Das Tor zu inneren Räumen - Christian Rätsch - E-Book

Das Tor zu inneren Räumen E-Book

Christian Rätsch

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Beschreibung

In der pharmakologischen Bewusstseinsforschung wurde festgestellt, dass Menschen, außer den Grundbedürfnissen nach Essen, Trinken und Sex, auch ein geistiges Bedürfnis nach zeitlich begrenzten Veränderungen des alltäglichen Bewusstseins haben. Es gibt viele Methoden zurBewusstseinsveränderung, darunter auch den jahrtausendealten Gebrauch psychedelischer, d.h. »bewusstseinsoffenbarender« Substanzen und Pflanzen, die in der menschlichen Geschichte eine viel wichtigere Rolle gespielt haben, als allgemein bekannt ist. Ihre Verwendung war in Rituale eingebunden, die transpersonale Erfahrungen mystischer und spiritueller Art hervorriefen.Als Festschrift für den Chemiker Albert Hofmann, der nicht nur das LSD entdeckte, sondern auch für seine Forschungen mit psychoaktiven Pflanzen und die Synthese der aktiven Wirkstoffe von Heilpflanzen mehrfach ausgezeichnet wurde, hat Christian Rätsch (1957–2022) diesen Band zusammengestellt. Hier finden sich Beiträge über psychologische, ethnologische, neurophysiologische und medizinische Erkenntnisse zu psychedelischen Pflanzen und Substanzen und Texten von Terence McKenna, Hanscarl Leuner, Stanislav Grof, Claudio Naranjo und weiteren. Überarbeitete Neuausgabe zum 80. Jahrestag der Entdeckung der psychotropen Eigenschaften des LSD und im Gedenken an Christian Rätsch († 17. September 2022)

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»Wenn der Mensch sich seiner Wesensverwandschaft mit der Welt nicht bewußt ist, lebt er in einem Gefängnis, dessen Mauern ihm zuwider sind. Wenn er aber dem ewigen Geist in allen Gegenständen begegnet, dann ist er in Freiheit gesetzt, denn dann erst entdeckt er den vollen Sinn der Welt, in die er hinein geboren wurde, dann findet er sich selbst, wie er in voller Wahrheit ist, und sein Einklang mit dem All ist hergestellt.«

Rabindranath TagoreSadhana – Der Weg zum wahren Leben

»Bewußtsein ist ein Phänomen der Evolutionszone. Diese Welt erscheint sich selbst nur dort, wo und nur insofern als sie sich entwickelt, neue Formen gebiert. Stellen des Stillstandes entgleiten dem Lichte des Bewußtseins, versteinern, erscheinen nur mehr mittelbar im Zusammenspiel mit Stellen der Evolution.«

Erwin SchrödingerGeist und Materie

Christian Rätsch (Hrsg.)

Das Tor zu inneren Räumen

Heilige Pflanzen und psychedelische Substanzen als Quelle spiritueller Inspiration

Eine Festschrift zu Ehren von

Albert Hofmann

E-Book-Ausgabe

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Schweiz

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[email protected]

www.nachtschatten.ch

Originaltitel: «Gateway to Inner Space»

© 1989 Prism Press. Original Edition Published by Prism Press, Dorset, England.

© 2023 Nachtschatten Verlag AG

ISBN 978-3-03788-632-8

eISBN 978-3-03788-653-3

Umschlaggestaltung: Nina Seiler, Zürich

Layout: Plejaden Verlag, Boltersen

Printed in Germany

Neuauflage des 1992 erschienenen Titels im Verlag Bruno Martin GmbH

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronischer digitaler Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlages erlaubt.

Inhalt

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Claudia Müller-Ebeling

Albert Hofmann

Christian Rätsch

Die Erforschung des inneren Raumes

Rich Yensen

Vom Mysteriun zum Paradigma: Die Reise des Menschen von heiligen Pflanzen zu psychedelischen Drogen

Ralph Metzner

Molekulare Mystik: Die Rolle psychoaktiver Substanzen bei der Transformation des Bewußtseins

Stanislav Grof

Jenseits des Gehirns: Neue Dimensionen in der Psychologie und Psychotherapie

Christian Rätsch

Die heiligen Pflanzen unserer Ahnen

Terence McKenna

Bei den Ayahuasqueros

Tom Pinkson

Reinigung, Tod und Wiedergeburt Der klinische Gebrauch von Entheogenen in einem schamanischen Kontext

Requa Tolbert und George Greer

Der klinische Gebrauch von MDMA

Claudia Müller-Ebeling

Psychedelische und visionäre Malerei

Claudio Naranjo

Psychedelische Erfahrungen im Lichte der Meditation

Wolfgang Coral

Psychedelische Drogen und spirituelle Bewußtseinszustände im Lichte moderner Rezeptorforschung

Hanscarl Leuner und Michael Schlichting

Über den derzeitigen Stand der Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen

Christian Rätsch

Nachwort: Sternstunde der Entheogeneologie?

Anhang

Bibliographie

Die Autoren

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die neunziger Jahre werden als die Zeit der unvorhersehbaren und plötzlichen Veränderungen auf globaler Ebene in die Geschichte der Menschheit eingehen. Niemand hat geglaubt, daß es je wieder ein vereinigtes Deutschland geben würde. Niemand ahnte den rapiden Zerfall der Sowjetunion. Niemand hat gehofft, daß sich die USA wieder einmal als Weltpolizist aufspielen würde. Und niemand hat vermutet, daß 1992 die Legalisierung von Cannabisprodukten öffentlich gefordert und von ernstzunehmenden Juristen und Politikern befürwortet wird. Die Neunziger wirken wir eine Fortsetzung der Sechziger - nur treffen die historischen Ereignisse auf ein anderes Bewußtsein. Denn die Entwicklung des Bewußtseins hat seit den sechziger Jahren große Sprünge gemacht. Die Schöpfung neuer psychoaktiver Drogen, die Entdeckung der körpereigenen Drogen (s. Zehentbauer) und die explosionsartig aufkeimende Mentaltechnik und Computertechnologie haben ihre Spuren deutlich hinterlassen.

Während die reaktionäre Regierung der USA den Drogen weiterhin den Krieg erklärt, können in der Schweiz in aller Öffentlichkeit Joints geraucht werden. Während in den USA die halluzinogen-unterstützte Therapie gnadenlos verboten und gesellschaftlich geächtet ist, dürfen die Ärzte der Schweizerischen Psycholytischen Gesellschaft LSD, Psilocybin und MDMA therapeutisch benutzen. Gerade in diesem europäischen Umbruch ist der Bedarf nach wissenschaftlich fundierten Aussagen besonders hoch. Das vorliegende Buch wird sicherlich diesem Bedarf gerecht. Es war 1989 auf Englisch als Festschrift zum 80. Geburtstag von Albert Hofmann, dem Vater des LSD, erschienen; es wird in erweiterter und überarbeiteter Fassung auch hierzulande neue Lichter auf die eigentliche Bedeutung von psychedelischen, euphorisierenden und empathogenen Substanzen, die Tore zu den inneren Räumen, werfen.

In der klinischen und pharmakologischen Bewußtseinsforschung konnte inzwischen festgestellt werden, daß der Mensch außer den Grundbedürfnissen nach Essen, Trinken und Sex auch ein grundlegendes Bedürfnis nach zeitlich begrenzten Veränderungen des alltäglichen Bewußtseins hat (so Andrew Weil und Ronald Siegel). Dieses Bedürfnis kann durch pharmakologische oder nicht pharmakologische Techniken leicht befriedigt werden. Jeder hat sein Recht auf einen Rausch! Es gibt außer psychoaktiven Drogen (Alkohol, Cannabis, LSD usw.) auch technische Methoden zur temporären Bewußtseinsveränderung: Meditation, Hyperventilation, Langstreckenlauf, Extremkletterei, Isolation (Samadhi-Tank), Reizüberflutung (Tekkno-Discos, Mind-Machines), Virtuelle Realität, Hypnose, Yoga, Visionssuche, Fasten usw. Drogen kann man verbieten, menschliche Grundbedürfnisse aber muß man akzeptieren. Gegen Drogen kann man einen Krieg führen. Wie sinnlos dieser Krieg ist, haben sogar die konservativsten Kriminologen erkannt. Der Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman fordert die totale Freigabe aller Drogen und erklärt »Der Drogenkrieg ist verloren!« (Der Spiegel 14/92). Um das Rauschbedürfnis zu unterbinden, müßte dem Menschen der Krieg erklärt werden. Wie schrecklich die Folgen des Krieges sind, hat erst kürzlich Herr Bush gezeigt. Er kämpft als einziger auf weiter Flur an beiden Fronten: gleichermaßen gegen Drogen und Menschen. Wir brauchen in den neunziger Jahren keinen Krieg gegen Menschen, angezettelt von starrsinnigen menschenverachtenden Politikern. Wir brauchen auch keinen Krieg den Drogen. Wir brauchen Frieden mit allen Menschen - denn wir leben auf einem Planeten. Wir brauchen Frieden mit den Drogen, denn sie befriedigen unser Grundbedürfnis. Sie sind Werkzeuge (Katalysatoren), die - sinnvoll eingesetzt - die Evolution des menschlichen Bewußtseins antreiben können. Die wesentlichen Schritte zum Frieden - ob mit Menschen oder Drogen - sind Kommunikation und Verständnis. Dieses Buch möchte diesem Verständnis dienen und einen Beitrag zum Weltfrieden liefern.

Christian Rätsch

Albert Hofmann

Albert Hofmann wurde am 11.1.1906 in Baden (Kanton Argau, Schweiz) geboren. Eine tiefe Liebe zur Natur seiner Heimat, die er einmal als Knabe in mystischer Verzauberung erlebte, weckt sein Verlangen, durch die Chemie »tieferen Einblick in den Bau und das Wesen der materiellen Welt« zu gewinnen.

1925 nimmt er an der Universität Zürich das Studium auf, das er 1929 mit einer vielbeachteten Dissertation bei dem Nobelpreisträger Paul Karrer abschließt.

Mit Respekt für die Leistung »eines jeden Gräsleins, das mit Licht als einziger Energiequelle Stoffe herstellt, für deren Synthese die Arbeit von Hunderten von Chemikern über viele Jahre nicht ausreichen würde«, widmet er von 1929 bis 1971 seine Forschungen in den pharmazeutischen Laboratorien der Sandoz AG in Basel der Naturstoffchemie. Im Zentrum steht seine Mutterkornforschung, der wichtige Arzneimittel zu verdanken sind.

Am 19. April 1943 wird er mit der Entdeckung der halluzinogenen Wirkung des LSD, das er fünf Jahre zuvor aus Mutterkornalkaloiden synthetisiert hatte, für seine Forschungen belohnt. »Nur ein vorbereiteter Geist findet« - kommentiert er diesen bedeutsamen Moment. Für einen heilsamen und gewinnbringenden Gebrauch dieser Substanz setzt er sich verantwortungsvoll ein, auch als das LSD durch zunehmenden Massengebrauch ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit gerät.

Sein Interesse an psychoaktiven Substanzen führt ihn zu den mexikanischen Zauberdrogen (Psilocybe mexicana und Ololiuqui), deren Wirkstoffe er chemisch erforscht, wobei ihm die Isolierung des Wirkstoffes Psilocybin gelingt, und deren heilsame Anwendung er während einer Forschungsreise nach Mexiko zur Heilerin Maria Sabina kennenlernt. Seine engagierte Forschungsarbeit führt ihn mit herausragenden Persönlichkeiten der Geisteswelt - mit den Schriftstellern Ernst Jünger und Aldous Huxley, dem Orientalisten Rudolf Gelpke, dem Psychiater Stanislav Grof, um nur einige herauszugreifen, zusammen.

Nicht nur naturwissenschaftlich, sondern darüber hinaus durch ein breites philosophisch-metaphysisches Interesse motiviert, wird Albert Hofmann zum Buchautor:

1978 verfaßt er mit R.G. Wasson und C.A.P. Ruck »Der Weg nach Eleusis«; 1979 folgt in Zusammenarbeit mit R.E. Schultes »Pflanzen der Götter« (leider vergriffen) und der Bericht seiner Entdeckung in »LSD - Mein Sorgenkind«; 1986 erscheint sein Plädoyer für die Einheit des Menschen mit der Natur »Einsichten - Ausblicke«. Eine Autobiographie wird noch erwartet.

Seine umfangreichen (etwa 140 Originalarbeiten umfassenden) Forschungen werden von amerikanischen, schwedischen, Schweizern und deutschen Universitäten gewürdigt; Ehrendoktortitel und Ehrenmitgliedschaften werden Albert Hofmann verliehen: Dr. pharm. h.c. (Stockholm), Dr. sc. nat. (Zürich), Honorary Member of the American Society of Pharmacognosy; Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft für Arzneimittelforschung. Im Dezember 1988 wird ihm der dritte Ehrendoktortitel zuteil: Dr. rer. nat. h.c. vom Fachbereich Pharmazie der Freien Universität Berlin »für seine grundlegenden Beiträge zur Isolierung, Strukturaufklärung und Totalsynthese der Wirkstoffe wichtiger Arzneipflanzen, für seine wegweisenden Arbeiten zur Entwicklung spezifischer Arzneistoffe durch partialsynthetische Abwandlung natürlicher Mutterkornalkaloide, für seine erfolgreichen phytochemischen Untersuchungen an mexikanischen Zauberdrogen, für die Entdeckung der einzigartigen psychoaktiven Eigenschaften des LSD und die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen dieser Entdeckung…«

In zahlreichen Gremien, Stiftungen und Kollegien (z.B. ECBS) ist er Vorstandsmitglied. Seinen Namen trägt außerdem eine Spezialbibliothek zum Thema Bewußtseinsforschung in Los Angeles, USA: The Albert Hofmann Foundation.

Heute lebt Albert Hofmann, Vater von 4 Kindern und vielen Enkelkindern, mit seiner Frau Anita im Leimental bei Basel, mit grenzüberschreitendem Ausblick inmitten prächtiger Pflanzenwelten, die ihm »Tor zum inneren Raum« waren und sind. Nächstes Jahr wird er das 50jährige Jubiläum seiner ersten LSD-Erfahrung feiern.

Claudia Müller-Ebeling

Christian Rätsch

Die Erforschung des inneren Raumes

»Während nur ein äußerer Raum existiert, gibt es so viele innere Räume, wie es Menschen gibt.«

Dr. Albert Hofmann (1984)

Ein schlafender Mensch liegt mehr oder weniger bewegungslos da. Sein Atem ist langsam, seine Augen sind geschlossen. Er steht nicht, er geht nicht, er spricht nicht, er ißt nicht, er trinkt nicht - und doch erlebt er viel. Er fliegt oder schwimmt, wird gemartert und kämpft, liebt einen Engel, tanzt mit Dämonen, hält Reden, spaziert über den Regenbogen, schlägt sich durch den Dschungel, fährt Fahrrad, unterhält sich mit Verstorbenen und Unbekannten, lacht und scherzt mit Freunden, erfährt sich als Kind, Tier oder Geist, verliert die Zähne. Er träumt. Der Traum ist das bewußte Erleben des inneren Raums des Schlafenden.

Ein schamanisierender Mensch verdreht die Augen, wirft sich zu Boden, vibriert, hat Muskelzuckungen, wispert in unmenschlichen Stimmen, stammelt in unbekannten Sprachen, schneidet Grimassen. Ihm tritt der Schaum vor den Mund, die Schweißperlen auf die Stirn. Er sieht wie ein Sterbender aus, ähnelt einem Epileptiker. Er hat den Kontakt zu den Menschen verloren - und doch hilft er ihnen. Er hat sich von der gewöhnlich sichtbaren Welt verabschiedet. Er taumelt durch unendliche Tunnel, schroffe Schluchten, kämpft mit Wirbelstürmen und explodierenden Felsen. Ein Vulkan verschlingt ihn, durchspült ihn mit Lava und speiht ihn wieder aus. Mächtige Blöcke zerstampfen ihn. Das Fleisch wird ihm abgerissen, die Knochen seines Skelettes zerspalten. Sein zerstäubendes Mark verdampft im Strudel der alles zermalmenden Unterwelt. Die Feuer peitschen, die Fratzen lachen - die Myriaden Teilchen seines ehemaligen Selbstes beginnen zu leuchten, sublimieren, steigen durch lichterfüllte Schächte auf in wolkige Höhen, verdichten sich zu einer Wolke, nehmen neue Gestalt an. Er wird ein Fisch, ein Adler, ein Jaguar. Mit leichten Tatzen tänzelt er über blauschimmernde Milchstraßen. Ein Licht lockt ihn, zieht ihn an. Ein Wesen aus Licht, strahlend in allen Farben des Regenbogens, in sich die Elemente aller Wesen bergend, begrüßt ihn. Das Lichtwesen spricht zu ihm, lehrt ihn die Geheimnisse der Pflanzen, Tiere, Minerale, enthüllt ihm das ultimale Wissen, zeigt ihm die Wege, wie er künftig die verlorenen Seelen der Kranken finden und auf die Erde zurückbringen kann. Er bekommt ein Geschenk: ein magisches Objekt, das er mit in die gewöhnlich sichtbare Welt nehmen darf, und das ihm als Schlüssel für zukünftige Schamanenreisen dient. Der schamanisierende Mensch ist ein Bewußtseinskünstler, er ist ein Eingeweihter in die Geheimnisse und Offenbarungen des inneren Raumes.

Ein psychedelisierender Mensch sitzt oder liegt, tanzt oder rollt, lacht oder weint, erschauert und hat glänzende Augen. Man kann mit ihm sprechen, ihn berühren oder umarmen. Er kann wie im täglichen Leben reagieren oder nur tatenlos staunen, er kann philosophische Erkenntnisse aussprechen oder unverständliches Gebrabbel von sich geben. Er bleibt für alle Menschen sichtbar - selbst, wenn sie für ihn zu unsichtbaren Schemen verblassen. Er geht in sich, betritt dort eine Welt, die vorher nicht wahrnehmbar war. Er fühlt sich in dieser neuen Welt zuhause; denn sie ist sein eigener innerer Raum, der sich als unerschöpflich reiches Universum in immer neuer wunderbarer Unendlichkeit entfaltet. Der neue Raum wird zur Offenbarung für seinen Träger. Er läßt sich darin nieder, bestaunt die Welten, kommuniziert mit Wesen anderer Wirklichkeiten. Er sieht Geliebtes und erschaut Bedrohliches; und erkennt, daß alles seine Berechtigung und Bedeutung hat. Er nimmt sich selbst wahr - aber aus völlig neuer Perspektive: er ist eine Zelle seines Körpers oder gar nur ein Atom. Er sieht seine inneren Organe, sein eigenes Skelett. Da zerfällt das Fleisch, tropft wie von Säure zerfressen von den Knochen, die als riesige Firstbalken eines anderen Universums wirken. Der Tod nimmt das Leben von den Balken, breitet sich aus im grenzenlosen Raum. Ein Skelett sitzt im Lotussitz, verweilt im Nichts. In der Gegend, wo beim Lebenden der Bauchnabel liegt, züngelt ein Flämmchen; es wird zum Feuerball, dem zuckende Blitze entfahren. Der brodelnde und leuchtende Ball wird zu einem Fluß, einem Strom, komponiert aus allen Ideen, Gedanken, Gefühlen, Bildern und Vorstellungen des Universums. Wie mit einer gewaltigen Flutwelle braust der Fluß durch den Brustkorb und schießt in den leeren Schädel. Gewaltige Energien quillen aus dem Kopf heraus und übergießen das alte Skelett mit neuem Leben. Ein Lichtglanz umhüllt einen vollendeten Körper, dessen Schönheit das leuchtende Universum mit blitzendem Licht durchflutet. Eine riesige Hand, gebettet in flauschigen und bläulich-rosa schillernden Wolken, treibt heran. Der neuerstandene Mensch sitzt auf der Hand. Er wird immer höher getragen. Der grenzenlose Raum leuchtet zunächst bräunlich, dann in sattem Indischgelb. Das Universum lacht, ist vereinigt mit dem Wesen, das es wahrnehmen kann, und erstrahlt in höchster Seligkeit. Dieser Augenblick von Ekstase und Erleuchtung des inneren Raumes bleibt als Erinnerung an die Ewigkeit zurück.

Träumen, Schamanisieren und psychedelische Erfahrungen sind Tore zum inneren Raum: »Mit dem inneren Raum ist das Bewußtsein gemeint. Das Bewußtsein entzieht sich einer wissenschaftlichen Definition, denn es ist das, was ich brauche, um darüber nachzudenken, was Bewußtsein ist. Es kann nur umschrieben werden als rezeptives und kreatives geistiges Zentrum des Ichs« (Hofmann 1986:25). Durch diese Tore zu inneren Räumen kann der Mensch Bereiche betreten, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt des Wachbewußtseins verschlossen bleiben. In den Kulturen der Naturvölker und in den archaischen Religionen werden Träume als Erlebnisse in anderen Wirklichkeiten erfahren. Mit Systemen der Traumdeutung wird dieser Wirklichkeit Struktur verliehen. Mit der kulturell geförderten Traumarbeit wird diese andere Wirklichkeit des Schlafens erforscht und gedeutet. Die Schamanen der Naturvölker, die Seher archaischer Kulte und die Mystiker verschiedenster Religionen sind professionelle Erforscher anderer Wirklichkeiten, die sie sich mit bestimmten Techniken erschließen. Schamanen, Seher oder Mystiker erleben den inneren Raum nicht als ein dunkles Loch, sondern als ein unendliches Universum unbegreiflicher Vielfalt und unermeßlichen Reichtums.

Tore zu diesem Universum sind Yoga, Meditation, Fasten, Visionssuche, Geißelung, ekstatischer Tanz, Langlauf, Deprivation und die Einnahme heiliger Pflanzen oder psychedelischer Drogen. Rich Yensen hat in seinem Beitrag beschrieben, wie psychedelische Drogen in verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Kulturen und in der modernen Bewußtseinsforschung betrachtet, bewertet und benutzt wurden. Drei traditionelle Systeme - Schamanismus, Alchemie und tantrischer Yoga - werden von Ralph Metzner in seinem Artikel über molekulare Mystik vorgestellt. Neue psychologische Dimensionen werden von Stanislav Grof entwickelt.

In vielen alten Kulturen werden bewußtseinsverändernde oder psychedelische Pflanzen als heilig betrachtet oder mit Göttern assoziiert. Auch unsere keltisch-germanischen Ahnen verehrten und benutzten die heiligen Pflanzen als Werkzeuge der Erkenntnis, als Brücken zu den Göttern, wie ich in meinem Artikel darlege. Psychedelische Drogen haben eine lange Geschichte als Heilmittel. Indianer sprechen ihren heiligen Pflanzen (Peyote, Zauberpilze, Ayahuasca) eine besondere Heilkraft zu. Sie heilt den Menschen als ganzes, d.h. sie bringt ihn mit seiner Umwelt in Einklang und ermöglicht ihm beglückende Erlebnisse. Terence McKenna berichtet über seine Erfahrungen mit den Ayahuasca-Schamanen des Amazonas-Gebietes. Wie indianische Drogen auch für Menschen der westlichen Welt heilsam wirken können, beschreibt Tom Pinkson. Neuere Forschungen haben auch gezeigt, daß andere psychoaktive Substanzen (MDMA) ein starkes Heilpotential haben und sowohl psychisch kranken als auch gesunden Menschen helfen können. Uber diese Möglichkeit berichten Requa Tolbert und George Greer.

Viele Dichter und Schriftsteller haben - oft mit Hilfe von psychedelischen Drogen - die inneren Räume erforscht. Novalis, Baudelaire, H.P. Lovecraft, Hermann Hesse und Aldous Huxley haben mit ihren Hymnen, Gedichten und phantastischen Erzählungen Tore geöffnet, durch die eine Welt glitzert, die sonst nur Schamanen und Mystikern zugänglich ist. Ebensolche Möglichkeiten wurden von Künstlern geschaffen. Die Bilder des Hieronymus Bosch gleichen den Welten, die sich bei psychedelischen Sitzungen manifestieren. Viele Maler haben ihre inneren Räume visuell sichtbar gemacht. In ihren Gemälden tauchen häufig Motive und Symbole auf, die auch bei LSD-Sitzungen wahrgenommen werden. In dem Beitrag von Claudia Müller-Ebeling wird dieses Phänomen beleuchtet.

Die Phänomenologie des Bewußtseins, erweitert durch Meditationstechniken oder die Einnahme verschiedener Drogen (LSD, Phenethylamine, Ketamin und Harmalinalkaloide), ist Gegenstand der Betrachtung von Claudio Naranjo. Die Phänomenologie und Chemie der kurzzeitwirksamen Tryptamine (DMT, Psilocybin) wird von Wolfgang Coral untersucht.

Mit der sensationellen Entdeckung der psychedelischen Eigenschaften des LSD durch Albert Hofmann wurde die moderne Erforschung des Bewußtseins auf einer bisher ungeahnten Ebene ermöglicht. Durch die panische Reaktion der Regierungen und Medien auf den psychedelischen Aufbruch in den sechziger Jahren ist dieser neuen Möglichkeit der Erforschung des größten Mysteriums des Universums, nämlich des Bewußtseins, ein viel zu jähes Ende bereitet worden. Die anfängliche wissenschaftliche Begeisterung wurde durch Massenmedien, gesellschaftliche Tabuisierung, administrative Komplikationen und politische Maßnahmen erstickt. Aber nach den Entdeckungen der modernen Biochemie, der Kulturanthropologie und transpersonalen Psychologie hat die psychedelische Forschung neuen Aufschwung erlebt. Die gegenwärtigen Forschungsrichtungen, interdisziplinären Ansätze und Denkmodelle wurden ausführlich während des Symposiums »Über den derzeitigen Stand der Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen« diskutiert. Der Beitrag von Hanscarl Leuner und Michael Schlichting berichtet von dieser Tagung. Aus dem psychedelischen Untergrund, der »praktischen Wissenschaft«, plaudert offenherzig und mutig Werner Pieper. Ein weiteres Bonbon erwartet den geduldigen Leser im Nachwort.

Die westliche Kultur hat den ehemals visionären Menschen - so H.P. Lovecraft - »an die Kette der realen Dinge gelegt, und dann das Wirken jener Dinge solange erklärt, bis das Mysterium aus der Welt verschwunden war« (1980:144). Aber seit sich neue Tore zu inneren Räumen - besonders durch die ehrenvollen Entdeckungen Albert Hofmanns - geöffnet haben, wird eine mystische Verschmelzung mit dem Universum wieder möglich.

Rich Yensen

Vom Mysterium zum Paradigma: Die Reise des Menschen von heiligen Pflanzen zu psychedelischen Drogen

Vom Mysterium zum Paradigma

Kann die umsichtige Anwendung von Konzepten aus wissenschaftlichen Grenzbereichen unser Verständnis davon vergrößern, wie wir am besten die einmalige Gruppe psychoaktiver chemischer Verbindungen nutzen können, die als psychedelische Drogen bekannt sind? Diese Substanzen kennt die Menschheit über ihre gesamte Geschichte hinweg; sie kommen in vielen Pflanzen der neuen und alten Welt vor und werden von den Kulturen, die sie verwenden, als heilig angesehen. Seit den fünfziger Jahren setzte sich ein großer Teil der amerikanischen Gesellschaft einer halbsynthetischen Verbindung mit psychoaktiven Eigenschaften aus, die denen von Pflanzen, die seit langem mit den philosophischen und religiösen Mysterien anderer Kulturen in Verbindung gebracht werden, bemerkenswert ähnlich sind. Diese erstaunliche und auf breiter Ebene erfolgte Wiederentdeckung von Substanzen, die seit langem als heilig gelten, ist umso interessanter, als das zu jener Zeit bestehende gesellschaftliche und kulturelle Umfeld Amerikas einen Zustand der Unkenntnis über diese Dinge förderte. Aus diesem Grund ist bei dem Versuch, die Auswirkungen einer Droge zu verstehen, die uns, obwohl sie aus einem modernen Labor stammt, in ihren Wirkungen an alte, mit heiligen Pflanzen verknüpfte Mysterien erinnert, die Beziehung, die unsere Kultur zum Bereich des Mystischen hat, von besonderer Bedeutung.

In der amerikanischen Gesellschaft wurden Medizin, Psychotherapie und Religion zu voneinander getrennten Berufsbereichen; die Funktionen von Kirche und Staat wurden per Gesetz getrennt. Während die Komplexität dieser Kultur immer weiter zunimmt, baute sie unglücklicherweise eine fast undurchdringliche Barriere zwischen dem weltlichen, alltäglichen Leben und den mystischen und archetypischen Ursprüngen der Sinngebung auf. Carl Gustav Jung äußerte sich in seinen Abhandlungen zur Suche des modernen Menschen nach einer Seele und behauptete, es gebe eine Dimension des menschlichen Bewußtseins, die die vergängliche Existenz mit einer dringend erforderlichen, transzendenten Qualität bereichern könnte. Mit der wachsenden Komplexität und der immer geringer werdenden Homogenität der Industriegesellschaft wurde auch der Begriff des Heiligen mehr und mehr ausgehöhlt. Eine wachsende Zahl von Menschen mit ganz unterschiedlichem kulturellen Erbe wurde in einem metakulturellen, militärisch-industriell geprägten Imperium von neuen und gewaltigen Dimensionen in einer einzigen Gruppe zusammengeschlossen.

Anthropologen haben seit langem festgestellt, daß die meisten Gesellschaften ihre Kultur in den Bereich des »Heiligen« und den des »Profanen« unterteilen, und zwar entweder in ihrer Vorstellungswelt oder in ihrem Verhalten oder auf beide Arten. Das Weltliche ist der Bereich der alltäglichen, mit irdischen Dingen verbundenen Technologie, der Bereich, der vom Ego kontrolliert wird, ein Gebiet relativ geringer emotionaler Beteiligung und einer sich unaufhörlich weiterentwickelnden Anpassung an die Umwelt. Im Gegensatz dazu ist das Heilige ein Bereich der Anpassung an Ängste mit hohem gefühlsmäßigen Potential und von Positionen, die um so hitziger verteidigt werden, je weniger sie sich mit dem gesunden Menschenverstand rechtfertigen lassen (La Barre 1973, S. 17 f.).

Die amerikanische Gesellschaft schlug einen etwas anderen Weg ein. Man unternahm den Versuch, die kulturell bedingten, unterschiedlichen Vorstellungen von Spiritualität1 von den täglichen Aktivitäten abzusondern, ohne sie herabzuwürdigen. Der Mangel an einem von allen geteilten gesellschaftlichen Kontext an heiligen Dimensionen hat aber eine vielgesuchte Dimension menschlicher Erfahrung in ein profanes Gefängnis des Schweigens verbannt. Das ist vielleicht nötig, um soziale Konflikte zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen zu vermeiden. Tatsächlich bleibt die größte Tugend der Trennung zwischen Kirche und Staat eine gestiegene Toleranz gegenüber unterschiedlichen Glaubensvorstellungen im religiösen Bereich. Durch diesen Prozeß wurden aber die spirituellen Bereiche des menschlichen Bewußtseins von der gewöhnlichen Welt abgetrennt, ganz gleich, ob das angemessen war oder nicht. Ist es da ein Wunder, daß religiöse Gelehrte sagen: Gott ist tot?

Die Entdeckung des LSD stand am Anfang einer ganzen Reihe von Ereignissen, die schließlich die mächtigste bewußtseinsverändernde Droge, die dem Menschen bekannt ist, in dieses kulturelle Umfeld hineinbrachte. Die wissenschaftliche Erforschung dieser neuen und unglaublich wirkungsvollen Droge machte Fortschritte, aber man war sich dabei nur wenig bewußt über das wichtige Wissen, das sich andere Kulturen erworben hatten, die Pflanzen mit ähnlich aktiven Wirkstoffen nutzten.

Nach fast 20 Jahren ernsthafter Forschung über die potentiellen Verwendungsmöglichkeiten und das Mißbrauchspotential von LSD rückte die Droge urplötzlich in den Brennpunkt des nationalen Interesses. In den sechziger Jahren wurden Amerika und Europa von einem soziologischen Erdbeben mit bis dahin unbekannten Ausmaßen erschüttert. Ein entscheidender Faktor bei diesen Umwälzungen im Bereich der Weltanschauungen war die beunruhigende Welle verbotener Experimente mit LSD bei der Jugend. Diese Welle fand in einer Generation gesellschaftlich entrechteter Jugendlicher statt, deren Zahl größer war als je zuvor. Das Phänomen wurde noch durch die fast messianischen Behauptungen einiger Forscher angeheizt, die den unkontrollierten Konsum von LSD als Allheilmittel für die offensichtlich einmaligen, menschlichen Probleme dieser Generation eindeutig begrüßten. Diese Empfehlungen haben den möglichen Risiken bei der Verwendung derart wirkungsvoller Substanzen ohne ein passendes Setting nie genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die Reaktion des Gesetzgebers auf diese unverantwortlichen Empfehlungen war vorhersehbar und zwangsläufig: Gesetze wurden erlassen, die eine verantwortungsbewußte Erforschung der Anwendungsmöglichkeiten von LSD und anderen psychedelischen Substanzen ernsthaft behinderten, während sie den unkontrollierten Gebrauch gar nicht oder nur geringfügig beeinflußten.

Dieses umstrittene Gebiet läßt sich ausgewogener betrachten, wenn wir einen kurzen Überblick über die Verwendung bewußtseinsverändernder Substanzen im Laufe der Geschichte geben. Diese Untersuchung läßt sich am besten aus einer Perspektive durchführen, die auch die transpersonalen Dimensionen der tiefgreifenden, menschlichen Erfahrungen berücksichtigt, die diese Substanzen hervorrufen. Psychedelische Drogen sind ja nichts Neues, und sie werden bei den Ritualen traditioneller Kulturen auch in keinster Weise mit den Kräften einer Gegenkultur in Verbindung gebracht. Tatsächlich verwenden traditionelle Gesellschaften sie als mächtige Werkzeuge für die Erneuerung und die Weitergabe der fundamentalen Glaubenssysteme ihrer Kulturen. In vielen Gesellschaften gehören heilige Pflanzen mit psychedelischen Inhaltsstoffen zu den wesentlichen Bestandteilen der Rituale, mit denen Weissagungen gemacht, Heilungen durchgeführt, die Zugehörigkeit zur Gruppe bestätigt und das Göttliche verehrt wird. Es gibt Funde, die belegen, daß die Menschen seit 100 000 Jahren medizinische Heilkräuter verwenden. Der Gebrauch von Pflanzen zum Herbeiführen veränderter Bewußtseinszustände läßt sich bis in die Steinzeit belegen (Furst 1976).

Heilige Pflanzen scheinen bei Religionsgründungen und in der frühen Entwicklung der westlichen Philosophie eine einflußreiche Rolle gespielt zu haben. Ein ganz neuer Wissenschaftszweig, die Ethnopharmakologie, hat sich auf die Untersuchung der Rolle psychedelischer Pflanzen in der Geschichte spezialisiert. Unter den Ethnopharmakologen nimmt R. Gordon Wasson eine ganz besondere Stellung ein. Sein Buch »Soma, the Divine Mushroom of Immortality« stellt mit akribischer Genauigkeit eine Verbindung zwischen dem sagenumwobenen Soma, wie es in der mündlichen Tradition des hinduistischen Rigveda beschrieben wird, und Amanita muscaria, dem Fliegenpilz, her. Wassons gelehrige Bemühungen, die nicht mit den bizarren Behauptungen anderer zum Thema Pilze und religiöse Praktiken verwechselt werden sollten (z. B. Allegro 1971) laufen auf eine tiefschürfende, fachübergreifende Analyse hinaus, die darstellt, wie der Fliegenpilz aus der Perspektive der Botanik, der Chemie, der Pharmakologie, der Anthropologie und der Psychologie zu den poetischen Bildern des Rigveda paßt. Wasson präsentiert überzeugende Belege für seine Hypothese, daß am Beginn der menschlichen Geschichte die Wirkungen einer heiligen Pflanze den Grundstein zu einer der größten Weltreligionen legten.

Wasson war nicht zufrieden damit, es bei dieser wissenschaftlichen Glanzleistung zu belassen. Er hat sich inzwischen mit anderen zusammengetan und stichhaltige Beweise dafür geliefert, daß der Kykeon, der als Bestandteil der eleusinischen Mysterien in Griechenland getrunken wurde, aus von Mutterkorn befallenem Getreide hergestellt war, und daher mystische, heilige und psychedelische Eigenschaften besaß, die auf die Wirkungen von Lysergsäureamiden zurückgehen. Diese berühmten Mysterien hatten angeblich einen tiefen Einfluß auf die Menschen, die sich in sie einweihen ließen, und zu denen Plato und Sokrates in Griechenland und Pythagoras in Agypten gehörten (Wasson u. a. 1984).

Heilige Pflanzen haben in der menschlichen Geschichte eine viel wichtigere Rolle gespielt, als allgemein bekannt ist. Die Verwendung dieser Pflanzen war in höchst bedeutungsvolle Rituale eingebunden, die transpersonale Erfahrungen mystischer und spiritueller Natur hervorriefen. Kulturen mit mündlichen Überlieferungen zeigen ihre Ehrfurcht vor diesen heiligen Drogenpflanzen in den Namen, die sie ihnen geben: Samen der Sonne, Winden der Schlange, Fährte des kleinen Rehs, Grabespflanze, Ranke der Seele, Hauptstütze des Firmaments, Kraut der Weissagung und Fleisch der Götter (Schultes & Hofmann 1980).

Schamanismus und Pflanzen: Die Ursprünge von Psychotherapie und Religion

Stammeskulturen erscheinen wie ein Fenster in unsere kulturelle Vergangenheit. Wir können die Grundlage unseres kollektiven Wesens erleben, wenn wir die Praktiken von Stammesgesellschaften untersuchen. Könnten ihre Anschauungen in irgendeiner Weise denen ähneln, die unsere seit langer Zeit ausgestorbenen, ebenfalls in Stämmen lebenden Ahnen gehabt haben? Wir können bei den zeitgenössischen Stammesgesellschaften beobachten, daß sie ein großes Feingefühl im Umgang mit psychedelischen Substanzen besitzen, eine Sensibilität, die in unserer Kultur vielleicht vor langer Zeit verlorenging verkümmerte, oder unterdrückt wurde.

Der spirituelle Führer der Gruppe wird in diesen traditionellen Stämmen von den Anthropologen normalerweise als Schamane bezeichnet. Dieses Individuum spielt in dieser Gesellschaft eine aus vielen Facetten bestehende Rolle, die manches von dem umfaßt, was wir als die voneinander getrennten, wenn auch vielleicht miteinander verwandten Berufsstände des Psychotherapeuten, des Theologen und des Mediziners ansehen. Der Schamane ist für die soziale Gruppe Träger und Erschaffer von Mythen zugleich, ekstatischer Mystiker, spiritueller Führer und Heiler. Er kennt die Mythen, die die Grundlagen seiner Kultur bilden, und gibt ihnen neue Kraft, indem er sie so darstellt, das der Glaube des Kollektivs durch die direkte, individuelle Erfahrung der Geisterwelt aufgefrischt wird. Der Schamane ist für die Gruppe ein Führer und beschützt den zerbrechlichen, psychischen und ökologischen Gleichgewichtszustand, der für ein Uberleben in der wundersamen und furchteinflößenden, magisch-religiösen Welt, in der solche Menschen leben, notwendig ist. Anthropologen halten den Schamanismus für die Ur-Religion schlechthin oder eine Vorform von Religion, die sich in viele Kulte aufspaltete, von denen sich dann einige zu den großen Weltreligionen entwickelt haben (Furst 1976).

Die Rolle des Schamanen

Der Schamane hat in seiner Kultur eine mit übernatürlicher Macht und hohem Prestige ausgestattete Position, für die es in unserer eigenen Kultur keine Entsprechungen gibt. Der Medizinmann oder die Medizinfrau spielt nicht nur bei individuellen Heilprozessen, sondern auch bei der kollektiven Suche nach der Bedeutung der Gruppe eine Rolle. Es fällt schwer, sich aus der Perspektive einer so vielschichtigen und komplexen Gesellschaft wie unserer eigenen heraus eine Persönlichkeit vorzustellen, die eine so einzigartige Machtstellung besitzt. Als Heiler geht der Schamane klug mit dieser Macht um und geht an Krankheiten mit einem im Grunde ganzheitlichen Ansatz heran. Durch geschickte Verwendung von Suggestion und das Erwecken spiritueller Kraft ist der Schamane in der Lage, mit seinen Bemühungen um Heilung das familiäre und soziale Gefüge und die Psyche des Einzelnen anzusprechen.

Die direkte Erfahrung des Natürlichen und des Übernatürlichen ist im Schamanismus von zentraler Bedeutung; diese Suche nach spiritueller Kraft und Erkenntnis durch direkte Erfahrung ist es auch, die einige Gelehrte dazu veranlaßte, den Schamanismus vor allem als eine Ansammlung pragmatischer Techniken zum Erlangen eines ekstatischen Zustandes zu sehen (Eliade 1975).

»Die eingeborenen Völker Nord- und Südamerikas besitzen alle ein und denselben erkenntnistheoretischen Prüfstein für die Wirklichkeit… das direkte persönliche Erlebnis der Kräfte der Natur« (La Barre 1972, S. 278).

Einstellungen zu heiligen Pflanzen

Bei vielen Völkern Amerikas verwenden die Schamanen Pflanzen, die spirituelle Kraft haben sollen oder als heilig gelten. Die meisten dieser Pflanzen fallen in die pharmakologische Kategorie der halluzinogenen, psychotomimetischen, psychedelischen oder »bewußtseinserhellenden« Substanzen. Die Schamanen jedoch bevorzugen es, diese ungewöhnlichen Pflanzen als kraftvoll im spirituellen Sinn zu begreifen: »Ob der Schamane allein oder der Schamane und die Kommunikanten oder nur die Kommunikanten … irgendeine Droge aus dem ungeheuer großen Sortiment (nord- und südamerikanischer) psychotroper Pflanzen trinken oder essen, das ethnographische Prinzip ist immer das gleiche: Diese Pflanzen enthalten spirituelle Kraft« (La Barre 1972, S. 277)

Die Gründe dafür, daß die Verwendung heiliger Pflanzen sich über Jahrhunderte hinweg gehalten hat, werden deutlicher, wenn wir die Rolle der göttlichen Pflanzen in einigen zeitgenössischen traditionellen Stammeskulturen betrachten. Diese Gruppen stellen Facetten der menschlichen Entwicklung in der Vergangenheit dar, die sich mit zeitgenössischen Einflüssen vermischt haben. Diejenigen, die heute schamanistische Praktiken ausüben und noch heilige Pflanzen verwenden, haben kunstvolle Zeremonien entwickelt, die Altes und Neues miteinander verknüpfen. Dieser Synkretismus bewahrt die Glaubensvorstellungen, die für eine nutzbringende Verwendung heiliger Pflanzen in den Ritualen einer mythischen Suche nach Wiedergeburt, Heilung und Erneuerung nötig sind. Bei der Bewahrung und Bekräftigung zentraler Anschauungen, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe begründen, spielen die heiligen Pflanzen eine ungemein wichtige Rolle. Schamanen verwenden sie, um zu unterschiedlichen Zwecken in Kontakt mit der »Geisterwelt« zu treten. Sie beabsichtigen dabei unter anderem, Kontrolle über die Naturkräfte auszuüben, mit den Ahnen in Kontakt zu treten, aus übersinnlichen Quellen Rat zu beziehen, zu heilen, zu zaubern oder zu hexen, außerkörperliche Erfahrungen zu machen usw. Kurzum, der Schamane benutzt die Pflanzen, um eine Transzendierung des menschlichen Zustandes zu erreichen. Diese Fähigkeit zur Transzendenz ist nötig, um die schamanistische Rolle eines Vermittlers zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Existenzebenen spielen zu können.

Eduardo Calderon Palomino, ein ungewöhnlich akkulturierter, peruanischer Schamane der Gegenwart beschrieb dem Anthropologen Douglas Sharon die Wirkungen einer heiligen Pflanze, des San Pedro-Kaktus (der Name bezieht sich auf Sankt Petrus, die botanische Bezeichnung lautet Trichocereus pachanoi):

Bei sich selbst

(Die körperlichen Wirkungen) beginnen mit einer leichten Benommenheit, die man kaum bemerkt. Der Körper wird etwas taub, danach entsteht eine friedliche Ruhe. Dann kommt ein Gefühl des Losgelöstseins, eine Art visuelle Kraft entfaltet sich, die alle Sinne umfaßt: Sehen, Hören, Riechen, Tasten usw. - einschließlich des sechsten, des telepathischen Sinnes, mit dem man sich über die von Zeit und Materie gesetzten Grenzen hinwegtragen lassen kann… Der Kaktus entwickelt die Kraft der Wahrnehmung… d. h. wenn man etwas weit Entferntes sehen will, …dann kann man auch weit entfernte Kräfte oder Probleme oder Störungen deutlich erkennen, um dann mit ihnen etwas zu machen… Er bewirkt (auch)… eine allgemeine Reinigung.

Bei seinen Patienten:

San Pedro… tritt meistens in Form von Übelkeit und Schweißausbrüchen in Erscheinung… zeigt sich manchmal dadurch, daß ein Patient während der Diagnose von ganz alleine einfach lostanzt oder sich auf den Boden wirft und sich dort herumwälzt. Und es »entfaltet« sich die Kraft (d. h. die Krankheit oder die böse Macht), die sich in der Person breitgemacht hat.

Es scheint, daß… nicht jeder von uns Widerstände aufbaut. Einige sind sehr empfindlich und unstabil, und San Pedro neigt dazu, das Unterbewußte … und in diesen Fällen das Bewußtsein zu erreichen. Er dringt ins Blut… steigt sozusagen bis ins intellektuelle Nervensystem hoch. Dann wird er zu etwas »Visuellem« und öffnet einen sechsten Sinn… und die betreffende Person hat manchmal ganz aus sich heraus ihre Vergangenheit oder… Gegenwart oder die unmittelbar bevorstehende Zukunft deutlich vor Augen (Sharon 1978, S. 45).

Eduardo beschreibt, was er mit dem Unterbewußten meint und welche Heilungsstrategie der Curandero (der Heiler oder weiße Magier) verfolgt:

Das Unterbewußte ist ein höherer Teil (des Menschen)… eine Art Beutel, in dem das Individuum seine ganzen Erinnerungen und Bewertungen aufbewahrt… Man muß versuchen, …den Betreffenden aus seinem bewußten Verstand »hinausspringen« zu lassen. Das ist die Hauptaufgabe des Curanderismo. Mit Hilfe der magischen Pflanzen und der Gesänge und der Suche nach den Wurzeln des Problems wird das Unterbewußte des Individuums wie eine Blüte geöffnet, und es löst diese Blockaden. Ganz von alleine erzählt es einem etwas. Eine sehr praktische Sache… die die Alten kannten (Sharon 1978, S. 46).

Wir können die Einstellungen oder die Paradigmen der Wahrnehmung von Kulturen, die magische oder heilige Pflanzen verwenden, durch folgende Elemente charakterisieren: 1.) Die Pflanzen gelten als heilig oder mystisch. Sie werden als Träger übernatürlicher Wirkstoffe beschrieben. Wie auch immer die spezielle Variante dieses Themas bei der einzelnen Gruppe aussehen mag, diese Auffassung führt zu großem Respekt und vielleicht sogar etwas Angst vor diesen Pflanzen. 2.) Die Pflanzen werden in bestimmten Zeremonien oder Ritualen verwendet, die die Weltanschauung der Kultur, in der sie benutzt werden, stützen und erneuern. 3.) Es gibt noch eine Welt außerhalb dieser hier, zu der einem die Pflanzen den Zugang eröffnen. In dieser verborgenen Dimension der Existenz kann man nutzbringende Erfahrungen machen und wertvolle Erkenntnisse gewinnen. 4.) Die Verwendung dieser Substanzen ist Bestandteil der Zugehörigkeit zur Gruppe oder zu einer bedeutsamen Untergruppe, z. B. den Schamanen, und wird allgemein anerkannt. 5.) Diese Pflanzen können von denen benutzt werden, die Erfahrung mit ihrer Verwendung zum Heilen und zum Bewirken anderer Veränderungen in der normalen Welt besitzen.

Das Ritual, bei dem Kraftpflanzen verwendet werden, bietet eine psycho-soziale Struktur, in die das Erleben der heiligen und mystischen Wirkungen eingebettet ist. Bei den einzelnen Völkern gibt es allerdings ganz unterschiedliche Vorstellungen von dem, was sie mit dieser Struktur erreichen wollen. Die Palette reicht von einer rein existenziellen Sinnsuche (Munn 1973) über Riten, mit denen die Zugehörigkeit zu einer spirituellen Gemeinschaft bekräftigt wird und eine innere Erneuerung verbunden ist (Furst 1972) bis hin zu Riten, bei denen Gewalt eine Rolle spielt (Chagnon 1968; Harner 1973). Was immer der Zweck der jeweiligen Struktur sein mag, in jedem Fall hat der Schamane den Auftrag, die der jeweiligen Kultur verfügbare Technologie dafür zu benutzen, das hinsichtlich der kollektiven Ziele wirkungsvollste Umfeld zu schaffen. Eine ganze Palette von Reizen kann dabei angewendet werden: Kerzen, Trommeln, Gesänge, verschiedene Kunstformen usw. Die Reize wurden ursprünglich dazu benutzt, die Richtung, die die Erfahrung nimmt, auf einem von allen akzeptierten oder wünschenswerten Kurs zu halten, und das Erlebnis zu verstärken.

Heutige Stammesgesellschaften, die heilige Pflanzen verwenden, sind extrem widerstandsfähig gegenüber Einflüssen von außen und lassen sich durch den Kontakt mit der herrschenden Kultur nicht in ihrem Glauben an eine Geisterwelt beirren. Zweifellos ist das eine Konsequenz aus dem Tatbestand, daß wir in unseren religiösen Praktiken nichts zu bieten haben, was eine mit den Wirkungen dieser Pflanzen vergleichbare Erlebniskraft besitzt. Sicherlich versucht die dominierende Kultur, diese mit heiligen Pflanzen verbundenen Praktiken offen oder versteckt zu unterbinden. Da ihr jedoch ein vergleichbarer Ersatz für die tiefe Wirkung einer Erfahrung mit diesen göttlichen Pflanzen fehlt, ist es wahrscheinlicher, daß die Eingeborenengruppen mit ihren Praktiken in den Untergrund gehen, anstatt sie abzuschaffen.

In der Vergangenheit hielt die westliche Gesellschaft das Phänomen des Schamanismus im großen und ganzen für eine interessante Konsequenz primitiver Glaubensvorstellungen über die Natur des Universums. Als die modernen Wissenschaftler, die Anthropologen, Ethnologen, Botaniker und Pharmakologen jedoch das bei vielen Stammesgesellschaften vorhandene Wissen über die heiligen Pflanzen und deren psychologischen Auswirkungen näher untersuchten, waren sie vom Ausmaß und dem hohen Entwicklungsstand des Volkswissens über Pflanzen und Geister tief beeindruckt. Die Schriften dieser mutigen und neugierigen Menschen zwingen zu einer allgemeinen Neueinschätzung unserer bisher als wahr angesehenen Vorstellungen über ursprüngliche Gesellschaftsformen (Castaneda 1973a, 1973b, 1975, 1976, 1978; Efron 1967; Sharon 1980; Schultes & Hofmann 1973, 1980; Wasson & Wasson 1957; Wasson 1968). Bei einigen Völkern werden heilige Pflanzen kultiviert und Kombinationen aus verschiedenen Pflanzen verwendet, um unter Anwendung eines pragmatischen Wissens über Biochemie und Pharmakologie, an das wir nur mit hochentwickelter Ausrüstung und komplizierten Testverfahren heranreichen, genau den gewünschten Bewußtseinszustand hervorzurufen. Richard Evans Schultes, ein Ethnobotaniker von der Harvard Universität, weist auf den hohen Kenntnisstand hin, den die Wahl der Zutaten zu einem heiligen Trank zeigt, der in Südamerika aus Urwaldlianen und anderen Pflanzen zusammengebraut wird:

Im äußersten Westen des Amazonasgebietes - in Kolumbien und Ecuador - gehören üblicherweise die Blätter von Banisteriopsis rusbyana zu den Pflanzenteilen, die man zu dem in erster Linie aus der Rinde von Banisteriopsis inebrians zubereiteten Trank dazumischt. … Die Rinde (dieser beigemischten Pflanze) wird offensichtlich nie verwendet - es sind immer nur die Blätter. Neue Untersuchungen haben gezeigt, daß die Blätter und Stengel gar nicht die für B. caapi und B. inebrians so charakteristischen Beta-Karboline enthalten, sondern statt dessen eine sehr große Menge N,N-Dimethyltryptamin (DMT). Genau dieses Alkaloid ist aber dafür verantwortlich, daß die Visionen so stark sind und so lange andauern. … Diese Tryptamine sind allerdings im menschlichen Körper wirkungslos, solange sie nicht zusammen mit einem MAO-Hemmer eingenommen werden. Beta-Karboline wirken als MAO-Hemmer, und erlauben so dem Tryptamin, im Menschen seinen halluzinatorische Wirkung zu entfalten.

Wie können »primitive« Menschen nur zu so einem hochentwickelten Wissen kommen? Dr. Schultes stellt die folgenden Vermutungen darüber an:

Man fragt sich, wie die Menschen in primitiven Gesellschaften, die überhaupt keine chemischen oder physiologischen Kenntnisse besitzen, jemals auf die Lösung gekommen sind, die Aktivierung eines Alkaloids durch einen MAO-Hemmer zu bewerkstelligen. Einfaches Herumprobieren? Vielleicht nicht. Es gibt zuviele Beispiele dafür, und es ist möglich, daß sich ihre Zahl durch zukünftige Forschungen noch erhöht (Schultes 1972, S. 38 f.).

Besucher aus unserer Kultur, die an einer echten Heilzeremonie teilnehmen, berichten, daß die Eingeborenenvölker über ein umfangreiches, praktisches Wissen verfügen, das unseren Heilkünsten und Wissenschaften gleichkommt, und sie vielleicht auf nützliche Weise ergänzen kann. Diese Stammesgesellschaften zeigen auch in ihrer Mythologie, ihrer Kunst und ihrer Weltanschauung, welche tiefen philosophischen und existenziellen Einsichten durch den Gebrauch dieser Pflanzen möglich sind. R. Gordon Wasson fixierte die Antwort eines Spanisch sprechenden mazatekischen Maultiertreiber auf seine Frage, warum die heiligen Pilze dieses Gebietes einen Namen haben, der wörtlich »das, was hervorspringt« bedeutet. Wasson fand, daß die Antwort dieses Mannes, der trotz seiner Kenntnis der spanischen Sprache weder lesen konnte noch eine Uhr kannte, so ungeheuer poetisch und aufrichtig war, daß er sie Wort für Wort wiedergab: El honguillo viene por si mismo, no se sabe de donde, como el viento que viene sin saber de donde ni por que. (»Der kleine Pilz kommt ganz von alleine, keiner weiß woher, wie der aufkommende Wind, von dem wir auch nicht wissen, woher oder warum er kommt.« Wasson 1972)

Wasson berichtet auch von seinem Besuch bei Maria Sabina, »einer erstklassigen Curandera oder Schamanin«, die 1955 das erste Mal Außenstehenden gestattete, an ihren Zeremonien teilzunehmen, und dadurch Wasson das lang gehütete Geheimnis der heiligen Pilze offenbarte:

Du liegst auf einer Petate oder Matte. … Es ist dunkel, denn alle Lichter wurden ausgemacht. Das Einzige, was man sieht, ist ein wenig Glut zwischen den Steinen auf dem Boden und das in einer Scherbe glimmende Räuchermittel. Es ist ganz still, denn die strohgedeckte Hütte liegt passenderweise etwas vom Dorf entfernt. In dieser Dunkelheit und dieser Ruhe schwebt diese Stimme durch die Hütte, kommt jetzt von irgendwo hinter deinen Füßen, dann ist sie genau an deinem Ohr, dann wieder weit weg, dann gerade unter dir, ganz seltsam, wie bei einem Bauchredner. … Dein Körper liegt im Dunkeln, schwer wie Blei, doch dein Geist scheint frei umherzusegeln und die Hütte zu verlassen und in Gedankenschnelle in Zeit und Raum überallhin zu reisen, wohin du ihn auch immer haben willst. Er wird dabei vom Gesang der Schamanin und ihrer wirkungsvollen und immer wieder plötzlich hervorbrechenden Stimme begleitet. Was du siehst und hörst, scheint dir eins zu sein: Die Musik wird in harmonischen Formen sichtbar, gibt ihren Harmonien eine visuelle Gestalt, und was du siehst, verändert sich je nach der Stimmung der Musik - Sphärenmusik… Frei hängt die vom Pilz berauschte Person im Raum, ein körperloses, unsichtbares Auge, das sehen kann, aber nicht gesehen wird (Wasson 1971, S. 36 f.).

Aus dem oben wiedergegebenen Bericht wird deutlich, daß selbst ein konservativer und vollständig an seine Kultur angepaßter Besucher aus den Vereinigten Staaten2 merkte, daß die Wirkungen dieser Pflanzen, die im Westen so lange in Vergessenheit geraten waren, sich über die künstliche Mauer des Schweigens hinwegsetzten, mit der wir das Heilige vom Weltlichen trennen, um dann auf überzeugende Weise das andauernde Vorhandensein eines geistigen Bereiches zu demonstrieren. Sofort erkannte Wasson, daß diese Praxis und die ungewöhnliche Heilerin Maria Sabina eine tiefe Schicht religiöser Erfahrung repräsentierte, die seit der Zeit der Mysterien des antiken Griechenlands und Ägyptens im Westen unbekannt war.

Dieser kurze Überblick über heilige Pflanzen, die Rolle, die sie im Lauf der menschlichen Geschichte gespielt haben, und ihre heutige Verwendung bei den Urvölkern führt uns wieder zu unserer Schilderung der Reaktion einer hochtechnisierten Gesellschaft auf die Einführung psychedelischer Substanzen außerhalb eines rituellen Gefüges. Das Wirklichkeitskonzept der westlichen Gesellschaft unterscheidet sich tiefgreifend von den noch vorhandenen heiligen und mythologischen Anschauungen der Eingeborenenvölker, die psychedelische Pflanzen verwenden. Wie könnte unsere Gesellschaft auf die unerwartete Neuentdeckung dieser pharmazeutischen Kraft in einem Labor reagieren?

Die Entdeckung des LSD

1938 wurde in den Forschungslabors des Sandoz-Konzerns in Basel in der Schweiz von Arthur Stoll und Albert Hofmann LSD-25 synthetisch hergestellt. Ihre Forschungsarbeit diente eigentlich dazu, chemische Verbindungen zu entdecken, die die Geburt erleichtern oder bei der Behandlung von Migräne helfen könnten. Tierversuche mit LSD-25 führten zu keinen interessanten Ergebnissen, und die Substanz wurde für spätere Untersuchungen erst einmal beiseite gelegt. 1943 entschied sich Albert Hofmann, mögliche psychologische Wirkungen der Substanz zu erforschen. Der erste Schritt dazu bestand darin, eine neue Portion LSD herzustellen. Nachdem Hofmann die Synthese abgeschlossen hatte, fühlte er eine merkwürdige Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl. Er unterbrach die Arbeit, fuhr mit dem Fahrrad nach Hause und legte sich ins Bett. Dort erlebte er »einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst angeregte Phantasie kennzeichnete.« Bei geschlossenen Augen sah Hofmann, wie »phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel« auf ihn einstürmten (Hofmann 1979, S. 28). Diese Symptome hielten etwa zwei Stunden lang an.

Hofmann fragte sich hinterher, ob es möglich war, daß er bei der Synthese etwas LSD-25 resorbiert hatte. Er konnte nicht ganz glauben, daß das eine Erklärung für das Erlebte war, denn dann wäre die Substanz ungeheuer wirkungsvoll. Er entschloß sich zu einem Selbstversuch, bei dem er sehr vorsichtig vorging und die geringe Menge von 250 Mikrogramm LSD (250 millionstel Gramm) zu sich nahm. Sehr bald merkte er, daß er die wirkungsvollste, psychoaktive Substanz entdeckt hatte, die überhaupt bekannt war. Dies ist sein eigener Bericht über die Erfahrung:

19. April 1943:

Herstellung einer 1/2promilligen wässerigen Tartrat-Lösung von d-Lysergsäure-Diäthylamid.

16 Uhr 20

0,5 cc. (0,25 mg LSD) oral eingenommen. Die Lösung ist geschmacklos.

16 Uhr 50

Es sind keinerlei Wirkungen festzustellen.

17 Uhr

Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen, Lachreiz.

Die letzten Worte konnte ich nur noch mit großer Mühe niederschreiben. Schon jetzt war mir klar, daß Lysergsäure-diäthylamid die Ursache des merkwürdigen Erlebnisses vom vergangenen Freitag gewesen war, denn die Veränderungen der Emfpindungen und des Erlebens waren von gleicher Art wie damals, nur viel tiefgehender. Ich konnte nur noch mit größter Anstrengung verständlich sprechen, und bat meine Laborantin, die über den Selbstversuch orientiert war, mich nach Hause zu begleiten. Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad … nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, mit dem Fahrrad nicht vom Fleck zu kommen. Indessen sagte mir später meine Assistentin, wir seien sehr schnell gefahren. Schließlich doch noch heil zu Hause angelangt, war ich gerade noch fähig, meine Begleiterin zu bitten, unseren Hausarzt anzurufen. …

Schwindel und Ohnmachtsgefühle wurden zeitweise so stark, daß ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte und mich auf ein Sofa hinlegen mußte. Meine Umgebung hatte sich nun in beängstigender Weise verwandelt. Alles im Raum drehte sich, und die vertrauten Gegenstände und Möbelstücke nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau … erkannte ich kaum mehr. Das war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. Aber schlimmer als diese Verwandlungen der Außenwelt ins Groteske waren die Veränderungen, die ich in mir selbst, an meinem inneren Wesen, verspürte. Alle Anstrengungen meines Willens, den Zerfall der äußeren Welt und die Auflösung meines Ich aufzuhalten, schienen vergeblich. … Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich. Ich war in eine andere Welt geraten, in andere Räume mit einer anderen Zeit. Mein Körper schien mir gefühllos, leblos, fremd. … Zeitweise glaubte ich, außerhalb meines Körpers zu sein.

Der Höhepunkt meines verzweifelten Zustandes war bereits überschritten, als der Arzt eintraf. Meine Laborantin klärte ihn über meinen Selbstversuch auf, da ich selbst noch nicht fähig war, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. Nachdem ich ihn auf meinen vermeintlich tödlich bedrohten körperlichen Zustand hinzuweisen versucht hatte, schüttelte er ratlos den Kopf, da er außer extrem weiten Pupillen keinerlei abnorme Symptome feststellen konnte. Puls, Blutdruck und Atmung waren normal. … Langsam kam ich nun wieder aus einer unheimlich fremdartigen Welt zurück in die vertraute Alltagswirklichkeit. Der Schrecken wich und machte einem Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit Platz, je mehr normales Fühlen und Denken zurückkehrte und die Gewißheit wuchs, daß ich der Gefahr des Wahnsinns endgültig entronnen war.

Jetzt begann ich allmählich das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, das hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig sich verändernd drangen bunte, phantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend, in Farbfontänen zersprühend, sich neu ordnend und kreuzend, in ständigem Fluß. Besonders merkwürdig war, wie alle akustischen Wahrnehmungen, etwa das Geräusch einer Türklinke oder eines vorbeifahrenden Autos, sich in optische Empfindungen verwandelten. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild.

Erschöpft schlief ich dann ein und erwachte am nächsten Morgen erfrischt mit klarem Kopf, wenn auch körperlich noch etwas müde. Ein Gefühl von Wohlbehagen und neuem Leben durchströmte mich. (Hofmann 1979, S. 29 - 34)

In den 50 Jahren, die seit der überraschenden Entdeckung der Wirkungen von LSD vergangen sind, hat die internationale Forschungsgemeinschaft eine wahre Flut von Untersuchungen über die psychologischen Wirkungen und die mögliche Nützlichkeit dieser ungewöhnlichen Droge und anderer, ähnlicher Substanzen hervorgebracht. Die Gesamtheit der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema ist ungeheuer umfangreich und steckt voller widersprüchlicher Behauptungen. In dem offensichtlichen Chaos können wir eine gewisse Ordnung erkennen, wenn wir die Geschichte und Entwicklung dreier großer wissenschaftlicher Ansätze betrachten, mit denen versucht wurde, die Wirkungen psychedelischer Drogen zu erfassen: 1.) Der psychotomimetische Ansatz, der besagt, daß diese Drogen einen geistigen Zustand hervorrufen, der der Psychose ähnelt (Psychotomimetisch bedeutet »eine Psychose nachahmend«). Dieser Zustand kann zur Erzeugung einer unter Laborbedingungen entstehenden Modellpsychose dienen. 2.) Der psycholytische Ansatz, demzufolge die Drogenwirkungen die dynamische Beziehung zwischen den bewußten und den unbewußten Teilen der Persönlichkeit verändern (Psycholytisch bedeutet »den Geist auflösend«). Dieser veränderte Bewußtseinszustand kann für eine psychoanalytisch ausgerichtete Psychotherapie von Nutzen sein. 3.) Der psychedelische Ansatz, der diese Substanzen als Mittel zur Erleichterung mystischer Erfahrungen und Gipfelerlebnisse sieht, vorausgesetzt, man nimmt sie in der richtigen Dosierung und in einem passenden Setting zu sich (Psychedelisch bedeutet »den Geist offenbarend« oder »das Bewußtsein enthüllend«). Man sieht in diesen Erfahrungen das Potential zu tiefgreifenden, anhaltenden und positiven Persönlichkeitsveränderungen.

Das psychotomimetische Paradigma