Das Tage-Buch - Heike Kleen - E-Book

Das Tage-Buch E-Book

Heike Kleen

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Beschreibung

An Tagen wie diesen
„Pssst, du, sag mal, hast du was dabei?“ Wenn Frauen dringend einen Tampon brauchen, benehmen sie sich wie Drogendealer, damit bloß niemand die Übergabe von drei Gramm gepresster Watte bemerkt. Das Thema Menstruation ist immer noch ein großes Tabu. Warum eigentlich? Heike Kleen geht der Sache auf den Grund. Äußerst unterhaltsam erzählt sie von den erstaunlichen Vorgängen im weiblichen Körper, von alten Mythen und neuesten Erkenntnissen, geheimen Kräften und eigenen Erfahrungen.
Frech, witzig, aufschlussreich!

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An Tagen wie diesen

»Pssst, du, sag mal, hast du was dabei?« Wenn Frauen dringend einen Tampon brauchen, verhalten sie sich wie Drogendealer, damit bloß niemand die Übergabe von drei Gramm gepresster Watte bemerkt. Warum eigentlich ist das Thema Menstruation immer noch ein großes Tabu? Heike Kleen geht der Sache auf den Grund. Äußerst unterhaltsam erzählt sie von den erstaunlichen Vorgängen im weiblichen Körper, von alten Mythen und neuesten Erkenntnissen, geheimen Kräften und eigenen Erfahrungen.

Aufschlussreich, witzig, überfällig!

Heike Kleen

DAS

TAGE

BUCH

Die Menstruation – alles über ein unterschätztes Phänomen

Mit Illustrationen von Susanne Kracht

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Inhalte und Ratschläge in diesem Buch beruhen auf Recherchen und auf persönlichen Erfahrungen und Erkenntnissen der Autorin. Dieses Buch kann und soll aber kein medizinischer Ratgeber sein und kann keinesfalls den Gang zum medizinischen Experten ersetzen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe 11/2017

Copyright © 2017 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Maren Wetcke

Umschlaggestaltung: Alexandra Dohse, www.grafikkiosk.de

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-21620-7V002

www.heyne.de

Der rote Faden

Einleitung

Die Menstruation – eins unserer letzten Tabus

Von der Erdbeerwoche bis zur Roten Zora – wie wir um Worte ringen, statt die Dinge beim Namen zu nennen

Blutiger Ernst – unberührbar und weggesperrt

Die Schande des Blutflecks

Die Macht des Zyklus – was passiert in unserem Körper?

Vom Mond gesteuert?

Wenn Frauen synchron menstruieren

Auf das Hormonkarussell aufspringen

Der zyklische Mann

Zyklus-Apps – in der Regel nützlich?

Mythen und Irrlehren – von den blutigen Anfängen bis heute

Die undichte Frau im Wandel der Zeiten

Die dämonische Frau und die Kirche

Die hysterische Frau in der Wissenschaft

Das giftige Blut

Das magische Blut

Das erste Mal oder Aufklärung 2.0

Warum Kinder von einem entspannten Umgang mit der Menstruation profitieren

Realität statt Bullshit – die Menstruation in den Medien

Tante Rosa ist blau – die Menstruation in der Werbung

Zwischen Horror und Hysterie – Blutschlachten im Film

Wie wir eine positivere Einstellung zu unseren Tagen bekommen

Gönnen wir uns was!

Menstruation als kreativer Höhepunkt

Sex und Menstruation

Von Profis lernen

Die geilste Zeit

Wohin mit dem Blut? Ein Selbstversuch

Ich kleb’ mir eine – der Klassiker, die Binde

Die Geburtsstunde des Tampons

Der Tod, der aus dem Tampon kommt

Tampons als Datenträger

Das neue It-Piece: Die Menstruationskappe

Thinx, das Zauberhöschen

Einfach laufen lassen: Free Bleeding

Drum prüfe, wer sich ewig bindet! Wie gesund sind Hygieneartikel?

Der Binden- und Slipeinlagen-Check

Der Tampon-Check

Gesunde und nachhaltige Alternativen fürs Unterstübchen

Runter mit der Tamponsteuer!

PMS: Postfaktisches Monster-Syndrom

Die Frau, das unberechenbare Wesen – wenn die Gefühle Achterbahn fahren

Extreme Ausprägungen von PMS

Viele offene Fragen: was die Forschung zu PMS sagt

Was hilft gegen PMS?

Warum tut das so weh? – Zyklusbedingte Schmerzen

Woher kommt der Schmerz?

Schmerz lass nach… – was helfen kann

Krankhafte Zyklusveränderungen

Endometriose – ein weitverbreitetes Leiden

Zu wenig oder zu viel Blut

Wo geht’s zum Ende aller Tage?

Die Pille

Die Hormonspirale

Die Kupferspirale

Stäbchen, Pflaster, Spritze und Ring

Hormonpflaster

Schwangerschaft

Sterilisation

Abschaffung der Menstruation

Die Rote Revolution hat begonnen

Die neuen Feministinnen

Blutige Kunst

Blutsschwestern

Periodenparty

Binden für alle!

Ein Mann verändert die Welt

Epilog

Dank

Weiterführende Literatur

Anmerkungen

Einleitung

Hätte mir jemand vor einem Jahr erzählt, dass ich ein Buch über das Thema Menstruation schreiben würde, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt – oder mich selbst vorsichtshalber zwangseinweisen lassen.

Das Thema ist ein absoluter Stimmungskiller. Sobald zwei Frauen sich darüber auch nur einen Halbsatz zuraunen, fühlt es sich an, als würde ein DJ gerade die Tanzfläche leerspielen.

Natürlich gehöre ich als Frau zu den Menschen mit Menstruationshintergrund, in der Regel alle vier Wochen. Aber das ging doch noch nie jemanden etwas an!

Wie also konnte es so weit kommen, warum schreibe ich 230 Seiten über ein Thema, über das – Hand aufs Herz – keine von uns gerne spricht? Es hatte ganz harmlos begonnen. Während eines Telefonats mit meiner Freundin Antje sprachen wir darüber, ob es in unserer Gesellschaft eigentlich noch Tabus gibt. Wir kamen auf Themen wie Sex im Alter und Intimrasuren, redeten über das deutsche Schweigen beim Thema Gehalt und sinnierten schließlich sogar über den ungeliebten Tod. Und dann sagte meine Freundin, die mit einem Dänen verheiratet ist, plötzlich: »In Dänemark und Schweden reden gerade alle über die Menstruation.« Menstruation??? Ich merkte, wie sich meine Stimme trotz meiner Verblüffung bei dem Wort senkte, immerhin stand ich mitten auf dem überfüllten Hamburger Hauptbahnhof – aber das war mir bei den anderen Themen egal gewesen. Plötzlich war mir das Gespräch peinlich, niemand sollte hören, worüber ich sprach. Und wir kamen auch schnell zu dem Schluss, dass die Dänen sich vielleicht doch lieber wieder ihrer gemütlichen Hygge zuwenden sollten, denn die Menstruation war nun wirklich kein Thema, über das irgendjemand diskutieren wollte.

Und doch ließ es mich nicht wieder los, denn ich fragte mich: Was gibt es da überhaupt zu besprechen? Frauen bluten alle vier Wochen, die einen mehr, die anderen weniger. Die einen haben höllische Schmerzen, die anderen laufen kurz vorher Amok, weil das PMS sie im Griff hat, wieder andere kommen ganz gut durch die Tage. Die einen verwenden Tampons, die anderen lieber Binden – und, wo ist das Problem? Und wenn es tatsächlich eins gibt – könnte Charlotte Roche das bitte besprechen?

Meine Recherche begann, und ein Jahr später kann ich sagen: Nein, die Menstruation an sich ist überhaupt kein Problem – nur leider hat unsere Gesellschaft offensichtlich eins mit ihr. Es besteht dringender Gesprächsbedarf, und in einigen Teilen der Welt hat bereits eine rote Revolution begonnen. Frauen wollen nicht mehr flüsternd nach Tampons fragen, und sie wollen unbedenkliche und sichere Produkte für ihren Körper. Es muss endlich aufhören, dass Frauen eine Luxussteuer auf Hygieneartikel zahlen, die sie unweigerlich brauchen – denn genau das tun wir in Deutschland!

Zudem haben mir Experten erzählt, dass Frauen beim Thema Menstruation immer noch viel zu starke Schmerzen ertragen – weil keine gern darüber spricht und lieber denkt: Das ist eben so, Arschkarte gezogen (oder in diesem Fall besser die Vaginakarte). Aber das muss nicht sein! Und wer von uns kann eigentlich eine Gebärmutter zeichnen? Vom Gehirn, vom Herz und sogar vom Darm haben wir inzwischen eine ungefähre Vorstellung, aber »untenrum« ist für die meisten ein blinder Fleck.

Wer immer noch Bedenken hat, ob eine Auseinandersetzung mit dem Thema nötig ist, sollte wissen: Es ist so alt wie die Menschheit – und trotzdem haben wir keine Ahnung. Selbst für Mediziner ist der weibliche Unterleib in einigen Punkten immer noch ein Mysterium. So weiß bis heute keiner genau, warum es PMS gibt und wie Endometriose entsteht. Mit anderen Worten: Die Menstruation ist gerade der heißeste Scheiß. Und es lohnt sich wirklich, darüber Bescheid zu wissen, schließlich vollbringt unser Körper wahre Wunder!

Gleichzeitig sind die Geschichten rund um das Thema skurriler, spannender und witziger, als ich vermutet hätte – und kein bisschen eklig. Ich behaupte: Wenn wir endlich anfangen, normal darüber zu reden, tun wir uns und unseren Töchtern einen großen Gefallen. Und unseren Söhnen natürlich auch. Schluss mit der Scham, her mit dem Stolz. Kein Tag unseres Lebens und kein Vorgang unseres fantastischen Körpers hat es verdient, ein Tabu zu sein!

Die Menstruation – eins unserer letzten Tabus

Wer hat eigentlich mehr Probleme mit der Menstruation, Frauen oder Männer? Wechseln wir einfach einmal die Perspektive und stellen uns vor, Männer würden fünf Tage lang ununterbrochen bluten – und trotzdem weiterleben!

Wir wissen, was ein Männerschnupfen aus ihnen macht, würden täglicher Blutverlust und starke Unterleibskrämpfe sie endgültig in die Knie zwingen? Weit gefehlt.

Ja, sie würden leiden, aber danach würden sie sich lautstark abfeiern und gegenseitig übertrumpfen: »Alter, hab ich geblutet! Und diese Schmerzen! Ich komm ja nur noch mit den größten Tampons klar, diese kleinen Dinger sind echt nur für Anfänger!«

Jeder einzelne Mann wäre plötzlich ein medizinisches Wunder und dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. Aufmerksamkeit, bitte! Vielleicht etwas Szenenapplaus?

Die kleinen Jungs würden sehnsüchtig darauf warten, endlich in den Kreis der Menstruierenden aufgenommen zu werden, und dann – hey! – ein Herrengedeck bitte! Jetzt bist du ein echter Mann! Das muss gefeiert werden, und alle Welt soll es wissen! Warte, ich poste das gleich mal…

Man stelle sich vor, unter diesen Umständen nicht zum blutenden Teil der Bevölkerung zu gehören. Ihr wollt gleichberechtigt sein, gleich viel verdienen und in Spitzenpositionen arbeiten? Aber ihr blutet nicht mal! Was habt ihr für eine Ahnung vom Leben? Und denkt dran: menstruierende Männer haben ein Vorrecht auf Sitzplätze, dürfen sich in Schlangen vorne anstellen und werden beim Arzt zuerst drangenommen. Tampons und Binden sind plötzlich Statussymbole, aber sie werden selbstverständlich von der Krankenkasse bezahlt. Ach ja, und wir sollten dringend über zusätzliche Urlaubstage für Männer nachdenken.

Alles Quatsch? Schwer zu sagen, aber solche Gedanken hat die amerikanische Journalistin Gloria Steinem bereits vor 40 Jahren in ihrem Essay If men could menstruate zu Papier gebracht. Und was ist seitdem passiert? Nichts! Auch US-Comedystar Chelsea Peretti ist überzeugt, dass wir uns vor Menstruationswitzen nicht mehr retten könnten, wenn die andere Hälfte der Menschheit sich einmal im Monat damit herumschlagen müsste: »Wenn Männer ihre Periode hätten, wären 90 Prozent der Stand-up-Comedians Leute, die rumrennen und kreischen: »Ich habe aus dem Schwanz geblutet!« Das sollte man wirklich zu Ende denken: Mario Barth hätte endlich ein neues Thema!

Auf YouTube1 habe ich ein paar smarte amerikanische Jungs entdeckt, die sich einem besonderen Versuch ausgesetzt haben. Sie wollten wissen, wie es sich anfühlt, die Periode zu haben. Also wurden sie mit einer Art Beutel, wie er bei der Bluttransfusion verwendet wird, ausgestattet, aus dem über mehrere Tage gleichmäßig Blut in ihre Unterwäsche tröpfelte – und natürlich waren die jungen Männer besonders am ersten Tag völlig überfordert (wie wir es als Mädchen am Anfang auch sind). Blutflecken auf der Kleidung standen auf der Tagesordnung, und die Jungs waren schnell genervt davon, ständig zur Toilette zu müssen. Sie wollten einfach nur nach Hause aufs Sofa – und das, obwohl sie weder unter Bauchkrämpfen noch unter Stimmungsschwankungen zu leiden hatten. Ihr Verständnis und ihr Mitgefühl für Frauen, die dieses ganze Theater jeden Monat still und heimlich über die Bühne bringen, ist durch diese Erfahrung jedenfalls enorm gestiegen.

Wir Frauen bluten und schweigen, jeden Monat wieder, von Menstruationsblut will und soll schließlich keiner etwas wissen, es ist offensichtlich eklig und scheint sogar irgendwie unheimlich zu sein.

Der Satz »Die hat wohl ihre Tage…« wird immer noch als dümmste Beleidung aller Zeiten aus dem Hut gezaubert, sobald einem Mann nichts mehr einfällt. Das hat auch Donald Trump in seinem Wahlkampf unter Beweis gestellt. Nachdem Megyn Kelly, Moderatorin von Fox News, ihn anständig gegrillt hatte, begann er zu fabulieren: »She had blood coming out of her eyes, blood coming out of her wherever.« Oh je, hat da jemand Angst? Aber wovor, bitte?

Als kleines Dankeschön hat die Künstlerin Sarah Levy mit ihrem eigenen Menstruationsblut ein Porträt von ihm gemalt und für einen guten Zweck versteigert. Das Kunstwerk trägt den schönen Titel »Bloody Trump«.

Von der Erdbeerwoche bis zur Roten Zora – wie wir um Worte ringen, statt die Dinge beim Namen zu nennen

Dass wir ein Problem mit der Menstruation haben, erkennt man auch an unseren Euphemismen, diesen wundersamen Ausdrücken, die wir verwenden, wenn wir eine Sache lieber umschreiben möchten, statt sie klar zu benennen. Plötzlich befinden wir uns in der »Erdbeerwoche« oder haben Besuch von »Tante Rosa«, die Aufmüpfigeren von uns empfangen die »Rote Zora« oder lassen ganz mutig die »Rote Armee« einmarschieren. Bei den Pragmatischen sind gerade die »Maler im Keller«, oder sie reiten das »Baumwollkamel«, und ältere Generationen sprechen allen Ernstes von der »Erbsünde« oder einfach der »Sach«.

Aber keine Sorge, nicht nur hierzulande fehlen uns die richtigen Worte, wenn es um die natürlichste Sache der Welt geht. Im englischsprachigen Raum ist man ebenfalls sehr kreativ, das stellen Ausdrücke wie »Aunt Flow« oder »Shark Week« unter Beweis. Besonders gut gefällt mir »Arts and Crafts Week at Panty Camp« (Kunsthandwerk im Höschen-Camp), dagegen klingen die »Calendar Days« (Kalendertage) eher langweilig – und seine Periode als »The Curse«, also als Fluch zu bezeichnen, spiegelt auch nicht gerade ein positives Körpergefühl wider. Also lieber »Blowjob Week«? Okay, man muss keine Feministin sein, um da die Augen zu verdrehen.

Mit einem dezenten Hinweis auf den Tomatensaft-Cocktail »Bloody Mary« kann man sich möglicherweise sogar international verständigen.

Die Schweden haben ein Pendant zur Erdbeerwoche, das ihrer Pflanzenwelt entspricht: »Ligonveckan«, zu Deutsch: Preiselbeerwochen. Die Französinnen sagen »Les Anglais ont debarqué« (Die Engländer sind angekommen) oder »Elle a ses Anglais« (Sie hat die Engländer da). Sie scheinen ihrer Menstruation also nicht viel abgewinnen zu können, denn der Ausdruck ist ein Verweis auf Napoleons Schlacht von Waterloo im Jahr 1815, bei der die Engländer in ihren roten Uniformen Napoleon besiegten, in Frankreich einmarschierten und das Land besetzten.

Jetzt mal zum blutigen Ernst, der hinter so viel Sprachfantasie steckt: Euphemismen haben eine Funktion, sie verschleiern und beschönigen das, worum es wirklich geht. Ist die Menstruation also so ekelhaft und abstoßend, dass wir neue Wortschöpfungen brauchen, um überhaupt darüber sprechen zu können? Theoretisch nicht, denn es geht lediglich um rund 30 bis 60 Milliliter Blut, die der weibliche Körper einmal im Monat ausscheidet, und das mit einem hehren Ziel: Um im nächsten Monat wieder empfängnisbereit zu sein. Das war es auch schon, warum also diese Heimlichtuerei?

Die Firma SCA (ein Unternehmen für Hygiene- und Forstprodukte, zu dem auch Tempo, Tena und Zewa gehören) hat 2016 den »Hygiene Matters Report« vorgestellt und bringt erschütternde Ergebnisse ans Licht: »Die Menstruation ist für 18 Prozent der Frauen in Deutschland ein Tabuthema, über das sie niemals sprechen. Wenn überhaupt, dann findet ein Gespräch am häufigsten zwischen Mutter und Tochter (60 Prozent) oder mit einer Freundin (52 Prozent) statt. Knapp jede fünfte Frau (19 Prozent) hat schon einmal mit ihrem Partner über ihre Regel gesprochen. Väter spielen mit 3 Prozent als Gesprächspartner kaum eine Rolle.«2

Ich glaube diesen Zahlen sofort und stelle fest, dass ich mit meinem Vater zum ersten Mal in meinem Leben über das Thema gesprochen habe, als ich wusste, dass ich dieses Buch schreiben würde – mit Anfang 40.

Die Umfrage von SCA hat außerdem ergeben, dass sich jede fünfte Frau und jeder dritte Mann schämt, Binden oder Tampons zu kaufen. Und hat nicht schon jede von uns einmal diese Dinger auf dem Band vor einem großen Paket Klopapier versteckt, damit der Mann hinter einem nicht sieht, dass man a) überhaupt welche kauft und er b) nicht Wörter wie »Super Plus« liest und sich entsprechende Gedanken darüber macht.

Noch schlimmer ist es, wenn Frauen in einer misslichen Lage ein Tampon fehlt. Sofort entwickeln sie mehr kriminelle Energie als ein professioneller Drogenkurier am Frankfurter Hauptbahnhof, damit bloß niemand die Übergabe von drei Gramm gepresster Watte bemerkt.

Stellen wir uns zwei Frauen am Arbeitsplatz vor, die sich gegenübersitzen:

Frau 1: »Pssst, hast du was dabei?«

Frau 2: »Häh?«

Frau 1: »Du weißt schon…« Verdreht die Augen in Richtung Unterleib und flüstert: »Ich hab da gerade einen Notfall.«

Frau 2 (senkt ebenfalls die Stimme): »Ach so, klar, warte, ich guck mal.« Sie kramt in ihrer Tasche, ihrem Rollcontainer, noch mal in der Tasche, flüstert: »Tampon, normale Größe?«

Frau 1 nickt. »Ich nehme gerade alles, was ich kriegen kann. Pack ihn doch zu den Unterlagen von vorhin und gib’ mir den ganzen Ordner rüber.«

Mission accomplished. Frau 1 schmuggelt daraufhin den Tampon mit großer Raffinesse aus dem besagten Ordner in ihre linke Hand und hält ihn ab da so fest umschlossen, dass ihre Knöchel ganz weiß werden. Oder trägt sie vielleicht doch einen Zeitzünder oder einen USB-Stick für den russischen Geheimdienst mit sich herum? Es sieht fast so aus… Dann verschwindet sie schnell und doch irgendwie unauffällig auf der Toilette und überlegt gleichzeitig, wo sie in der Mittagspause neuen Stoff herbekommt.

Ich beglückwünsche alle Frauen, die an dieser Stelle fassungslos den Kopf schütteln und sagen: »Wieso fragt die nicht einfach in die Runde, ob jemand einen Tampon dabeihat?« Hey, ihr coolen Frauen, vielleicht gibt es euch wirklich da draußen, wir wollen alle so sein wie ihr! Euch ist es bestimmt auch egal, wenn euch im Fahrstuhl vor allen männlichen Kollegen ein Tampon aus der Handtasche kullert. Dann bückt ihr euch einfach lässig und sagt lächelnd: »Hiergeblieben, du kleines Biest, du hast einen besseren Ort verdient!«

Leider werden vermutlich die meisten von uns stattdessen errötend zu einem Hechtsprung nach dem Tampon ansetzen, der uns bei den Bundesjugendspielen eine Ehrenurkunde eingebracht hätte.

Die große Frage bleibt: Woher kommt diese Tabuisierung? Warum können wir nicht nach einem Tampon fragen wie nach einem Taschentuch? Jeder halbwegs aufgeklärte Mensch weiß, dass eine Frau regelmäßig ihre Menstruation hat – aber warum tut jede Einzelne in der Öffentlichkeit so, als würde sie nicht zum Club der roten Binden gehören?

Natürlich geht es hier nicht darum, dass nun jede Frau in der Öffentlichkeit dauernd von ihrer Periode redet oder demonstrativ beim Gang zur Toilette mit Binden wedelt, damit auch jeder Bescheid weiß. Obwohl – dass dies gar nicht so abwegig ist, zeigte die Firma Lidl, die 2008 mit einem Überwachungsskandal in die Schlagzeilen kam. Sie hatte sich für die menstruierenden Mitarbeiterinnen in Tschechien etwas ganz Cleveres ausgedacht. Sie sollten an diesen Tagen bitte ein Stirnband tragen – und schon hatten sie das Privileg erworben, ohne Erlaubnis auf die Toilette gehen zu dürfen.3 Wie ungemein großzügig!

Jede Frau sollte mit ihrer Menstruation so umgehen, wie sie es für richtig hält. Es ist nur einfach an der Zeit, normal über das Thema zu reden, denn damit schaffen wir vielleicht endlich ein anderes Bewusstsein für einen ganz natürlichen Vorgang unseres fantastischen Körpers.

Blutiger Ernst – unberührbar und weggesperrt

Leider haben es die meisten Mädchen und Frauen auf dieser Welt nicht besser als wir, wenn sie ihre Tage haben, sondern viel schlechter. Darum werden wir jetzt einen Blick auf die schrecklichen Rituale und barbarischen Regeln werfen, die sich die Menschen weltweit ausgedacht haben, um Frauen während ihrer »unreinen« Zeit aus der Gesellschaft auszuschließen. Dieser Irrsinn hat verheerende Folgen für die Frauen und damit für die ganze Gesellschaft.

Stellen wir uns vor, wir hätten unsere Tage, und anstatt abends mit der Wärmflasche auf dem Sofa rumzulümmeln und uns mit gutem Gewissen eine Tafel Schokolade reinzuziehen, müssten wir draußen vor der Haustür schlafen, dürften die Küche nicht betreten, keine Lebensmittel anfassen, den Brunnen nicht benutzen, keine Männer angucken geschweige denn anfassen – also uns am besten gleich unsichtbar machen oder totstellen. Ach ja, es steht diese fensterlose Lehmhütte mitten im Dschungel, da geht es für die nächsten sieben Tage hin! Wenn es gut läuft, kommt auch kein hungriger Tiger, sondern eine Verwandte mit etwas zu essen vorbei! Mit anderen Worten: Wer im Mittelalter an Pest und Cholera gleichzeitig erkrankt war, wurde netter behandelt als eine Frau im Jahr 2017, die ihre Tage hat und in Indien, Nepal, Kenia, Ghana oder im ländlichen Teil Venezuelas lebt. Millionen von Frauen werden hier einmal im Monat aus der Gesellschaft verstoßen, weil sie angeblich unrein sind und Unglück bringen. Die »Regeln« variieren etwas: Die einen dürfen den Trinkbrunnen nicht benutzen, die anderen keine Kühe melken oder Essen kochen, in Ländern wie Indien oder Nepal gibt es unzählige Vorschriften, an die menstruierende Frauen sich halten müssen und mit denen sie aufwachsen. Das fängt schon damit an, dass menstruierende Frauen keine Pflanzen anfassen dürfen, denn die Bevölkerung ist davon überzeugt, dass sie dann absterben. Haben wir endlich das Rätsel gelöst, warum ein wunderschöner Basilikum im Supermarkt spitze aussieht und zu Hause spätestens nach vier Wochen völlig hinüber ist?

Wohl kaum, und der Ernst der Lage ist viel größer, als wir uns das im Westen vorstellen können.

Im Dezember 2016 stirbt in Nepal ein 15-jähriges Mädchen namens Roshani Tiruwa, weil es seine Tage hatte und wie dort üblich in eine Menstruationshütte geschickt wurde. Nur wegen ihr könnte schließlich die Ernte verderben oder ein großes Unglück über das Dorf kommen, also muss das arme Mädchen eine Woche unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer abgelegenen Hütte ausharren. Um sich zu wärmen, macht die 15-Jährige in der fensterlosen Hütte ein Feuer und stirbt ganz allein an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Auch wenn diese Tradition des »Chhaupadi« – so heißt es, wenn menstruierende Frauen verbannt werden – in Nepal seit 2005 offiziell verboten ist, werden Frauen bis heute in Lehmhütten oder Viehställe geschickt, wenn sie menstruieren. Sieben Tage lang frieren sie, bekommen kaum etwas zu essen, und nicht selten werden sie von wilden Tieren angegriffen oder von Männern vergewaltigt – da spielt die Unreinheit plötzlich keine Rolle mehr.

In Indien, der aufstrebenden IT-Nation, ist die Menstruation bis heute ein Tabu. Eine meiner Gesprächspartnerinnen flog im Jahr 2016 nach Indien, um an der Hochzeit ihrer Cousine teilzunehmen. Sie freute sich sehr, ihre Verwandtschaft in Indien wiederzusehen und an einer echten indischen Hochzeitszeremonie teilzunehmen. Doch als sie während der Feier eine Vertraute fragte, wo sie denn hier auf Toilette gehen könne, sie müsse dringend ihren Tampon wechseln, wurde sie schnell zur Seite gezogen: »Sag niemandem hier, dass du deine Tage hast, dann schmeißen die dich sofort raus! Du bringst einen Fluch über das Brautpaar und die ganze Familie!« Es handelt sich bei dieser Verwandtschaft übrigens um moderne und weltoffene Menschen – doch die Mythen rund um das Thema Menstruation sind immer noch stärker als die Vernunft.

Eine Aufklärung der Mädchen findet in vielen Ländern gar nicht oder viel zu spät statt, und so wissen viele beim ersten Mal nicht, was mit ihnen passiert. Umso einfacher ist es dann natürlich, sie als unrein zu erklären und sie wegzusperren.

Die Schande des Blutflecks

Warum wir Frauen auch in vermeintlich aufgeklärten Ländern mit großer Mühe versuchen, unsere »Tage« zu verstecken, kann eigentlich nicht am Blut selbst liegen. Sollte man zumindest meinen, denn wenn sich jemand das Knie aufschürft oder eine Platzwunde am Kopf hat, darf öffentlich geblutet werden. Wenn Winnetou und Old Shatterhand Blutsbrüderschaft schließen, ist der Zuschauer nicht angeekelt, sondern tief bewegt. Es gibt eine ganze Filmindustrie, die davon lebt, dass das Blut nur so spritzt, und in Krankenhausserien wird zur besten Sendezeit am offenen Herzen operiert. Aber sobald das Blut nicht mehr aus dem Kopf, dem Knie oder dem Oberkörper stammt, sondern aus dem weiblichen Unterleib, scheint es sich um eine völlig andere Flüssigkeit zu handeln, auf die die gesamte Menschheit hysterisch reagiert. Menstruationsblut befindet sich auf einer Ebene mit Kot und Urin – und es gilt als das peinlichste Erlebnis im Leben einer Frau, wenn sie einen sichtbaren Blutfleck in Schrittnähe auf der Hose oder dem Rock hat. Es ist unsere größte Angst, dass andere Augenzeuge davon werden, dass wir unsere Tage haben. Dabei ist es eigentlich logisch, jede Frau ist ein Mal im Monat an der Reihe! Aber alle Frauen, mit denen ich gesprochen habe, kennen diese Angst, viele haben sich bereits abenteuerliche Konstruktionen aus Klopapier gebastelt, um sich damit in die nächste Drogerie zu retten, und einigen ist so ein »Missgeschick« ausgerechnet in der Schule passiert. Ich muss wohl keiner Frau erklären, dass alles, was einen im Leben danach erwartet, einem glitzernden Einhornparadies mit Regenbogen aus Zuckerwatte gleicht.

Dass Menstruationsblut ein Tabu ist, bekam auch Rupi Kaur zu spüren, eine 22-jährige Studentin aus Kanada, die 2015 auf Instagram ein Foto von einer schlafenden Frau mit einem Blutfleck auf Schlafanzughose und Bettlaken postete. Nur zur Information: Diese Frau ist komplett bekleidet, und das Bild ist Teil einer Fotoserie, mit der die verschiedenen Phasen der Menstruation dokumentiert werden. Das Foto wurde umgehend von Instagram gelöscht, Rupi postete es erneut, diesmal mit einer saftigen Erklärung: »Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich nicht das Ego oder den Stolz einer frauenfeindlichen Gesellschaft bediene, die meinen Körper in Unterwäsche akzeptiert, aber nicht mit einem kleinen Leck klarkommt, während eure Seiten mit zahllosen Fotos und Nutzerkonten gefüllt sind, auf denen Frauen (viele von ihnen minderjährig) zu Objekten werden, pornofiziert werden und unmenschlich behandelt werden.«4 Ein Hoch auf Rupi! Doch wieder wurde das Bild entfernt, die Empörung im Netz wuchs – und Instagram beugte sich schließlich, postete eine Entschuldigung und stellte das Bild einen Tag später wieder online. Punkt, Satz und Sieg für Rupi!

Ich behaupte: Frauen gehen (zwangsläufig) ziemlich pragmatisch mit ihrer Menstruation um, solange sie allein sind. Sie stecken sich routiniert den Tampon in die Vagina, rupfen sich die Binde aus der Unterhose oder stopfen die blutige Wäsche in die Waschmaschine, ohne groß darüber nachzudenken. Natürlich fluchen und leiden sie auch, wer steht schon auf Unterleibskrämpfe, Rückenschmerzen, spontane Riesenpickel und blutige Hygieneartikel, die es zu entsorgen gilt? Da kann die Stimmung sehr drunter leiden – aber echten Ekel verspüren nur wenige.

Sind es also nur die Männer, die sich vor Menstruationsblut fürchten – oder glauben Frauen, dass Männer das tun und sich deshalb auch vor ihnen ekeln, sobald sie nicht »unbefleckt« sind? Aber was wissen Männer überhaupt darüber, was im weiblichen Unterleib vor sich geht? Zu gern erinnere ich mich an eine Redaktionskonferenz, in der über das Thema Zwillinge gesprochen wurde. Ein männlicher Kollege, damals Mitte 30, fragte völlig verwirrt: »Was bedeutet denn dieses ›eineiig‹ oder ›zweieiig‹, ich verstehe das nicht.« Eine kompetente Redakteurin holte weit aus, begann von Eileitern zu erzählen und Eiern, die zur Gebärmutter wandern – der Kollege wurde immer blasser. Dieser durchaus aufgeweckte, übrigens heterosexuelle und mit einer sympathischen Frau liierte Mann hatte offensichtlich noch nie von derartigen Vorgängen gehört oder sie erfolgreich verdrängt Irgendwann hielt er die (völlig neutralen) Schilderungen nicht mehr aus und rief laut: »Igitt, hör auf, so genau will ich das gar nicht wissen!« Der arme Kerl. Was ging in seinem Kopf vor sich? Stellte er sich vielleicht so eine Art Hühnerei vor, das im weiblichen Unterleib fröhlich seine Runden dreht und darauf wartet, dem nächsten eindringenden Penis gehörig eins auf die Mütze zu geben? Würde er sich jemals wieder trauen, seinen kleinen Freund in eine offensichtlich brodelnde Vagina zu stecken? Und was würde passieren, wenn er eines Tages Zeuge der Menstruation – oder gar einer Geburt – werden würde? Müsste er spontan erblinden oder von einer Sekunde auf die andere grau werden? So etwas soll bei traumatischen Erlebnissen ja vorkommen. Wir wissen es nicht, und es bleibt die Hoffnung, dass dieser Mann ein bedauernswerter Einzelfall ist.

Ich begab mich in die Hamburger Mönckebergstraße, um herauszufinden, was Männer eigentlich über den weiblichen Unterleib und die Menstruation wissen.

Wer jemals eine Umfrage gemacht hat, kennt die Situation: 90 Prozent aller Menschen winken ganz schnell ab, laufen schneller oder gucken demonstrativ zur Seite, sobald man Sie etwas fragen möchte. Ich mache das jedenfalls immer so. Die restlichen willigen 10 Prozent aller Männer, die tatsächlich stehen blieben, wollten spätestens bei dem Satz »Ich möchte Sie etwas zum Thema Menstruation fragen« fluchtartig das Weite suchen, eine Mischung aus Ekel und Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

»Was glauben Sie, wie viel Blut verlieren Frauen während einer Menstruation: a) ca. 50 ml b) ca. 250 ml oder c) ca. 800 ml? Die Hamburger Männer fanden die Antwort b) und c) gleichermaßen realistisch, niemand, aber wirklich niemand hätte a) für möglich gehalten.

Nun ging es ans Eingemachte: Was genau passiert während der Menstruation? Da kommt Blut raus, genau liebe Männer, aber warum? Tja, und da ging das große Rätselraten los. Und häufig bekam ich die Gegenfrage zu hören, warum sie das denn wissen sollten, das sei ja nun wirklich nicht ihr Problem. Das Wort Gebärmutterschleimhaut hatte genau einer drauf, »irgendwas mit Reinigung« hieß es auch mal oder: »Das ist, damit man wieder schwanger werden kann.« Immerhin wussten alle Männer, dass das einmal im Monat passiert, dass es ein paar Tage dauert und die Frauen dann manchmal »so komisch drauf« sind.

Aber biologische Hintergründe? Pustekuchen.

Männer, ihr habt was aufzuholen. Also lest bitte weiter, ich verspreche: Es tut nicht weh. Es macht auch keine Flecken! Und zu eurer Ehrenrettung sei gesagt, dass die meisten Frauen nicht viel besser Bescheid wissen, und ich selbst bis vor Kurzem auch keine besonders detaillierte Vorstellung davon hatte. Erst mithilfe mehrerer Gynäkologen habe ich zum ersten Mal richtig verstanden, was »da unten« los ist, und möchte euch auf die faszinierende Reise in das unbekannte Innere des weiblichen Körpers mitnehmen.

Die Macht des Zyklus – was passiert in unserem Körper?

Herzlich willkommen im weiblichen Unterleib. Hier ist mehr los als morgens um sieben auf dem Frankfurter Flughafen, aber fangen wir mit den Grundlagen an. So sieht eine Gebärmutter mit den beiden Eierstöcken aus:

Eigentlich ganz fröhlich, oder? Sie erinnert mich an einen angriffslustigen Stierkopf mit zwei Hörnern – und sie hat auch Power. Die Gebärmutter ist ein muskulöses Organ, sie ist sieben bis neun Zentimeter lang und wiegt zwischen 60 und 100 Gramm. Am Ende einer Schwangerschaft hat sie ihr Ausgangsgewicht verzehnfacht und ist so groß wie zwei Fußbälle – kein anderer menschlicher Muskel kann sich so stark ausdehnen. Wir Frauen können also durchaus stolz sein auf unser inneres Geschlechtsteil, und wenn eine Gebärmutter wüsste, dass Penisse sich von ihren Besitzern messen lassen, würden ihre Eierstöcke nur milde lächelnd abwinken.

Ein Hoch auf die Gebärmutter!

Es folgt eine kurze Biologiestunde für Anfänger – aber ohne kichernde Jungs und errötende Mädchen: Frauen haben eine Gebärmutter und zwei Eierstöcke, in denen sich circa 400.000 Eier befinden. Mehr als genug, wenn man bedenkt, dass nur 400 bis 500 davon heranreifen und aus denen vielleicht ein bis drei Kinder hervorgehen – wenn überhaupt.

Ein Zyklus beginnt mit dem Tag der Menstruation, aber bevor wir uns um das Blut kümmern, schauen wir uns erst einmal an, was in den Eierstöcken passiert. In den ersten 14 Tages des Zyklus reifen Eibläschen (Follikel) heran, die jeweils eine Eizelle enthalten. Um aus einer unreifen Eizelle ein sprungbereites Turbo-Ei zu machen, braucht es Östrogene, also die berüchtigten weiblichen Sexualhormone.

Die Östrogene werden in den heranreifenden Eizellen gebildet, aber um das zu tun, benötigen sie einen entsprechenden Startschuss aus dem Hypothalamus, dem Steuerzentrum im Gehirn. Alle 90 Minuten feuert der Hypothalamus spezielle Hormone ab, die wiederum die Hypophyse, also die Hirnanhangdrüse dazu bringen, zwei weitere Hormone auszuschütten, die den Östrogenspiegel in dem Eibläschen immer weiter in die Höhe treiben, bis es die Eizelle freigibt. Wer denkt sich so etwas Kompliziertes aus?

Dieser Eisprung, auch Ovulation genannt, findet dann ungefähr am 14. Tag des Zyklus statt. Ich stelle mir das so vor, als würde der Hypothalamus eine WhatsApp-Nachricht nach der anderen losschicken und dem armen Eierstock im wahrsten Sinne des Wortes so sehr auf die Eier gehen, dass dem reifsten von ihnen schließlich der Kragen platzt – Eisprung! – und es sich auf die Flucht begibt. Die Obergrenze liegt im Normalfall bei eins, Grenzkontrollen gibt es glücklicherweise nicht, also ab durch die Mitte! Eine aufregende Reise durch den Eileiter in die Gebärmutter beginnt.

Im Gebärmutterhals verdünnt sich jetzt der Scheidenausfluss, also die völlig natürliche und durchsichtige Flüssigkeit, die wir manchmal in unserer Unterhose entdecken. Sinn und Zweck dieser Aktion ist, den Spermien den Weg frei zu machen.

Die Eileiter werden plötzlich beweglich, das liegt am Östrogen – und durch ihren kleinen Eiertanz befördern die Eileiter die Eizelle in die richtige Richtung.

Wenn der Eizelle jetzt ein Spermium begegnet, das frisch um die Ecke kommt oder auch seit ein paar Tagen dort auf der Lauer liegt, steigt wahrscheinlich in circa neun Monaten die Weltbevölkerung um eine weitere Person. Die Eizelle ist jetzt 12 bis 18 Stunden lang fruchtbar – ihre Sternstunde ist gekommen, sie befindet sich auf dem Höhepunkt ihres kurzen Lebens, ihr stehen alle Möglichkeiten offen. Aus ihr könnte eine Nobelpreisträgerin entstehen, ein Spitzensportler, eine neue Mutter Theresa! Okay, geben wir uns nicht länger irgendwelchen Illusionen hin, denn unsere Eizelle befindet sich in einem Buch über die Menstruation, nicht über Schwangerschaften. Sorry, gleich ist es vorbei mit ihr.

Die Gebärmutter hat inzwischen längst Wind von der ganzen Sache gekriegt, denn die Östrogene, die in den Eibläschen produziert wurden, haben der Gebärmutter gesagt: Achtung, mach dich bereit, es könnte ein Untermieter kommen und sich bei dir einnisten! Also wächst die Schleimhaut der Gebärmutter, denn wenn das nahende Ei unterwegs befruchtet wird, will es hier neun Monate wohnen bleiben, und da möchte auch eine kleine Eizelle es ein wenig gemütlich haben. Abgesehen davon bezieht sie natürlich Nährstoffe aus der Schleimhaut.

Aus dem Follikel, also dem Rest, der von der abgewanderten Eizelle noch übrig ist und im Eierstock zurückbleibt, hat sich der sogenannte Gelbkörper gebildet, das Corpus luteum. Dieser schüttet die Hormone Progesteron und Estradiol aus. Das eine klingt wie ein neues Szenegetränk, das andere eher wie eine radioaktive Kräutermischung. In ein paar Tagen geht es dem Körper auch so, als habe er beides gleichzeitig zu sich genommen, ich sage nur PMS! Wir befinden uns jetzt in der sogenannten Gelbkörperphase. Der Estradiolspiegel sorgt dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut von circa 1,5 Millimeter auf 6 Millimeter anwächst. Sein Kumpel Progesteron passt gleichzeitig auf, dass diese Schleimhaut nicht ungebremst wächst. Es ist wirklich unglaublich, was diese Hormone in unserem Unterleib alles anstellen, während wir Auto fahren, ein Fünf-Gänge-Menü zubereiten oder in der Nase bohren.

Nun ist es passiert: Unsere vielversprechende Eizelle wurde nicht befruchtet, darum zerfällt dieser Gelbkörper, und der Progesteron- und Estradiolspiegel sackt wieder ab. Genau dieser Abfall gibt der Gebärmutterschleimhaut das entscheidende Signal: Raus mit dir! Der gerade aufgebauten Schleimhaut fehlt der Lebenssinn, niemand wird in ihr wohnen, daher löst sie sich ab und wird ausgeschieden – und genau da sind wir bei unserem neuen Lieblingsthema: Das ist die Menstruation.

Die Gebärmutterschleimhautzellen (ein perfektes Wort für das nächste Galgenraten!) zerfallen, dadurch werden sogenannte Gewebshormone freigesetzt, welche dafür sorgen, dass sich die Muskulatur der Gebärmutter zusammenzieht und wieder entspannt. Gleichzeitig ist die Empfindlichkeit der Nervenenden erhöht, und in Summe sind genau das die Schmerzen, die viele Frauen einmal im Monat in die Knie zwingen.

Durch die Kontraktionen löst sich das Gewebe und wird zusammen mit dem Blut, das durch die kleinen Risse entsteht, abtransportiert. Es werden übrigens nur etwa zwei Drittel der Gebärmutterschleimhaut abtransportiert, der Rest wird repariert und instand gesetzt. Die antiken Grundmauern unseres inneren Tempels bleiben also stehen. Es wird nicht die ganze Wohnung plattgemacht, es kommen dann noch ein paar Restauratoren, und schon bald beginnt ein neuer Einsatz in den vier Wänden.

Tja, und danach geht das Ganze wieder von vorne los. Alles, was nicht gebraucht wurde, befindet sich in Kloschüsseln oder im Restmüll, und die Gebärmutter macht sich frisch ans Werk, damit es vier Wochen später wieder losgehen kann. Wer auf blumige Metaphern steht, um die Sache besser zu ertragen, könnte auch sagen: Das Bett wird frisch bezogen, das Kinderzimmer frisch gestrichen, oder ein neues Nest wird gebaut. Die Menstruation ist also nötig, um die Voraussetzungen für eine Schwangerschaft zu erfüllen – damit wir uns fortpflanzen, damit unsere Spezies weiterbesteht. Mit anderen Worten: Bei dieser ganzen geheimnisvollen und sagenumwobenen Menstruation, die dazu führt, dass Männer sich angeekelt wegdrehen und Frauen beginnen zu flüstern, reden wir eigentlich nur von ein bisschen Blut und den kümmerlichen Resten der Gebärmutterschleimhaut. Das Blut fließt nicht literweise, es spritzt auch nicht, sondern es füllt mit 30 bis 60 Millilitern gerade mal eine Espressotasse. Mit bloßem Auge ist hier also nichts Abstoßendes oder Gruseliges zu erkennen. Sobald man darüber nachdenkt, ist es sogar ein fantastisches Wunder! Dass bei diesem Vorgang verschiedene Hormone im Spiel sind, die der Frau das Leben zur Hölle machen können, steht auf einem anderen Blatt beziehungsweise auf einer anderen Seite dieses Buches. Schwelgen wir lieber noch einen Moment in unserer Begeisterung.