Das Tor zu den Traumländern – Unheimliche Erzählungen - W. H. Pugmire - E-Book

Das Tor zu den Traumländern – Unheimliche Erzählungen E-Book

W. H. Pugmire

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Beschreibung

Wer vom Etikett »in der Tradition H. P. Lovecrafts« einen simplen Nachahmer in Motivik und Stil erwartet, wird von W. H. Pugmire zweifelsfrei enttäuscht sein. Ja, Pugmire verwendet Reminiszenzen an Lovecraft in Form von Figuren oder Büchern – das Necronomicon etwa, oder vor allem Nyarlathotep, das Kriechende Chaos.
Doch wer sich auf Pugmire einlässt, findet einen originellen und eigenständigen, fantasiebegabten Autor phantastischer Literatur. Die Verweise auf Lovecraft bilden nur den motivischen Hintergrund für Pugmires ureigene Schöpfung: das geheimnisvolle Sesqua-Tal mit seinen ebenso mysteriösen Bewohnern, einen Bereich zwischen den Welten, dessen Grenzen fließend sind. Pugmires bisweilen lyrisch klingende Prosa schildert die Begegnungen zwischen den Menschen und den Bewohnern der anderen Seite, manche bizarr, andere tödlich …

Folgende Beiträge sind enthalten:
› Vorwort – Mein Freund, Wilum Pugmire – von S. T. Joshi
› Das Grabmal von Oscar Wilde
› Das Tor zu den Traumländern
› In der unheiligen Grube der Shoggoths
› Ein letzter Diebstahl
› Die Harpyien von Carcosa
› Der magische Wind von Irem
› Das Gewicht meines Herzens
› Der düstere Fremde
› Ekstase der Angst

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Ähnliche


 

 

 

 

W. H. Pugmire

 

 

Das Tor zu den Traumländern

 

 

Weird Fiction

 

 

 

Mit einem Vorwort von S.T. Joshi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer, 2023

Übersetzung: © by Bärenklau Exklusiv

Bearbeitung/Lektorat/Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren, es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv, 13.07.2023.

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Das Tor zu den Traumländern 

Vorwort 

Mein Freund, Wilum Pugmire 

Das Grabmal von Oscar Wilde 

Das Tor zu den Traumländern 

In der unheiligen Grube der Shoggoths 

Ein letzter Diebstahl 

Die Harpyien von Carcosa 

Der magische Wind von Irem 

Das Gewicht meines Herzens 

Der düstere Fremde 

Ekstase der Angst 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

Weitere Bände von W. H. Pugmire sind erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung 

 

Das Buch

 

 

Wer vom Etikett »in der Tradition H. P. Lovecrafts« einen simplen Nachahmer in Motivik und Stil erwartet, wird von W. H. Pugmire zweifelsfrei enttäuscht sein. Ja, Pugmire verwendet Reminiszenzen an Lovecraft in Form von Figuren oder Büchern – das Necronomicon etwa, oder vor allem Nyarlathotep, das Kriechende Chaos.

Doch wer sich auf Pugmire einlässt, findet einen originellen und eigenständigen, fantasiebegabten Autor phantastischer Literatur. Die Verweise auf Lovecraft bilden nur den motivischen Hintergrund für Pugmires ureigene Schöpfung: das geheimnisvolle Sesqua-Tal mit seinen ebenso mysteriösen Bewohnern, einen Bereich zwischen den Welten, dessen Grenzen fließend sind. Pugmires bisweilen lyrisch klingende Prosa schildert die Begegnungen zwischen den Menschen und den Bewohnern der anderen Seite, manche bizarr, andere tödlich …

 

Dieser Band enthält folgende Beiträge:

› Vorwort – Mein Freund, Wilum Pugmire – Vorwort von S. T. Joshi

› Das Grabmal von Oscar Wilde 

› Das Tor zu den Traumländern 

› In der unheiligen Grube der Shoggoths 

› Ein letzter Diebstahl 

› Die Harpyien von Carcosa 

› Der magische Wind von Irem 

› Das Gewicht meines Herzens 

› Der düstere Fremde 

› Ekstase der Angst 

 

 

***

 

 

Das Tor zu den Traumländern

 

 

Vorwort

Mein Freund, Wilum Pugmire

 

von S. T. Joshi

 

 

Ich kann mir vorstellen, dass es viele Menschen gibt, die Wilum Hopfrog Pugmire besser und länger kannten als ich, aber ich glaube, dass er und ich aufgrund unserer gemeinsamen Verehrung für H. P. Lovecraft eine besondere Verbindung zueinander hatten. Ich werde etwas später auf Wilums Werk zu sprechen kommen, aber ich kann an dieser Stelle erwähnen, dass unsere Verbindung ab dem Zeitpunkt eng wurde, als ich im Herbst 2001 von New York nach Seattle zog, um bei meiner ersten Frau zu sein. Wir bezogen ein Haus in der Nähe der University of Washington, und Wilum kam häufig am Sonntagmorgen auf seinem Weg zum nahe gelegenen Mormonentempel vorbei. Die Mormonen, die lange Zeit durch Vorurteile u. a. gegen Schwule und Lesben in Verruf geraten waren, hatten ihn exkommuniziert, ihm aber kurz zuvor erlaubt, wieder am Gottesdienst teilzunehmen. Zu meinem Erstaunen blieb Wilum dem Glauben treu, in den er hineingeboren worden war.

In Seattle gab (und gibt) es eine lebhafte und ständig wachsende Schar von Anhängern von Weird Fiction, und ich machte schnell die Bekanntschaft von Greg Lowney, Jessica Amanda Salmonson und einer Reihe anderer. Wilum war ein wichtiges Mitglied dieser lockeren Gruppe, und erst zu dieser Zeit erlangte er ein wenig Anerkennung für seine literarischen Leistungen. Auch Lovecraft gewann rasch an Popularität und Wertschätzung durch die Kritiker, und Wilum, der wusste, dass ich die Speerspitze dieser Bewegung war, unterstützte mich in meinen Bemühungen.

Einige Jahre später, als ich eine neue Frau (Mary K. Wilson) hatte, traf ich mich regelmäßig mit der Lovecraft- und Weird-Fiction-Gang in einem nahe gelegenen thailändischen Restaurant. Wilum kam immer vorbei; obwohl er sowohl beim Essen als auch bei den Gesprächen danach bei uns zu Hause oft wenig sprach, war seine Anwesenheit immer zu spüren, und er hörte aufmerksam zu, was die anderen sagten. Manchmal hatten wir Wilum allein oder mit ein oder zwei anderen zum Abendessen eingeladen. Mary hatte ihn besonders gern als Gast; da sie eine ausgezeichnete Köchin war, freute sie sich darüber, wie eifrig er alles verschlang, was man ihm vorsetzte. Derrick Hussey, der Verleger von Hippocampus Press, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, mir um die Weihnachtszeit einen saftigen Virginia-Schinken zu schicken, der sich bei Wilum als besonders beliebtes Gericht erwies.

Wilum hatte bereits in den 1980er Jahren in Seattle eine gewisse Berühmtheit erlangt, als er im Selbstverlag ein Fanzine herausgab über die Punkrock-Bewegung, Punk Lust. In der Lokalzeitung wurde über ihn berichtet, und ein Foto zeigte ihn mit einem beeindruckenden Irokesenschnitt in mehreren Farben, mit dem er Boy George verblüffend ähnlich sah. Als Mary und ich nach einer mehrjährigen Beziehung beschlossen, zu heiraten, wollten wir natürlich, dass Wilum bei der Hochzeit dabei war. Abgesehen von seiner Frisur war er dafür bekannt, dass er sich stark schminkte und auffallende (manche würden sagen: ausgefallene) Kleidung trug. Gelegentlich trug er einen langen Rock, um seine Verachtung für konventionelle Geschlechterrollen zum Ausdruck zu bringen. Er erklärte, dass er sich zu unserer Hochzeit etwas dezenter kleiden würde, aber ich sagte: »Nie im Leben! Sei so extravagant, wie du willst!« Am Ende sah er zwar nicht ganz so aus wie sonst, aber seine Kleidung und sein allgemeines Auftreten reichten aus, dass meine zukünftige Schwiegermutter, eine gesetzte, ältere Frau aus Minnesota, ihn für einen Geistlichen einer obskuren Religionsgemeinschaft hielt.

Wilum war durch und durch bescheiden und tat seine eigene Arbeit als die eines »Lovecraft-Fanboys« ab. Schon zu Beginn unserer Zusammenarbeit hatte ich Lovecrafts Nachahmer verachtet, vor allem seinen früheren Verleger August Derleth und so einfallslose Kopisten wie Brian Lumley und Basil Copper. Ich machte mich daran, eine Abhandlung mit dem Titel Aufstieg und Fall des Cthulhu-Mythos zu verfassen, in der ich vorhatte, das gesamte neo-Lovecraft’sche Schreiben abzuqualifizieren; aber am Ende fand ich einen Teil davon sehr verdienstvoll – vor allem die Werke von Autoren wie William Browning Spencer, Donald Tyson und Caitlín R. Kiernan. Zu dieser Gruppe zählte ich auch Wilum, dessen frühe Texte ein erstaunliches Gespür für das Wesen der Lovecraft'schen Sprache erkennen ließen. Doch er begnügte sich von Anfang an nicht damit, ein bloßer Nachahmer zu sein, sondern ließ seine eigenen Empfindungen in sein Werk einfließen – sei es als schwuler Mann oder als Anhänger des Punkrock oder als Bewohner des Nordwestens an der Pazifikküste, der sich zwar von Lovecrafts Neuengland unterscheidet, ihm aber in mancher Hinsicht nicht ganz unähnlich ist.

Die Arbeit an meiner Abhandlung brachte mich auf die Idee, eine eigene Anthologie mit originalen Lovecraft’schen Erzählungen zusammenzustellen, Black Wings. Ich lud Wilum ein, einen Beitrag dazu zu schreiben, und war begeistert, als er eine umfangreiche Novelle, »Inhabitants of Wraithwood«, beisteuerte, die ich immer noch für eine seiner besten Arbeiten halte. Alle nachfolgenden Bände der Black-Wings-Reihe enthielten Beiträge von Wilum, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit seinen langjährigen Mitarbeiterinnen Jessica Amanda Salmonson und Maryann K. Snyder. Ich hatte das Vergnügen, mehrere von Wilums Büchern bei Verlagen wie Hippocampus Press und Centipede Press unterzubringen.

Wilum war begeistert, als er 2007 endlich eine Reise nach Providence, Rhode Island, der Heimat von H. P. Lovecraft, antreten konnte. Diese Reise inspirierte ihn zu einer ganzen Menge Arbeit, und er kehrte für die erste NecronomiCon-Convention 2013 nach Providence zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte er Jeffrey Thomas kennengelernt, und sie arbeiteten gemeinsam an einigen pikanten Geschichten, in denen die immer wiederkehrende Figur des Enoch Coffin eine Rolle spielt. Später arbeitete er zusammen mit David Barker an zwei Kurzromanen und einer Geschichtensammlung. Wilum gab zu, dass es ihm schwerfiel, ein Werk in Romanlänge zu verfassen; seine Spezialität war das fein ausgearbeitete Prosagedicht, und in dieser schwierigen Form war er ein Meister. Aber Barkers erzählerische Begabung erlaubte es Wilum, seine eigene Vorstellungskraft auf ein größeres Format zu übertragen.

Ich möchte nicht viel über sein Ableben im Jahr 2019 sagen – eine Folge der Schwächung seines Körpers durch Herzinsuffizienz –, aber ich fühlte mich sehr geschmeichelt, dass er mich zu seinem literarischen Nachlassverwalter ernannte. Als ich in seinen letzten Tagen bei ihm saß, hörte ich von einem spanischen Verleger, der daran interessiert war, eine ganze Reihe von Wilums Büchern herauszugeben. Er selbst hatte sich über eine deutsche Ausgabe seiner Werke gefreut, die einige Monate zuvor erschienen war, und es werden zweifellos weitere ausländische Ausgaben und andere Veröffentlichungen in englischer Sprache erscheinen. Ich habe eine besondere Vorliebe für seine Lyrik, auch wenn Wilum selbst seine Lyrik als einen zu vernachlässigenden Aspekt seines Werks abtat. Greg Lowney (der in der Tat Wilums Archivar und Bibliograph ist) und ich hoffen, eines Tages seine gesammelten Gedichte zusammenzutragen. Eines von Wilums eindrucksvollsten Werken ist Some Unknown Gulf of Night (2011), eine Umschrift von Lovecrafts Sonettenzyklus Fungi from Yuggoth in eine Reihe von Prosagedichten. Dies hätte leicht zu einer Fingerübung in rein mechanischer Nachahmung werden können, aber die Lebendigkeit und Originalität von Wilums Interpretationen des Quellenmaterials haben mich in Erstaunen versetzt.

Wilum hatte eine wahre schöpferische Gabe. Zweifellos nutzte er Lovecraft – wie auch seine anderen literarischen Leidenschaften, Oscar Wilde, Edgar Allan Poe, Henry James und Shakespeare – als Ausgangspunkt, aber das Endergebnis war immer unverwechselbar und persönlich. Niemand außer Wilum hätte seine Geschichten schreiben können. Sie sind dazu bestimmt, viel länger zu überdauern als die Werke populärerer, aber weniger bescheidener und weniger aufrichtiger Schriftsteller. Aber es ist der Mensch Wilum Pugmire, der denen, die ihn kannten, in Erinnerung bleiben wird; sein vorzeitiges Ableben hinterlässt eine Lücke, die man nicht füllen kann.

 

 

***

Das Grabmal von Oscar Wilde

(Originaltitel: The Tomb of Oscar Wilde) 

 

Und fremde Tränen werden für ihn füllen

Des Mitleids längst zerbrochene Urne,

Denn seine Trauernden werden Ausgestoßne sein,

Und Ausgestoßne trauern immer.

Oscar Wilde

 

»Warum hast du mich hierher gebracht?«, murmelte ich und wandte mich vom dem grotesk verunstalteten Anblick ab. »Ich finde den Anblick äußerst deprimierend. Bitte, lass uns gehen.«

Aber die Dichterin, die sich »Celaeno« nennt, lachte nur über meine offensichtliche Theatralik. »Sei nicht albern, Yakov. Was du für verunstaltet hältst, sind die echten Liebesbeweise unzähliger Bewunderer.«

»Das Grab eines Dichters mit Graffiti zu verunstalten, ist das Gegenteil von bewundernswert. Wie viele der Dummköpfe, die ihre bemalten Lippen auf dieses Grab gedrückt haben, haben jemals ›Die Sphinx‹ oder ›Das Haus der Hure‹ gelesen? Oder« – und ich zeigte mit einem langen Finger auf sie – ›Das Grab von Keats‹? Wenn sie Wilde huldigen wollen, sollen sie ein Gedicht schreiben. Aber sein Grab auf diese Weise zu verunstalten! Ich habe von diesen hässlichen Lippenstiftflecken gehört, aber ich hatte keine Ahnung, dass es so viele davon gibt. Sie haben diesen heiligen Ort mit ihren Judasmäulern verunstaltet und das getötet, was sie lieben. Hinfort, hinfort!« Aber meine Begleiterin lächelte nur und summte ein paar Takte von Chopins düsterem Prélude Nr. 24. »Jedenfalls sollten wir zu dieser grässlichen Stunde nicht hier sein, und das Letzte, was ich brauchen kann, ist, verhaftet zu werden, weil ich diesen Ort betreten habe, nachdem er geschlossen wurde. Woher du von dem anderen Tor wusstest und wie man es öffnet, ist ein Geheimnis, über das ich nicht nachdenken möchte. Nein, lass uns gehen, Rochel.«

»Aber es gibt noch so viel mehr zu sehen. Wir pfeifen an Chopins Grab, nachdem wir hier etwas Magie heraufbeschworen haben.« Sie hob die Teile ihres schwarzen Gewandes auf, das ihr von den Schultern zur Erde fiel, und sah dabei einem geflügelten, mythischen Wesen sehr ähnlich. Mich verzauberte sie damit nicht. Irgendein geflügeltes Ding schwebte über uns in den Pariser Nachthimmel.

»›Beschwören‹? Nein, nein, ich möchte nicht mit dem Dichter kommunizieren, außer durch die Alchemie seiner Seiten. Keine Gespenster müssen sich hier melden. Ich brauche an diesem Ort keine deiner ausgefallenen Zaubereien. Oscars Poesie ist Zauberei genug.«

Sie zeigte hinauf zum Himmel. »Es ist Rosh Chodesh, Yakov.«

Ich folgte ihrem Finger und blickte auf den Ausschnitt des Mondes. »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«

»Erinnerst du dich an Wildes ›La Fuite de la Lune‹?« Ohne meine Antwort abzuwarten, begann sie den ersten Vierzeiler zu singen, so wie ihn der amerikanische Komponist Charles Griffes vertont hatte:

 

»Für die äußeren Sinne gibt es Frieden,

Eine verträumte Ruhe auf beiden Seiten,

Tiefe Stille im schattigen Land,

Tiefe Stille, wo die Schatten aufhören.«

 

Wie von ihrem Gesang herbeigezaubert, kroch ein Frösteln in die Abendluft, und ein Wolkenvorhang verdeckte für kurze Zeit den Mond. Der Engel aus der Zeit der Moderne auf Wildes Grab wurde zu einer dunkleren Kreatur und wirkte nun wie eine düstere Sphinx, die jeden Moment ein unergründliches Rätsel flüstern konnte. Ich stand in der tiefen Stille eines Schattenlandes, in dem die Erinnerung an welkes Leben in einer sanften Brise zu mir herüber wehte. Als wäre ich seltsam besessen, kam mir wieder eine Erinnerung an Wilde in den Sinn, und ich flüsterte einen Vers seiner Lyrik: »Eine schöne und stille Sphinx beobachtete mich durch die wechselnde Düsternis.« Kaum hatte ich meinen Vers gesprochen, verzogen sich die Wolken vor dem Mond, und Sternenlicht küsste meine Augen. »Hast du nicht eigene Verse in Erinnerung an Wilde geschrieben?«, fragte ich, mein Gesicht immer noch zum Himmel erhoben.

 

»Mein Lied, gefangen in dieser Höhle meines Schädels,

Kann dieser plumpe Mund nicht singen;

Meine Lippen werden so von Dichters Trunkenheit verzehrt,

Mein Lied wird zu einer Hymne, unausgesprochen, nichtig.

Und so singe ich mit feuchten Augenglanz,

Ein unausgesprochenes Gebet zum silbernen Mond

Wie Flüssigkeit von den Lippen eines dumpfen Idioten tropft,

Der sich sehnt, Poesie in den Himmel zu trällern.

Mein Mund ist fest verschlossen, aber jetzt wird meine Seele gleiten

Zum alten Mond als Schmerz einer stillen Hymne

In dem ich huldige, wie grimmig auch immer,

Auf einen, dessen anmutige Sprache nie gestorben.

Lieber Oscar, nimm mein Lied als stilles Zeichen.

Es ist mein Geschenk, wie zerbrechlich und gebrochen auch immer.«

 

Sie beendete ihre Rezitation, schaute mich an und zuckte die Schultern. »Nun, es ist ziemlich schlecht, ich weiß. Eines Tages werde ich es aufpolieren und drucken lassen – vielleicht.«

Ich zuckte ebenfalls die Schultern und lächelte, dann schaute ich wieder auf das riesige Grab vor uns. Ein schwaches Verlangen, das Kaddisch zu flüstern, überkam mich, obwohl ich nicht über einen Minjan verfügte. Ich erinnerte mich daran, dass dies Rosh Chodesh war, der erste Tag im jüdischen Monat, nach Neumond. Und das ließ mich an Oscar denken, der in seinen letzten Jahren seiner sterblichen Existenz dem Vergessen anheimgefallen war; doch wie der Mond kehrte Wilde zurück und wuchs zu ganzer Fülle, so dass er jetzt in ewigem Opalglanz durch die Magie seiner Werke und die Tragik seiner Geschichte erstrahlt. Und so flüsterte ich einen Teil des Gebetes auf Hebräisch, das auf Englisch etwa so lauten würde: »Du hast Deinem Volk die Feier des Neumonds gegeben, eine Zeit der Sühne für alle ihre Generationen.«

Rochel schnaubte. »Kaphar?«, sagte sie auf Hebräisch. »Was, du würdest Wilde bereuen lassen? Pah. Dieser Dichter verdient es, dass man zu einer dunkleren Gottheit betet. Wie wäre es damit?«

Ich runzelte die Stirn, als sie begann, ihre Hymne an die Dunkelheit zu rezitieren, und doch konnte ich nicht anders, als zu staunen, wie ihr kleiner Mund diese arkanen Worte so perfekt aussprach.

»Y'ai, Shub-Niggurath! Y'gai h'yeh Aklo shoggoth! Ygnaiih … ygnaii … Shub-Niggurath!« 

 

*

 

Wieder breitete sich die Dunkelheit am Himmel aus, und Wind kam auf. Ich sah zu, wie sich Rochels langes Gewand hinter ihr wie dämonische Flügel ausbreitete, während ihr falkenartiges Gesicht mich in bewegenden Schatten anglotzte. Ich erinnerte mich daran, warum sie ihr Pseudonym angenommen hatte. Sie fuhr fort, diese widerwärtige Sprache zu murmeln, aber jetzt kombinierte sie sie mit dem Hebräischen eines Gebetes, mit dem ich nicht vertraut war. Der monströse Klang ließ meine Seele verdorren und mein strömendes Blut gefrieren.

»Mein Herz!« Ich stöhnte auf. »Du hast es mit deiner teuflischen Kunst ausgezehrt. Es verwelkt und wird bald nutzlos und nichtig sein. Ich werde als herzloser Unhold auf der Erde wandeln, ohne Leidenschaft und Poesie. Oh, oh!«

Die Hexe lachte und schob sich von mir weg, zum Grab hin und drückte ihren Mund zwischen die grässlichen Lippenstiftflecken. Ich wollte sie verfluchen, aber meine Glieder ließen mich im Stich, und ich fiel zu Boden, während sich namenlose Schemen im gespenstischen Himmel tummelten und das Sternenlicht auslöschten. Ein Ding aus monströsem Nebel begann, in der Kluft der Nacht zu brodeln, und ich hatte keinen Zweifel, dass dies die »Gottheit« war, die Rochel mit ihrer unheiligen Kunst herausbeschworen hatte. Von Düsternis umhüllt, grub ich meine Nägel in die Erde neben Oscars Grab. Ich sah seinen eingravierten Namen, schwer lesbar auf dem Stein, verunstaltet durch die grässlichen roten Schmierereien von Lippenstift, dessen tierische Fette den Stein des Denkmals verwüsten und irreparablen Schaden anrichten würden. Keuchend weinte ich den Namen des Dichters.

 

*

 

Die Luft war von einem grotesken Gestank beschmutzt, einem ziegenartigen Geruch, der von dem wolkenartigen Gebilde, das Rochel in den Himmel gezaubert hatte, auf uns herabfiel. Doch nun nahm ich einen anderen Duft wahr, der sich wie Parfüm von der Grasnarbe erhob, auf der ich kniete. Mit ihm erhob sich ein anderes Ding, ein fahles rundes Leuchten, das vor dem Grab des Dichters nach oben in den Himmel hinaufsickerte. Ich sah zu, wie es sich zu einer Gestalt formte, die mir vertraut war und mich an Beardsleys respektlose Illustration »Die Frau im Mond« erinnerte. Ehrfürchtig entledigte ich mich meiner Kleidung und mühte mich als nackter Gefolgsmann des Dichters, den ich so verehrte, auf die Beine. Seine gespenstische Gestalt nahm ein halbsterbliches Aussehen an, und ich beobachtete, wie er meiner Begleiterin zuzwinkerte und dann sein großes Gesicht zu dem Dämon im Himmel erhob. Der Fürst der Dichtkunst schürzte seine Lippen und gab erhabene Worte von sich, die Poesie der Zeiten. Diese herrliche und mächtige Kunst durchdrang den kosmischen Sturm und fegte den armseligen Dämon aus unserem Blickfeld. Rochel streichelte die juwelenbesetzte Quaste, die von der Perlenschnur um ihren hübschen Hals baumelte. Obwohl ihre Haltung trotzig war, konnte ich die Verwunderung sehen, die in den Tiefen ihrer trotzigen Augen glühte, als ihre Magie vom Fürsten der Sprache eingenommen wurde.

 

Nackt und herzlos erschauderte ich. Doch obwohl mir ein schlagendes Organ in der Brust fehlte, besaß ich noch Gedächtnis und Mund. Meine Lippen öffneten sich und ich rezitierte Lyrik.

 

»Dann wandte ich mich an meinen Liebsten und sagte,

Die Toten tanzen mit den Toten,

Der Staub wirbelt mit dem Staub.«

 

Der Dichter blickte mich mit sternengleichen Augen an, und ich hob ihm meine Arme entgegen, taumelnd wie ein Wesen, das aus sterblichen Trümmern besteht und bei seiner Berührung auseinanderfallen könnte. Aber, oh, seine Liebkosung war sanft! Wir tanzten über den Staub der Erde zu einem sanften Takt, den ich zu kennen schien. Endlich erkannte ich, dass es das Schlagen des ewigen Herzens des Dichters war.

Sein Klang trieb mir Tränen in die Augen. Er lachte und drückte seinen geisterhaften Mund auf den meinen, und dann hauchte er auf meine flüssigen Augen, während seine Hand auf meiner Brust ruhte. Einen Moment lang runzelte er die Stirn, da er die Vibration nicht fühlte, die er von meiner Brust wahrzunehmen glaubte. Seine starren Augen schienen das Elend meiner Existenz zu lesen. Er entfernte sich ein wenig von mir und griff durch seine körperlose Gestalt. Als er seine Hand wieder hervorzog, erblickte ich das feste Ding, das sie hielt – sein pulsierendes Herz, das er mir als Opfergabe anbot. Ich ergriff das warme, nasse Herz, das von Blut durchtränkt schien und den Tränen eines Märtyrers.

Ich hielt es der zunehmenden Mondsichel entgegen, an diesem Feiertag Rosh Chodesh, der einen Neuanfang markierte. Ich schaute zu Rochel, die auf Hebräisch vor sich hin murmelte, und ich zwinkerte ihren Tränen zu, die sich plötzlich in ihren Augen gesammelt hatten. Schließlich schluckte ich das Herz des Dichters im Ganzen hinunter und lachte, als sänge ich ein Lied, als es sich mit mir verwurzelte.

 

 

ENDE

Das Tor zu den Traumländern

(Originaltitel: Past the Gates of Deepest Dreaming) 

 

 

Yet for each dream these winds to us convey,

A dozen more of ours they take away. 

H. P. Lovecraft

 

 

1

(Cyrus Lynchwood)

 

Ich erwachte durch das Rauschen des Windes; und als ich dem Geräusch lauschte, spürte ich, dass es kein natürliches Geräusch von draußen war, sondern dass es von irgendwo unten kam, aus dem Inneren des alten Hauses, in dem ich als Gast wohnte; denn es war kein natürlicher Wind, den ich hörte, sondern etwas Fremdes und Betörendes, etwas Dämonisches. Er lockte mich, und so schob ich die Decken beiseite und stieg aus dem Bett, wobei ich das Buch, das ich gelesen hatte und das neben mir auf der Matratze lag, geistesabwesend auf den Boden warf. Ich griff nach dem Buch und berührte den Boden, dessen Holz unnatürlich kühl war.

Ich überquerte diesen Fußboden auf Strümpfen, öffnete vorsichtig die Tür meines oberen Schlafzimmers und lauschte aufmerksam auf das geisterhafte Geräusch, dann schlich ich über den Teppich zur Treppe, die nach unten führte. Plötzlich wurde die Tür zur Bibliothek aufgerissen und mein Vermieter, Philip Nithon, trat auf den Flur. Sein Gesicht war vor Verwirrung und Angst verzerrt, und seine Hände umklammerten sein zerzaustes weißes Haar.

Ich konnte nicht hören, was er murmelte, denn der Lärm aus der Bibliothek hatte zugenommen, und ich beobachtete, wie der alte Mann erschauderte und dann zur Haustür und aus dem Haus lief. Ich ging die Treppe hinunter und war wie gebannt von dem Geräusch, das weiterhin aus der Bibliothek drang. Trotz des tosenden Lärms war alles im Raum sehr still, aber ich zitterte, als die eisige Luft mein Fleisch einhüllte, eine Kälte, die sich nach oben hinaufwand und mein Gehirn berührte und es mit vagen, unheimlichen Eindrücken reizte. Ich hatte das Gefühl, mich plötzlich in einer Säule empfindungsfähiger Luft zu bewegen, in der etwas meinen Namen rief. Obwohl meine Lippen taub waren, murmelte ich eine Passage aus der Zauberei, die Simon Gregory Williams mich gelehrt hatte, und plötzlich verstummte das Geräusch des Windes, und meine Sinne beruhigten sich.

Ich stand in der Nähe des Schreibtisches meines Vermieters, auf dem sich ein Stapel Bücher befand. Der Titel, der aufgeschlagen war, kam mir bekannt vor, denn ich hatte ein Exemplar in Adam Websters Buchladen im Sesqua-Tal gesehen. Es war ein seltener Gedichtband, der vor Jahrzehnten vom Onyx Sphinx Verlag veröffentlicht worden war, und der Vers auf der Seite vor mir war einer, den ich schon oft gelesen hatte. Meine Lippen fühlten sich immer noch seltsam an, daher las ich die Worte stumm:

 

And waves of bitter wind deluge my brow

As shards of cosmic mem’ry split my brain,

And in the clouds before me I behold

The bat-winged things that frolic in mid-air.

As to my ears there spills some blasphemed sound

That issues from the reed of one cracked flute

That (now I see) is clasped in clumsy paw By the queer thing that squats and blows before

The strange Dark One who holds to me His hand.

 

Ich wandte mich vom Schreibtisch ab und bemerkte einen kleinen Gegenstand auf dem Boden. Als ich ihn aufhob, war ich überrascht, wie leicht er war, und als ich versuchte, ihn zu untersuchen, spielte mein Augenlicht mir wieder einen Streich, denn das Ding schien seine Form leicht zu verändern. Ich hob es zum Mund, aber bevor ich es an meine Lippen drücken konnte, wurde es mir aus der Hand gerissen.

Ich drehte mich um, als Mr. Nithon meinen Namen nannte.

»Cyrus, bitte hilf mir in meinen Sessel. Ja, langsam. Ah, danke. Oh, meine armen alten Lungen! Es war ein Fehler, in einer so kalten und feuchten Nacht hinauszugehen. Aber ich musste einen klaren Kopf bekommen. Natürlich war es draußen genauso anstrengend, unter den wandernden Sternen! Dieser Teufelswind! Ich dachte, er sei mir aus dem Haus gefolgt und befände sich oben zwischen den seltsamen Wolken, die er so suggestiv bewegte. Wie sonderbar, diese Wolken, die sich zusammenzogen und einen schwarzen Titanen am Himmel bildeten! Und diese beiden dunklen Sterne, die sich dort auftaten, wo ein Gesicht hätte sein sollen, aber nicht war! Und der Wind kam von dem gesichtslosen Ding, wie eine Stimme, eine Stimme, die plötzlich in mir war und meine eigene! Doch wie konnte ich diese fremden Worte sprechen, diese monströsen Silben? Es war natürlich eine Art Traum, eine Wahnvorstellung im Wachzustand. Die Kühle der Nacht weckte mich, und ich fand den Weg nach Hause. Wo ich mich immer so sicher gefühlt habe, aber jetzt … jetzt …« Schließlich sah er mich an und begann zu lachen. Ich rede wie ein Verrückter, lieber Junge.

---ENDE DER LESEPROBE---