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Tili, Jenica, Maca, Luca: Sie haben gemeinsam studiert, gearbeitet, und einst, in Kindheitstagen, haben sie das Spiel der hundert Blätter gespielt – eine Allee entlang von einem Kastanienblatt zum nächsten hüpfen und dabei stets auf ein Blatt treten. Wer es am weitesten schaffte, der hatte gewonnen. Heute berät Tili einen Puppenmacher, Jenica betreibt eine Lottokollektur, Maca provoziert die Mitmenschen mit seinem Motorrad. Und Luca? Luca ist verschwunden, noch vor der Revolution. Als Tili Einsicht in die Securitate-Akten erhält, beginnt das Spiel der hundert Blätter aufs Neue. Wie weit und wohin führen sie jetzt? Ein Roman über Widerstandskraft und Humanität - und über das Trauma der politischen Wende in Rumänien.
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Seitenzahl: 290
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Tili, Jenică, Maca, Luca: Sie haben gemeinsam studiert, in einer mittlerweile stillgelegten Maschinenfabrik gearbeitet und einst, in Kindheitstagen, haben sie das Spiel der hundert Blätter gespielt – eine Allee entlang von einem Kastanienblatt zum nächsten hüpfen und dabei stets auf ein Blatt treten. Wer es am weitesten schaffte, der hatte gewonnen. Heute berät Tili einen Puppenmacher bei der Namensfindung für seine Geschöpfe, Jenică betreibt eine Lottokollektur und versucht die Leute davon abzuhalten, ihr Geld für zweifelhaftes Glück zum Fenster hinauszuwerfen; Maca provoziert die ordnungsliebenden Mitmenschen mit seinem Motorrad, ihre Verwünschungen und Flüche sammelt er in seinem Notizbuch. Und Luca? Luca ist verschwunden, noch vor der Wende. Als Tili Einsicht in die Securitate-Akten erhält, beginnt das Spiel der hundert Blätter aufs Neue. Wie weit und wohin führen sie jetzt?
Zsolnay E-Book
Varujan Vosganian
Das Spiel
der hundert
Blätter
Roman
Aus dem Rumänischen
von Ernest Wichner
Paul Zsolnay Verlag
Die Originalausgabe erschien erstmals in dem Band Jocul celor o suta de frunze si alte povestiri2013 in der Editura Polírom in Bukarest.
Die Herausgabe dieses Werks wurde gefördert durch TRADUKI, ein literarisches Netzwerk, dem das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, KulturKontakt Austria (im Auftrag des Bundeskanzleramts der Republik Österreich), das Goethe-Institut, die Slowenische Buchagentur JAK, das Ministerium für Kultur der Republik Kroatien, das Ressort Kultur der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, die Kulturstiftung Liechtenstein, das Ministerium für Kultur der Republik Albanien, das Ministerium für Kultur und Information der Republik Serbien, das Ministerium für Kultur der Republik Rumänien, das Ministerium für Kultur der Republik Montenegro und die S. Fischer Stiftung angehören.
ISBN978-3-552-05813-2
© 2013 by Varujan Vosganian
Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe
© Paul Zsolnay Verlag Wien 2016
Umschlag: Lübbeke Naumann Thoben, Köln
Motiv: © Spring, 2007 (woodcut and screenprint),
Neubert, Franziska (Contemporary
Artist)/Private Collection/Bridgeman Images
Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger Wien
Unser gesamtes lieferbares Programm
und viele andere Informationen finden Sie unter:
www.hanser-literaturverlage.de
Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/ZsolnayDeuticke
Datenkonvertierung E-Book:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
Als er die Augen aufschlug, sah die Welt anders aus und trug einen anderen Namen. Diesmal sagte er: »Krummerjan.«
Der Puppenmeister schaute sich das Spielzeug einige Augenblicke an, dann rückte er es gerade.
»Und jetzt?«
»Ebenfalls krumm.«
Verwundert drehte der Meister die Puppe um. Ihre weichen Arme schlenkerten ungleichmäßig, hingen an dem Körper, der umgestürzt war.
»Wenn du dich an die Linien hältst«, sagte Tili, »sind sie gerade. Wenn sie sich nach dir richten, sind sie krumm. Du hast das Gleiche getan, ohne es zu merken. Den Kindern wird es gefallen.«
»Leicht krumm …«, murmelte der Meister und legte die Puppe beiseite. »Wollen wir doch jetzt mal sehen!«
Das Zimmer hatte große Fenster, deren Scheiben sauber glänzten. Ebenso der Plafond mit einem Oberlicht aus durchscheinendem Glas. Tili machte das etwa eine Stunde täglich, wenn die Sonne im Mittag stand. Dann räumte das aus allen Richtungen gleichzeitig einströmende Licht den Dingen keine Möglichkeit mehr ein, Schatten zu werfen. »Sonst kann ich nicht arbeiten«, hatte Tili von allem Anfang an gesagt. »Die Schatten verbergen den Kern der Dinge. Und das elektrische Licht trocknet sie aus. Der Mittag ist die Stunde der Namen. Wenn Sie bloß Spitznamen wollen, bitteschön.«
»Was ist der Unterschied?« Der Puppenmeister wunderte sich über diese so kategorischen wie seltsamen Bedingungen. »Ich dachte, es sei spaßiger, den Puppen Spitznamen zu geben.«
»Ihr wollt, dass ich den Puppen passende Namen gebe. Spitznamen vergibt man dann, wenn ein Name unpassend erscheint. Wenn etwas mehr ist oder weniger, als der Name abdecken kann, taucht ein Spitzname auf. Wenn Sie den Puppen keine Namen geben wollen, sondern Spitznamen, müssen Sie jemand anderen anstellen.«
Der Puppenmeister hatte geseufzt. Er wusste nicht, wie man jemanden testen muss, der Namen verleiht. Alle Kandidaten davor erwiesen sich als Fehlbesetzungen. Also blieb Tili.
»Wiewohl, wenn man es sich recht überlegt«, sagte der Puppenmeister, während er in der Kiste herumkramte, »Krummerjan hört sich doch eher nach einem Spitznamen an.«
»Wenn dies der Spitzname ist, was ist dann ihr Name?«
»Tja, ich weiß nicht, ich mache die Puppen ja nur. Wenn ich schon vorher wüsste, wie sie heißen, wäre ich nicht mehr in der Lage, sie zu machen. Es wäre dann so, als würde mich jemand dazu zwingen.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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