Days of Ashes and Dust - Ewa A. - E-Book
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Ewa A.

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Beschreibung

**Wenn Liebe deine Regeln bricht …** Tilly hat als Waise früh gelernt, anderen mit Vorsicht zu begegnen. Einzige Ausnahme: die Saver. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen vor Angriffen durch dunkle Kräfte zu schützen. Als jüngstes Mitglied der Gruppe nimmt Tilly entschlossen jeden Auftrag an – bis sie auf den mysteriösen Josh trifft. Der Mann mit den tiefschwarzen Augen scheint unverwundbar und übt auf Tilly eine unerklärliche Anziehungskraft aus. Doch Liebe macht schwach, diesen Leitsatz hat Tilly verinnerlicht. Und um die Welt vor der endgültigen Dunkelheit zu bewahren, muss sie stärker sein als jemals zuvor … Perfekter Lesestoff zum Dahinschmelzen! Nach Ewa A.s enormem Erfolg mit ihrem Roman »Unter den drei Monden« kommt nun ein neues Lese-Highlight der Autorin: »Days of Ashes and Dust« - eine mitreißende Liebesgeschichte in dunkel-romantischer Atmosphäre. //Textauszug: Er musterte uns einen nach dem anderen, bis sein Blick zu guter Letzt bei mir hängen blieb. Mit einem Mal flammte in meinen Wangen ein Feuer auf. Bestürzt nahm ich wahr, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. So etwas war mir noch nie passiert. Ich wollte meinen Blick senken, doch ich brachte es nicht fertig – wie gebannt starrte ich zu Josh zurück. Das Atmen fiel mir schwer, denn die eisige Gleichgültigkeit in seinen nachtschwarzen Augen löste ein Prickeln unter meiner Haut aus. Ich konnte nicht einordnen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Gefühl war. Es verwirrte mich, weil ich solche Empfindungen noch nie bei jemandem gespürt hatte. »Was zur Hölle bist du, Nur-Josh?« Quinns unheilvoller Ton veranlasste den Fremden seine Augen von mir abzuwenden. Sofort konnte ich wieder freier atmen. »Was ich bin? Ein Mensch, ein ganz gewöhnlicher Mensch. Genau wie ihr.«//  //»Days of Ashes and Dust« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// 

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Ewa A.

Days of Ashes and Dust

**Wenn Liebe deine Regeln bricht …**Tilly hat als Waise früh gelernt, anderen mit Vorsicht zu begegnen. Einzige Ausnahme: die Saver. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen vor Angriffen durch dunkle Kräfte zu schützen. Als jüngstes Mitglied der Gruppe nimmt Tilly entschlossen jeden Auftrag an – bis sie auf den mysteriösen Josh trifft. Der Mann mit den tiefschwarzen Augen scheint unverwundbar und übt auf Tilly eine unerklärliche Anziehungskraft aus. Doch Liebe macht schwach, diesen Leitsatz hat Tilly verinnerlicht. Und um die Welt vor der endgültigen Dunkelheit zu bewahren, muss sie stärker sein als jemals zuvor …

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Vita

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© privat

Ewa A. erblickte 1970 als fünftes Kind eines Verlagsprokuristen und einer Modistin das Licht der Welt. Im Jahr 2014 erfüllte sie sich den Traum, das Schreiben von Geschichten zu ihrem Beruf zu machen, und wurde selbständig freiberufliche Autorin. Nach wie vor lebt sie mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern in der Nähe ihres Geburtsortes, im Südwesten Deutschlands.

Prolog

Der Tag, an dem Juren kam

Menschen machen Fehler. Immer und überall. Manche davon sind so schlimm, dass sie eine Kettenreaktion auslösen und alles verändern.

Einen solchen Fehler begingen wir Menschen vor über zwanzig Jahren, als wir das interstellare Flugobjekt Juren entdeckten, das in hohem Tempo auf die Erde zuraste. Wir glaubten, durch eine nukleare Rakete seine Laufbahn verändern und die Kollision mit ihm und unserem Planeten verhindern zu können. Doch wir irrten uns. Zwar traf die Rakete und verlagerte die Laufbahn des Riesen, allerdings in einer Weise, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Wir hatten aus dem riesigen Flugkörper drei gewaltige kleinere geschaffen, die alle nacheinander auf unserer Erde einschlugen. Einer auf dem Festland, einer in Küstennähe und einer im Atlantik. Die beiden letzten lösten nicht nur gigantische Flutwellen aus, sondern schleuderten auch Unmengen an Wasser in die Atmosphäre, sodass sich diese für immer veränderte.

Die Einschläge der Flugkörper hatte eine solch immense Kraft, dass nicht nur ganze Staaten zerstört wurden, sondern sich die Kontinentalplatten verschoben. Vulkanausbrüche, Erdbeben und weitere Tsunamis waren die Folgen. Supervulkane katapultierten mehrere Tausend Tonnen ihrer giftigen Asche in den Himmel, der sich daraufhin für Jahre vollständig verdunkelte. Weder Sonne und Mond noch Sterne waren zu sehen. Die Temperaturen sanken und ein Impaktwinter hüllte Teile der Erde für Jahre in Eis.

Milliarden von Menschen starben durch die Einschläge und an deren Folgen, die sich über die zwei Jahrzehnte bis zum heutigen Tag ausdehnten.

Die Erde, wie wir sie gekannt hatten, existierte nicht mehr – von einem Moment auf den anderen. Doch zu dem Zeitpunkt ahnten wir nicht, dass die Veränderungen noch lange nicht abgeschlossen waren, sondern gerade erst begonnen hatten. Denn die interstellaren Flugobjekte trugen Lebensformen und Moleküle in sich, die unsere Welt erobern sollten.

1.

Der Tag, an dem wir uns begegneten

»Ihr müsst diese Kerle endlich finden, Quinn. Allein hier in Bare Hill haben sie schon drei erledigt.«

Mit einem strengen Blick schob Lou ein trübes, halb gefülltes Glas auf meinen Chief zu. Das leuchtend blaue Getränk zog sowohl Schlieren auf dem Tresen hinter sich her als auch eine aufsteigende türkise Dunstfahne. »Du und deine Leute, ihr bekommt Kost und Logis in der Siedlung frei, im Gegenzug haltet ihr uns Ärger vom Hals. Das war die Abmachung mit euch Savern. Also unternehmt endlich etwas gegen die Mörderbande.«

Quinn brummte rechts neben mir vor sich hin. »Glaubst du etwa, wir suchen nicht schon nach den Dreckschweinen? Alle Saver-Teams sind auf Achse und durchkämmen die Siedlungen und das Outland.«

Mit einem Seufzer drehte ich mich um, sodass ich mich mit den Ellbogen am Tresen abstützen und die Gäste in Lous dämmrigen Saloon in Augenschein nehmen konnte. Das Leder meines knielangen Mantels knarzte bei jeder meiner Bewegungen und der vertraute Druck meiner Pumpgun im Rücken gab mir ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Über meine Schulter hinweg musterte ich den Besitzer des Black Haven abschätzend.

Lou war klein, hatte eine Glatze, die er mit ein paar fettigen Strähnen zu tarnen versuchte, was ihm aber nur mittelmäßig glückte. Sein Hemd war genauso fleckig und schmierig wie seine Gläser, die angeblich gespült waren, weswegen ich auch nichts anderes als Alkohol bei Lou trank. Auch wenn das Quinn ganz und gar nicht gefiel, weil ich gerade erst achtzehn Jahre alt geworden war. Ich wollte mir jedoch lieber einen kleinen Rausch einfangen als Herpes oder eine derbe Magenverstimmung. Trotz der Tatsache, dass Lou eine alte Pottsau war, war es nicht zu leugnen, dass er eine der beliebtesten Bars der ganzen Gegend betrieb. Und das, wie mir sein gut angefutterter Ranzen, die unzähligen alten, aber gefüllten Alkoholflaschen im Regal hinter ihm und die zahlreichen Gäste am frühen Morgen verrieten, offensichtlich mit gutem Gewinn. Kein Zweifel: Lou war reich, was hieß, dass er eine große Menge exquisiter Tauschgüter besitzen musste, so wie den antiken Alk.

»Wie kommst du darauf, dass es mehrere sein könnten, die die Männer getötet haben?«, fragte ich ihn. Dachte aber, dass er sehr wahrscheinlich richtiglag mit seiner Vermutung, nach dem, was wir über die begangenen Morde in den anderen Städten erfahren hatten, die allesamt seltsam gewesen waren.

Lous Blick huschte von meinem Chief zu mir. Für einen Moment starrte er mir baff in die Augen. Ich wusste sofort, dass er sich einmal mehr über ihre außergewöhnliche Farbe wunderte, wie alle anderen auch, die mir ins Gesicht sahen. Denn obwohl man wegen meines schwarzen krausen Haares und meines dunklen Hauttons braune Augen erwartete, überraschten sie mein Gegenüber mit ihrem auffallenden Blauton, den man beinahe schon als Violett bezeichnen konnte.

Lou bekam sich mit einem Räuspern wieder ein. Anscheinend war er es immer noch nicht gewohnt, dass ein junges Mädchen wie ich zu den hart gesottenen Savern gehörte, die Verbrecher jagten und gefährliche Infizis unschädlich machten. »Weil zwei von den drei Toten riesig waren. Schwer vorstellbar, dass die einer allein erledigt haben soll.«

Rhett, der an der anderen Seite von Quinn stand, lachte laut auf. »Lou, für dich sind alle Kerle riesig.«

Quinn und ich stimmten in Rhetts Lachen mit ein und ohne dass ich hinsehen musste, wusste ich, dass Diego, mein Teamkollege links von mir, seinen Mund über diesen Witz nur leicht verziehen würde.

»Weshalb denkst du überhaupt, dass es Morde waren und die von denselben begangen wurden wie in den anderen Siedlungen?«, fragte er Lou in ruhigem Tonfall.

Wegen des Trubels in der Bar mussten wir noch mehr als sonst unsere Ohren spitzen, um Diego zu verstehen.

Der Barbesitzer schüttelte jedoch angepisst den Kopf. »Wenn ein Typ Minuten vorher noch munter in meinem Saloon herumspaziert und kurze Zeit später mit weit geöffneten Augen und Maul tot zwischen den Baracken liegt – ohne irgendwelche ersichtlichen Verletzungen –, weiß ich ganz einfach, dass da etwas nicht stimmt. Vor allem, nachdem es schon der Dritte aus unserer Siedlung ist, der auf die gleiche Weise ins Gras gebissen hat, und es den Gerüchten nach bereits in Little Babylon, Forest City und Clear Water dieselben mysteriösen Todesfälle gab. Die Leute können nur durch Menschenhand ermordet worden sein.« Mit eindringlichem Ausdruck beugte er sich zu Diego und mir über den Tresen. »Ich sag euch, da geht was Abnormales vor sich. Vielleicht mit einem besonderen Gift?«

»Wieso Gift? Hat der Doc die Opfer untersucht und etwas in die Richtung verlauten lassen?«, fragte Quinn. Seine Stirn, die wie sein gesamtes Gesicht von Sommersprossen übersät war, kräuselte sich.

»Nö«, kam es von Lou. »Das habe ich mir selbst zusammengereimt.«

»Hm, noch interessanter ist die Frage, weshalb man die Männer getötet hat? Oder warum ausgerechnet sie sterben mussten? Waren sie besonders vermögend? Hat man ihnen die Wertsachen abgenommen?«, fragte Rhett und nahm einen Schluck von seinem dampfenden Blue Fog. Angewidert schluckte er den widerlich süßen Alkohol hinunter. »Bah, wie sehr ich das Zeug hasse und das gute alte Bier vermisse.«

»Mann, woher soll ich das wissen? Frag doch den Sheriff. Die Toten macht es auch nicht mehr lebendig. Ihr solltet jetzt einfach euren Job machen und den Mördern das Handwerk legen«, blaffte Lou ihn an.

Fremde hätten den Barbesitzer nach dieser Antwort für mutig gehalten angesichts der beeindruckenden Statur meines Teamkollegen. Doch Lou wusste wie alle, die Rhett einigermaßen kannten, dass er eine recht lange Zündschnur hatte. Außer bei Infizis, da existierte für meinen groß gewachsenen Kumpel keinerlei Zündschnur, nicht mal eine kleine Faser.

Rhett nickte. »Keine Angst, das tun wir. Und genau aus diesem Grund holen wir überall Erkundigungen ein. Eins verspreche ich dir aber: Ganz egal wer oder was die Männer umgebracht hat, wir werden diejenigen auf jeden Fall …«

»… plattmachen – jeden Einzelnen von ihnen«, wisperte Diego, der grundsätzlich keine Zündschnur hatte, egal um welche Gefahr es sich handelte.

Quinn sah verschwörerisch zu mir herüber. Während er grinsend den Kopf schüttelte, zuckte ich mit den Schultern. Wir dachten beide das Gleiche: Für unseren Diego, der vierzehn Jahre älter war als ich, gab es immer nur diesen einen Lösungsweg. Aber genau deswegen war er vermutlich auch bei den Savern gelandet. Ich wusste, er stammte ursprünglich aus Mexiko und hatte dort seine gesamte Familie an die Infizis verloren, weshalb er es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht hatte, jeden von ihnen zu erschießen.

»Klar, was sollten wir auch sonst mit ihnen anstellen«, murmelte ich voller Sarkasmus.

»Finden, wollte ich eigentlich sagen«, maulte Rhett und blickte verdutzt an uns vorbei zu Diego hinüber. »Wir werden die Verantwortlichen auf jeden Fall finden.«

»… und dann plattmachen«, ergänzte Diego stur.

Schließlich nickte Rhett unwillig, denn unser Kumpel sprach die Wahrheit. Die Bewohner der Siedlungen erwarteten nämlich von uns Savern nichts anderes.

Mein Chief, der den Wortwechsel seiner Untergebenen mit zuckenden Mundwinkeln verfolgt hatte, wandte sich an den Barbesitzer. »Waren die Toten auch wirklich keine Infizis? Vielleicht hatte jemand einen Verdacht, wollte auf Nummer sicher gehen und hat sie aus Angst vor Ansteckung beseitigt?«

Lou verneinte mit einer Kopfbewegung. »Und ihre Leichen auf den Wegen liegen lassen, wo sich jeder anstecken könnte? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. So dumm ist keiner von uns.«

Quinn bohrte weiter. »Ganz sicher, dass die Opfer keine schwarzen Adern hatten?«

Erneut schüttelte Lou den Kopf, doch diesmal schaute er dabei ziemlich grimmig aus seinem Schmuddelhemd.

»Keine milchigen Pupillen?«, hakte Quinn hartnäckig nach.

Wieder verleugnete Lou die Möglichkeit und wirkte noch genervter. »Hältst du mich für blöd? Das wäre mir doch aufgefallen. Wir alle kennen die Anzeichen des Juren-Virus doch wohl zu gut, als dass wir sie nicht bemerken würden.«

»Dir kam sonst nichts an dem letzten Opfer komisch vor? Er war nicht seltsam, hatte mit keinem Streit?«

Lou zuckte mit den Schultern und seine Miene offenbarte, dass seine Geduld bald am Ende war. »Nein. Der Kerl war ein stummer Fisch. Hat selten mit jemandem gesprochen, brav und still im Eck seine Blue Fogs getrunken.«

Quinn schnaufte laut aus. Nach einem kurzen Zögern stellte er eine neue Frage und bemühte sich dabei viel zu auffällig, unbekümmert zu wirken, sodass er damit das Gegenteil erreichte. »Er und die anderen beiden Toten hatten nicht zufällig irgendwelche Geschwüre, oder?«

»Geschwüre?«, wiederholte Lou sichtlich von den Socken. »Was für Geschwüre, zum Teufel?«

Quinn schien mit sich zu ringen und ließ ihn einen Moment auf die Antwort warten. »Seit ein paar Wochen ist uns aufgefallen, dass die Infizis sich verändert haben. Sie bekommen Geschwüre. Eitrige Blasen, die aufplatzen und ihren stinkenden Inhalt verbreiten. Wir befürchten, dass sich durch das umherspritzende eitrige Sekret das Virus noch schneller ausbreiten wird.«

»Was ist denn das für eine widerliche Scheiße?« Lous Gesicht verzog sich vor Ekel und wurde eine Spur blasser. »Mann, haltet euch hier bloß zurück mit solchen Neuigkeiten, da vergeht einem ja der Durst.«

Der alte Lou war definitiv nicht auf den Mund gefallen. Wir tranken daraufhin unsere Blue Fogs zügig leer und verließen das Black Haven.

Der Saloon lag auf einer mittleren Ebene im stufenartig aufgebauten Bare Hill. Am Hang, auf der überdachten Terrasse, bot sich uns ein Blick über die restlichen Baracken, die unterhalb an das Black Haven gebaut worden waren. Holzstege und -treppen, die von Pfählen getragen wurden, verbanden die notdürftig zusammengehämmerten Schrottbauten miteinander. Wie in jeder Siedlung waren diese Wege wie auch offene Plätze von Wellblech und Plexiglasplatten überdacht und die Leute wandelten unter den hässlichen, aber zweckmäßigen Arkaden entlang.

»Diego, Rhett, ihr sucht den Doc auf. Fragt ihn nach Anzeichen bei den Leichen. Vielleicht hatten sie sich doch das Virus eingefangen oder zeigten womöglich diese komischen Geschwüre.« Kaum vernehmbar murmelte Quinn in seinen roten Vollbart: »Noch so eine beschissene Krankheit, die uns gefehlt hat.«

»Und wir gehen zum Sheriff, nehme ich an?«, fragte ich ihn und überlegte, wo wir den Ordnungshüter von Bare Hill finden konnten.

»Genau so ist es«, sagte Quinn und schlängelte sich zwischen den Tischen und Stühlen hindurch.

Im Gegensatz zu mir schien mein Chief eine genau Vorstellung zu haben, wo wir nach dem Sheriff suchen mussten, also wackelte ich ihm brav hinterher.

»Um diese Uhrzeit dürfte er noch beim Barber sein«, dröhnte Quinns Bariton vor mir.

Ich prustete in mich hinein. »Klar, denn wenn man schon für Ordnung zwischen einem Haufen verwahrloster Baracken sorgt, dann bitte mit täglich gepflegtem Bart und gestylten Haaren.«

Quinn drehte sich mit einem Grinsen zu mir. »Mensch, Tilly, lass dem Mann doch diese Freude. Nicht jeder wacht morgens so hübsch frisiert auf wie du.«

Meine Augen verengten sich. »War das etwa sarkastisch gemeint?«

Quinn brach in Gelächter aus, während er weiter vorantrabte. »Bin ich lebensmüde?«

Dicht an seinen Fersen klebend deutete ich ihm mit einem lauten Brummen an, dass ich ihm auch das nicht glaubte. Denn meine Haare waren immer ein Nest aus wilden Locken, die ich schier nicht bändigen konnte und wenn, dann nur mit einem groben Kamm und ganz, ganz viel Zeit, die wir selten hatten. Deswegen schlang ich sie meist zu einem Knoten, der sich auch leichter unter der Kapuze unserer Ledermäntel verstecken ließ, wenn es mal wieder regnete.

Nach ein paar Stegen und Treppen, die uns den Hang ein Stück hinuntergeführt hatten, erreichten wir eine schiefe Hütte, die aus Holz gezimmert und mit Blechlamellen verkleidet war. Ein rostiges Schild hing über dem Eingang, auf das jemand konsequent unschön Alles für den Mann gepinselt hatte.

»Wenn er so rasiert und schneidet, wie er schreibt, dann können wir froh sein, den Sheriff noch lebend anzutreffen«, spottete ich.

Quinn, der bereits die Klinke des todschicken Herren-Beauty-Salons in der Hand hatte, der ehrlich gesagt doch eher tot als chic aussah, schmunzelte. »Komm schon, Tilly, schalt einen Gang runter. Nicht, dass der Sheriff uns einsperren will, weil du seinen besten Freund, den Barber, verärgerst.«

»Als hätte ich dich je bei deinen Ermittlungen behindert.«

Quinns Augenbrauen hoben sich zu einer stillen Ist-das-dein-Ernst-Frage.

Mit einem Stöhnen ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. »Ah, na gut, vielleicht ein- oder zweimal könnte ich es dir vermasselt haben.«

Quinns Brauen ruckten noch ein Stück höher auf seiner Stirn. Weiß der Geier, wie er das machte.

»Okay, es könnten auch mehrere Male gewesen sein«, gab ich zu. »Aber dafür, dass der Flintenmacher in Forest City hinter uns her schoss, bin ich nicht verantwortlich.«

Quinn neigte den Kopf ganz so, als könnte er mich nicht hören.

Ratlos hob ich die Hände. »Was? Ich hatte ihn bloß gefragt, ob er auch taugliche Munition verkaufen würde und nicht bloß die verrosteten Blindgänger, die er uns unterjubeln wollte. So wussten wir zumindest: Ja, er hat tatsächlich Munition, die nicht nur aus leeren Hülsen oder nasser Treibladung besteht.«

»Ja, leider wollte er uns damit lieber erschießen, als sie uns zu verkaufen. Also bitte, halt dich diesmal mit deinen Kommentaren zurück. Bei Lou schaffst du das ja auch.«

»Vor Lou hab ich ehrlich gesagt auch ein bisschen Angst. Wer weiß, was der Alte mir sonst in mein Glas schütten würde, wenn ich mal nicht hinschaue. Nein, da halt ich lieber meine vorlaute Klappe.«

»Gute Entscheidung«, meinte Quinn und betrat den Barber-Shop.

Ich folgte ihm und stand einen Augenblick später in einem kleinen Schuppen, dessen Plexiglasdecke das trübe Tageslicht hereinließ. Die Sonne, wie Quinn sie mir in seinen Erzählungen beschrieb, hatte ich noch nie gesehen – ich kannte sie nur als helle Scheibe hinter einem grau verwaschenen Dunst. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie grellgelb sein und Wärme abgeben sollte. Noch unglaublicher war jedoch seine Mär von einem leuchtend blauen Himmel, der sich abends oder morgens mithilfe der Sonne in ein glühendes Flammenmeer verwandeln sollte. All das klang so unglaublich und zugleich wunderschön, dass ich mir wünschte, in einer anderen Zeit geboren worden zu sein.

Doch ich war hier in diese graue gefährliche Welt geschmissen worden und da stand ich nun: in einem heruntergekommenen Barber-Shop mit ramponierten Spiegeln und klapprigen Friseursesseln. Auf einem von diesen hockte der grauhaarige Sheriff, den ich bereits von früheren Treffen kannte. Hinter ihm stand ein schlanker, kleiner Mann, der mir schon in Lous Saloon ein- oder zweimal über den Weg gelaufen war. Abgesehen von dem großen Schnauzbart hatte er die untere Gesichtshälfte des Sheriffs bis zur Nasenspitze mit Schaum eingedeckt und schabte mit einer Klinge über dessen Wange.

»Guten Morgen, die Herren«, rief Quinn und näherte sich den beiden.

»Morgen«, nuschelte ich ebenfalls und die Männer erwiderten unseren Gruß.

»Ah, Quinn, auf euch habe ich schon gewartet«, kam es vom Sheriff. »Wahrscheinlich habt ihr schon mitbekommen, dass es einen dritten Mord in meiner Stadt gegeben hat.«

»Ja, wir waren gerade bei Lou und haben uns ein wenig umgehört. Das letzte Opfer scheint ja ein recht stiller Typ gewesen zu sein.«

Der Barber stellte sein Tun ein und schenkte nun auch Quinn seine Aufmerksamkeit. »Ja, er wohnte weiter oben in den Hügeln am Rand in der letzten Reihe. Hatte nur eine kleine Hütte, in der er nach dem Tod seiner Mutter allein lebte.«

»Keine Frau oder Kinder?«, fragte Quinn.

Die Männer schüttelten stumm die Köpfe.

»Woran ist er genau gestorben? Gab es Verletzungen?«

»Nein, nicht mal einen Kratzer hatte er«, kam es vom Sheriff. »Er war wie die anderen beiden Opfer einfach nur tot. Lag mit offenen Augen und Mund da. Das war alles. Keine Einstichstelle, keine Würgemale und auch keine Verfärbungen der Zunge, die auf ein Gift hinweisen würden. Dem Doc ist es ein Rätsel, an was sie gestorben sein könnten.«

Quinn nickte stumm und mir kamen die Leichen aus den anderen Siedlungen in den Sinn. Exakt dasselbe.

»Stimmt es, dass die Toten in Clear Water und Forest City auch einfach nur ›tot‹ waren?«

Erneut bejahte Quinn mit einem Nicken. »In Little Babylon fand man ebenfalls zwei Leichen, an denen keinerlei Gewalteinwirkungen festzustellen waren. Anfangs glaubte man, die Menschen seien eines natürlichen Todes gestorben. Aber als die Fälle sich häuften, wurden wir stutzig.«

Die Stirn des Sheriffs warf Falten. »Waren die Toten in den anderen Siedlungen ebenfalls nur Männer?«

»Nein«, antwortete Quinn. »Es waren auch Frauen unter den Opfern.«

»Furchtbar!«, meldete sich der kleine Barber zu Wort.

Das Gesicht des Ordnungshüters wurde stetig besorgter. »Ihr habt also keinerlei Anhaltspunkte?«

Quinn schüttelte den Kopf. »Nicht einen. Wir tappen total im Dunkeln.«

»Was habt ihr nun vor? Wie wollt ihr die Mörder fassen?«, wollte der Sheriff wissen.

»Auf die gute, alte herkömmliche Weise: Wir werden uns auf die Lauer legen.« Mit diesen Worten nickte mein Chief den beiden Männern zu, legte mir die Hand auf die Schulter und schob mich Richtung Ausgang. »Komm, Tilly, gehen wir uns ein Quartier suchen. Wir haben eine lange Nacht vor uns.«

***

Als sich schließlich die Dunkelheit über Bare Hill gelegt hatte, stand ich wieder in Lous Saloon. Doch diesmal hing ich allein an der Bar herum und nippte an meinem Blue Fog, während ich meine Blicke durch den Raum streifen ließ. Im Gegensatz zu heute Morgen hatte ich meinen Ledermantel und meine Pumpgun abgelegt und war nur mit zwei Pistolen bewaffnet, die unter dem hinteren Hosenbund und meinem weiten Pulli nicht auszumachen waren. Um älter zu wirken und nicht als Tilly, die junge Saverin, erkannt zu werden, trug ich meine Haare offen und ließ mir die langen Locken ins Gesicht baumeln.

Auf Quinns Anweisung hin hatte sich Rhett mir gegenüber am anderen Ende des Saloons einen Platz gesucht, um sowohl mich als auch mögliche Verdächtige im Auge zu behalten.

Ich linste zu ihm hinüber und machte eine unauffällige Bewegung, die ihn fragte, ob er jemanden im Visier hatte. Doch Rhett gab mir mit einem versteckten Kopfschütteln ein Zeichen, dass er nichts bemerkt hatte. Eine ganze Weile beobachteten wir die Männer und Frauen, die tranken, quatschten, miteinander flirteten oder Karten spielten. Keiner der Anwesenden fiel wegen sonderbaren Verhaltens auf. Einige lungerten schweigend am Tresen herum, andere versuchten mich anzubaggern. Da ich sie aber eiskalt ignorierte, schwirrten sie früher oder später unverrichteter Dinge wieder ab. Auch Rhett hatte unfreiwillig eine Eroberung gemacht: eine rothaarige Frau, die sich an seinem Tisch gepflanzt hatte und ihn seitdem vollquakte. Ich musste jedes Mal schmunzeln, wenn ich zwischendurch seine beinahe ängstlichen Blicke und das erzwungene Lachen einfing. Obwohl er mit seinen achtundzwanzig Jahren bestimmt nicht unerfahren in dieser Sache war, schien er sich total unwohl zu fühlen. In einer Horde durchgedrehter Infizis kam er mir tatsächlich besser aufgehoben vor. Dabei war Rhett sehr begehrt bei den Damen. Schließlich sah er gut aus. Seine dunklen, stets gepflegten Haare, die ihm frech ins hübsche Gesicht fielen, die samtbraunen Mandelaugen, die von seinen asiatischen Wurzeln herrührten, und das ansteckende Lächeln hatten so gut wie immer die gleiche verheerende Wirkung auf das weibliche Geschlecht.

Kurz vor Mitternacht herrschte in der Bar großer Andrang und Diego kam herein. Auch er hatte den verräterischen Ledermantel der Saver abgelegt und schlenderte an meine Seite. Seine dunkelbraunen Haare hatte er sich schon seit einer Weile nicht mehr geschnitten, weshalb sie sich in seinem Nacken bereits kringelten. Mit dem buschigen Backenbart sah er beinahe wie ein verschollener Outlaw aus. Er begrüßte mich nicht, sondern benahm sich mir gegenüber absichtlich so, als wären wir Fremde.

»Quinn will, dass wir uns in den Gassen um den Saloon postieren«, hörte ich ihn wispern. »Verlass du als Erste die Bar, Rhett wird dir folgen. Ich komme dann nach.«

Da ich mich nicht als Saver zu erkennen geben wollte, fischte ich aus meinem Tauschwarenbeutel die mit Lou bereits verhandelten zwei Kopfschmerztabletten heraus und warf sie ihm auf den Tresen. Nach einem »Ich pack es für heute« machte ich mich vom Acker.

Die kühle Nachtluft ließ mich frösteln. Ein einsamer Strahler erhellte die Terrasse, auf der sich nur wenige Gäste aufhielten. Unterhalb von uns dehnten sich im Dunkeln die spärlich beleuchteten Baracken und Wege von Bare Hill aus. Es schien lediglich ein Handvoll Menschen unterwegs zu sein. Langsam wanderte ich über einen Steg vom Saloon fort. Ich entschloss mich, eine höher gelegene Ebene aufzusuchen. Denn mir erschien ein Überfall an einem Ort wahrscheinlicher, der nicht von oben her eingesehen werden konnte. Wäre ich ein Räuber oder Mörder, überlegte ich, würde ich eine Ecke aufsuchen, die stark verwinkelt und weniger belebt war. So stieg ich Stufe um Stufe den Hang hinauf, bis ich den aus Metallschrott bestehenden Wall erreicht hatte, der Bare Hill umgab und seine Bewohner vor den Angreifern des Outlands schützte.

Ich lief an der Gerberei-Baracke vorbei und der Gestank nach dem verfaulten Fleisch der Lederhäute und Chemikalien ließ mich für ein paar Schritte den Atem anhalten. Mir kam gerade in den Sinn, dass sich hier wohl keiner freiwillig aufhalten würde, als ich am Ende des Weges zwei Gestalten ausmachte. Zwischen den zum Trocknen aufgehängten Lederstücken, die sanft im Wind schwangen, entdeckte ich ein Paar, das sich an den aufeinandergetürmten Schrottteilen vergnügte. Wegen des schwachen Lichts einer weit entfernten Lampe vermutete ich bloß anhand der Statur, dass die vordere Person ein Mann war. Ein unterdrücktes weibliches Murmeln drang an meine Ohren und ich wollte mich schon unbemerkt von dem Liebespärchen zurückziehen, als plötzlich ein Schatten auftauchte. Rabiat riss er den Mann von der Frau fort, verpasste ihm einen Haken, der ihn aus meiner Sicht schleuderte. In der Zwischenzeit hatte die Frau aufgeschrien und rannte davon. Ohne sich noch einmal nach ihrem Lover umzudrehen, stürzte sie laut schluchzend an mir vorbei. Ich hörte ein kräftiges Rumpeln und dann ein Röcheln, weshalb ich meine Schritte beschleunigte. Voller Hast und Aufregung suchte ich zwischen den Lederstücken nach den prügelnden Männern. Lappen um Lappen stieß ich zur Seite. War ich in einen Beziehungsstreit geraten, wo sich zwei Kontrahenten um eine Frau prügelten, oder hatte ich womöglich den richtigen Riecher gehabt und die Mörderbande auf frischer Tat ertappt?

Das Röcheln war verstummt, doch die Stille ließ mich immer hektischer werden. Wo waren die Männer abgeblieben?

Zwischen den gegerbten Lederteilen irrte ich von dem Schrottwall weg und hinüber zur Barackenwand. Dann endlich erspähte ich ihn: den Schatten. Er verschmolz fast mit der Dunkelheit und hatte sich über den Mann gebeugt, der sich unter ihm am Boden krümmte. Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, oder vielmehr, um nicht zu begreifen, was ich vor mir sah. Fassungslos verharrte ich auf der Stelle.

2.

Der Tag, an dem du starbst

Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper. Was geschah da vor mir?

Mir stockte der Atem, als ich einen feinen gleißenden Nebelstrom aus dem Mund des am Boden liegenden Mannes emporschweben sah, der von dem Schatten förmlich eingesaugt wurde. Das dauerte nur einen Moment und doch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Irgendwann hallte ein leises, müde klingendes Seufzen zu mir herüber, das nur von dem Opfer stammen konnte. Noch während ich überlegte, ob das sein letzter Atemzug gewesen war, vernahm ich das wohlige Stöhnen des Angreifers – ganz so, als hätte etwas seinen unendlichen Durst gestillt. Schließlich ließ er von seinem Opfer ab, richtete sich auf und ganz abrupt, als ob er meine Anwesenheit gespürt hätte, wandte er seinen Kopf in meine Richtung.

Schweiß strömte schlagartig über meinen Rücken. Das Herz raste in meiner Brust und meine Füße begannen wie von selbst vor diesem schrecklichen Wesen zurückzuweichen, das nun mich im Visier hatte. Langsam erhob es sich und meine Knie fingen an zu zittern. Erst jetzt, als ich es so deutlich vor mir sah, wurde mir klar, wie ungeheuer groß und breit dieses Etwas, dieses Ding sein musste und dass es seine Gestalt unter einem bodenlangen Kapuzenmantel verbarg. Es taumelte auf mich zu und ich tastete panisch nach meinen Pistolen, doch ehe ich sie ziehen konnte, durchbrachen drei Schüsse die Nacht. Der Kopf des Schattens kippte brutal nach vorn und sein gesamter Körper erbebte unter der Wucht der Einschüsse, ehe er wenige Schritte vor mir zusammenbrach.

Ich stand immer noch wie erstarrt da, als ich plötzlich Rhetts Stimme vor mir aus der Finsternis vernahm. »Tilly? Bist du das etwa? Scheiße, ich wusste nicht, dass du hinter dem Kerl stehst. Ich hätte dich niederschießen können, verdammt!« Mein Teamkollege kam auf mich zugerannt und schloss mich in die Arme. »Geht es dir gut? Bist du unverletzt!«

»Ja, ja«, stammelte ich, noch immer durcheinander von dem, was ich glaubte, gesehen zu haben. Ich schloss die Augen an Rhetts Brust und sog für einen Moment seinen mir vertrauten Geruch ein. Doch schon im nächsten Augenblick schob er mich wieder von sich und wandte sich dem Mann und dem seltsamen Wesen zu. Ein Bedauern über den Verlust an Wärme und Geborgenheit wallte in mir auf, das ich aber sofort im Keim erstickte. Ich durfte diese Gefühle nicht zulassen. Liebe machte schwach – denn was man liebte, tötete man nicht. Aber genau das tat ich, das war meine Aufgabe als Saver, weswegen es einer unserer Leitsätze war, vielleicht sogar der wichtigste von allen. Wäre Quinn hier gewesen, hätte Rhett sich diese Geste verkniffen. Und dennoch war ich meinem Teamkollegen ein kleines bisschen dankbar dafür, dass er sich einen winzigen Augenblick nicht im Griff gehabt hatte.

»Was zur Hölle war das? Was hat das Ding mit dem Typen gemacht? Hast du das auch gesehen?«, fragte Rhett und schlich langsam auf die am Boden liegende Gestalt zu. Er beugte sich nieder und drehte sie um. Vorsichtig streifte er die Kapuze über den Schädel des Angreifers. Licht fiel auf ein fahles Gesicht. Dunkle, buschige Augenbrauen, eine schmale, lange Nase und ein breiter Mund, der von einem Dreitagebart umgeben war, zeigten die Züge eines Mannes. Er musste in Rhetts Alter sein, Ende zwanzig. »Scheiße, das … das ist ein ganz gewöhnlicher Kerl. Aber …«, Rhett blickte zu mir auf, »Tilly, du hast es doch auch gesehen, oder? Diesen Rauch, diesen Dunst, der aus dem Mund des anderen aufstieg und von ihm eingesaugt wurde?«

Ich schluckte und bekam nur ein krächzendes »Ja« heraus. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hatte mich also nicht getäuscht. Alle Schrauben waren noch fest in meinem Oberstübchen.

Plötzliche Schritte in der Dunkelheit ließen uns aufhorchen.

»Es muss von dort drüben gekommen sein.«

»Hey, das ist doch Rhett, oder?«

»Was ist denn da los?«

Es waren Diego und Quinn, die auf uns zueilten und leicht außer Atem bei uns zum Stehen kamen.

Quinn, der mit geübtem Blick mich und unsere Lage erfasst hatte, deutete auf die beiden bewegungslosen Männer. »Was ist passiert? Wir haben Schüsse gehört.«

Diego starrte besorgt zu mir herüber. »Tilly? Du bist ja ganz bleich. Alles in Ordnung mit dir, hermanita?«

»Ja«, antwortete ich. Mit einem Räuspern zwang ich mich auf Rhett und die anderen zuzugehen.

»Ich hab geschossen«, berichtete er Quinn. »Nachdem ich den Saloon verlassen hatte, nahm ich den parallel verlaufenden Weg, den Tilly eingeschlagen hatte. Da fiel mir der Kerl hier oben auf.« Mit einem Nicken deutete er auf den Mann, den er erschossen hatte. »Er drückte sich in den Ecken rum, blieb immer im Schatten der Baracken, bis mir klar wurde, dass er dem Paar hier auflauerte. Die zwei waren gerade am Rummachen, als er plötzlich über den Mann herfiel und ihn niederschlug. Die Frau flüchtete, doch der arme Kerl konnte ihm nicht entkommen.« Mit dem Finger zeigte er auf das Opfer.

»Hat er ihn getötet?«, fragte Diego.

»Ich glaub schon, irgendwie …«, murmelte Rhett unsicher.

»Was heißt hier ›glaub schon irgendwie‹?« Quinns Stimme klang ungehalten und prompt ging er zu dem vermeintlichen Toten hinüber. »Ist er nun tot oder nicht?«

»Na ja, der Kerl hat irgendwas aus ihm rausgesaugt. Ich weiß nicht, was es war. Es war wie ein Dunst, der von dem einem zum anderen wechselte«, nuschelte Rhett.

Quinns Augenbrauen erhoben sich in nie gekannte Höhen. Ganz klar, er hielt Rhett für total durchgedreht. Ehrlich, das konnte ich meinem Chief nicht übelnehmen, denn ich hätte ihm das auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen beobachtet hätte.

Quinn holte eine kleine Stabtaschenlampe aus seiner Hosentasche. »Echt jetzt, Rhett? Ausgerechnet hier und jetzt willst du mich verarschen? Das darf doch wohl nicht wahr sein …« Mit einem verärgerten Grummeln leuchtete er dem Opfer ins Gesicht.

Mir blieb das Herz stehen.

»Shit!«, hauchte Diego.

Rhett blieb die Spucke weg. Mir auch.

»Hm«, grummelte Quinn und blickte zu uns hinüber. »Ich … ähm … Okay, ich glaube, Rhett … du hast die Mörderbande gefunden und erledigt.«

Der tote Mann zeigte genau dieselben vor Schreck geweiteten Augen und den offenstehenden Mund wie die bisherigen Opfer der Siedlungen. Rhett und ich hatten offenbar den mutmaßlichen Mörder gefunden. Aber konnte es wirklich nur dieser eine Mann gewesen sein? Gut, er war groß und stark und nach dem, wie er den Mann getötet hatte, schien er sowieso ein besonderer Mensch gewesen zu sein. Aber vielleicht war er gar kein … Mensch. Nur was war er dann?

Ich blickte zu dem sonderbaren Mann zurück, der im matten Lichtschein der Lampe lag. Plötzlich begannen seine Lider zu flattern. Unter einem Stöhnen öffnete er die Augen und setzte sich ruckartig auf, um einen tiefen Atemzug zu nehmen.

Rhett, der noch über ihm gekauert hatte, machte einen erschrockenen Satz zurück und landete auf seinem Allerwertesten. Wild strampelnd versuchte er auf die Beine zu kommen und seine Waffe zu ziehen.

Aber Diego war schneller und hatte seine Knarre schon in der Hand und ballerte eine ganze Salve auf den Untoten ab. Der sackte in sich zusammen und fiel tot nach hinten.

»Rhett, ich dachte, du hättest auf ihn geschossen und auch getroffen?«, schrie Quinn fuchsteufelswild.

Der schüttelte verständnislos den Kopf. »Das habe ich auch. Ganz sicher! Ich sah doch noch, wie sein Körper von der Wucht der Kugeln durchgeschüttelt wurde.«

Ich nickte. »Ja, ja, das habe ich auch gesehen.«

»Mit dem Kerl stimmt doch was nicht«, blaffte Diego.

Quinn eilte zu dem zweimal Erschossenen hinüber. »Den werden wir uns jetzt genauer ansehen. Ich habe da eine ganz üble Vermutung. Hat jemand von euch Handschuhe dabei, ich habe meine im Mantel vergessen?«

Ohne einen Kommentar hielt Diego ihm ein paar Lederhandschuhe hin, die er aus der Hintertasche seiner Jeans gezogen hatte. Quinn tauschte sie mit ihm gegen seine Taschenlampe und legte sie an. Im Kegel des Lichts konnte ich beobachten, wie Quinn den Kopf des Toten wendete und dessen Hals von jeder Seite untersuchte. Doch weder dort noch im Gesicht oder entlang des kantigen Kiefers waren Spuren von schwarzen Adern oder eines eitrigen Geschwüres zu entdecken. Lediglich eine alte Narbe, die quer über die Kehle verlief und auf eine missglückte Strangulation schließen ließ, war zu finden. Nachdem die Suche an den Händen und Unterarmen ebenso kein Ergebnis gebracht hatte, öffnete Quinn den durchlöcherten Ledermantel des Toten. Ein blutdurchtränkter Pulli kam zum Vorschein, den er hochschob, um auch den Rumpf zu überprüfen. Die von Diego verursachten Einschusslöcher zeigten blutige ausgefranste Ränder. Jede Menge verschmiertes Blut hatte sich auf den gut ausgebildeten Bauchmuskeln des Mannes gebildet. Er musste äußerst athletisch und sehr stark gewesen sein. Auch seine kräftigen Hände und Unterarme deuteten darauf hin.

War er ein Kämpfer gewesen?

In Little Babylon gab es eine Gladiatorenarena, bei der man Wetten eingehen und seine Tauschgüter auf einen Kämpfer setzen konnte. Hatte er damit seinen Lebensunterhalt bestritten?

Plötzlich hob sich die Bauchdecke des Toten, als würde er atmen.

»Bitte nicht schon wieder schießen. Spart euch eure Kugeln, ich kann ohnehin nicht sterben.«

Wir alle stoben von dem Untoten fort wie ein aufgeschreckter Schwarm Schmeißfliegen.

»Wow!«, raunte Rhett.

Diego hatte schon wieder seine Pistole in der Hand, doch Quinn hielt ihn davon ab, sie zu benutzen, indem er die Waffe niederdrückte. »Warte, Diego!«

»Ich weiß nicht, Quinn. Ich würde ihn lieber noch mal über den Haufen schießen.«

»Jetzt erst mal nicht, später vielleicht noch mal«, antwortete Quinn todernst.

Wir alle waren viel zu sehr geschockt und mir rutschte bloß ein verdattertes »Fuck!« heraus.

»Wer bist du?«, fragte Quinn leise drohend.

»Ich bin Josh.«

»Josh? Und wie noch?«, bohrte Quinn weiter.

»Nur Josh«, murmelte der Untote und stützte sich allmählich auf die Ellbogen. Er musterte uns, checkte einen nach dem anderen ab, bis er zu guter Letzt bei mir hängen blieb.

Mit einem Mal flammte in meinen Wangen ein Feuer auf. Bestürzt nahm ich wahr, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. So etwas war mir noch nie passiert. Ich wollte meinen Blick senken, doch ich brachte es nicht fertig – wie gebannt starrte ich zu Josh zurück. Das Atmen fiel mir schwer, denn die eisige Gleichgültigkeit in seinen nachtschwarzen Augen löste ein Prickeln unter meiner Haut aus. Ich konnte es nicht einordnen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Gefühl war. Es verwirrte mich, weil ich solche Empfindungen noch nie bei jemandem gespürt hatte.

»Was zur Hölle bist du, Nur-Josh?« Quinns unheilvoller Ton veranlasste den Fremden seine Augen von mir abzuwenden.

Sofort konnte ich wieder freier atmen.

»Was ich bin? Ein Mensch, ein ganz gewöhnlicher Mensch. Genau wie ihr.«

Rhett schüttelte spöttisch lachend den Kopf. »Nein, Mann. Du bist definitiv nicht wie wir. Wenn ich eine Salve Kugeln abbekomme, sterbe ich und stehe nicht wieder lebendig auf.«

»Also los, erzähl schon: Was bist du? Mein Finger am Abzug juckt gewaltig«, bellte Diego.

Josh rappelte sich hoch, sodass er aufrecht vor uns saß. Seine Kapuze rutschte noch weiter nach hinten und legte einen kurz geschnittenen Haarschopf frei. »Ich bin wirklich ein ganz normaler Mensch, das Einzige, was mich von euch unterscheidet, ist, dass ich nicht sterben kann.«

»Bullshit!«, blaffte Quinn. »Vielleicht bist du ein Mensch, aber kein normaler. Hast du dir ein unbekanntes Juren-Virus eingefangen? Oder bist du einem Labor entsprungen?«

Rhett, Diego und ich blickten wie auf Kommando verwundert zu unserem Chief hinüber. Einem Labor entsprungen? Wie kam er auf diese Idee, die eigentlich gar nicht mal so abwegig war?

»Nein, ich habe kein Juren-Virus«, entgegnete Josh und fing an zu grübeln. »Ich hatte noch nie ein Virus. Obwohl, warte … doch, aber … das ist eine Ewigkeit her.«

Rhetts Brauen hoben sich ungläubig. Nach Diegos Miene zu urteilen, hätte er am liebsten sein ganzes Magazin auf Josh abgefeuert.

Nur Quinns Gesicht blieb regungslos. »Wie alt bist du?«, fragte er.

Josh verzog sarkastisch den Mund. »Ähm, na ja, ziemlich alt. Hab aufgehört zu zählen.«

Ich musste mir ein Prusten verkneifen. Der Kerl verarschte uns doch. Das Ganze war viel zu verrückt, um wahr zu sein. Wie er den Mann gekillt hatte, wie er nach den Schüssen jedes Mal wieder zum Leben erwacht war. Ha, jetzt verstand ich es: Die Jungs nahmen mich auf den Arm, glaubten anscheinend, ich durchschaute das Theater nicht. Dabei war das doch offensichtlich ein total übertriebenes abgekartetes Spiel. Sie wollten sich wohl mal wieder auf meine Kosten amüsieren, wie sie es schon öfter getan hatten, wenn sie mir zum Beispiel Essig in den Tee mischten, Flechtbeerengelee in die Stiefel füllten oder meine Hände über Nacht mit Asche beschmierten, damit ich sie am nächsten Morgen in meiner Visage fand. Nein, diesen durchgedrehten Fake nahm ich ihnen nicht ab.

Quinn tat so, als ließe er Josh die freche Antwort durchgehen, was mich nur noch mehr in meiner Vermutung bestärkte. »Warum hast du den Mann umgebracht?«, fragte er seelenruhig und deutete mit einer Kopfbewegung auf den anderen vermeintlich Toten. »Und vor allen Dingen, wie hast du ihn getötet? Er hat keine Verletzungen. Hier liegt nirgends eine Waffe herum. Also, wie hast du das angestellt?«

Josh räusperte sich und zuckte mit den Schultern. »Wie ist doch egal. Er hat es verdient, das ist das Einzige, was euch Saver interessieren sollte.«

»Ich sagte dir doch, er hat etwas aus ihm rausgesaugt. Lebenskraft oder so …« Es war Rhett, der Quinn die Antwort über das Wie gab.

Ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht hysterisch loszulachen. Mein Kumpel Rhett hatte recht. Ich selbst hatte es gesehen und doch … Das Ganze war zu verrückt. Verarschte mein Team mich wirklich? War das alles nur eine Show?

»Hat er recht? Ist es das, was du ihnen nimmst – die Lebenskraft?« Ungerührt setzte Quinn sein Verhör an Josh fort und genauso fassungslos hörte ich den beiden zu.

Offenbar gelangweilt schnaufte Letzterer laut aus. »Glaubt mir, ihr wollt es nicht wissen. Ihr würdet mir sowieso nicht glauben und ich würde euch damit bloß den Schlaf rauben.«

»Okay, das reicht«, blaffte Diego dazwischen. »Lass mich ihn endlich kaltmachen, Quinn. Aber diesmal richtig. Ich rasier ihm mit meinem Jagdmesser den Kopf ab. Der wird ihm ja wohl nicht mehr nachwachsen.«

Josh schnalzte mit der Zunge. »Na, ich kann dir da nichts versprechen. Könnte schon sein. Ehrlich gesagt wäre ich dir sogar dankbar, wenn es endlich mal klappen würde – mit mir und dem Tod.«

Kaum hatte er fertig gesprochen, donnerten drei Schüsse durch die Nacht und Josh kippte wieder rücklings zu Boden.

Hey, Leute, jetzt war’s doch aber echt mal gut mit dieser Show!

Quinn wirbelte zu meinem Teamkollegen herum. »Verdammt, Diego. Was sollte das?«

»Was denn? Der Schwätzer hat mich genervt. Außerdem wacht er sowieso gleich wieder auf und wenn nicht … hab ich ihm angeblich ja einen Gefallen getan.«

Quinn schüttelte verächtlich den Kopf. »Mal daran gedacht, dass wir ihn jetzt durch die Gegend schleifen müssen? Ist dir nicht aufgefallen, dass der Kerl nicht gerade ein Fliegengewicht ist?«

Diego fiel die Kinnlade herunter. »Nein! Sag jetzt nicht, du willst ihn zu den Savern mitnehmen?«

Ach was, Josh sollte mein neuer Teamkollege werden? Die Show war sein Einstand gewesen? Aber … seltsam, eigentlich hatte doch jedes Team nur vier Mitglieder. Wollte Quinn mich etwa ersetzen? Böses ahnend betrachtete ich meinen Chief.

»Doch genau das habe ich vor. Mason soll ihn sich anschauen«, rief er Diego zu und machte sich daran, den mal wieder toten Josh auf die Beine zu ziehen.

Quinn wollte Josh zu Mason bringen? War das sein Ernst? Hm, es sah auf jeden Fall danach aus, als wäre es so. Mir wurde mulmig. Mason war der Major der Savers und traf sich lediglich mit den Chiefs in seinen Räumlichkeiten, die sonst keiner von uns betreten durfte. So gut wie nie kam er zu seiner Tür heraus, sondern blieb immer dahinter. Was wurde hier gespielt? So langsam kamen mir Zweifel. War das hier doch kein Scherz? War das echt?

Verstohlen schaute ich auch in die Gesichter meiner anderen beiden Kameraden. Sie wirkten nervös, unsicher bis völlig ratlos. Ein dicker Klumpen blähte sich in meinem Magen auf. Das war gar nicht gut. Mein Instinkt warnte mich nun eindeutig vor einer Gefahr – vor einer echten Gefahr. Das war kein Witz. Dieser Josh, die Art, wie er den Mann getötet hatte, Quinns sonderbare kühle Reaktion darauf, das alles machte mir mehr Sorgen, als mir lieb war.

3.

Der Tag, an dem ich dich lachen hörte

Diego und Rhett hatten Josh mit vereinten Kräften zu unserem Quartier geschleppt. In der Zwischenzeit hatte Quinn den Sheriff aufsuchen und davon unterrichten wollen, dass es einen neuen Toten gab und wir dessen Mörder gefasst hatten.

Meine Kumpel packten Josh auf einen Stuhl, wo sie ihn sogleich gründlich festzurrten.

»Mann, das gefällt mir nicht«, nuschelte Diego nebenher. »Der Sheriff wird nicht begeistert sein zu hören, dass wir den Mörder zu den Savern mitnehmen.«

»Was sollte der denn auch mit ihm machen? Ihn jeden Morgen erhängen?«, fragte ich und ließ mich auf eins der vier Betten plumpsen, das gegenüber von Joshs Stuhl stand. Ich winkelte die Beine an und stütze mich mit den Ellbogen auf meinen Knien ab, um meinen Kopf gemütlich auf den Händen abzulegen und meine Kollegen bei ihrer Arbeit zu beobachten.

Diego grunzte verdrießlich und Rhett, der seinen Teil der Arbeit bereits erledigt hatte, nahm an meiner Seite Platz. Er behielt Josh im Auge, der uns mit einem Ächzen verkündete, dass er allmählich wieder ins Leben zurückfand.

»Das ist absolut verrückt. Wie kann ein gewöhnlicher Mensch unsterblich sein?« Grummelnd rieb er sich über den Mund.

»Keine Ahnung«, entgegnete Diego und setzte sich ebenfalls zu uns auf die Bettkante. »Auf jeden Fall kann ich den Kerl nicht leiden. Erstens rennt er in der Gegend rum und bringt Leute um und zweitens kann man ihn nicht plattmachen.«

»Was regt ihr euch darüber auf? Ich habe euch einen Gefallen getan, sie alle hatten es verdient zu sterben«, krächzte Josh und schlug die Lider auf. Sein Blick glitt über uns hinweg. Ein Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. »Ihr seht nicht nur aus wie die drei Affen, ihr verhaltet euch auch genauso. Ihr wollt es nicht sehen, nicht hören und auch nicht darüber reden. Und doch wird es nichts daran ändern, dass ihr blind wart und die Vergehen dieser Männer und Frauen nicht wahrnehmen wolltet.«

Diego, der sich die Stirn gerieben und dabei seine Augen verdeckt hatte, hielt inne und schaute schließlich zu Rhett und mir hinüber. »Von was redet der?«

Ich blickte zu Rhett, der mit den Schultern zuckte. »Ich hab nicht den geringsten Schimmer.« Auch mir war der Begriff von drei Affen unbekannt, aber es sah tatsächlich so aus, als bedecke Diego seine Augen, als hielte ich mir die Ohren zu und Rhett sich den Mund. Aber all das war unwichtig im Vergleich zu dem, was Josh, der Unsterbliche, uns weismachen wollte und zugleich bestätigte.

Ich setzte mich auf. »Du gibst also zu, auch die anderen Morde in Clear Water und Little Babylon begangen zu haben?«

Joshs Augen richteten sich auf mich. Ein eisiges Feuer wütete in ihnen und ein spöttisches Grinsen trat auf seine Lippen. »Schau an, das kleine Mädchen mit den violetten Augen kann sprechen.«

Ich zog meine Knarre aus dem Hosenbund und zielte auf seine Beine. »Das kleine Mädchen kann dir auch ins Knie schießen, wenn du es nervst.«

Er lachte laut und der tiefe Ton seines Gelächters strömte geradewegs in meinen Magen, in dem es zu flattern begann. Erschrocken über dieses Gefühl schoss mir auch schon wieder das Blut ins Gesicht. Wieso reagierte mein Körper so komisch auf ihn? Die Angst, er könnte mein inneres Drunter und Drüber durchschauen, ließ mich seinem direkten Blick immer wieder ausweichen.

»Ja, das glaube ich dir sogar. Entschuldige, ich vergaß, wie sehr man in jungen Jahren um seine Anerkennung kämpfen muss.«

Mit einem Knurren schluckte ich die Widerworte zu seinem großspurigen Getue hinunter. Seine erneute Anspielung auf sein hohes Alter überging ich und reckte kämpferisch mein Kinn. »Entschuldigung akzeptiert. Also gibst du die anderen Morde ebenfalls zu?«

Josh nickte. »Ja, und den in Forest City auch.«

»Wir sollten ihn, bevor Quinn auftaucht, noch ein paar Mal erschießen«, kam es von Diego.

»Und dann? Was soll das bringen?«, mischte sich Rhett ein. »Tilly hat recht, wir sollten ihm eher eine Kugel ins Knie jagen. Da hätte jeder von uns was davon.«

»Nein, ihr Trottel«, rief ich. »Erstens wäre das Folter, was ein Saver niemals tun würde. Nur wenn es sein muss, verletzen oder töten wir, um das Leben Unschuldiger zu schützen. Schon vergessen? Zweitens könnte er dann wieder nicht laufen und ihr müsstet ihn tragen.«

»Stimmt«, gab Rhett zu. »Quinn würde uns den Kopf abreißen.«

»Empfindet er überhaupt Schmerzen?«, überlegte Diego.

»Ja, ich spüre jeden Schmerz«, bellte Josh ungeduldig. »Aber wollt ihr denn jetzt nicht endlich mal wissen, weshalb ich die Männer und Frauen umgebracht habe?«

»Scheiße!«, stöhnte Rhett. »Er ist ein Psycho. Jetzt will er uns auch noch alles über die Morde erzählen.«

Josh Augen verengten sich. »Was stimmt mit euch nicht? Hört ihr mir überhaupt zu?«

Ich schnaufte ungehalten. »Das ist ja nicht zum Aushalten mit euch dreien.«

In dem Moment kam Quinn rein und sein Blick fiel sogleich auf Josh. »Aha, wieder lebendig?« Er baute sich vor ihm auf. »Also, warum hast du den Mann umgebracht? Du sagtest vorhin, er hätte es verdient. Wieso?«

»Er war ein Vergewaltiger. Ich habe ihn eine Weile verfolgt und Nachforschungen angestellt. Er hatte bereits in den anderen Siedlungen und auch im Outland Frauen aufgelauert und sie geschändet.«

»Warum haben die Frauen das nicht den Sheriffs gemeldet?«, fragte Quinn ihn mit harscher Stimme. Er schien ihm nicht zu glauben.

Gelangweilt hob Josh den Blick. »Weil es die Sheriffs nicht interessiert, wenn es Frauen zur Anzeige bringen, die ihren Körper verkaufen, um zu überleben, oder ihre Gunst freizügig verschenken. Keiner hat sich darum gekümmert, also musste ich es tun.«

»Er wollte die Frau dort oben vergewaltigen?«, fragte ich erstaunt über diese Möglichkeit.

Josh beugte seinen Oberkörper zur Seite, damit er an Quinn vorbeilinsen und mich anschauen konnte. »Wenn sich die Frau wehrt und ihr der Mund gegen ihren Willen zugehalten wird, damit niemand ihre Schreie hört, verstehe ich das als Vergewaltigung.«

Mir wurde heiß. Deswegen die erstickten Laute. Das war kein Liebesgetuschel gewesen, kein Liebespaar während des Akts, sondern der verzweifelte Kampf einer Frau, die sich gegen ihren Peiniger zur Wehr gesetzt hatte.

Ich blickte zu Rhett. Er schaute ebenso erschrocken wie ich. Hatten wir die Lage der Frau so falsch erfasst?

Quinn drehte sich zu uns um. »Ihr beide wart bei der Gerberei. Hatte der Mann die Frau tatsächlich angegriffen?«

»Ich … ähm …« Rhett geriet ins Stocken. »Ich hatte nur Augen für ihn und das Paar erst später entdeckt.«

»Tilly?«, sagte Quinn und wartete gespannt auf meine Antwort.

»Es könnte durchaus so gewesen sein, dass der Mann der Frau den Mund zugehalten hat. Man hörte nur unterdrücktes Gemurmel, keine klaren Stimmen. Nachdem Josh den Mann von ihr fortgezogen hatte, rannte sie sogleich davon, ohne sich auch nur einmal nach ihm umzuschauen. Die Wahl des Ortes spricht im Grunde ebenfalls für ein Verbrechen. Wäre es ein Liebespaar gewesen, hätten sie sich in ihren vier Wänden vergnügen können oder an einem schöneren Platz. Haben sie aber nicht.«

Mit schief gelegtem Kopf sah ich zu Josh. Wie würde er auf meine Worte reagieren? Würde er hämisch grinsen, weil ich ihm geglaubt hatte und er in Wirklichkeit log?

Josh blieb jedoch ernst. Ungerührt setzte er sich wieder aufrecht. »Der vorletzte Typ aus Bare Hill, dem ich das Leben nahm, war ein Kinderschänder. Davor tötete ich einen Händler, der im gesamten Outland gepanschte Medizin verkauft hatte und eine Spur von Leichen hinter sich herzog. Der vierte, den ich zur Strecke brachte, hatte eine Hütte außerhalb der Siedlung, wo er regelmäßig entführte Frauen gefangen hielt, verstümmelte und tötete.« Er spickte erneut an Quinn vorbei und wandte sich an Rhett. »Das war ein Psycho.«

Quinn seufzte. »Deine Behauptungen sind ganz schön gewagt. Wir müssten sie erst überprüfen.«

»Bevor ihr was mit mir tut?«, fragte Josh und seine Brauen hoben sich abschätzig.

»Dich laufen lassen.«

Josh schnaufte amüsiert. »Ihr werdet euch bei mir noch bedanken und mich anflehen bei euch zu bleiben.«

»Pff, träum weiter!«, grunzte Diego neben mir.

»Wir werden sehen«, sagte Quinn. »Jetzt schlafen wir erst mal und morgen früh suchen wir den Sheriff auf.«

***

Am nächsten Morgen türmten sich am Himmel bedrohlich rot-graue Wolken. Sie kündigten Regen an und wir fanden den Ordnungshüter von Bare Hill mal wieder bei seinem Barber. Allerdings fingen wir ihn diesmal ab, als er die Herren-Beauty-Farm verließ – mit frisch gezwirbeltem Schnauzer. Rhett und Diego hielten Josh zwischen sich gefangen, während ich mit Quinn voranmarschierte.

»Guten Morgen«, erwiderte der Sheriff unseren Gruß. »Ist das der Mörder, den ihr gefasst habt?«

Mein Chief bewegte den Kopf in einer Art, die sowohl ein Bejahen als auch ein Verneinen hätte darstellen können. »Sieht ganz danach aus. Allerdings behauptet er, es hätte gute Gründe für die Tat gegeben.«

»Aha, und die wären?«

»In diesem Fall mehrfache Vergewaltigung.«

Das Gesicht des Sheriffs wurde kritisch. »Wie ich dir gestern Nacht bereits verraten habe, kenne ich den Kerl nicht. Er wohnt nicht in Bare Hill, taucht nur hin und wieder hier auf.«

»Gab es bei dir in letzter Zeit Anzeigen wegen Vergewaltigung?«, bohrte Quinn weiter.

Der Mund des Sheriffs verzog sich bitter. »Nicht direkt.«

Quinn horchte auf. »Was soll das bedeuten?«

»Na ja, die alte Lucy, die nie ganz nüchtern anzutreffen ist, behauptete eines Nachts im Black Haven, ein Mann hätte ihr oben bei der Gerberei aufgelauert und sich mit Gewalt genommen, wofür andere zahlen müssten.«

Quinn blickte für einen Moment über die Schulter zu Josh, der ihm mit einem leichten Nicken ein Sag-ich-doch andeutete. »Bist du der Sache nicht nachgegangen?«

Der Sheriff zuckte lässig mit den Schultern. »Warum sollte ich? Sie beschwerte sich nicht offiziell bei mir. Es war nur eine Unterhaltung zwischen Betrunkenen.«

»Gab es noch mehr solcher Vorfälle?«, fragte Quinn und klang dabei nicht gerade freundlich.

Der Sheriff, der begriff, dass er gerade erheblich in Quinns Achtung gesunken war, wirkte schlagartig angespannt. »Nein, nicht, dass ich wüsste.«

Ich geriet ins Grübeln. Entweder stimmte das, was Josh uns gesagt hatte, oder er hatte sich vorab nur gut informiert, um uns diesen Bären vom Rächer der Opfer aufbinden zu können. Uns blieb nur übrig auch seine restlichen Behauptungen zu überprüfen. Josh hatte das vorletzte Mordopfer beschuldigt, ein Kinderschänder zu sein.

Ich wandte mich an den Sheriff. »Der dritte Tote, von dem du uns gestern erzählt hast, der weder Frau noch Kinder hatte, sondern mit seiner Mutter hier in Bare Hill allein lebte, wie hat der seinen Lebensunterhalt verdient?«

Der Sheriff blickte verwirrt zu mir herüber. »Higgins? Na ja, seine Mutter hat früher mit Wäschewaschen und Nähen ihren Unterhalt bestritten. Seit ihrem Tod hilft er Lou beim Schnapsbrennen.«

»Und sonst?«, drängte ich weiter.

Ungehalten sah der Ordnungshüter mich an. »Viel mehr kann ich nicht erzählen. Im Saloon hielt Higgins sich selten auf, hat sich lieber mit Kindern abgegeben als mit Erwachsenen in seinem Alter. Oft hat er auf die Jungs aufgepasst, mit ihnen Fußball oder Karten gespielt.«

Noch während mir das Herz in die Hose rutschte, hörte ich Rhetts Flüstern hinter mir.

»Scheiße!«

»Das muss nichts heißen«, murmelte Diego verbissen.

»Was?«, fragte Quinn und schenkte uns drei auffordernde, fast schon mahnende Blicke. »Was ist los?«

»Na, Josh behauptete doch, dass der Tote … also dieser Higgins, sich an Kindern vergriffen hätte.« Herausfordernd schaute ich zum Sheriff.

Der wurde leichenblass. »Das … nein, das kann ich nicht glauben. Das kann nicht sein … Higgins war nie …« Er verstummte.

Quinn starrte zu Josh hinüber, als versuchte er, in ihn hineinzusehen. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Ohne seine Augen von ihm abzuziehen, fragte er den Sheriff: »Wie heißen die Jungs? Wo finden wir sie?«

Der Ordnungshüter geriet ins Stottern, nannte uns aber drei Namen und erklärte uns, wo sie in Bare Hill wohnten.