvogt einst ein... Mensch gewesen ist mit Namen Professor Richard Spencer. Und der Sternenvogt läßt ihn virtuell Zeuge davon werden, was damals mit ihm geschah. Im Rahmen verrückter Experimente verschlug es ihn in eine andere - eine offensichtlich jenseitige! - Welt. Er nennt sie Mikro - und er ist hier nicht allein. Das bizarre Wesen Meta nimmt sich seiner an - und hilft ihm am Ende, das "Nirgendwo" wieder zu verlassen.

Aber das Universum, das er kannte, ist inzwischen längst Vergangenheit. Und er ist... kein Mensch mehr, sondern eine Kreatur, die jegliche Form annehmen kann, ein sogenannter ANPASSER.

Ein Händlerschiff namens DAMON nimmt ihn auf - mit einer mehr als seltsamen Besatzung: PSI-Menschen! Und noch seltsamere Dinge ereignen sich an Bord, denen er auf den Grund geht: Eine Art PSI-Einheit, die Spencer den "Manipulator" nennt, gaukelt den Angriff von Außerirdischen vor und will die Besatzung auslöschen. Doch er kann sie austricksen - und er erzählt weiter...

*

Ich kam in dem Gangstück, das an der Schleu­se endete, zu mir.

»Spencer!« rief jemand verzweifelt.

Mühsam richtete ich mich auf. »Hier!« Meine Stimme war schwach. Auch ich litt jetzt unter den Nachwirkungen des besonderen Kampfes, den ich zu meinen Gunsten entschieden hatte - und zugunsten der Besatzung.

Kernau rannte herbei, dicht gefolgt von Stone. In Stones Gesicht sah ich Blut. Humpelte er nicht auch? Was war mit Kernau? Er schien unverletzt zu sein.

»Ich habe das Schiff gestoppt!« rief Stone herüber. Keuchend lehnte er sich gegen die Gangwand und schaute zu, wie sich Kernau über mich beugte, um mir auf die Beine zu helfen.

»Danke«, sagte ich zu Kernau.

»Wieso bist du plötzlich davongerannt? Die Außerirdischen kamen. Das ganze Schiff wim­melte von ihnen. Das wa­ren Tausende. Sie materialisierten, schauten sich um und ver­schwan­den wieder. Andere ka­men.«

»Und jetzt ist das Fremdschiff ver­schwun­den, nicht wahr?«

Kernau musterte mich mißtrauisch. »Was ist pas­siert, Spencer?«

»Alles der Reihe nach, Kernau. Erst bist du mit dem Erzählen an der Reihe - dann natürlich Stone.« Ich wehrte mich gegen jede weitere Hilfe. Mit wankendem Schritt ging ich Stone entgegen.

»Es war die Hölle«, murmelte der Captain, »die absolute Hölle! Der Bordcomputer drehte durch, glaube ich. Etwas hatte ihn im Griff. Das Schiff gehorchte keinen Steuerimpulsen mehr, sondern spielte verrückt. Und dann jagte es in den Raum hinaus, be­schleu­nigte mit so irrsinnigen Werten, daß die Andruckneutralisatoren nicht mehr richtig nachkamen. Leider hatte ich nicht auf Kernau gehört. Der hatte sich rechtzeitig angeschnallt...«

»Und du bist durch die Zentrale gesegelt«, bestätigte Kernau. »Es grenzt an ein Wunder, daß du überhaupt noch lebst.«

»Die Kleinen, Kräftigen sind besonders unverwüstlich«, entgegnete Stone und versuchte ein Grinsen.

»Weiter!« drängte ich.

Kernau nahm jetzt das Wort. »Es ist kaum zu beschreiben, Spencer. Das Schiff beschleunigte nicht nur mit höchsten Werten, sondern setzte auch seine Waffen ein. Ich nehme an, daß das Schiff versucht hat, die Fremden abzuhängen und sich anschließend mit Waffengewalt gegen sie zu wehren.«

»Was haben die Schatten gemacht?«

»Sie verschwanden plötzlich. Wahrscheinlich kehrten sie auf ihr Raumschiff zurück.«

»Danach?«

»Ich - ich verlor irgendwie das Bewußtsein. Ich glaube, es gab eine enorme PSI-Entladung. Des­halb."

Stone schilderte indessen: »Ich hatte das Gefühl, etwas wollte meinen Kopf zum Platzen bringen und mein Gehirn herausbrennen. Ich ver­lor ebenfalls vorübergehend das Bewußtsein. Als ich die Augen aufschlug, beschleunigte das Schiff immer noch mit irrsinnigen Werten. Ich schleppte mich zur Hauptkonsole und unterbrach die Energiezufuhr. Dann machte ich mich daran, wieder Ordnung zu schaffen. Jetzt funktioniert die Steuerung wieder vollständig. Ich habe die Daten der letzten Stunde vom Computer abgerufen, aber...«

»Aber?«

»Ohne Erfolg, Spencer. Sämtliche Daten sind gelöscht! Als wäre überhaupt nichts geschehen und als hätte das Schiff von einer Sekunde zur anderen einfach nur seinen Standort im Raum gewechselt.«

»Alles paßt nahtlos zusammen?«

»Ja, Spencer, obwohl es jeglicher Logik wider­spricht.«

»Das heißt, eine spätere Überprüfung würde nichts ergeben? Zum Beispiel, daß jemand den Bordcomputer manipulierte und dabei das ganze Chaos verursachte?«

»So ist es, Spencer!«

Ich ging an Stone vorbei in Richtung Zentrale.

Kernau eilte mir nach. »Ich bin eben erst zu mir gekommen. Ich dachte dabei zunächst nur an dich, wie du so plötzlich weggerannt bist. Wir konnten dir nicht folgen, weil die Fremden uns aufhielten. Und dann begann ja auch sofort dieser Höllentanz.«

»Es ehrt mich, daß du gleich nach dem Erwachen an mich gedacht hast«, sagte ich spöttisch über die Schulter zurück.

»Ja, denn ich habe geahnt, daß du etwas mit dem ganzen Chaos zu tun hast!«

»Spencer?« rief Stone überrascht. Auch er war uns gefolgt. Er hatte bewiesen, daß er ein guter Captain war. Ohne ihn wäre das Raumschiff wahrscheinlich immer noch steuerlos durch das All gerast und hätte alle Energie sinnlos verbraucht. Am Ende wäre genau der Zustand eingetreten, den der Manipulator uns vorgegaukelt hatte: Energielosigkeit und Steuerlosigkeit. Oh­ne Lufterneuerung wäre die Besatzung bald erstickt.

»Ja, er!« bestätigte Kernau ihm.

Ich trat in die Zentrale, dicht gefolgt von Stone und Kernau. Erst einmal suchte ich mir einen Platz. Ich hatte im Moment den Körper eines Menschen. Also hatte ich auch Bedürfnisse eines Menschen. Wie ehedem der Mensch Richard Spen­cer. Ich schloß die Augen und streckte die Beine aus. Ein wohliges Gefühl breitete sich in meinen Gliedern aus.

»He, nicht einschlafen!« befahl Stone.

Ich blinzelte lächelnd. »Ich hatte tatsächlich etwas mit dem Chaos zu tun, wenn auch nur indirekt. Was ihr erlebt habt, war der Kampf zwischen mir und dem Manipulator. Der Manipulator hat den Kampf verloren. Ich bin dafür, daß ihr Fellow und Blow und Braun sucht.«

»Blow?«

»Ja, Kernau. Blow ist natürlich nicht der Manipulator - und Fellow auch nicht. Er lebt übrigens.«

»Ja - und Braun?«

»Er ist mit Sicherheit der Dreh- und Angelpunkt, aber anders, als ihr jetzt noch glaubt.«

»Macht das eigentlich Spaß, so in Rätseln zu reden?«

»Nein, Kernau, aber ich muß es allen erklären. Auch Braun. Er weiß wahrscheinlich am wenigsten, wie ihm geschehen ist.«

Stone hantierte an der Hauptkonsole herum. Jetzt, da es anscheinend den Manipulator nicht mehr gab, arbeitete der Schiffscomputer wieder ungestört. Ein knappes Suchprogramm genügte. Eine Sekunde später flammten zwei Bildschirme auf. Blow und Fellow waren darauf zu sehen. Sie waren wohl erst erwacht, denn sie schauten sich verwirrt um. Die Zahlensymbolreihen am unteren Bildrand zeigten jeweils, wo sich die beiden befanden.

Stone nahm eine Konferenzschaltung vor: »Bit­te umgehend zur Zentrale kommen. Hier Captain Stone, unter dem Kommando von...« Er zögerte und schielte zu mir herüber. »Unter dem Kommando von Kommandant Spencer!«

»Ich hole Braun«, sagte Kernau tonlos und ging.

*

Als alle versammelt waren, fühlte ich mich endlich besser. Der Kampf hatte enorme Kräfte verbraucht. Aber er hatte sich gelohnt.

Unterstützt von Ker­nau und Stone erzählte ich der Besatzung, was inzwischen vorge­fallen war. Vor allem für Braun war das sehr interessant, weil er sich an nichts erinnern konnte - sogar seit er das Schiff betreten hatte!

Er berichtete selber: »Es kam ganz plötzlich, überfallartig. Ich war völlig unvorbereitet. Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich auf PSI-Ebene angegriffen wurde. Dieses Fremde in mei­nem Kopf war irritiert, aufs höchste erstaunt. Ich wollte die anderen darauf aufmerksam machen, aber das Fremde verbot es mir einfach. Und dann habe ich jegliche Erinnerung verlo­ren.«

»Dieses Fremde war der Manipulator. Er hat durch uns erst erfahren, was PSI ist. Braun wurde deshalb sein erstes Opfer, weil es ihm bei Braun am leichtesten fiel. Es hat damit zu tun, daß beide gewissermaßen auf gleicher Wellenlinie liegen. Sie haben eine große Ähnlichkeit miteinander.«

»Ähnlichkeit?« fragte Braun. Er schien noch darüber zu grübeln, ob er sich über diese Bemerkung meinerseits ärgern sollte oder nicht.

»Du wirst bald sehen, was ich damit meine, Braun. Hast du nicht einmal einen ganzen Schiffscomputer ersetzt? Wir wissen nicht, wie du das gemacht hast. Wie hast du das Schiff denn gesteuert? Mit den Händen? Weißt du, die Kapazität eines Gehirns allein ist sinnlos, wenn es keine Verbindung zu den Teilen hat, die es zu steuern gilt.«

Er zuckte zusammen.

Stone fragte stirnrunzelnd: »Meinst du, er hat die Fähigkeit, seinen Geist gewissermaßen in die Schaltkreise des Computers zu integrieren?«

»Ja, Stone - und nicht nur das: Wenn der Computer total funk­tions­unfähig ist, kann Braun trotzdem noch die unterbrochenen Kreise überbrücken. Aber irgendwo ist er dennoch ein Mensch. Er wird niemals auf Dauer einen Computer ersetzen können, denn die Belastung ist für seinen Körper und seinen Geist auf Dauer zu groß. Das heißt beispielsweise, auch Braun muß einmal schlafen, und seine Konzentrationsfähigkeit währt nicht grenzenlos.« Braun musterte mich feindselig. »Wie gesagt«, fügte ich hinzu: »Ich werde bald erläutern, worin die große Verwandtschaft zwischen Braun und dem Manipulator wirklich besteht.«

Ich erzählte weiter, bis zu dem Augenblick, da ich aus der Zentrale gerannt war. Aller Blicke hingen an meinen Lip­pen. Was würden sie von mir denken, wenn ich es ihnen schilderte?

Aber jeder von ihnen war ein ungewöhnliches Wesen. Ein unbedarfter Mensch hätte sich an Bord eines Monsterschiffs versetzt gefühlt. Für ihn wären wir alle furchterregende Ungeheuer gewesen; obwohl wir ausnahmslos wie Menschen aussahen.

»Ich verließ die Zentrale nur, damit Stone und Kernau nicht sehen konnten, was wirklich weiter geschah. Denn über sie hätte der Manipulator meinen Bluff entlarvt.«

»Bluff?« echote Kernau.

»Ja, denn ich hatte im Grunde genommen nicht die geringste Chance gegen den Manipulator. Sein PSI-Potential reicht aus, um uns alle hinwegzufegen. Dabei braucht er sich nicht einmal so sehr anzustrengen.«

»Du sprichst in Gegenwart? Ich denke, du hast den Kampf gewonnen?«

»Der Manipulator ist immer noch am Leben. Falls man da das Wort Leben überhaupt benutzen darf. Er hat nur sein PSI-Potential total aufgebraucht. In diesem Augenblick ist er dabei, es neu aufzubauen. Ich weiß nicht, wie lange er dazu benötigt, aber bevor es soweit ist, müssen wir alle bereit sein.«

»Und da verlierst du immer noch Zeit, Spen­cer?«

»Es ist alles ungeheuer wichtig, Kernau. Jeder muß genauestens Bescheid wissen. Der Höllentanz begann in Wahrheit nicht erst, als ich die Zentrale verlassen hatte, sondern schon vorher. Erinnerst du dich nicht? Und zwar in dem Moment, in dem mir plötzlich bewußt wurde, wer unser Gegner wirklich ist. Weder Blow noch Fellow, noch Braun - und doch ein Ding, das wir sehr gut kennen und das die ganze Zeit bei uns gewesen war. Nur haben wir es ignoriert. Weil wir Raumschiffe gewöhnt sind und auch, darin zu leben. Ihr zumindest. Wahrscheinlich bin ich nur deshalb darauf gekommen, weil ich kein Raumfahrer bin!«

Sie schauten erschrocken umher, denn sie begannen zu ahnen, was ich meinte.

»Ich eilte aus der Zentrale und lief zur Außenschleuse. Der Ma­ni­pulator versuchte, mich aufzuhalten. Es gelang ihm nicht. Oder er hätte mir Schaden zufügen müssen. Das jedoch wollte er vermeiden. Denn er brauchte mich zu sehr. Ich war seine beste Chance. Und dann blockierte er die Schleu­se. Es war einfach für ihn.

Ich hatte damit gerechnet, natürlich. Aber es war ja auch nicht meine Absicht gewesen, das Schiff wirklich zu verlassen. Der Manipulator sollte lediglich glauben, ich sei dazu in der Lage. Er gab vor, mich zu kennen, und dabei wußte er ganz genau, daß er mich nicht wirklich ken­nen konnte. Denn ich bin nicht nur kein Mensch mehr, seit ich in Mikro war, sondern überhaupt kein Wesen dieses Universums. Der Manipulator ist trotz seiner ungeheuren Denkkapazität nicht in der Lage, den Gedankengängen und Vorstellungen eines We­sens von Mikro zu folgen. Denn der Manipulator denkt genauso dreidi­mensional wie jedes x-beliebige Wesen in der Daseinsebene - ob nun Mensch oder etwas an­deres. Denken funk­tio­niert im gesamten Universum eben innerhalb der Daseinsebene nach demselben Prinzip. Nur subjektiv gesehen gibt es manchmal beträchtliche und auch unüberwindbare Unterschiede.

Ich habe den Manipulator schon einmal in die Gedankenfalle gelockt. Es war mir gelungen, weil ich dabei sein ei­genes Potential benutzte. Es ist ein Judotrick, wie ich ihn von der alten Erde her kenne: Schlägt jemand nach dir, dann nutze die Kraft seines Schlages, um ihn zu Fall zu bringen! Um mich zu beherrschen, mußte er mich zuerst einlullen. Er schickte mir Traumvisionen. Ich wehrte mich nicht dagegen, steuerte jedoch unbemerkt für ihn in die Richtung, in die sich die Visionen in meinem Sinne bewegen sollte. Dabei verfing er sich im eigenen PSI-Netz.

Stone und Kernau habe ich es bereits erklärt. Deshalb liefen wir auch zu den Kabinen von Blow und Fellow, um zu sehen, auf wen von beiden es gewirkt hatte. Aber ich hatte mich verrechnet. Der Manipulator litt nicht unter der Kälte des Weltraums, in die ich ihn versetzt hatte, sondern er fühlte sich ganz im Gegenteil sogar sehr wohl darin, denn die Kälte des Weltraums ist sein eigentliches Zuhause!«

Stone sagte mit zit­triger Stimme: »Der Ma­nipulator - das ist das... Schiff!«

»Nein«, berichtigte ich ihn, »nicht das Schiff, sondern genauer: der Schiffscomputer!«

*

Kernau schüttelte den Kopf. »Unfaßbar!«

Fellow und Blow sahen sich an. »Dann sitzen wir in einer tödlichen Falle!« sagte Fellow.

Ein eigenartiges Glit­zern trat in Brauns Augen. Er nickte mir zu. »Ja, ich verstehe jetzt den Vergleich mit der Ver­wandtschaft!«

»Aber ich habe doch vorhin mit Hilfe des Bordcomputers...«, stotterte Stone.

»Wir wollen es noch präziser ausdrücken«, sagte ich. »Der Bordcomputer hat ein Bewußtseinszentrum. Er ist ein künstliches, aber ein denkendes Wesen. Er ist der absolute Gipfel der technischen Entwicklung, nur dazu geschaffen allerdings, Krieg zu führen! Solche Schiffe wie dieses hier hat es mindestens zu Tausenden gegeben, aber nur die letzten, die man auf der Erde baute, waren wahrlich intelligent. Sie benötigten keine Besatzung und waren auf Feind programmiert. Und genau das ist auch das Dilemma unseres denkenden Computers! Sonst hätte er die Besatzung von vornherein ausgelöscht und mich am Leben erhalten. Bis er eine Möglichkeit gefunden hätte, meine Fähigkeit zu erben, andere Identitäten anzunehmen. Auch Kernau hätte er töten können. Anschließend hätte er dann mit seinen PSI-Kapazitäten die Kernau-Zellen manipuliert - für sich. Damit wäre er gewissermaßen mobiler gewesen. Mit den Kernau-Zellen und ihrer Besonderheit hätte er es sogar geschafft, eine komplette Besatzung entstehen zu lassen.

Zwei Dinge sprachen dagegen: Er hat eine Blockschaltung, die ihn zwingt, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Eine Besatzung kann niemals feindlich sein. Es sei denn, der einzelne entpuppt sich als eine Gefahr für die Besatzung. So wie ich, als ich das Schiff verließ. In seinem unbeschreiblichen Konflikt erfand der Computer die Version, daß ich mit Verstärkung zurückkehren könnte, um gegen ihn anzugehen. Ohne einen einprogrammierten Selbster­haltungstrieb wäre das Schiff niemals eine so perfekte Kampfmaschine gewesen. Der Selbsterhaltungstrieb siegte über das Freund-Programm und das Tötungsverbot.

Aber ich will nicht vorgreifen. Der Computer hatte außer dieser Schwierigkeit noch eine viel größere Schwierigkeit zu überwinden. Er war unfähig, meine gesamte Wesenheit zu begreifen. Und nur so wäre er in der Lage gewesen, ein gleiches PSI-Potential zu erzeugen und damit auch die Fähigkeit zu haben, Persönlichkeiten zu übernehmen und aus ihren Fähigkeiten zu schöpfen, ja, diese Persönlichkeiten sogar als Kopien neu entstehen zu lassen! Um meine Wesenheit voll­ends zu begreifen, mußte der Computer seine Kapazitäten anpassen. Seit wir das Schiff betreten haben, ist er damit beschäftigt. Das Schiff ist riesig. Wir können nur ahnen, wie viele Räume er zu seinem Zweck umgestaltet hat. Sicherlich hat er volle Ersatzmagazine.

Er hätte es dennoch niemals geschafft. Der Manipulator war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und das hätte uns wahrscheinlich allen das Leben gekostet - letztlich. Denn seine letzte Chance, Einfluß auf das Geschehen in diesem Universum zu nehmen, wäre vertan gewesen.«

»Ich denke, er hätte niemanden zu töten vermocht?« begehrte Fellow auf.

»Wie schon erwähnt: Es sei denn, es gab andere Prioritäten. Eine davon ist sein Selbsterhaltungstrieb. Wenn das Gildenkommando jemals erfahren hätte, was er versucht hatte, hätte man die DAMON bis ans Ende des Universums gejagt, um sie zu vernichten.«

»Ich frage mich, warum man das nicht längst getan hat!« sagte Kernau zerknirscht.

»Das mag einen einfachen Grund haben, Kernau: Die DAMON wurde erst vor kurzem entdeckt!«

»Du meinst, sie irrte vorher einfach so durch das All?«

»Möglich! Aber es ist auch möglich, daß sie irgendwo auf einem Planeten lag - als Wrack. Ich habe keine Ahnung, wie der Computer es geschafft hat, aber es gelang ihm, sich innerhalb von fünfhundert Jahren zu regenerieren und das Schiff wieder komplett betriebsbereit zu machen.«

»Das glaube ich einfach nicht.«

»Bedenke, was fünfhundert Jahre für eine immense Zeitspanne sind! Auch für dich, Kernau. Jedenfalls hat der Computer festgestellt, daß es keinen Krieg mehr gibt. Und die Herren des Weltraums, außerhalb der Planeten, das sind die Händler mit ihren obersten Führern, dem Gildenkommando. Der Computer steuerte das Raumschiff dorthin. Ich kann das Folgende nur abschätzen. Ich weiß es nicht von ihm selber. Auf jeden Fall war dem Gildenkommando dieses Raumschiff gewiß nicht ganz geheuer. Deshalb hat man die Gelegenheit wahrgenommen und schickte uns damit auf die Reise. Das Gildenkommando rechnete sich aus, daß wir die einzigen sind, denen es gelingt, ein solches Schiff zu beherrschen. Und wenn nicht, dann wäre immer noch Zeit, das Schiff zu jagen und vorsichts­halber zu vernichten, ehe es sich doch noch als Gefahr entpuppt!«

»Ungeheuerlich!« sagte Stone. Er schüttelte immer wieder den Kopf. Er, als erfolgreicher Raumkapitän, hatte eine ganz klar umrissene Vorstellung von einem Schiffscomputer. Er wäre niemals darauf gekommen, im Computer den Manipulator zu vermuten. Nur einer wäre dazu in der Lage gewesen: Braun! Und gerade dieser war das erste Opfer des Computers gewesen.

Kernau hieb mir auf die Schulter, wie es seine Art war: »Jetzt hast du immer noch nicht erzählt, was das für ein Bluff gewesen war - draußen an der Schleu­se!«

»Ich verwandelte mich in ein Wesen von Mikro, wurde so, wie ich in dieses Universum gekommen bin. Nur psychisch, denn körperlich - das kann ich nicht mehr. Sonst wäre ich längst wieder auf diesem Weg nach Mikro zurückgekehrt. Dies ist allerdings Gesetzen unterworfen, die ich selbst noch nicht enträtselt habe.«

»Du würdest wirklich zurückkehren?«

»Wie jemand, der in seine Heimat zurückkehrt - nach einem Ausflug, zu dem ihn die Neugierde getrieben hat!«

»Und der Computer merkte es nicht, daß die Verwandlung nicht vollständig war?«

»Wie denn auch, Kernau? Er beobachtete mich auf der PSI-Ebene. Denn auf dieser Ebene mußte er mich ganz begreifen lernen, um so zu werden wie ich. Das war die Vorgabe, sonst wäre nie das alles geschehen, was wir erlebt haben. Und als ich angeblich das Raumschiff in der Gestalt des Mikrowesens verließ, mußte er es glauben. Er fiel darauf herein - genauso wie ich ihn im Weltraum festgehalten hatte, in seiner eigenen Vision. Nur hatte er sich daraus befreien können, weil der Weltraum ihn nicht wirklich dazu zwang, seine Körpervorgänge bis auf ein Minimum zu reduzieren. Weil er eben überhaupt kei­nen Körper besitzt! We­nigstens keinen mensch­lichen.«

»Er hat versucht, dich dort draußen zu vernichten und ahnte nicht einmal, daß da draußen nur ein Trugbild von dir war - von ihm selber und seinen PSI-Energien unterstützt. Er verausgabte sich, brannte regelrecht aus. - Und was bleibt uns zu tun, wenn er sich wieder erholt? Beginnt dann das Ganze nicht von Neuem?«

»Nein, Kernau. Nicht, wenn wir zusammenhalten. Wir müssen unser Gesamtpotential in die Waagschale werfen. Und Braun ist die Schlüsselfigur dabei. Nur er ist in der Lage, von uns unterstützt, den Computer die­ses Schiffes total zu beherrschen und ihn neu zu programmieren. Er ist ein Kampfcomputer. Das Schiff ist ein Vernichtungsinstrument. Wahrscheinlich hat dieses Schiff ganze Welten vergehen lassen, ehe es selber zum Wrack geschossen wurde.«

»Ungeheuerlich!« rief Stone begeistert. »Und dann ist es unser eigenes Schiff. Wir sind seine Besatzung: Kommandant Spencer, Captain Stone, dann Kernau, Braun, Fellow, Blow... Dieses Schiff wird einmalig sein - im gesamten Universum - genauso einmalig wie seine Besatzung!« Er wollte anscheinend nicht mehr aufhören zu schwärmen.

»Zuvor jedoch haben wir zu arbeiten, Stone. Du mußt deinen PSI-Block lösen. Sonst geht es nicht. Denn wir brauchen auch deine Hellsichtigkeit. Sie soll uns leiten, damit wir beim Umprogrammieren des denkenden Computers keinen Fehler machen. Vergessen wir nicht, daß der Computer nicht nur einen Bewußtseinskern besitzt, sondern auch ein PSI-Potential; dem es mit der Zeit gelingen könnte, die eigene Programmierung vollständig zu überwinden. Selbst wenn wir jetzt das Schiff sich selbst überlassen könnten, würde es sich sehr bald zu einer PSI-Bombe entwickeln und zu einer absoluten Bedrohung für das Universum. Der Manipulator wurde durch uns erst zum Manipulator. Wir müssen es jetzt korrigieren!«

Stone nickte ernst.

Jeder war bereit.

*

Ich leitete die Loge. Die Besatzungsmitglieder öffneten ihre Geister und ließen mich an ihren Gedanken teilhaben. Ich koordinierte und knüpfte die Gedankenfäden. Es dauerte lange. Und vor allem Stone war ein Problem. Er wollte den Block zwar lösen, aber sobald wir uns ihm näherten, verschloß er sich wieder unbewußt. Es bedurfte großer Anstrengungen, und wir hatten nicht einmal die nötigen Erfahrungen, um Fehlern vorzubeugen. Ich hatte die ganze Zeit so getan, als hätten wir sehr viel Zeit. Es war notwendig gewesen, damit keinerlei Fragen mehr offenblieben und die Besatzung endlich Vertrauen in mich gewann. Sonst hätte ich niemals der Logenführer sein können. Stone mußte lernen, mit seiner PSI-Begabung bewußter umzugehen. Wie ein Kleinkind, das lernte, seinen Körper zu gebrauchen. Nur hatte das Kleinkind mehr Zeit zur Verfügung als wir. Deshalb mußten wir Stone unterstützen.

Wir fanden den richtigen Weg, indem wir nicht länger versuchten, in ihn einzudringen. Stattdessen ließen wir ihn an unseren gemeinsamen Gedanken teilhaben.

Stone begann, "auf eigenen Beinen" zu stehen. Derweil lernten wir, unsere Gedanken zu ordnen und schließlich im Gleichtakt klingen zu lassen.

Ich war der Logenmeister, und meine Gedanken waren nun die Gedanken von allen. Auch die Gedanken von Stone, der sich allmählich anpaßte, bis er endlich ganz zu uns gehörte.

Ich war Braun und verstand den Computer in all seinen Einzelheiten. Ich fand auch den Bewußtseinskern, der dabei war, sich zu regenerieren. Wie ein Mensch, der langsam aus tiefster Bewußtlosigkeit erwachte. Ein gespenstischer Vorgang.

Wir überwachten den Regenerierungsvorgang - als Braun. Und unsere Gedanken durcheilten gleichzeitig den gesamten Schiffs-Körper. Sie waren am Ende überall gleichzeitig, obwohl unsere Körper friedlich in der Zentrale ruhten.

Ich war Stone und fühlte als solcher, was ich tun mußte - was WIR tun mußten, damit alles in unserem Sinn geschah. Noch während das Bewußtsein des Schiffes erwachte, wurde es von uns umgarnt. Die Gedanken des Schiffes wurden ebenfalls zu unseren Gedanken. Wir alle bildeten eine vollkommene Einheit: Schiff, Stone, Blow, Fellow, Braun, Kernau und ich.

Unsere Gedanken tickten durch die Zeit. Sekunden dehnten sich zu Minuten, Minuten zu Stunden. Bis die Einheit langsam wieder zerfiel, in ihre einzelnen Teile. Wir wurden wieder wir selber. Aber das Schiff war bis in alle Ewigkeit unser Freund.

»Es ist vollbracht!« sagte Stone, und es klang wie ein Gebet.

»Du hattest übrigens recht«, meinte Kernau brummig.

»Wieso?«

»Deine Hellsichtigkeit warnte dich nicht davor, die Reise mit uns anzutreten. Tja, du hattest wirklich recht damit, denn die Reise hat sich gelohnt, nicht wahr?«

Ich lachte auf: »Ver­sucht einmal, euch nicht zu streiten, ihr beiden. Ihr wart so lange in der Loge miteinander vereint gewesen...«

»Wer streitet sich denn hier?« begehrte Kernau auf. »Ich habe doch lediglich gesagt...«

Ich winkte mit beiden Händen ab und sah mich in der Zentrale um. Lachende Gesichter. Eine komplette Besatzung. Freunde! Ich hatte sie hier, in diesem Universum, gefunden.

Konnte ich unter diesen Umständen wirk­lich noch daran denken, jemals wieder nach Mikro zurückzukehren?

Meine Freunde allein lassen - so wertvoll sie mir inzwischen geworden waren - nicht nur dank der Loge, die uns für alle Zeiten zusammengeschmolzen hatte?

Ich lachte und scherzte mit ihnen und dachte nicht mehr an Mikro - zum ersten Mal nicht mehr.

*

Das Fremde war gegenwärtig - und es ließ uns Zeit. Wir sollten erst Herr über unsere Emotionen werden, um hernach endlich an die Zukunft zu denken. Und an unser gemeinsames Ziel: Die Zentralwelt der Händlergilde.

Just zu diesem Zeitpunkt, als wir uns zusammensetzten und unser weiteres Vorgehen in dieser Hinsicht berieten, kam der PSI-Alarm...

Wir hatten die DAMON, wie unser Schiff hieß, ein PSI-Schiff getauft, denn genau diese Bezeichnung traf sozusagen den Nagel auf den Kopf. Und als unser Freund warnte es uns augenblicklich, sobald es die Gefahr als solche erkannt hatte:

Das Fremde war vom Schiff entdeckt worden.

Im nächsten Augenblick erreichte uns ein weiterer Gedankenimpuls, fremdartig zwar, aber eigentlich keineswegs bedrohlich.

Eine Gefahr?

Wieso eigentlich?

Aber war nicht alles eine Gefahr, das eine solche Überlegenheit zeigte?

»Ja, ich bin euch überlegen, aber nur zur Zeit, da ihr noch nicht gelernt habt, eure Kräfte wirklich wirkungsvoll einzusetzen.« Eine Stimme, die direkt in unseren Köpfen entstand. »Ich bin Soschnyz-Baschraz-Som und entstand in einer Zeit vor dem großen Krieg. Genauso wie du, Spencer. Auch ich war einst ein normales Wesen, sozusagen aus Fleisch und Blut. Die Umstände machten mich zu etwas anderem - zu dem, was ich heute bin. Ebenso wie es dir widerfuhr, Spencer! Wir haben einiges gemeinsam, wie ich finde, auch wenn du einst ein Mensch warst und ich... ein Zyzschniyer. Aber ich habe zu meiner Zeit die Menschen gekannt. - Übrigens, Freunde unter den Menschen nannten mich damals abkürzend einfach Sosch.«

Wir sahen uns verwirrt an - und dann handelten wir, indem wir sofort die Loge einleiteten, um unsere Kräfte zu bündeln und um...

Es blieb bei der Absicht, denn Sosch, wie er sich nannte, hatte keine Mühe, die Loge zu verhindern.

»Nicht doch!« tadelte er. »Ihr habt keine Chance gegen mich, so lange ihr nicht gelernt habt, eure Kräfte richtig zu handhaben. Ihr habt das PSI-Schiff auf eure Seite gebracht, habt wirklich etwas geschafft, was schier unmöglich erschien... Die PSI-Kräfte, die dabei aufgewendet wur­den, haben mich alar­miert. Ich war viele Millionen von Lichtjahre entfernt von hier - und spürte es trotzdem. Sofort eilte ich herbei, um Zeuge des Höhepunktes eures Kampfes zu wer­den. Gratuliere! Groß­artig!«

»Was willst du von uns?« fragten meine Gedanken - verständlich für jeden - auch für die DAMON.

»Endlich eine vernünftige Frage, Spencer. Laß es mich zunächst so formulieren: Ich will vor allem niemandem schaden! Ganz im Gegenteil! Ich habe es zu meiner Aufgabe gemacht, Schaden abzuwenden, und ich bin hergekommen, weil ich euch bitten möchte, im gleichen Sinne zu handeln! Denn ihr habt wohl vor, gewaltsam mit der DAMON die Zentralwelt der Händlergilde zu überfallen und... Jedenfalls, ich kann das keineswegs gutheißen.«

»Schaden abwenden? Wir? Von wem, wie - und wo?«

»Wieder vernünftige Fra­gen, wie sie deiner würdig sind, Spencer!« lobte mich dieser Sosch, den wir nicht sehen, den wir nur spüren konnten, obwohl er sich außerhalb des Schiffes befand - irgendwo dort draußen in der scheinbar absoluten Leere, die uns umgab.

Es war gespenstisch, aber ich hatte keine Angst. Sosch war uns überlegen. Das hatte er längst bewiesen, aber wenn er uns wirklich hätte vernichten wollen, wäre es längst geschehen.

Was wollte er denn sonst? Seine bisherigen Worte klangen in mir nach - aber eher wie ein Orakel, dessen Bedeutung man erst ergründen mußte.

Sosch fuhr fort: »Du hast in einer Zeit gelebt, Spencer, als die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes im Aufbruch gewesen war. Man hatte begonnen, den Weltraum zu erobern. Das gelang der Mensch­heit später auch tatsächlich, als du dieses Universum längst verlas­sen hattest, um eins zu werden mit dem MULTI­VERSUM, das du Mikro nennst. In der Zwischenzeit ist wahrlich viel geschehen...«

Gleichzeitig mit den letzten Worten sahen wir Szenen einer Zeit, die längst vergangen war, mich aber an meine eigene Zeit erinnerten.

»Wehrt euch nicht dagegen«, bat Sosch. »Ich will euch berichten, was damals geschah. Es schadet euch nicht. Ihr werdet damit alles erfahren, was von Wichtigkeit ist - und danach werdet ihr endlich begreifen, worauf ich hinaus will...«

Selbst wenn wir uns gewehrt hätten: Gegen die Flut der Bilder und Eindrücke hatten wir keine Chance. Sosch erschien uns schier unendlich überlegen zu sein. Aber hatte er nicht behauptet, dies sei nur so lange der Fall, bis wir endlich selber gelernt hätten, richtig mit unseren Kräften und Mög­lichkeiten umzugehen?

Wir erfuhren durch ihn die ganze Geschichte von Ultimate, der PSI-Raumfahrt und Ultimatecraft. Wir erfuhren auch, daß er als Botschafter zu den Menschen gekommen war, um sie vor der Ultimatecraft zu warnen, weil sie das universale Gefüge des Weltraums zerstören würde.

Es gelang ihm nur unzulänglich.

Und dann, als deutlich war, daß die Menschheit unbelehrbar blieb und auch die Rebellen unter den sogenannten Psychonauten keinen Erfolg versprachen, griffen die Völ­ker des Universums persönlich ein. Die Menschheit jedoch ließ sich das nicht gefallen. Sie wehrte sich gegen die Bevormundung, wie sie es empfand - und kämpfte gleichzeitig an zwei Fronten: Gegen die Re­bellen und gegen die Völker des Universums: Krieg!

Aber während dem schrecklichsten aller Kriege offenbarte sich eine neue Gefahr: Selbst PSI-Raumfahrt zerstörte mit der Zeit das Raumzeitgefüge! Es dauerte nur unverhältnismäßig länger! Und die rigorose Anwendung des Überlichtfluges anläßlich des Krieges - egal nun, ob auf PSI-Basis oder auf der Basis der äußerst radikalen Ultimatecraft - entschied letztlich den Krieg. Es gab keine Gewinner, sondern lediglich Verlierer. Alles war zerbrochen, was vorher Bedeutung gehabt hatte. Die meisten Überlichtschiffe zerstörten sich selbst, sobald sie es wagten, den nächsten Überlichtflug anzutreten. Selbst technische Einrichtungen, die auf den Welten der Völker des Universums gebaut standen aber ähnliche Hyperenergien anzapften wie bei der Üblichtraumfahrt, wurden zu Gefahrenquellen, versagten ihren Dienst und töteten ungezählte Wesen.

Die Zeit danach war lang und qualvoll - vor allem für die Menschheit, deren Reich nur noch aus Ruinenwelten bestand. Und während die Reste der Menschheit auf den Ruinenwelten in die Primitivität zurückfielen und die Psychonauten in einem eigenen, abgeschotteten Bereich gefangen waren, weil durch die Störung der universalen Ordnung auch ihnen keine Überlichtraumfahrt mehr möglich war und PSI-Kräfte fast völlig ihre Wirkung verloren, hatte die universale Ordnung Zeit, sich allmählich wieder zu ordnen. Sie erneuerte sich gewissermaßen aus sich heraus - und ermöglichte das Universum von hier und heute. Doch es mußte verhindert werden, daß noch einmal Mißbrauch in einem solchen Maße getrieben wurde. Inzwischen war die universale Ordnung ungleich empfindlicher geworden. Im menschlichen Einflußbereich gab es zwar nur ein paar wenige Überlichtraumschiffe - ähnlich wie die DAMON - aber mehr würde die universale Ordnung auch nicht mehr ertragen.

*

»Und somit ist es deine Aufgabe, in dem Bereich, in dem du tätig bist, die universale Ordnung zu schützen?« vermutete ich ernst, nachdem der Bericht geendet hatte.

»Ja, Spencer, richtig erkannt! Aber im menschlichen Einflußbereich, auf diesen vielen von Menschen besiedelten Welten, gibt es ein solches Regulativ wie mich noch nicht. Vergiß nicht, das Universum ist schier unendlich - und somit gibt es für unsereins auch unendlich viel zu tun.«

»Er will, daß wir in diesem Bereich des Universums hier die gleiche Aufgabe wahrnehmen wie er - als eine Art Sternenvogt, als Herr der Welten!« sprach die DAMON aus, was wir alle längst dachten.

»Genau das will ich!« bekannte Sosch.

»Aber wie soll uns das gelingen?« begehrte Kernau auf.

»Ihr habt euer Problem gelöst, indem ihr euch zu einer Loge zusammengetan habt. Ihr müßt jetzt lernen, auf Dauer zu einer solchen Einheit zu verschmelzen - untrennbar für alle Zeit bis in alle Zukunft. Dies ist eure einzige Chance, die nötige Macht zu erlangen, um unblutig HERR DER WELTEN zu werden! Ihr müßt eins werden - miteinander und mit dem Schiff! Nutzt dabei die Fähigkeiten von Spencer, laßt ihn zu eurem bestimmenden Faktor werden. Werdet eins miteinander - und am Ende werdet ihr selber das Schiff sein! Ich will euch beistehen dabei. Ich will euch anleiten, denn ich bin selbst einst zu einer solchen Einheit mutiert. Später will ich euch das erzählen, aber noch ist das nicht wichtig. Lernt von mir, wie ihr vorgehen müßt - und seid am Ende mächtiger gar als ich! Das müßt ihr auch sein, denn die Völker, die ich als Sternenvogt betreue, sind vernünftiger als die Menschen. Also braucht ihr auch viel mehr Macht - und vor allem unendlich viel mehr Geduld!«

*

>Ich, John Willard, ich bin!<

Und ich schlug die Augen auf. Allerdings brauchte ich mindestens eine Minute, um mich in der Realität wieder zurechtzufinden - in MEINER Realität. Der Sternenvogt hatte mich alles unmittelbar miterleben lassen - und es war schier unvorstellbar, daß dies alles schon weit über einer Million Jahre her war!

Ich schaute zur Seite. Da war er, »mein« Sternenvogt, den ich den Erhabenen nannte. Neben ihm war jenes Wesen, das sich mir als Sosch vorgestellt hatte. Der vollständige Name Soschnyz-Baschraz-Som war eher ein Zungenbrecher, den ich nicht gedachte, jemals anzuwenden, wenn ich dieses Wesen ansprach.

Wie sollte ich es denn überhaupt ansprechen? Auch als... Erhabener?

Ich erinnerte mich daran, daß »mein« Sternenvogt nicht gewollt hatte, daß ich ihn im Beisein von Sosch als Erhabener anredete.

Ruckartig erhob ich mich von der Liege. Das hätte ich besser nicht getan, denn Schwindel packten mich und drohten, mich zurück auf die Liege zu werfen, aber ich beherrschte mich meisterlich.

»Spencer...«, murmelte ich und lauschte dem Wort nach, wie um mich zu vergewissern, daß es Wirklichkeit war.

Der Sternenvogt lächelte verkrampft.

»Ich beginne zu begreifen...«, behauptete ich und schaute ihn voll an.

»Was begreifst du, John?« fragte der Sternenvogt.

Ich schüttelte den Kopf, um die letzten Reste der Nachwirkungen der PSI-Erinnerungen zu überwinden.

»Ich habe alles erfahren... von damals, als Sosch die Menschheit warnen wollte. Die Geschichte war noch nicht komplettiert gewesen, denn vor allem der Teil der Geschichte fehlte, der Sosch betraf. Was geschah mit ihm? Was geschah, als er zurückkehrte, um den Völkern des Universums zu berichten? Nun weiß ich, daß der Krieg danach stattgefunden hat, den er hatte verhindern wollen.«

»Alles andere wirst du auch noch erfahren, die ganzen Details - zumindest jene, die wichtig sind«, versprach der Sternenvogt.

Ich schaute Sosch an. Er erinnerte mich an einen riesigen Frosch, allerdings mit einem ein­zigen, rotglühenden Zyklopenauge auf der Stirn. »Auch du bist nicht mehr derjenige, der du damals gewesen warst. Selbst wenn mir mein Sternenvogt dies nicht mitgeteilt hätte, wüßte ich es. Ihr seid beide keine Wesen mehr, die mit lebenden Wesen viel gemeinsam haben. Ihr seid so eine Art... Götter! Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie groß eure Macht ist. Ich habe erlebt, daß der Sternenvogt einen Teil seiner Kräfte auf mich übertrug, um bei den PSI-Menschen einen wichtigen Auftrag zu erledigen. Ich kehrte zu ihm zurück, und er nutzte die Gelegenheit, um mich auf die Probe zu stellen, meine Loyalität zu überprüfen, indem er mir vorgaukelte, sämtliche PSI-Kräfte auf mich übertragen zu haben und deshalb sich nicht mehr gegen mich wehren zu können.«

»Nun, du hast die Prüfung bestanden, John«, erinnerte der Sternenvogt mit einem jovialen Lächeln.

»War es die letzte Prüfung gewesen?« fragte ich ihn. »Wie war das auf der Erde, als mein eigener Vater mich in die tödliche Falle lockte, indem er die Konfrontation mit deinem damaligen Diener ermöglichte. Ich besiegte deinen Diener - und du hast mich angeblich als Ersatz genommen. Aus Verlegenheit, wie du mir vorgegaukelt hast. In Wirklichkeit jedoch...«

»In Wirklichkeit?« echote der Sternenvogt gespannt.

»Nun, ich habe dich kennengelernt, ich habe erlebt, wie du als Spencer gewesen warst. Ich habe auch erlebt, was mit dir geschah nach deiner Rückkehr in das Universum, das dich geboren hatte. Aber ich habe dabei niemals den Eindruck gewinnen kön­nen, daß du überhaupt einen solchen blutrünstigen Diener zu­ge­lassen hättest. Dieser James - hieß er nicht so...? Nun, er war niemals dein Diener gewesen. Er war niemals das, was man meinen Vorgänger hätte nennen können. Er gehörte nur zu einer Prüfung - und diente dazu, mich glauben zu lassen, ich sei nur so eine Art Ersatz. Dabei war es in Wirklichkeit anders...«

Der Sternenvogt nickte ernst.

»Ich freue mich, daß du von allein darauf gekommen bist, John. Nein, James war ein Android, speziell für seine Aufgabe programmiert.«

»Und mein Vater?«

»Er war eingeweiht, John, und somit war er Teil der Prüfung. Er ist auch nicht umgekommen durch James. Das war nur vorgetäuscht, eine Illusion, die perfekt gelang, wie du dich erinnerst. Nur James war keine Illusion. Indem du ihn besiegt hast, war klar, daß die Züchtung gelungen war.«

»Die Züchtung namens John Willard...« Ich knirschte hörbar mit den Zähnen. »Schließlich ist die Erde von heute die größte und erfolgreichste Zuchtanstalt für bestes Menschenmaterial aller Zeiten. Was also liegt näher, als dieses unglaubliche Potential zu nutzen, um den idealen Diener entstehen zu lassen - den idealen Diener des Sternenvogts? Nun, ich nehme an, daß auch alles andere eine Lüge war. Zum Beispiel die Lüge von diesem John Willard, dem größten Versager in der Menschheitsgeschichte! Man flößte es den Leuten ein, damit sie mich haßten, von Anfang an. Damit ich ein einsamer Einzelkämpfer wurde, der niemandem traute..«

»...und unbesiegbar wur­de!« ergänzte der Sternenvogt ernst. »Du hast all jene Prüfungen mit Bravour bestanden. Selbst die Prüfung, als du gegen Bron angetreten bist. Dabei bist du nicht nur einfach ein gnadenloser Krieger geworden, sondern du hast trotz aller Widernisse eine unglaubliche innerliche Festigkeit erlangt - und bist zu Gefühlen fähig wie Liebe, Treue, Loyalität, Gnade und... Angst!«

»Du willst damit sagen: Ich bin trotz alledem im Innern ein normaler Mensch geblieben, psychisch gesund und weitgehend ausgeglichen? Ja, das muß ich wohl sein, will ich die Aufgaben wirklich so gut bestehen, wie es nötig ist.« Ich schaute ihn nachdenklich an. »Danke für alles! Danke für die Aufklärung und daß diese mir die Augen geöffnet hat. Ich habe begriffen, wieso du überhaupt mich brauchst - trotz all deiner Macht. Nein, ich muß es anders formulieren: Du brauchst mich eben WEGEN deiner unvorstellbaren Macht! Denn diese Macht und eine Existenz, die wahrlich unsterblich ist und bereits weit über eine Million Jahre wirkt wie ein Gott... Diese Macht hat dich sozusagen abheben lassen von der Ebene der Normalsterblichen. Du kannst ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Motive nicht mehr nachvollziehen und brauchst daher... mich! Ich bin dein Regulativ. Ich bin mehr als nur dein Stuntman, wahrlich. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes der menschliche Teil deiner Existenz!«

Der Sternenvogt starrte mich nur an, denn meine letzten Worte hatten wie anklagend geklungen.

Jetzt verließ ich die Liege und trat vor ihn hin. Sosch ignorierte ich in diesem Moment.

»Ja, ich habe es begriffen, mein Sternenvogt. Aber niemand hat mich je danach gefragt, ob ich alles dies auch wirklich will! Und ich habe mein Leben lang gekämpft. Es war jedesmal ein Kampf auf Leben und Tod. Hast du eine Ahnung, mein Sternenvogt, wie viele Menschen ich umgebracht habe, bis ich endlich stark genug wurde, um die letzte Prüfung zu bestehen und Aufnahme bei dir zu finden?«

»Ich weiß es, John, ja, ich weiß es! Auch wenn ich nicht mehr das spüren kann, was du spürst. Ich bin zu sehr Verstand geworden - abgehoben, wie du es ausdrückst. Aber es war nötig, alles dies sich so entwickeln zu lassen, wie es sich entwickelt hat. Glaube mir, John, hätte ich einen anderen Weg - einen weniger blutigen zum Beispiel! - gesehen, dann hätte ich diesen beschritten. Aber du bist hier, jetzt, zu einem Zeitpunkt, da du noch niemals so nötig gewesen warst.«

»Soll das heißen, vor mir hat es gar keinen Diener des Sternenvogts gegeben?«

»Nein, das nicht, John. Du bist nicht der erste, aber du bist der beste! Und das ist auch nötig, denn es gibt soviel zu tun für dich wie noch nie zuvor. Ich habe über eine Million Jahre lang alles stabil gehalten, aber in dieser Zeit habe ich auch dafür gesorgt, daß mehr und mehr Welten besiedelt wurden, verteilt über mehrere Galaxien. Es sind viele tausend der unterschiedlichsten Art. Es sind Welten darunter, auf denen die Menschen gar nicht mehr wie Menschen aussehen. Dies alles wirst du bei deinen künftigen Einsätzen er­leben. Du hast schon einiges geschafft, seit du bei mir bist, aber es ist alles erst der Anfang, glaube mir.«

»Ja, ich habe bisher einiges geschafft. Es ging jedesmal positiv aus, alles wendete sich mehr oder weniger zum Guten...«, murmelte ich. »Aber du hast auch Bron - wie vorher all die anderen Diener, die in deinen Diensten standen. Welche Aufgaben übernimmt denn er?«

»Solche, für die ich dich entweder nicht benötige - oder weil du dafür nicht die Zeit hast, während andere Aufgaben von dir erledigt werden müssen.«

»So wie in dem Beispiel mit dem Planeten mit der Virenkolonie, die du schon erwähnt hast. Es ist lange her, schätze ich, und Bron kommt dort immer noch ohne mich aus?«

»Nein, eigentlich nicht, John, aber leider gibt es in der Zwischenzeit Wichtigeres für dich. Zum Beispiel war es sehr wichtig, daß du alles erfuhrst, damit du erst recht begreifen lernst, wie wichtig deine Tätigkeit ist.«

»Ja, als die menschliche - um nicht zu sagen: sterbliche! - Komponente in diesem kosmischen Spiel«, murmelte ich und wandte mich ab. Müde schlurfte ich zur Liege zurück. Ja, ich war müde, unendlich müde sogar. Jetzt wollte ich nur noch schlafen - tief, fest, erholsam -, um hernach fit zu sein für all diese schier unlösbaren Aufgaben, die noch auf mich warteten als Diener und Stuntman des Sternenvogts.

»Als die menschlich-sterbliche Kompo­nen­te...«, murmelte ich noch einmal, ehe ich einschlief.

*

Ich bin so etwas von beschissen ruhig und ausgeglichen! dachte ich selbstanklagend beim Erwachen, während ich in mich hinein lauschte.

Ich hatte ausnehmend gut geschlafen. Wie die sprichwörtliche Unschuld. Gewiß, innerlich war ich total ruhig. Sagte man nicht, daß ein gutes Gewissen am besten schlafe? Ich schlief so gut, daß ich es bei näherer Überlegung einfach zum Kotzen fand. Ich fand mich nämlich selbst absolut zum Kotzen.

Nein, nicht gefühlsmäßig. Wie gesagt: Mir ging es in dieser Hinsicht bestens! Nur meine Gedanken... Ich kannte mich selber. Ich wußte alles. Da gab es nichts zu verheimlichen. Ich war auch nicht der Typ, der etwas verdrängte. Weil ich das gar nicht nötig hatte. Weil ich niemals an einer Erinnerung Schaden nahm, egal, wie sie auch aussehen mochte. Zum Beispiel: Ich konnte mich sehr genau an jeden meiner Morde erinnern.

»Du gemeiner Mörder!« sagte ich laut und meinte mich selber. Wenn man alle Menschen zusammen rechnet, die ich im Laufe meines beschissenen Lebens vom leben zum Tode gebracht hatte, konnte man mit Fug und Recht behaupten, ich sei ein Massenmörder. Doch das war gar nicht das Schlimmste, obwohl es selbstredend an sich schon schlimm genug erschien. Das Schlimmste war nämlich, das es mir einfach nichts ausmachte. Da war nur diese beschissene innere Ausgeglichenheit. Ich erlaubte mir keine schädlichen Emotionen. Nein, das gab es bei mir einfach nicht. Es war unmöglich. Selbst in der schlimmsten, gefährlichsten Situation, wenn andere vor Angst starben, blieb ich innerlich ruhig und ausgeglichen.

Nicht, daß ich nicht wüßte, was Gefühle sind. Logisch wußte ich das. Es war halt nur so, daß meine Gefühle niemals über meinen wachen Verstand triumphieren konnten oder gar sich schädlich auswirkten. Das durften sie nicht - und so taten sie es auch nicht.

Ich ruckte auf und setzte mich auf den Rand der Liege. Kopfschüttelnd stierte ich vor mich hin.

»Dies alles, weil ich eine perfekte Züchtung bin! Nicht durch Genmanipulation, denn der Meister hat sich was ganz Besonderes ausgedacht: Er ließ einen wie mich extra in einer besonders gefährlichen Umgebung aufwachsen. Nicht unter Monstern, sondern unter Menschen. Weil er ganz genau weiß, daß nichts gefährlicher und grausamer sein kann als eben... Menschen. Jeder von ihnen haßte mich. Selbst mein eigener Vater. Ich mußte in jeder Minute meines Lebens damit rechnen, daß mich jemand hinterrücks umbrachte. Und es geschah ja oft genug, daß es jemand versuchte. Aber ich war ja so etwas von ruhig und ausgeglichen und damit so etwas von überlegen... Ich war so überlegen, daß ich niemals in diesem verkotzten Leben auch nur einen Kampf verlor. So tötete ich und tötete und tötete... Ich blieb stets der Sieger. Nicht weil ich der große Held bin, sondern ich bin einfach nur ganz große Scheiße!« Die letzten Worte brüllte ich hinaus.

Es war wie ein Signal, denn gleichzeitig öffnete sich die Tür. Der Sternenvogt erschien. Das hieß, er gaukelte mir ein menschliches Wesen vor, das ihn verkörpern sollte. Ich kannte ja jetzt die Wahrheit.

Ein Wesen war bei ihm: Soschnyz-Baschraz-Som, von seinen menschlichen Freunden einfach Sosch genannt. Ich schaute ihn an.

»Ein ruhiger, wach­samer Blick!« sagte er. »John, der Mann, der jeder Situation gewachsen ist, der niemals die Nerven verliert. Er kennt die Angst. Er kann lieben und hassen, aber verliert dennoch nie die Nerven. Auch wenn es manchmal danach aussehen mag. Und es entgeht seinen wachsamen Augen niemals etwas. Zumindest nichts, was wichtig wäre für sein Überleben.«

Ja, so sprach Sosch, und ich fügte hinzu, ohne auch nur den geringsten Respekt zu zeigen, wie ich es vorher immer getan, als man mir die Wahrheit über alles noch vorenthalten hatte: »Nicht nur für mein Überleben, sondern auch für meine jeweilige Mission!«

Ich schaute nach dem Sternenvogt.

»Wir haben Deinen inneren Konflikt mitbekommen, John«, behauptete er ernst.

»Innerer Konflikt? Das klingt nach schierer Ironie. Es war ein rein intellektueller Konflikt, denn meine Gefühle waren nicht daran beteiligt. Ich war so ausgeglichen wie man es nur sein kann, in einer Umgebung, in der man sich total wohlfühlen darf. Das bin ich doch immer, nicht wahr?«

»Zumindest meistens. Drum hast du ja immer wieder auch Fremdrollen übernehmen müssen. Es hätte ansonsten genügt, die entsprechenden Personen zu manipulieren, ihnen einzutrichtern, was ihr Ziel sein soll, aber bei dir war es nicht nötig. Du hast ihre Rolle übernommen, wußtest nichts über ein angestrebtes Ziel - und hast es mit absoluter Sicherheit trotzdem erreicht. Du bist eben etwas Besonderes, John Willard!«

»Ich scheiße darauf!« sagte ich ruhig, aber bestimmt. »Ich bin ein großartiger Züchtungserfolg, nicht mehr. Diese scheiß Überlegenheit von mir, von der ich mich oft genug angeödet gefühlt habe, weil es mir signalisierte, kein richtiger Mensch zu sein - kein normaler zumindest... Ich gehörte niemals dazu, verstehst du das, Erhabener? Ich war stets der hundertprozentige Außenseiter.«

»Wie könnte ich das je vergessen, wo ich doch persönlich dafür gesorgt habe, John? Aber es hat dir nicht geschadet, sondern dir nur genutzt. Und wieso verschwendest du jetzt deine Intelligenz damit, dich selber anzuklagen? Welchen Sinn sollte das haben?«

»Hat nicht alles einen Sinn, was so ein Unbesiegbarer, so eine Superzüchtung tut, denkt oder sagt? Gott, was bin ich überlegen. Gott, was bin ich zum Kotzen!«

»Dann kotze meinetwegen - aber höre endlich mit dieser Zeitverschwendung auf.«

»Wie könntest du mich denn verstehen, Erha­bener? Wie könntest du verstehen, daß ich ein verfluchter Massenmör­der bin, denn die Unbesiegbarkeit hatte einen Preis. Diesen Preis mußte nicht ich bezahle, sondern all jene, die ich besiegte. Ich mag sie nicht zählen, obwohl ich mich an jeden einzelnen von ihnen erinnern kann.«

»War auch nur einer dabei, der es verdient gehabt hätte, weiterzuleben?« fragte er mich kalt. »Sie wollten dich töten - jeder von ihnen. Sie waren deine Feinde, und sie hätten dich umgebracht, ohne mit der Wimper zu zucken, hättest du es zugelassen.«

»Eine schwache Ausrede für einen Mörder.«

»Du bist kein Mörder, schlechtestenfalls ein Krie­ger.«

»Das sind genauso Mörder!«

»Wie lange soll das jetzt noch gehen?« erkundigte sich Sosch.

»Schon vorbei!« versprach ich ihm. »Es ist nur der Superverstand im Superkörper, der sich ab und zu mit der Superausgeglichenheit eines mordenden Superarschlochs beschäftigt.« Ich stand auf und stellte mich breitbeinig hin, als wollte ich die beiden provozieren. »Keine Bange, ich funktioniere in eurem Sinne, nach wie vor. Es wird keinerlei Grund zur Beanstandung geben.«

»Das wissen wir, auch wenn du dich selber als Superarschloch bezeichnest, John«, meinte Sosch. Es gelang mir nicht, in seiner Stimme auch nur den Hauch eines Gefühls zu entdecken. Dabei wußte ich, daß er früher anders gewesen war. kein Wunder, denn das war nach allem, was ich wußte, über eine Million Jahre her.

Der Mensch verändert sich, dachte ich ketzerisch - und ein Außerirdischer von Zyzschniy auch! Zumal über einen solch langen Zeitraum...

»Gibt es das eigentlich noch - Zyzschniy?« fragte ich, aber Sosch reagierte gar nicht. Deshalb entschuldigte ich mich sogleich: »Entschuldigung, ich wollte wirklich nicht...«

»Erspare dir die Entschuldigung, John, denn mir geht es genauso wie dir: Ich bin so etwas von beschissen innerlich ausgeglichen...«

»Jetzt ist aber wirklich genug!« mischte sich »mein« Sternenvogt ein. »Machen wir jetzt alle in Selbstanklage oder was? Ich meine, wir haben Wichtigeres zu tun.«

»Richtig, da draußen ist ja das ganze Universum, und das gilt es zu regeln und zu ordnen. Sind wir nicht gleich Göttern? Nein, nicht gleich Göttern, denn wir sind die Götter in Persona. Entschuldigung: Ihr beide seid ja die Götter. Ich vergaß. Ich bin ja nur der Halbgott, der vom Olymp hinab steigt, um den Menschen zu zeigen, was eine Harke ist.«

»Es klingt zwar wie ein Scherz, John, aber niemand lacht, am aller­wenigsten du. Mag daran liegen, daß du selber erkennst, wieviel Wahrheit in deinen Worten liegt. Und damit du in Zukunft niemals mehr vergißt, wie wichtig unsere Aufgabe wirklich ist - und nicht nur einfach ein Spiel wie von kindischen Göttern, die damit sich nur die Zeit vertreiben wollen...« Der Sternenvogt schaute zu Sosch.

Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen, daß ja beide Sternenvögte waren. Obwohl ich inzwischen beider Geschichte kannte. Oder gerade deswegen?

»Du meinst nur, meine Geschichte zu kennen, John«, sagte Sosch - und diesmal klang es sehr ernst. Ja, ich hatte mich nicht getäuscht. »Erinnerst du dich noch an Smaragd, den Asteroiden, der in den Hyperraum gelangte?«

»Natürlich erinnere ich mich.«

Mein Sternenvogt - wie sollte ich mich jemals an den Gedanken gewöhnen, daß er einmal ein Mensch namens Spencer gewesen war? - mischte sich ein: »Du kennst die Physik des Universums. Ich habe dir alles erklärt. So kannst du auch das Folgende verstehen. Ja, wir beide sind gekommen, um dir ein weiteres Stück Vergangenheit nahe zu bringen - betreffend Smaragd und das, was nach alledem geschah, wie du es bereits erfahren hast. Dabei ist Quendolain so etwas wie die Hauptfigur. Nicht nur sie...«

Ich schaffte es gerade noch bis zu meiner Liege, um mich darauf niederzustrecken, als die Flut von Bildern kam. Ich vergaß die Gegenwart und war wieder in der Vergangenheit. Wie mit einer Zeitmaschine. Über eine Million Jahre zurück. Zu einem Zeitpunkt, als Richard Spencer im Verlauf seiner Experimente längst verschwunden war in den Hyperraum, den er damals nicht Hyperraum, sondern Mikro genannt hatte. Er hatte von alledem nicht mitbekommen können. Ja, er nicht, aber sein »Kollege«, der Sternenvogt Sosch.

Irgendwie erlebte ich als Zeuge der Vergangenheit mit Quendolain und ihren Schicksalsgefähr­ten so etwas ähnliches wie Richard Spencer: Die Anpassung an eine andere Welt, an ein anderes Universum...

*

Ich heiße Quendolain und habe mich ver­ändert. Nein, nicht nur charakterlich. Ich war eine Captain, eine führende Kämpferin bei den Elitetruppen der Raumgarden. Dabei war ich in der Lage, allein und ohne Waffe gegen zehn normale Kämpfer zu bestehen - ohne große Anstrengung.

Ob ich darauf stolz bin? Natürlich nicht! Ich lebe jetzt ein anderes Leben, in einem anderen Universum, und die Erinnerung erscheint so unwirklich, seit ich mich an die schillernden Farben meiner Umgebung gewöhnt habe...

Halt, gewöhnt ist nicht der richtige Ausdruck. Sie wurden ein Teil von mir!

Die Erinnerung ist da, obwohl ich sie nicht mehr ganz begreifen kann. Ich sehe mich selbst an Bord meines Schiffes, der LUNA 10. Während ich darüber nachdenke, verändern sich die Farben, tendieren zu ultramarin, um zu Konturen zu erstarren.

Ein Schattenbild aus der Vergangenheit.

Captain Quendolain, wie sie war und wie sie niemals wieder sein wird.

Zuviel ist inzwischen geschehen!

Es begann mit dem verhängnisvollen Transmitterexperiment im Asteroidengürtel. Genius Dirk van Meren, der verdammte wissenschaftliche Narr, wollte den Planetoiden Smaragd durch ein Ultimatecraft-Transmittertor schicken. Eines der Schiffe mit dem Feldprojektor an Bord war die LUNA 10. Wir weckten Geister, die wir nicht zu bändigen vermochten. Die sich anbahnende Katastrophe riß uns mit in ihren Strudel. Wir gerieten mitten in die Geheimnisse von Hyperraum und wurden ein Teil dessen.

Meine Besatzung und ich veränderten uns und verloren sogar die Konditionierung, die uns zu beinahe seelenlosen Kampf­maschinen der Raumgarden degradierte.

Und dennoch wurden wir nicht frei.

Wir wollten dem Hyperraum entfliehen und gelangten nur in die Hände unserer ehemaligen Kameraden.

Nächste Station waren die Kerker von Luna.

Auf dem Höhepunkt der Katastrophe, als der entartete und ebenfalls von Hyperraum verän­derte Planetoid Smaragd durch das Sonnensystem raste, um alles zu vernichten, einschließlich Erde, griff man auf uns zurück.

Die Veränderung war fortgeschritten, seit wir erkannt hatten, daß wir Teile von Hyperraum geworden waren.

Wir wurden mit anderen auf die Reise geschickt und landeten tatsächlich auf Smaragd.

Der Außerirdische Sosch­nyz-Baschraz-Som rettete die Menschheit vor der teilweisen Vernichtung, indem er in letzter Sekunde Smaragd nach Hyperraum verbannte.

So rasten wir wieder durch Hyperraum und diesmal als Gefangene des entarteten Planetoiden, der inzwischen längst ein eigenes Universum bildete, weil er eine Synthese zwischen den Energien beider Welträume herstellte.

Zuflucht, die geheime Welt der flüchtigen Psychonauten, die sich vor dem irdischen Regime verstecken müssen, war damals beinahe vernichtet worden.

Es war die zweite Gefahr einer Kollision gewesen.

Auch diesmal griff Soschnyz-Baschraz-Som, der Außerirdische vom Planeten Zyzschniy, ein. Er dirigierte unsere Bemühungen, gemeinsam mit den Psychonauten von Zuflucht Smaragd abermals zu versetzen - diesmal wieder in den Normalraum. Eine Odyssee des Grauens.

Bei diesen neuerlichen Bemühungen ist etwas passiert, was ich nicht erklären kann.

Es gibt keine Zeit mehr für uns, keine Umgebung, sondern nur noch schillernde und zer­fließende Farben und die Projektionen unserer Gedanken.

Und wir können nur miteinander in Verbin­dung treten, wenn es uns gelingt, Projektionsübereinstimmungen zu erzielen.

Inzwischen haben wir gelernt, das ein wenig zu steuern. Es muß uns gelingen, wieder in völligen Einklang mit den Energien von Smaragd zu kommen.

Es ist, als würde sich Smaragd für unseren Verrat rächen!

Weil wir gemeinsam mit den Psychonauten gegen ihn gewesen waren, indem wir seine Energien dazu benutzten, ihn ein zweites Mal zu verbannen.

Ich weiß, es klingt irrsinnig, doch dieser Gedanke wird immer aufdringlicher und läßt sich kaum noch unterdrücken.

Ich verspüre den Wunsch, meine Augen zu reiben, mich lang auszustrecken, doch das geht nicht. Es existiert kein Körperbezug mehr, als wären wir nur noch Geistwesen, völlig eingegangen in die skurrile Natur von Smaragd.

Doch jeder von uns wehrt sich dagegen. Bei den mehr oder weniger flüchtigen Kontakten hat sich das herauskristallisiert.

Es gibt einen schlim­men Verdacht: Die Energien von Smaragd haben unsere Wahrnehmungsfähigkeit zerstört, weil hier nichts so ist, wie es die menschlichen Sinne gewöhnt sind. Außerdem ging die letzte Veränderung so sprunghaft vonstatten, daß wir uns nicht so schnell anpassen konnten.

Wir wissen nicht, ob das Universum überhaupt noch existiert und ob wir bei der neuerlichen Verbannung nicht einen fatalen Fehler gemacht und eine universelle Katastrophe heraufbeschworen haben.

Spekulationen, mit denen ich mich beschäftige, die jedoch zu nichts führen, solange es keine regelrechte Zusammenarbeit mit den anderen Verbannten mehr gibt...

*

Es ist ein Fehler, ja, ein verdammter Fehler, denn ich bin überhaupt nicht Captain Quendolain! Ich bin Enyl, jawohl! Diese verfluchten Gedanken in meinem Innern, die überhaupt nicht von mir stammen und die Selbstidentifizierung so sehr in Frage stellen, überschwemmen sogar meine Empfindungen, bis sich in mir Zorn meldet. Ich möchte diese Gedanken vernichten, zertreten und...

Ich halte ein, denn die Erkenntnis ist da. Sie kam wie angeflogen, kaum, daß ich mich von den Gedanken Quendolains teilweise befreit habe.

Ich habe den Kontakt mit Quendolain gesucht. Wir hatten schon zweimal Kontakt. Wie lange ist es her? Sekunden oder Ewigkeiten? Ich wollte Kontakt mit ihr und tat alles, um ihn zu erreichen, weil ich genau wie Quendolain weiß, daß nur in Zusammenarbeit eine echte Chance steckt.

Dabei ist es geschehen.

Jawohl, Quendolain wur­de ich, und ich wur­de Quendolain. Der Zusammenschluß zweier ver­bannter Geister.

Ich darf mich unter keinen Umständen da­gegen wehren.

Jetzt hat sie mich erkannt. Unsere Gedanken klingen zusammen, beginnen zu verschmelzen.

So ist es gut. Ich, Quendolain-Enyl, die Psychonauten-Gardisten-Persönlichkeit.

Heiterkeit. Oh, das tut gut. Wir können nicht lachen, als würde das gegen die Gesetze dieses Universums verstoßen. Aber wir verspüren Heiterkeit. Es ist ein winziger Schritt zum Menschsein. Wirklich, es ist ein einmaliges Erlebnis.

Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie irrsinnig eine solche Kombination ist:

Psychonauten und Gardisten sind gewissermaßen »natürliche Feinde«. Die Gardisten sind Schergen des Weltrats, das sämtliche von Menschen bewohnte Planeten beherrscht und selber wiederum von einem Mann mit Namen Derryl Reed beherrscht wird. Die Psychonauten widersetzen sich dem Terror dieses Regimes.

Natürliche Feinde. Trotzdem sind wir beide jetzt... eine Einheit.

Die bald wieder zu zerbrechen droht!

Wir gehen dagegen an.

Wir - ICH!

Ich muß die Sinnlosigkeit verbannen. Werden wir konkret, Freunde und Verbannte auf Smaragd. Schließen wir uns vollends zusammen. Mein Geist ist stark und ruft euch. Meine Gedanken funktionieren im perfekten Gleichtakt. Ich weiß nicht mehr, ob jetzt Quendolain oder ob Enyl, der Psychonaut, dominiert. Es ist gleichgültig. Wenn ich darüber nachzudenken versuche, störe ich nur den Zusammenschluß.

Es ist eine Aufgabe, sich den anderen zuzuwenden und die Gedanken in das Chaos von Smaragd zu entsenden. Sie dringen in die Unwirklichkeit der schillernden Farben und der zerfließenden Konturen. Es ist die Umgebung des materialisierten Wahnsinns. Es ist Alptraum, Drogenrausch, Horrorvision. Es ist alles und es ist nichts. Es ist unbeschreiblich und nicht wirklich wahrnehmbar. Es zerstört den menschlichen Geist, und es erneuert ihn gleichzeitig.

Es ist Smaragd!

Und da sind sie. Ich sehe den Funken in der Hölle schwimmen und treibe darauf zu. Die Hölle umklammert den Funken, und ich erkenne in ihm das Leben.

»Wer bist du?«

Leises Kichern, das mich erschrecken läßt. Kein Mensch hätte diese Welt überlebt, doch unsere Gedanken funktionieren. Jedenfalls nahm ich das bisher an. Doch bei diesem Gefährten scheint der Wahnsinn Eintritt gefunden zu haben.

»Keine Sorge«, klingt es verzerrt zurück. Keine Stimme, wie man sie mit den Ohren hört. Es waren zwei Gedankenimpulse, die ich interpretierte, wie sie gemeint worden wären, hätte sie jemand gesprochen...

Halt! Ich muß mich konzentrieren. Es ist wichtig, einen Zeitbegriff festzulegen.

Ich habe die Lösung. Ich habe die Lösung aller Probleme!

Der Funke in der Hölle schwimmt davon. Hier­geblieben! Ich habe doch die Lösung. Willst du sie nicht hören?

Es hat keinen Sinn. Der Funke reagiert nicht.

»Halt!« Jetzt muß es klappen. Der Funke kichert und schwimmt wieder näher heran. Dabei glüht er hell auf, als wolle er mich verbrennen.

»Ich fragte: Wer bist du?«

»Dabei schwang die Sorge mit, ob ich nicht inzwischen den Verstand verloren habe, nicht wahr? Ich spürte es. Was ist das eigentlich für eine Lösung, an die du dachtest? Ich bekam ein paar Gedankenfetzen mit.«

»Wir müssen es schaffen, ein inneres Modell zu konstruieren.«

»Wie bitte? Mein Lieber, jetzt beginne ich allmählich, an deinem Verstand zu zweifeln.«

»Sage mir erst: Wer bist du?«

»Warum?«

»Ein psychologisches Problem. Wessen Namen ich nicht kenne, der bleibt ein Fremder. Der Name ist der Code für das innere Modell.«

»Quatsch!«

»Herrjeh, so kommen wir nicht weiter. Du mußt mir zuhören und auf mich eingehen. Wie sollen wir jemals zusammenfinden, wenn du so reagierst?«

»In Ordnung, ich bin Somar-Ellen und... Ramus!«

»Was?«

»Du hast schon richtig gehört«, schwärmte der Funke in der Hölle. »Wir haben uns sehr schnell gefunden. Der Einklang unserer Seelen, verstehst du? Ich las einmal die halbromantische, doch mit wissenschaftlichem Anspruch aufgestellte De­finition des Begriffs >Liebe<.«

»Wer las es? Somar-Ellen, die ehemalige Captain, oder Hauptmann Ramus?«

»Spielt das denn noch eine Rolle?«

»Nein, eigentlich nicht. Genausowenig, wie die Titel Captain und Hauptmann. Doch sie gehören zum Identifizierungscode. Im inneren Modell ersetzt der Name eine ganze Person mit all ihrer Komplexität...«

»Langsam, nicht so hastig mit den Erklärungen. Erst einmal bin ich an der Reihe.«

»Nur zu!« gab Quendolain-Enyl zurück.

»Also, ich gebe es gekürzt und mit meinen eigenen Worten wieder: Triebfeder der Liebe ist der Fortpflanzungsinstinkt...«

»Ich dachte, da wäre auch ein wenig Romantik mit drin?« warf Quendolain-Enyl ein.

Der Funke in der Hölle ließ sich nicht beirren: »Der Mensch unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der übrigen belebten Natur: Er kultiviert, was er als Notwendigkeit erkannt hat - und er erkennt als Notwendigkeit, was ihm seine Instinkte vorschreiben. Anstatt seine Instinkte mit dem Intellekt zu überwinden, hebt er sie auf einen besonderen Sockel und pflegt sie. Tja, soweit das Unromantische. Es ändert sich noch, warte nur ab.

Zu den kultivierten Instinkten gehört das Töten, mit der Wurzel im Selbsterhaltungstrieb und seiner höchsten Vollendung in der volltechnisierten Zerstörung von anderem Leben im Zeichen des Krieges, genauso wie das positive Gegenteil: die Liebe! Sie ist geboren im Fortpflanzungswillen, dem zweitstärksten Instinkt des Menschen. Und er versteht es, auch diesen Trieb zu kultivieren. Aber nein, jetzt wird es doch zu lang. Ich wollte mich kurz fassen.«

Quendolain-Enyl war erleichtert. Es fiel ihm schwer, sich auf die Ausführungen zu konzentrieren.

Die LÖSUNG drängte danach, offenbart zu werden!

Der Funke in der Hölle begann, hin und her zu tanzen. Eine Störung der Konzentration?

»Ich bin wieder da«, drangen die Gedanken herüber. »Die Liebe ist der Versuch des Menschen, einen Einklang zwischen zwei Seelen zu erzeugen. Das ist nur möglich, wenn es vorher genügend Bereitschaft gibt und wenn die mentalitätsbedingten Unterschiede nicht zu kraß sind. Außerdem müssen unter allen Umständen umweltbedingte Störungen des Einklangs als solche erkannt und beseitigt werden. Die Folge des Einklangs ist weitgehende Harmonie und gegenseitige Ergänzung. Es ist die höchste aller Verbindungen, denn sie steht über der Mutter-Kind-Beziehung ebenso wie über freundschaftlichen Beziehungen, in denen automatisch Ta­bu­zonen bleiben und den Gleichtakt verhindern. Allerdings ist der Geschlechtstrieb als Motiv nicht genug, weshalb vom Menschen in seiner Vorstellungswelt zunächst auch die rein biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau deutlich gemacht werden. Es ist neben dem gefühlsmäßigen Motiv das intellektuelle Motiv: nämlich die Erkenntnis, daß Mann und Frau sich rein biologisch ergänzen und dies auch auf höherer Ebene anstreben sollen. Am Ende steht die Synthese zwischen der körperlichen Vereinigung und dem seelischen Gleichtakt...«

»Wobei der seelische Gleichtakt im Gegensatz zur körperlichen Vereinigung natürlich jederzeit stattfinden kann und auch in seiner Intension weniger starken Be­schränkungen unter­worfen ist!« meinte Quen­dolain-Enyl erheitert, obwohl es von den Ausführungen sehr beeindruckt war.

Und dann kam die zweite Erkenntnis für es: Die anderen haben ebenfalls die Lösung, jedoch in anderer Form und ohne daß es ihnen bewußt wird!

»Jetzt seid ihr an der Reihe, Quendolain-Enyl!«

»Du hast uns er­kannt?«

»Nicht sofort, aber das Rätsel war nicht schwer zu lösen. Was glaubt ihr, warum ich euch den Vortrag gehalten habe? Ihr habt den Gleichklang gefunden. Es gibt nur eine einzige Situation, in der dies in solcher Perfektion gelingen kann: Liebe!«

Es war die dritte Erkenntnis - und die schockierendste zugleich.

Weil weder Quendolain noch Enyl auch nur die geringsten Anzeichen dafür gesehen hatten, daß sie mehr füreinander empfanden, als es bei einer so zwangsweise verschworenen Gemeinschaft natürlich war.

»Seht ihr«, fuhr der Funke fort, »das ist der Fehler, den die anderen Menschen auch so gern machen. In einer Zeit, in der die körperliche Ver­einigung als das Maß aller zwischenmenschlichen Beziehungen angesehen wird, verschließt man sich gern gegenüber der Wahrheit und erlebt die innere Vereinsamung in reinster Güte. Partnerschaft als menschliches Privileg sollte nicht allein von Instinkten abhängig sein, sondern auch vom Intellekt. Nur, wo beide für ein ausreichendes Motiv sorgen, kann eine funktionierende Partnerschaftlichkeit erzielt werden.«

»Tut mir leid, aber wir haben es nicht erkannt, weil wir in deinem Vortrag etwas anderes gelesen haben. Somit wären wir beim Thema, Somar-Ellen und Hauptmann Ramus. Wir sprachen vorhin vom inneren Modell. Philosophen, wie in vorderster Reihe der Grieche Plato, hatten den Gedanken, die Nachfahren von Sigmund Freud die Praxis: Der Mensch erlebt die Wirklichkeit nicht, wie sie ist, sondern als individuelle Interpretation. Das Gehirn ist ein unüberwindlicher Filter, der nur Bilder und Eindrücke an das Bewußtsein weiterleitet, die vorher gründlich bearbeitet wurden. Das innere Modell ist ein völlig vereinfachendes Abbild der äußeren Wirklichkeit. So kommt es, daß Ideologien von Fanatikern als eine Art Naturgesetz empfunden werden können, obwohl sie doch nur menschliche Gedankengebäude sind.«

»Das innere Modell?« sinnierte die Gemeinschaft von Somar-Ellen und Hauptmann Ramus.

»Ja! Greifen wir zu einem Beispiel: Als was erscheinen wir euch?«

»Als ein ständig zerfließender und sich erneuernder Doppelschatten, der unentwirrbar miteinander verbunden zu sein scheint.«

»Und ihr seid der Funke in der Hölle!«

»Wie bitte?«

»Ihr seid genausowenig ein Funke, wie wir ein Schattenwesen sind. Trotz­dem erscheinen die­se beiden so unterschiedlichen Darstellungen mehr oder weniger kon­stant - als einziges in die­sem Chaos, das wie der Wirklichkeit gewor­dene Irrsinn erscheint. Merkt ihr, worauf wir hinaus wollen?«