Der Narr des Gelben Tages – Unheimliche Erzählungen - W. H. Pugmire - E-Book

Der Narr des Gelben Tages – Unheimliche Erzählungen E-Book

W. H. Pugmire

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Beschreibung

Wer vom Etikett »in der Tradition H. P. Lovecrafts« einen simplen Nachahmer in Motivik und Stil erwartet, wird von W. H. Pugmire zweifelsfrei enttäuscht sein. Ja, Pugmire verwendet Reminiszenzen an Lovecraft in Form von Figuren oder Büchern – das Necronomicon etwa, oder vor allem Nyarlathotep, das Kriechende Chaos.
Doch wer sich auf Pugmire einlässt, findet einen originellen und eigenständigen, fantasiebegabten Autor phantastischer Literatur. Die Verweise auf Lovecraft bilden nur den motivischen Hintergrund für Pugmires ureigene Schöpfung: das geheimnisvolle Sesqua-Tal mit seinen ebenso mysteriösen Bewohnern, einen Bereich zwischen den Welten, dessen Grenzen fließend sind. Pugmires bisweilen lyrisch klingende Prosa schildert die Begegnungen zwischen den Menschen und den Bewohnern der anderen Seite, manche bizarr, andere tödlich …

Dieser Band enthält folgende Beiträge:
› Die Kinder des Sesqua-Tals
› Unsterbliche Überreste
› Unheilige Poesie
› Die Gläser des Hexenmeisters
› Die Gestalt im Spiegel
› Draußen
› Halb verloren im Schatten
› Der Narr des Gelben Tages
› Die lockende Schwärze
› Dunkelheit tanzt in deinen Augen
› Die Vision der toten Zukunft
› Jenseits der wachen Sinne

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W. H. Pugmire

 

 

Der Narr des Gelben Tages

 

 

Weird Fiction

 

 

 

– UnheimlicheErzählungen – 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer, 2023

Übersetzung: © by Bärenklau Exklusiv

Bearbeitung/Lektorat/Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren, es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv, 13.07.2023.

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Die Kinder des Sesqua-Tals 

Unsterbliche Überreste 

Unheilige Poesie 

Die Gläser des Hexenmeisters 

Die Gestalt im Spiegel 

Draußen 

Halb verloren im Schatten 

Der Narr des Gelben Tages 

Die lockende Schwärze 

Dunkelheit tanzt in deinen Augen 

Die Vision der toten Zukunft 

Jenseits der wachen Sinne 

Weitere Bände von W. H. Pugmire sind erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung 

 

Das Buch

 

 

Wer vom Etikett »in der Tradition H. P. Lovecrafts« einen simplen Nachahmer in Motivik und Stil erwartet, wird von W. H. Pugmire zweifelsfrei enttäuscht sein. Ja, Pugmire verwendet Reminiszenzen an Lovecraft in Form von Figuren oder Büchern – das Necronomicon etwa, oder vor allem Nyarlathotep, das Kriechende Chaos.

Doch wer sich auf Pugmire einlässt, findet einen originellen und eigenständigen, fantasiebegabten Autor phantastischer Literatur. Die Verweise auf Lovecraft bilden nur den motivischen Hintergrund für Pugmires ureigene Schöpfung: das geheimnisvolle Sesqua-Tal mit seinen ebenso mysteriösen Bewohnern, einen Bereich zwischen den Welten, dessen Grenzen fließend sind. Pugmires bisweilen lyrisch klingende Prosa schildert die Begegnungen zwischen den Menschen und den Bewohnern der anderen Seite, manche bizarr, andere tödlich …

 

Dieser Band enthält folgende Beiträge:

› Die Kinder des Sesqua-Tals

› Unsterbliche Überreste

› Unheilige Poesie

› Die Gläser des Hexenmeisters

› Die Gestalt im Spiegel

› Draußen

› Halb verloren im Schatten

› Der Narr des Gelben Tages

› Die lockende Schwärze

› Dunkelheit tanzt in deinen Augen

› Die Vision der toten Zukunft

› Jenseits der wachen Sinne 

 

 

***

Der Narr des Gelben Tages

 

 

Die Kinder des Sesqua-Tals

(Originaltitel: This Splendor of the Goat)

 

 

1

 

Die junge Frau kniete irgendwo auf halber Höhe des Berges und glättete mit blassen Händen die felsige Oberfläche. Der Stein des Bergs war so weiß wie polierter Kalkstein, und seine glänzende Struktur reflektierte das helle Nachmittagslicht. Sie wandte sich um, blickte hinunter ins Tal und lächelte. Hierher würden sie ihr nicht folgen, und so konnte sie für eine Weile ihren Fragen und seltsamen Blicken entgehen. Lachend hob sie die Hände zur Sonne und klatschte, dann erhob sie sich auf die Füße und blickte über sich auf die prächtigen gewölbten Gipfel, die wie zwei Flügel auf dem Rücken eines Dämons aussahen. Ausgelassen betrachtete sie ihren Schatten auf der felsigen Oberfläche und formte ihre Arme, so dass ihre Silhouette, wenn auch nur schwach, dem Aussehen des Mount Selta ähnelte. Fröhlich blickte sie um sich, bis ihr Blick an der Büste ganz in ihrer Nähe hängen blieb, die aus einem großen Felsen gemeißelt worden war. Sie ging zu ihr und bewunderte die Kunstfertigkeit, mit der das Gesicht und der Torso geformt worden waren. Die sonnenbeschienenen Züge waren so grotesk wie alle, die sie in Sesqua Town gesehen hatte, nur dass sie hier einen kleinen Unterschied zu denen der Kinder des Sesqua-Tals trugen. Denn deren Gesichter waren eine bizarre Mischung aus Frosch und Wolf, während dieses finstere Antlitz eindeutig einer Ziege glich.

 

Vielleicht sollte dies ein Porträt von Pan sein, und diese Idee inspirierte die Frau dazu, eine seltsame und lebendige Melodie zu pfeifen. Noch einmal hob sie die Hände und klatschte im Rhythmus zu ihrem Lied; und während sie pfiff, begann sie, ihre Füße tänzerisch zu bewegen. Sie war sich ihrer eigentümlichen Melodie nur vage bewusst, und als sie einen Moment innehielt, um ihr zu lauschen, konnte sie sich nicht erinnern, wo sie sie gelernt hatte. Aber das war gleichgültig; es passte genau zu ihrer Stimmung, und so pfiff sie es weiter, während sie ihre Bluse aufknöpfte, damit sie die köstliche Morgensonne auf ihren Brüsten spüren konnte. Während sie sich um die Büste herumbewegte, untersuchte sie sie sorgfältig und entschied, dass etwas exquisit Sinnliches in ihrem Ausdruck lag. Sie stoppte ihre Bewegungen, kniete vor der Büste nieder und drückte ihre Brüste an ihr bösartiges Antlitz. Sie wurde sich vage jemandes bewusst, der sie beobachtete.

Sie strich mit ihren blassen Händen über das Haar der Skulptur und beugte sie sich vor, um die Stirn der Kreatur zu küssen. Ohne sich umzudrehen, rief sie: »Ich bin hergekommen, um allein zu sein!«

»Dann solltest du nicht so hübsch und so wollüstig sein. Meine Güte, wie du mit heraushängenden Titten herumtanzt! Wie könnte ich da widerstehen und dir nicht zuschauen? Wie auch immer, du dringst in mein besonderes Revier ein. Hierher komme ich, um nachzudenken.«

»Was könnte dir durch den Kopf gehen, Arthur, das eine solche Wanderung erfordert?«, fragte sie, während sie sich umdrehte und auf den Boden setzte, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Blöße zu bedecken.

»Erinnerungen, und Erwartungen. Was führt dich hierher, Monique?«

»Oh, eine momentane Flucht – vor ihnen. Dies ist einer der wenigen Bereiche, die sie zu meiden scheinen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin es leid, wie sie auf mich reagieren, wie sie mich immer beobachten.«

Der junge Mann lachte, kniete vor ihr nieder und blickte sich um. »Also, wo ist dein Freund?«

Monique runzelte die Stirn, verwirrt. »Was?«

»Dieser dunkle, nackte Kerl, der mit dir getanzt hat.« Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, und ihre Augen verengten sich ärgerlich. »Er war gleich da drüben, bei dem Felsvorsprung.«

Sie beugte sich zu ihm und glättete seine Stirn mit einer blassen Hand. »Deine Augen spielen dir einen Streich, Arthur. Wir sind hier allein. Hier gibt es keine tanzenden nackten Männer.« Ihr Lachen sprudelte aus ihr heraus, als sie ihre Bluse zuknöpfte und aufstand. »Es wird heiß. Bist du aus der Stadt gefahren? Nein? Hervorragend, dann geh mit mir zurück. Du kannst mich vor allen dunklen, nackten Männern beschützen, denen wir begegnen könnten.«

Sie stiegen den steilen Bergpfad hinab, und Monique wunderte sich erneut über das völlige Fehlen von Vegetation auf Mount Selta. Als sie schließlich die Talsohle erreichten, blickte sie zu dem zweigipfligen Titanen auf und seufzte.

»Sie sehen wirklich umwerfend aus, nicht wahr?« kommentierte Arthur. »Fast wie ein schlummernder Dämon, der nur auf diesen speziellen spektralen Moment des Erwachens wartet. Weißt du noch, wie Simon reagierte, als ich das große Stück Fels fand, das von Selta heruntergerollt war, und ich es mit nach Hause nahm und eine Replik anfertigte? ›Munroe, das ist nicht erlaubt‹, bellte er, und dann nahm er mein Stück und stellte es in Creightons Antiquitätenladen zur Schau. Habe ich dir jemals von den verrückten Träumen erzählt, die ich hatte, als ich die Skulptur machte?«

»Träume wovon?«

Der junge Mann sog die Luft ein. »Kann es dir nicht sagen. Kann mich nicht erinnern. Wenn ich versuche, mich an sie zu erinnern, ist alles, was ich sehe, eine verschwommene Form in meinem Kopf, wie formlose Schatten in einem Nebel. Aber ich erinnere mich an die Ekstase und den Horror, den diese Träume auslösten. Ah, die Luft wird wieder süß. Seltsam, auf dem Berg ist die Luft frisch und gewöhnlich, wie außerhalb des Tals. Aber hier unten gewinnt sie eine klebrige Süße, an die man sich erst gewöhnen muss. Ich mag dieses kleine Waldstück; es hat etwas Beruhigendes an sich.«

Ja, dachte die Frau, das war ein erholsamer Ort, und sie hatte es nicht eilig, ihn zu durcheilen. Aber der Wald endete zu früh, und sie fanden sich auf kargem, verdorbenem Boden wieder. Die Luft, die sie atmeten, wurde ranzig, und sie versuchten, nicht zu heftig einzuatmen, als sie durch hohe Abschnitte gelben Grases schritten, vorbei an Bäumen, die krumm und krank waren. »Das erinnert mich an den Hungrigen Ort«, murmelte Arthur, »nur zehnmal schlimmer. Igitt!« Schließlich erreichten sie das Ende des verseuchten Bodens und gelangten auf eine felsige Straße, die nach Sesqua Town führte. Die Sonne war höher gestiegen, und der Tag war warm. Arthur zog sein Hemd aus und benutzte es, um sich den Schweiß von seinem straffen Oberkörper zu wischen. Monique lächelte ihren Freund kokett an, zog ihr Oberteil ebenfalls aus und lachte, als Arthur sich zu ihr herabbeugte und eine kecke junge Brust küsste. Sie schlenderten langsam die steinige Straße hinunter, die sie ins Zentrum der kleinen Stadt führte, und das Mädchen zog ihre Bluse an, machte sich aber nicht die Mühe, sie zuzuknöpfen.

Monique betrachtete die alten Gebäude, die Holzplanken, die die Bürgersteige der Stadt bildeten, und die wenigen Bewohner, die auf diesen Planken gingen. »Erinnerst du dich an das erste Mal, als du diese Szene sahst? Du kamst auch aus der Stadt, nicht wahr? Ich erinnere mich, dass ich alles in mich aufnahm und fand, dass Sesqua Town sowohl charmant als auch absurd war. Irgendwie wusste ich, dass ich hierhergehöre, fast so, als wäre ich wegen meiner Vorliebe für okkulte Dinge vom Tal selbst hergerufen worden; und doch dachte ich bei meiner Ankunft, meine Visionen vom Tal seien von Drogen hervorgerufene Wahnvorstellungen gewesen. Wie hast du vom Sesqua-Tal erfahren?«

»Von einer kleinen Sekte, mit der ich mich herumgetrieben habe«, antwortete Arthur. »Simon kam oft zu uns, und ich war besonders von seiner Zauberei angetan. Er war beeindruckt von meinem Verständnis für esoterische Sprachen, also brachte er mich hierher und zeigte mir einige Manuskripte in seiner Turmbibliothek, über die er nachdachte. Er ist so ein Freak. Ich merkte, dass er zögerte, mich ins Tal zu bringen, und doch konnte er eine Art begeisterten Stolz nicht unterdrücken, mir einige seiner Wunder zu zeigen. Und dann hatten wir eine kleine, hmmm, erotische Eskapade, als Teil eines Rituals, und ich war süchtig. Der Ort verfolgte mich in meinen Träumen, als ich in die Stadt zurückkehrte, und zwar so sehr, dass ich mein Geschäft verkaufte und hierher umzog. Jetzt fühle ich mich total zuhause.« Monique blickte am Stadtzentrum vorbei zu dem riesigen Herrenhaus, das auf einem niedrigen Hügel dahinterstand. »Lass uns Leonidas besuchen gehen. Ich möchte mir deine Skulptur vom Mount Selta ansehen. Oh, hör auf zu jammern, das wird lustig. Leonidas ist so ein komischer Kauz.«

Arthur lachte. »Das sagt man von dir, Süße.« Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie gingen an den Schaufenstern vorbei zu der ansteigenden Straße, die sie zu dem riesigen Herrenhaus führte. Die oberen Räume des Gebäudes wurden an die wenigen vermietet, die auf der Durchreise durch das Tal waren oder sich für einen kurzen Besuch in Sesqua Town aufhielten. Der untere Teil des Herrenhauses beherbergte hauptsächlich den verrückten Antiquitäten- und Kuriositätenladen von Leonidas Creighton, einem Okkultisten, der ursprünglich aus London stammte.

»Ah, er verbrennt Drachenblutweihrauch. Ich frage mich, ob er irgendwelche Mieter hat«, flüsterte Monique, als sie die Stufen hinaufstiegen, die zur breiten Veranda und zur Haustür führten. »Ich habe keine Auswärtigen in der Stadt bemerkt.« Eine kleine Glocke ertönte, als sie die Tür öffnete, und sie schlenderten in einen geräumigen, verrauchten Raum. Der Raum war mit Reihen alter Eichentische ausgestattet, auf denen faszinierende Gegenstände sorgfältig arrangiert waren, und mit hohen Kisten, die mit Büchern oder Kunstgegenständen gefüllt waren. An den Wänden hingen wunderbare Gemälde, von denen das prächtigste ein großes Ölbild des Mount Selta und des Tals bei Sonnenuntergang war. Die junge Frau folgte ihrem Freund zu einem niedrigen Tisch an einer Wand, auf dem eine Art Sammlung religiöser Ikonen versammelt war.

»Ich habe sie richtig dargestellt, nicht wahr?« fragte Arthur seine Freundin, während er die Skulptur aus weißem Stein betrachtete.

»Das hast du in der Tat«, stimmte Monique zu, während sie das gemeißelte Abbild von Mount Selta untersuchte, »aber du hast auch ihr Abbild verbessert und ihr eine empfindsamere Aura verliehen.«

»Nein«, erwiderte ihr Freund, »ich habe sie in einem ihrer unruhigen Momente erwischt, das ist alles. Hast du sie nicht schon einmal betrachtet und gesehen, wie sich die Zwillingsgipfel nur ganz leicht krümmen? Das passiert am häufigsten im Mondlicht.« Aber seine Begleiterin beachtete ihn nicht, sondern ging davon, zu einem anderen Tisch, auf dem ein weiteres Kunstwerk aufgebaut war.

»Oh, sieh mal – da ist die Verwandtschaft unserer Bekanntschaft auf dem Berg.«

Aus einer schummrigen Ecke des Raumes schlich eine Gestalt auf sie zu. »Sie sind das Werk von Edith York.« Leonidas, ohne seinen hohen Hut, betrachtete sie düster. Monique hatte den Mann noch nie lächeln sehen und war eher froh darüber; denn dieser englische Gentleman schien seine Zähne zu kleinen, perfekt geformten Perlen mit spitzen Enden gefeilt zu haben. »Auf welche Bekanntschaft auf dem Berg haben Sie sich bezogen? Sind Sie auf dem Selta gewesen?«

Arthur kicherte schelmisch. »Ja, Leonidas, wir haben den heiligen Felsen betreten. Wir haben dort eine Büste gefunden, die einigen der Hiesigen hier sehr ähnlich ist. Vielleicht ist es das Werk dieser Edith York.«

»Unwahrscheinlich. Miss York ist ein Kind des Schattenlandes. Sie würde diesen verbotenen Ort niemals überwinden. Diese Büste, von der Sie sprechen …«

»Ist Edith York noch unter uns, oder ist sie in den Schatten zurückgekehrt?«

»Seit dem Ableben ihres Bruders lebt sie völlig zurückgezogen. Ich hoffe, Sie denken nicht daran, sie zu stören.«

Arthur hob einen der kleinen geschnitzten Satyrn auf und untersuchte sein Antlitz. »Steht eine davon zum Verkauf? Dieser hier könnte eines der Kinder sein; sieh dir diese hässliche Fratze an. Nein, nur zum Ausstellen? Schade. Aber was zum Teufel soll das denn sein?«

»Das heißt ›Shub-Niggurath‹, eines ihrer komplexesten Werke. Wenn man es betrachtet, glaubt man fast, dass es sich bewegt, wie subtil auch immer – dass es sich ausdehnt und zusammenzieht wie eine fühlende Wolke.«

Monique berührte das Ding mit zaghafter Hand. »Sind das Gesichter, die darin verewigt sind? Verdammt, es ist gruselig, wie ein Ungetüm aus Dampf, in dem die Gesichter gefangener Seelen um Gnade schreien.«

»Nein«, erwiderte Arthur, »keine Gnade. Ich meine, sie sind als Gesichter fast nicht zu unterscheiden, aber sie suggerieren irgendwie eher Euphorie als Kummer. Eine schräge Art von Ekstase, vielleicht, aber dennoch Ekstase.«

»Ich glaube, sie symbolisieren die tausend Jungen des schwarzen Waldbocks. Ah, Sie sind mit dieser speziellen Legende nicht vertraut. Ein kleiner Nebengott, so sagt die Legende, und seltsamerweise mit den irdischen Regionen verbunden. Ich weiß eigentlich sehr wenig darüber. Simon könnte Ihnen alles darüber erzählen.«

Aber Monique hörte nicht zu. Sie war völlig gefesselt von dem ausgefallenen Objekt und von ihrem plötzlichen Wunsch, die Frau kennenzulernen, die es geschaffen hatte.

 

 

2

 

Die gebeugte, groteske Kreatur lauschte noch einmal dem zaghaften Klopfen und bewegte sich dann mit ihrem Stock durch einen Korridor zur Eingangstür ihres großen alten Hauses, leicht beunruhigt darüber, dass jemand in ihre Privatsphäre eindringen würde, was noch nie vorgekommen war. Langsam öffnete sie die Tür und betrachtete das hübsche Mädchen, das dort stand, eine Auswärtige, gekleidet in ein einfaches beigefarbenes Baumwollkleid, deren glattes schwarzes Haar mit einem Band aus weißem Stoff zusammengebunden war. Und da, in einer Hand gehalten – das violette Leseheft.

»Hallo. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Sind Sie Victoria York?«

»Bin ich nicht.«

Monique hielt inne, unsicher, wie sie fortfahren sollte, und hoffte, dass ihre wahre Absicht nicht offensichtlich war. »Oh. Ich habe ein Exemplar Ihres Gedichtbandes gefunden und hatte gehofft, dass ich Sie vielleicht dazu bringen könnte, es zu signieren.«

»Meine Schwester ist der Sterblichkeit entkommen«, kam die merkwürdige Antwort der Frau.

»Ah. Sind Sie Edith York, die Bildhauerin? Leonidas hat mir vor ein paar Wochen Ihre Werke im Kuriositätenladen gezeigt.«

»Haben Sie eine Skulptur, Fräulein …? Wollen Sie nicht reinkommen? Ich trinke gerade meinen Nachmittagstee.«

»Oh! Danke schön. Ich bin Monique Lambert. Nein, ich bin ganz und gar nicht künstlerisch veranlagt.«

Sie folgte der gebeugten Frau in ein gemütliches Wohnzimmer, wo eine Kanne Tee und ein Tablett mit Kuchenstücken auf einem niedrigen Tisch vor einem zierlichen Sofa standen. Edith gab Monique ein Zeichen, sich zu setzen, und ging dann zu einer Anrichte, um eine zweite Teetasse zu holen. »Was machen Sie eigentlich, Miss Lambert?«

»Ich bin Dämonologin und studiere bei Simon«, antwortete die junge Frau, während sie beobachtete, wie die Frau Tee in eine Tasse goss. »Hm, das riecht gut. Ich war sehr beeindruckt von Ihrer ausgestellten Arbeit. Und ich war beeindruckt von den ziegenähnlichen Zügen einiger Ihrer Figuren. Auf dem Mount Selta gibt es eine Büste mit ähnlichen Zügen, die aus einem Felsblock gemeißelt wurde. Könnte das vielleicht Ihr Werk sein?«

»Meine Art betritt nicht den Berggrund.«

Monique beobachtete ihre neue Bekanntschaft, während sie an ihrer Teetasse nippte. »Aber Sie sind anders als die anderen. Ihre Gesichtszüge sind eher ziegenartig als wölfisch. Und Ihre Augen, obwohl sie silbern sind, sind mit einem gelben Element gefärbt, das den anderen fehlt.«

»Sie sind sehr aufmerksam. Ja, ich bin einem anderen Winkel des Schattens entsprungen als die meisten anderen Kinder. Sie betreten die Sterblichkeit in Erwachsenengestalt, nachdem sie Simon aus dem Schattenreich gefolgt sind. Ich jedoch war ein Kind, als ich ankam, und wurde vom York-Haushalt adoptiert. Ich glaube, Simon hat das alles eingefädelt, obwohl ich nie nachgefragt habe. Ich neige dazu, dieses unangenehme Tier zu meiden.«

Monique lachte höflich, und wechselte dann schnell das Thema. »Es gab ein Stück Ihrer Arbeit, das mich besonders fasziniert hat. Leonidas sagte, es stelle ein Wesen namens Shub-Niggurath dar. Es hat meine Neugierde geweckt.«

Edith hob überrascht die Augenbrauen. »Sicherlich weiß jemand, der die unreinen Kobolde mit der Bestie des Sesqua-Tals studiert, von den äußeren Göttern. Nein? Hat er nie seine Leidenschaft für Nyarlathotep erwähnt? Erstaunlich. Was ist dann die Natur Ihrer Studien mit Simon?«

Monique stellte ihre leere Tasse ab und lehnte sich zurück auf das bequeme Sofa, wobei sie das Buch neben sich auf das Kissen legte. »Wir studieren die Elementarwesen, die es im Tal besonders gibt, und er hat einige der hiesigen Kobolde beschworen, damit sie an unseren Ritualen teilnehmen – das seltsame dunkle Volk und die Frösche mit den Gesichtern von Menschenkindern. Er glaubt, dass meine Kunst eine seltene Macht besitzt, die es mir ermöglichen könnte, Kreaturen aus geheimen Schlupfwinkeln des Tals zu beschwören, Unholde, die Simon nicht kennt.«

»Und haben Sie?«

»Ich spürte eine Präsenz im Wald, die mich seltsam berührte. Seltsamerweise erlebte ich genau das gleiche Gefühl, als ich Ihre Skulptur studierte.«

»Ah, das ist prächtig. Du hast die Aura des Schwarzen Bocks der Wälder mit den Tausend Jungen gekostet, der in unserem Waldgebiet lauert. Auch meine Schwester hat dieses Eidolon erfahren.« Edith wies auf eine Ecke des Raumes, wo eine lebensgroße Statue stand, deren Qualität so verblüffend war, dass Monique nicht widerstehen konnte, aufzustehen und die Verarbeitung der Figur zu betrachten. »Natürlich wissen Sie von Victorias Leidenschaft für diesen speziellen Äußeren Gott, da Sie ihre Gedichte gelesen haben. Wenn Sie sich überhaupt mit ihrem Werk vertraut gemacht haben.«

Es gab eine bedeutungsvolle Pause, und dann konnte Monique nicht anders, als zu kichern. »Verdammt, Sie haben mich ertappt. Aber natürlich haben Sie das. Ich bin nicht wegen Victoria hier. Ich habe die letzten Wochen damit verbracht, von den Einheimischen mehr über Sie zu erfahren, und dann gab mir eine Bekannte ihr weiteres Exemplar des Leseheftes. Ich bin hier wegen Ihrer Skulptur von Shub-Niggurath und ihrem Zauber auf mich. Sie hat einen unheimlichen Instinkt in meiner Seele ausgelöst.«

»Dann sind Sie wegen Victoria hier, auf eine Weise, die Sie vielleicht nicht ergründen können. Im Sesqua-Tal gibt es keine Zufälle, Miss Lambert. Ich rate Ihnen, die Lyrik meiner Schwester zu lesen und sich von ihr zum Träumen anleiten zu lassen.«

Die junge Frau starrte die Statue an. »Sie hatte eine fast königliche Schönheit.«

Edith nickte. »Sie war in jeder Hinsicht majestätisch.«

Monique wandte sich ihr zu. »Sind Sie völlig zurückgezogen? Ich könnte Sie besuchen kommen, wenn Sie möchten, und helfen, die Einsamkeit zu lindern.«

Zum ersten Mal lächelte die alte Frau. »Man ist nie allein im Sesqua-Tal, Kind. Besonders meine Art. Ich werde vom Abendnebel besucht, in dem ich die Bitten meiner Schattenverwandten höre, in das Reich des Ursprungs zurückzukehren. Ich werde wahrscheinlich schon bald zurückkehren. Nicht, dass ich viel mit denen des gemeinen Wirbels zu tun hätte, da ich die Frucht eines unkonventionellen Winkels bin.«

»Es ist so fesselnd, wenn Ihre Art von dem Reich spricht, aus dem Sie in unsere sterbliche Welt gekommen sind, obwohl keiner von Ihnen eine klare Erinnerung an diese andere Region zu haben scheint.«

»Oh, ich erinnere mich daran – an jedes bisschen.«

»Ist es ganz anders als hier?«

»Wie der Traum sich von der wachen Welt unterscheidet. Vergessen Sie nicht, Ihr Leseheft mitzunehmen, Liebes. Sie sind ganz reizend. Vielleicht kommen Sie wieder und setzen sich zu mir.«

»Es wäre mir eine Ehre, Miss York.« Sie nahm das Buch aus der Hand des älteren Wesens und verließ leise das Haus. Der Tag war mild, warm und hell, mit einer leichten Brise, die sich angenehm anfühlte, als sie mit ihren glänzenden Haarsträhnen spielte. Monique zog ihre Schuhe aus, ging am Zentrum von Sesqua Town vorbei und blieb stehen, um sich an die riesige Skulptur einer Sphinx zu lehnen, deren Stein angenehm warm an ihren nackten Armen war. Sie schlug das Buch auf und blinzelte, als das helle Licht des Tages von den Seiten auf ihre Augen reflektiert wurde.

---ENDE DER LESEPROBE---