Hexen im Traumland – Witches in Dreamland - W. H. Pugmire - E-Book

Hexen im Traumland – Witches in Dreamland E-Book

W. H. Pugmire

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Beschreibung

Simon Gregory Williams, in Sesqua Valley als »die Bestie« bekannt, ist durch die mentale Übernahme aller existierenden Ausgaben des Necronomicon so korrumpiert, dass seine Psyche nicht in Randolph Carters Traumland überwechseln kann. Es gibt jedoch noch ein anderes Traumland, »das Traumland der Hexen«, in das Simon aufgrund seiner Brillanz als Alchemist einzudringen vermag; und in dieses Traumland begleitet Simon eine unschuldige junge Frau auf ihrer Suche nach ungewöhnlicher Magie. So wird selbst Simon Williams, »die Bestie« mit Lovecraft’schen Wahnsinn konfrontiert, die ihn an seine Grenzen bringt – in diesem Traumland der Hexerei.

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Ähnliche


 

 

 

David Barker / W.H. Pugmire

 

 

Hexen im Traumland

– WITCHES IN DREAMLAND – 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022

Übersetzung: Frank Roßnagel

 

Zuerst veröffentlicht von Hippocampus Press, Copyright 2017 der Originalausgabe (Witches in Dreamland) 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichten sind frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Hexen im Traumland 

Prolog 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

27. Kapitel 

28. Kapitel 

29. Kapitel 

30. Kapitel 

31. Kapitel 

32. Kapitel 

33. Kapitel 

34. Kapitel 

35. Kapitel 

36. Kapitel 

37. Kapitel 

38. Kapitel 

Folgende weitere Bände von W. H. Pugmire & David Barker sind bereits erhältlich oder befinden sich in Vorbereitung 

 

Das Buch

 

 

 

Simon Gregory Williams, in Sesqua Valley als »die Bestie« bekannt, ist durch die mentale Übernahme aller existierenden Ausgaben des Necronomicon so korrumpiert, dass seine Psyche nicht in Randolph Carters Traumland überwechseln kann. Es gibt jedoch noch ein anderes Traumland, »das Traumland der Hexen«, in das Simon aufgrund seiner Brillanz als Alchemist einzudringen vermag; und in dieses Traumland begleitet Simon eine unschuldige junge Frau auf ihrer Suche nach ungewöhnlicher Magie. So wird selbst Simon Williams, »die Bestie« mit Lovecraft’schen Wahnsinn konfrontiert, die ihn an seine Grenzen bringt – in diesem Traumland der Hexerei.

 

 

***

 

 

 

Hexen im Traumland

 

 

Roman von David Barker und W.H. Pugmire

 

 

 

Prolog

 

 

Sie war eine zierliche ältere Frau, gekleidet in ein einfaches schwarzes Kleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Ihr schimmerndes, nach hinten gekämmtes weißes Haar reichte ihr bis zur Taille und bewegte sich im Nachtwind. Eine Hand umklammerte einen schmucklosen schwarzen Spazierstock; und es war merkwürdig, dass die Frau trotz dieses Gehilfen aus Holz Kraft und Stärke ausstrahlte, die sich am deutlichsten in ihrem hübschen Gesicht zeigten. Ihr Gesicht hatte sich einen Rest von Schönheit bewahrt; aber es war eine morbide Lieblichkeit, denn das Fleisch ihres Gesichts war so dünn, dass man fast den Schädel unter ihren Zügen erkennen konnte. Wegen dieses morbiden Aspekts ihres Gesichts sprachen die Leute manchmal von ihr als Madame Death. Ihre dunkelgrünen Augen betrachteten die Vielzahl der Sterne, die den mitternächtlichen Himmel über der ehrwürdigen Kirche schmückten, die ihr Ziel war, und sie genoss die Art und Weise, wie diese kühlen Sterne ein Element der Nachtluft in einem solchen Maße zu verderben schienen, dass sie dessen Eigenschaft auf ihrer Zunge schmecken konnte.

Ein merkwürdiges Läuten ertönte und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf St. Toad's. »Wie schön, dich wiederzusehen, alter Freund«, flüsterte sie. »Dein schwarzer Turm erhebt sich unter den Sternen wie in alten Zeiten, und die kleinen quadratischen Fenster unter deinen spitzen Dächern sind schwarz und lichtlos. Du scheinst zu schlafen, aber ich weiß, dass du hellwach bist und wartest. Ich komme, um an deine großen Messingtüren zu klopfen und deine Schwelle zu überschreiten. Erlaube mir Einlass.«

Die kleine Frau ging weiter und stieg die drei grob behauenen Steinstufen hinauf, die zu den massiven Türen führten, gegen die sie mit dem Griff ihres Gehstocks klopfte. Es gab eine kleine Pause, als ob die Nacht den Atem anhielte; dann öffneten sich die Türen nach innen, und die Nasenlöcher der Frau sogen den Strom der duftenden Luft ein, der aus dem Gebäude strömte. Sie sah die verhüllte Gestalt, deren Kopf von einer riesigen Kapuze verdeckt war; und obwohl der übergroße Klumpen, der der Kopf der Kreatur war, verborgen war, wusste sie aus der monströsen Hand, die eine Laterne hielt, dass die Kreatur unmenschlich war. Die Gestalt beugte sich bis auf die Knie und sprach ihren Namen.

»Wir begrüßen Ihre Rückkehr, Edith Gnome. Wie können wir Ihnen helfen?«

»Ich bin gekommen, um etwas Wasser aus der Quelle der Tränen zu holen. Zeigen Sie mir den Weg, bitte.«

Das gebeugte Kapuzenwesen schwankte leicht, hielt seine Laterne hoch und wandte sich von der Frau ab. Sie folgte ihm durch Gänge und Torbögen, über den Boden, der einmal aus Stein, ein anderes Mal aus einem Muster aus roten und schwarzen Fliesen bestand. Ihr Weg wurde von einigen wenigen primitiven Kronleuchtern erhellt, in denen gedrungene gelbe Kerzen brannten. Endlich kamen sie zu einem antiken Brunnen, der fast fünf Fuß hoch war. Die Frau beugte sich über das Becken und betrachtete die ziselierten Gesichter aus blassem Stein unter dem Wasser. Aus einer Tasche ihres Kleides holte sie eine schlanke grüne Flasche hervor und entfernte ihren Verschluss, dann ließ sie die Flasche auf den Boden des Beckens sinken. Sie stöhnte leicht auf, als eines der steinernen Gesichter seinen Mund öffnete und seine Lippen gegen die Haut ihrer Hand presste. Etwas in dem Kuss war so verzweifelt, dass die Frau die Tränen nicht zurückhalten konnte, die ihre Augen füllten und leise in das Becken fielen. Endlich hob sie ihre schlanke grüne Flasche aus dem Wasser und setzte den Stöpsel wieder ein. Ihr Begleiter betrachtete sie schweigend und hob dann eine fahle, unmenschliche Hand, an der ein Ring aus Weißgold einen missgestalteten Finger umschloss. Sie nahm die Hand der Kreatur in ihre eigene, führte sie an ihren Mund, schloss die Augen und küsste den Ring.

Die parfümierte Luft verklärte sich und nahm einen anderen Duft an, der süß und leicht klebrig war. Als sie endlich die Augen öffnete, sah Edith Gnome, dass sie nicht mehr in einer Kirche stand, die in einem seltenen Traumland existierte, sondern in dem seltsamen Wald des Sesqua–Tals.

 

 

 

1. Kapitel

 

 

Agnes Aspinwall hob den Kopf und öffnete den Mund, so dass der fallende Schnee ihre Lippen und Zunge berührte. Der Wald des Sesqua-Tals war absolut still, und die Dunkelheit der Nacht verbarg die Bäume vor dem Blick. Ein wenig fröstelnd wandte sich die junge Frau um, um ihre Schritte im Schnee zurückzuverfolgen, die zu Edith Gnomes Häuschen führten, das in der Nähe des Geschäftsviertels von Sesqua Town stand. Als sie die Tür erreichte, blieb sie einige Augenblicke im Türrahmen stehen und betrachtete den Schnee noch ein wenig länger; dann öffnete sie die Tür und betrat das Häuschen, wo sie der unerwartete Anblick von Ediths nächtlichem Besucher erwartete. Ediths Lächeln, als sie ihre Freundin ansah, war fast entschuldigend.

Edith zuckte mit den Schultern. »Simon konnte die vorweggenommene Magie riechen, und so ist er hier, um nachzuforschen. Ich habe noch nie jemanden gekannt, dessen Sinne so geschärft sind.«

Der hässliche Kerl lächelte und blickte auf die ältere Frau herab, die er überragte, als sie nebeneinanderstanden. »Deine Magie hat einen eigenartigen Gestank, wenn man bedenkt, dass du eine Arkham-Hexe bist. Ich werde immer ein wenig misstrauisch, wenn du deine Heimat verlässt und in unsere Stadt eindringst.«

»Meine Alchemie ist ebenso ein Teil des Sesqua-Tals wie des von Hexen heimgesuchten Arkham. Ich wurde von beiden Reichen geformt.«

Agnes schloss die Tür und ging in die Mitte des Raumes. »Was ist es, was dich an Arkham so anwidert, Simon? Man sollte meinen, du würdest dich dort ganz zu Hause fühlen.«

»Es liegt daran, dass er sich von unserem Zirkel ausgeschlossen fühlt«, meinte Edith. Sie schaute Simon an, als sie fortfuhr. »Ich habe noch nie jemanden gekannt, der so sehr gemieden wird wie dieser Kerl. Er ist verdorben, weil er jede bekannte Ausgabe des »Necronomicon« auswendig gelernt hat, ein Kunststück, das seine Seele so verbogen hat, dass mehrere Reiche seine Gemeinschaft ablehnen. Man flüsterte mir sogar zu, dass er wegen seiner verdorbenen Natur nicht in das Traumland der Menschen gelangen kann.«

»Du hörst dir eine Menge Geschwätz an«, spottete Simon, während er den Rand seines Hutes halb über seine silbernen Augen senkte. »Das macht nichts. Ich will wissen, was vor sich geht. Ich bin auf die Sinne des Tals eingestellt – es und ich wissen, wenn etwas Ungewöhnliches im Gange ist. Du hältst dich nie hier auf, Hexe, es sei denn, du führst etwas im Schilde, brauchst eine Alchemie, die du in deiner langweiligen Stadt in Neuengland nicht beschwören kannst. Wer ist dein Freund hier, und was heckt ihr zwei aus?«

Agnes gab vor zu lächeln. »Sind Sie der Bürgermeister, dass Sie eine solche Einmischung in private Angelegenheiten begehen? Haben wir gegen die Regeln Ihrer Gerichtsbarkeit verstoßen?«

»Ich bin das erstgeborene Tier in diesem Tal«, antwortete Simon.

Edith lachte. »Ja, du bist in der Tat ein mächtiger Kerl, getragen von einem Sinn fürs Herrschen. Und doch gibt es Orte im Tal, die du nicht verletzen kannst, Bereiche, die dich abstoßen. Die Stelle im Wald, wo sich die Bäume des Sesqua-Tals mit den Wäldern des Traumlands verbinden, ist zum Beispiel ein Ort, der dich verunsichert. Du hasst es, von den Orten mächtiger Magie, in denen du keinen Halt findest, ausgeschlossen zu sein, weshalb du die Arkham-Hexerei hasst.«

»Ich kenne niemanden, der in die Wälder der Träume eingedrungen ist – außer dir. Ist es das, was du vorhast? Hast du vor, die Nachthageren aus ihrer Heimat herbeizurufen oder den Schatten von Nyarlathotep zu beschwören? Planst du, diese junge Kreatur in die Geheimnisse des Traums einzuweihen?«

»So wie ich es für dich tat? Erinnere dich, Simon, ich war es, die dir beigebracht hat, wie man träumt, auch wenn du das nur selten tust. Ich war diejenige, die weise genug war, deine Unfähigkeit, in die Träumerei zu entkommen, zu blockieren, und dir half, aus der Realität herauszutreten.«

»Es hat mir wenig genützt«, beschwerte sich das Tier bei der kleinen Frau. »Die Träume, die du mir vermacht hast, sind so bleiche Dinge.«

Edith zuckte mit den Schultern. »Es gibt vielleicht einen Teil von dir, der Angst hat, voll und ganz zu träumen; denn in Träumen ist es einem oft nicht erlaubt, die Ereignisse zu bestimmen, und du kannst keinen Kontrollverlust tolerieren. Das ist eine deiner tragischen Schwächen, Bestie. Vielleicht ist das eine weitere Lektion, die ich dir beibringen kann – die köstliche Erfahrung der Anarchie des Träumens. Man kann sie absolut erleben, wenn man ins Traumland eintritt.«

Er schlenderte zu einem Stuhl in der Nähe, setzte sich, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Nun, es ist, wie du sagst – ich bin nicht in der Lage, das Reich der Träume zu betreten, wegen meiner exquisiten Verdorbenheit.«

Ah – das Glitzern in Ediths Augen! »Nur das Traumland der Menschen und der Sterblichkeit. Es gibt eine Vielzahl von Traumländern, und ich weiß von einem, das du leicht genug betreten könntest, wenn du es wolltest. Und das bringt uns zu dem Grund, warum ich diese junge Frau in das Tal gerufen habe. Ich beabsichtige, sie in das Traumland der Hexerei zu bringen.«

Sarkastisch stieß Simon die Luft aus. »Von so etwas habe ich noch nie gehört.«

Edith ignorierte Simon und stakste auf Agnes zu und griff nach den Händen der jüngeren Frau. »Es gibt einen Gegenstand, den ich aus dem Traumland der Hexen geholt haben möchte – einen Schlüssel aus Schatten, der einen in die Räume zwischen Traum und Tod führen kann. Ich dürste danach, die Geheimnisse zu erfahren, die in solchen Räumen geflüstert werden können. Doch die langwierigen »Regeln« der Zauberei sind so, dass ich den Schlüssel nicht selbst holen kann – er muss von einem anderen für mich beschafft werden. Du bist jung und stark, und ich denke, du bist in der Lage, den Gefahren zu widerstehen, die dieses Traumland der antiken Zauberer und älteren Wesen heimsuchen. Ich kann dich bis zur Schwelle des Traums führen, aber sobald du sie überschritten hast, bist du auf dich allein gestellt.« Dabei ließ sie ihren Blick für einen Moment zu Simon gleiten. »Es sei denn, es gibt jemanden, der so verwegen ist, dich zu begleiten.«

Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen, dann zuckte Simon mit seinen seltsam silbern leuchtenden Augen die breiten Schultern. »Nun, es ist, wie du sagst. Ich bin zu köstlich 'verdorben', um die fadenscheinige Welt des Traumlandes zu betreten.«

»Nur die Traumwelt der Menschen, Simon. Als mächtiger Hexenmeister könntest du leicht in die Traumwelt der Hexerei gelangen.« Edith blickte ihm unverwandt in die Augen. »Mit meiner Hilfe. Natürlich müsstest du dich auf ein wenig Arkham-Alchemie einlassen.«

Das Biest aus dem Sesqua-Tal rümpfte die Nase, doch seine seltsamen Augen blitzten fasziniert. »Das Traumland der Hexerei – bah! In all meinen Studien habe ich nie eine Erwähnung eines solchen Reiches gefunden.«

Die ältere Frau zuckte mit den Schultern. »Nur wenige wissen davon. Es ist ein bisschen wie euer geheimnisvolles Sesqua-Tal – es ruft einige wenige Auserwählte, aber nur selten.« In Windeseile verließ Edith den Raum und ging in ihr Schlafzimmer, und Simon runzelte angewidert die Stirn, als er ihr fröhliches Summen hörte. Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, hielt Edith eine eigenartig aussehende Flasche und etwas, das aussah wie ein silberner Löffel mit einem Griff in Form eines großen, antiken Schlüssels.

Agnes griff nach der Flasche, nahm sie in die Hand und hielt sie ins Kerzenlicht. »Was für merkwürdige Farben sie hat, und wie seltsam sie wirbeln!« Sie beäugte den Silberlöffel unbehaglich. »Vermutlich darf ich das nicht trinken.«

»Nicht viel, denn es ist ein starker Trank. Der Löffel ist, wie du siehst, auch ein Schlüssel zum Traumland, wo er vielleicht tatsächlich hergestellt wurde. Damit und mit meiner Hilfe wirst du in der Lage sein, die Schwelle zwischen dieser Welt des Wachseins und dem Traumland der Hexerei zu überschreiten. Nur wir, die wir die arkanen Künste beherrschen, können dies – wenn wir den innigen und aufrichtigen Wunsch nach einem solchen Übertritt haben.«

»Werden wir als träumende Wesen ohne Substanz existieren, oder werden wir eine physische Form haben?«

»Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, Agnes. Nicht, dass es wichtig wäre. Du wirst dort Fähigkeiten haben, die man im Wachzustand nicht erlangen kann. Du wirst in der Lage sein, den Schlüssel des Schattens zu finden und ihn mir zu bringen. Wirst du das tun?«

Agnes legte die Stirn in Falten. »Wie kann ich etwas aus der Traumwelt in unsere physische Realität bringen?«

Ediths Stimme war tief und leise. »Oh, es ist schon geschehen, absichtlich und aus Versehen. Aber du musst den tiefen Wunsch haben, mir zu helfen.« Edith wies auf die Flasche. »Willst du, mein Schatz?«

Agnes hielt die Flasche an ihre Augen und betrachtete noch einmal den trüben Inhalt. »Ich will.«

 

 

 

2. Kapitel

 

 

Sie folgten einem Pfad durch den Wald, auf dem nur wenig Schnee lag, weil die überhängenden Äste der dicht beieinander stehenden Bäume ein Blätterdach bildeten. Edith hatte ihre Flasche und ihren Löffel in einer Umhängetasche verstaut und wunderte sich, dass Simon beim Gehen nicht eine seiner verzauberten Flöten hervorholte und den Wald mit unheimlicher Musik erfüllte, wie es seine Gewohnheit in jenen Zeiten war, in denen im Tal ausgefallene Alchemie praktiziert werden sollte. Simon war offensichtlich mit den Ideen beschäftigt, die ihm Ediths Erwähnung eines alternativen Traumlandes und das Versprechen, ein solches Reich besuchen zu können, in den Kopf gesetzt hatte. Er wusste instinktiv, wohin sie gingen, und lächelte, als sie sich dem Kreis von sieben gnomenartigen Figuren näherten, die aus altem Stein geschaffen worden waren.

»Ah, der Kreis der Sieben Träumer. Ein passender Ort für Traumrituale, Gnome. Mir ist noch nie aufgefallen, wie sehr diese Kobolde deinem eigenen koboldgleichen Äußeren ähneln. Dieser hier könnte in der Tat dein Zwilling sein, er trägt fast dein Gesicht.« Der große Kerl kniete vor einer der Figuren nieder und strich mit der Hand über ihre Gesichtszüge. Simons Stimme klang gewohnt hochmütig und überlegen, aber seine Augen konnten ihre Besorgnis nicht verbergen. Als er Edith ansah, erkannte er, dass sie sein Unbehagen verstand, und so tat er sein Bestes, um ihren wissenden Ausdruck zu ignorieren. Er streckte Agnes die Hand entgegen. »Komm, Aspinwall – schließ dich mir in unserem Schicksalskreis an. Knie hier neben mich, und lass uns dieser Hexe erlauben, ihre Alchemie zu wirken.«

Die jüngere Frau strich zärtlich lächelnd mit der Hand über Ediths Wange, dann trat sie in den Kreis der Steinfiguren, stellte sich neben das Tier. Sie beugte sich vor, um seine Stirn zu küssen. Simon betrachtete Agnes mit einem Ausdruck von leichtem Widerwillen, dann musterten seine Augen die Bäume, die sie umstanden. Liebevoll drückte Agnes ihre Handflächen auf den Boden, auf dem sie knieten, und rief die Magie des Tals herbei. Nach einer kleinen Weile kam seine Manifestation zu ihr, in dem subtilen Puls, der von einem Ort tief unter ihnen zu pochen begann. Sie schaute über sie hinweg und sah, dass sich die Bäume leicht zu ihrem Kreis der Verzauberung hin neigten, und sie schloss die Augen, als irgendein schnaubendes Ding auf dem titanischen weißen Berg in der Nähe zu bellen begann. Sesqua Valley liebte Rituale und Träume, und es würde der von Edith Gnome heraufbeschworenen Macht helfen, einer Macht, die die Dimension zwischen Realität und Traum verschmelzen würde.

Die uralte Frau stellte ihre Umhängetasche auf den Boden und entnahm ihr die Flasche und den seltsam geformten Löffel; und während sie diese Gegenstände in einer Hand hielt, drückte sie ihre leere Hand auf den Boden und krümmte ihre Finger in das Gras. »Sesqua begrüßt unsere Verzauberung und ruft mit seinem Herzschlag nach unserem Blut. Nimm dies, Simon, und gib Agnes das Elixier. Sie wird dir dann den Löffel anbieten. Ach, Simon, wie deine silbernen Augen in dieser düsteren Nacht schimmern! Was für Wunder werden sie in Kürze erleben.«

Agnes starrte in Simons fantastische Augen und erfreute sich an seiner unmenschlichen Natur. Sie wusste, dass er nicht von einer Frau geboren wurde, sondern eine Ausgeburt des übernatürlichen Tals war, eine Bestie, die aus dem Schattenland des Sesqua-Tals stammte und irgendwie ihren Weg auf die sterbliche Ebene gefunden hatte. Es gab noch andere seiner Art in Sesqua Town, die an ihren nicht-menschlichen Eigenschaften zu erkennen waren – an der Form ihrer Gesichter und der außergewöhnlichen Chemie ihrer fast alabasterfarbenen Augen. Agnes sah, wie diese Augen aufgeregt schimmerten, als der Bursche Edith die Flasche und den Löffel abnahm und eine kleine Portion des Elixiers in die Schale des Löffels goss. Dann schloss sie selbst die Augen, als Simon den Löffel an ihren Mund hob und ihn zwischen ihre Lippen schob. Sie wusste, dass die Flüssigkeit in ihren Mund eingedrungen war, und doch war das Gefühl, das sie erlebte, eher eine Erinnerung an den Geschmack als der Geschmack selbst. Sie nahm die Gegenstände, die Simon ihr anbot, und schüttete eine kleine Menge der Flüssigkeit in den Löffel. Simons Augen schlossen sich nicht, sondern starrten Agnes weiterhin an, während sie den Löffel an den Mund des Tieres führte.

Der Puls des Sesqua-Tals verstärkte sich, als aus den umliegenden Wäldern ein malvenfarbener Nebel zu wabern begann. Simon beobachtete diesen Nebel und runzelte die Stirn, als er den karmesinroten Farbton bemerkte, der sich in den Nebel zu ergießen begann. Er wandte seinen Blick zu Edith Gnome, als ob sie die Veränderung der Atmosphäre erklären könnte; aber sie schüttelte nur leicht den Kopf, als ihre Gestalt zu verschwinden begann und durch fantastische, fühlende Schatten ersetzt wurde, die um das kniende Paar zu tanzen schienen. Simon sah gebannt zu, wie sich der wogende Nebel zu heben begann und die fantastische Welt, in die sie versetzt worden waren, sichtbar wurde. Sein Körper zitterte vor ungewöhnlicher Erregung, als er die Hände seiner Begleiterin in die seinen nahm und den verzauberten Äther des Traumlandes einatmete.

 

 

 

3. Kapitel

 

 

Mandy Peaslees erste Reise in die Traumländer war rein zufällig. Sie hatte noch nie von den Traumlanden gehört und hatte weder Lust noch Interesse, ein so seltsames und geheimnisvolles Reich zu besuchen. Hätte sie davon gewusst und auch nur eine Sekunde daran gedacht, eine Reise dorthin zu wagen, hätte sie sich sofort dagegen entschieden. Zu riskant, zu unberechenbar. Und zu welchem Zweck? Alles, was sie wollte, befand sich in der Welt des Wachseins, wo sie als Doktorandin in der Orne Library der Miskatonic-Universität unter der Leitung von Professor Henry Ashley, dem renommierten Experten für Buchrestaurierung, dieses Handwerk erlernte. Warum sollte sie alles, wofür sie in den letzten sechs Jahren am College gearbeitet hatte, für einen billigen Nervenkitzel in einem luftigen Fantasieland aufs Spiel setzen? Auf keinen Fall; die Strände von Waikiki waren ungefähr das Weiteste, was sie im Urlaub gehen wollte.

Aber niemand fragte sie nach ihren Vorlieben, und es gab keine Warnung vor dem bevorstehenden Abenteuer. In der einen Minute lag sie an einem Mittwochabend zu Hause im Bett, auf Kissen gestützt, und las ein seltsames Sonett in einem alten Gedichtband, den sie sich aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, und in der nächsten Minute war sie eingenickt und glückselig bewusstlos. Das Buch war ein kleiner Gedichtband, geschrieben von einer obskuren Arkham-Autorin namens Edith Gnome. Mandy hatte noch nie von ihr gehört, und sie hatte viel in der regionalen Literatur von Neuengland gelesen. Es war in den 1920er Jahren in einer limitierten Auflage in Boston erschienen und ziemlich selten, wie der ausgesprochen unheimliche Typ – ein Kommilitone –, der Mandy das Buch empfohlen hatte, sagte. »Die alte Edith war eine bekannte Hexe, und ihre Verse sollen geheime, verschlüsselte Informationen über die okkulten Techniken enthalten, mit denen sie die Geisterwelt kontaktierte.« Mandy war sich sicher, dass das ein Haufen Blödsinn war, aber sie dachte sich, dass in dem Buch vielleicht ein paar rassige Gedichte zu finden waren – na ja, so rassig, wie Literatur in diesen Tagen eben sein konnte –, denn sie hatte einmal gehört, dass alle modernen Hexen notorisch freizügige Neo-Hippie-Heiden sind, die mit jedem und jeder schliefen.

Was dann kam, war mehr Vision als Traum. Die meisten ihrer Träume waren triste Angelegenheiten: Aufbereitungen der täglichen Arbeit mit nichts Aufregenderem darin als Kämpfen gegen die Bürokratie, Werkzeuge, die nicht funktionierten, und Materialien, die nicht zusammenarbeiten wollten. Es schien, als ob sie in fast jedem Traum versuchte, ihre Arbeit als Studentin zu erledigen, dass es einen Wechsel in der Bibliotheksleitung gab, dass das Konservierungslabor verlegt worden war, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht finden konnte, dass Professor Ashley nirgends zu finden war, dass ihre Papiere fehlten oder in Unordnung waren und dass ihr absolut niemand sagen wollte, was sie tun und wo sie es tun sollte.

Aber dieser »Traum« – oder diese »Vision« – war nichts dergleichen. Es war eine frische, rohe, lebendige Erfahrung, und lebhaft real. Und sie war nicht ihr übliches Selbst – eine ungesellige, etwas melancholische, leicht zynische Frau in ihren frühen Zwanzigern. Es war, als wäre sie auf wundersame Weise in eine frühere Inkarnation zurückgekehrt, in einen Zustand der Vollkommenheit, in dem sie ewig jung, unendlich perfekt und völlig frei war.

Die Vision war bedauerlicherweise kurz, sie dauerte nur ein paar Augenblicke und ließ sie keuchend zurück, sie sehnte sich förmlich nach mehr. Wenn sie hätte sterben und an diesem Ort leben können, um die zu sein, die sie in der Vision war, hätte sie es sofort getan. Scheiß auf Miskatonic U. und all die Arschlöcher im Graduiertenprogramm! Dieser Ort – was auch immer es war – war viel, viel besser.

Die Bilder, die Geräusche, die Empfindungen davon waren unauslöschlich in ihr Gehirn eingebrannt. Sie war ein junges Mädchen von vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahren. Ein geschmeidiges, elfengleiches Wesen mit schönem, langem, braunem Haar, das ihr bis zu den Schultern fiel, gekleidet in ein einfaches weißes Baumwollkleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, die Füße elegant nackt. Und das war der seltsame Teil: Sie saß rittlings auf einer riesigen phosphoreszierenden Motte und ritt auf ihrem Rücken durch einen dunklen Himmel über eine geheimnisvolle Landschaft. Die Region, die sie durchquerten, war nicht von dieser Welt – so viel war ihr klar. In der Ferne war eine Bergkette zu erkennen. Unter ihr erstreckte sich ein strukturloser Boden. Das Land und die Luft waren schwach beleuchtet, aber nicht pechschwarz, und die ihnen innewohnenden, tief gedämpften Farben waren das Prachtvollste, was sie je gesehen hatte. Die Körperteile der riesigen Motte leuchteten in verschiedenen Farbtönen: grün, orange, gelb, blau, rot, violett und andere Schattierungen, die sie nicht genau benennen konnte – Farben, die zwar intensiv waren, aber keine Wärme ausstrahlten: kühle, nächtliche Farbtöne. Ein weicher, stoppeliger Flaum bedeckte diese leuchtenden Körpersegmente. Unmöglicher Weise schien die Motte, auf deren Rücken sie wie ein ungesatteltes Pferd ritt, leichter als Luft zu sein. Sie schoss mühelos durch den Himmel, ohne auch nur einen Flügelschlag zu machen. Sie glitt vorwärts zu einem unbekannten Ziel, ihr Haar wirbelte wild hinter ihr her, ihre Augen brannten vom kalten Wind, und sie hatte keine Angst, keine Sorgen, keine Wünsche. Sie war in diesem Moment völlig lebendig und tat, wozu sie bestimmt war, ohne einen Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft. Eine junge Kriegerin und Heimatlose auf der Suche nach – was?

Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verdammt gut gefühlt, so umwerfend schön, so herrlich frei. Reines Herz, reiner Verstand, ungetrübt.

Und dann verblasste die Vision im leeren Nichts des traumlosen Schlummers, und sie erwachte, wobei sie fast das Buch fallen ließ, und hob ihr Kinn, das sich im Schlaf auf die Brust gesenkt hatte.

»Oh je«, sagte Mandy laut, obwohl sie ganz allein im Haus war. »Heilige Scheiße! Was war das?«

Sie nahm ihr Telefon vom Nachttisch und prüfte die Uhrzeit. Es war spät, nach elf. Drei Facebook–Benachrichtigungen und ein verpasster Anruf von ihrer Mutter. Sie würde sie morgen früh zurückrufen. Das Letzte, was sie vor dem Schlafengehen hören wollte, war ein Haufen Gejammer darüber, dass ihr wertloser Vater wieder betrunken war oder dass ihre ältere Schwester ein weiteres Baby bekam – als ob drei nicht schon genug wären, wenn man ein Verlierer war, der auf Essensmarken angewiesen war. Sie schaltete das Telefon aus, legte es auf das geschlossene Buch, rollte sich auf die Seite und nahm ihre bevorzugte Schlafposition ein – auf der rechten Seite, die Decke fest um den Nacken gelegt.

 

*

 

Mit dem lakritzartigen Geschmack des Elixiers noch auf der Zunge tauchten Simon und Agnes aus einem trüben, interdimensionalen Nebel auf und fanden sich inmitten einer weiten, strukturlosen Ebene wieder, wo sie Seite an Seite in Richtung einer entfernten Bergkette gingen. Rundherum war es dunkel und düster, und es gab in keiner Richtung Anzeichen von Zivilisation. Es sah aus wie die abgelegenste Wüste, die man sich vorstellen kann.

»Oh … du liebe Zeit. So habe ich mir das Traumland der Hexerei nicht vorgestellt«, murmelte Agnes zögernd. Sie machte sich Sorgen, die Bestie aus dem Sesqua–Tal zu verärgern. Er schien ein ziemlicher Hitzkopf zu sein, dieser Kerl, und ehrlich gesagt hatte sie mehr als nur ein bisschen Angst vor ihm. Sie hätte das ganze Vorhaben abgelehnt und Edith gesagt, dass sie mit diesem höchst zweifelhaften Geschäft nichts zu tun haben wollte; aber es schien, dass die einzige Möglichkeit, das Traumland der Hexerei zu besuchen, darin bestand, sich auf Ediths Plan einzulassen, unter der Begleitung dieses zwielichtigen Simon, und sie wünschte sich so sehr, Zeit in diesem magischen Reich zu verbringen. Es würde ihr die Möglichkeit geben, in ihrer Berufung voll aufzublühen, sich selbst zu verwirklichen. Das Handwerk wirklich zu erlernen, eine echte Hexe in der prosaischen Wachwelt von Arkham, Massachusetts, zu werden, war mehr als nur eine tägliche Herausforderung; es lag praktisch jenseits des Bereichs des Möglichen. Die Zweifler an allem Paranormalen nahmen immer an, dass man ein verblendeter New-Age-Verrückter sei, wenn man die nicht–materielle Welt auch nur erwähnte, und die religiösen Fundamentalisten waren alle davon überzeugt, dass man die Braut des Teufels oder Schlimmeres sei, wenn sie sahen, dass man irgendeinen Geist rief, der nicht von ihrer Theologie gebilligt wurde. Aber im Traumland der Hexerei, ach!

---ENDE DER LESEPROBE---