Dead Souls Burning (Dead Souls 1) - Izzy Maxen - E-Book
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Izzy Maxen

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Beschreibung

»Ich darf ihn nicht wiedersehen wollen. Ich darf mich nicht auf ihn einlassen. Ich darf nichts fühlen.«  Asher Campell ist leidenschaftlich, heiß und gefeierter Sänger der Rockband Dead Souls. Und leider ist seine Nummer das Einzige, was meine Schwester vor ihrem Verschwinden hinterlassen hat. Als ich ihn zur Rede stellen wollte, wurde ich stattdessen Zeugin eines Überfalls auf ihn. Danach konnte ich zusehen, wie sich die Wunden schlossen, die ihn eigentlich hätten umbringen sollen. Inzwischen kenne ich das Geheimnis dahinter: Asher Campbell ist ein Inmorti. Was bedeutet, dass er streng genommen tot ist. Trotzdem fühle ich mich unausweichlich zu ihm hingezogen – und verstricke mich immer tiefer in seine dunkle Welt. Ich hätte direkt bei unserer ersten Begegnung die Flucht ergreifen sollen. Doch jetzt ist es zu spät.  Diese düstere Enemies to Lovers Romantasy reißt ihre Leser*innen mit in einen übernatürlichen Krieg, finstere Familiengeheimnisse und eine verbotene Liebe. // Dies ist der erste Band der mitreißenden Urban Romantasy-Trilogie von Izzy Maxen. Alle Bände der »Dead Souls«-Reihe:  -- Band 1: Dead Souls Burning  -- Band 2: Dead Souls Falling (erscheint im Juni 2024)  -- Band 3: Dead Souls Loving (erscheint im September 2024)//

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Izzy Maxen

Dead Souls Burning (Dead Souls 1)

»Ich darf ihn nicht wiedersehen wollen. Ich darf mich nicht auf ihn einlassen. Ich darf nichts fühlen.«

Asher Campell ist leidenschaftlich, heiß und gefeierter Sänger der Rockband Dead Souls. Und leider ist seine Nummer das Einzige, was meine Schwester vor ihrem Verschwinden hinterlassen hat. Als ich ihn zur Rede stellen wollte, wurde ich stattdessen Zeugin eines Überfalls auf ihn. Danach konnte ich zusehen, wie sich die Wunden schlossen, die ihn eigentlich hätten umbringen sollen. Inzwischen kenne ich das Geheimnis dahinter: Asher Campbell ist ein Inmorti. Was bedeutet, dass er streng genommen tot ist. Trotzdem fühle ich mich unausweichlich zu ihm hingezogen – und verstricke mich immer tiefer in seine dunkle Welt. Ich hätte direkt bei unserer ersten Begegnung die Flucht ergreifen sollen. Doch jetzt ist es zu spät.

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Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Izzy Maxen ist Autorin, Lektorin, Mama, Ehefrau, Freundin, Leseratte, Fastnachter, Shoppingqueen und ganz klar schokoladensüchtig. Sie wohnt mit ihren fünf Männern im hektischen Rhein-Main-Gebiet und freut sich über jede Minute, die sie Zeit für ihre Bücher findet. Darin spielt sie gern mit Klischees und gibt direkt zu, dass sie den Bad Boys echt verfallen ist.

Playlist

Satellite – Rise Against

On Another Love – Radio Tyrant

Power Over Me – Dermot Kennedy

Hold On – Chord Overstreet

Head Above Water – Roll for it

My Happy Ending – Avril Lavigne

Wanted Dead Or Alive – Bon Jovi

Can’t Tame Her – Zara Larsson

Mercy – Bad Omens

My Favourite Game – The Cardigans

Back To Black – Amy Winehouse

Come As You Are – Nirvana

Prolog

Zwei Monate zuvor

Juniper

Als ich meine Schwester zum letzten Mal sah, war ich betrunken.

Es war gegen halb eins nachts und ich kam von einer Party aus dem Starfucker Club nach Hause. Zugedröhnt von Unmengen Gin, traf ich das Schlüsselloch nicht. Das verflixte Ding gab es plötzlich doppelt. Ich schrammte mit dem Schlüssel über das Metall, bis die Haustür auf einmal nachgab und ich der Länge nach auf die Marmorfliesen im Flur knallte. Meine Clutch und die kurze Lederjacke rutschten mir aus der Hand. Nur einen Moment später schoben sich blank polierte schwarze Schuhspitzen in mein Sichtfeld.

Fuck!

Irgendwo in meinem vernebelten Hirn fragte ich mich, warum mein Vater selbst um diese Uhrzeit polierte Schuhe trug. Aber der Gedanke erstarb, sobald ich den Kopf anhob und mich der Blick aus seinen graublauen Augen traf. Verachtung stand darin, Schande. Als würde er einen stinkenden Kadaver betrachten und nicht seine Tochter. Gut, so weit war ich davon nicht entfernt.

Übelkeit stieg in mir auf. Ekel. Doch das hielt mich nicht davon ab, trotzig das Kinn zu recken.

»Steh auf!«

Ich grinste ihn an, drehte mich auf den Rücken, mir mehr als bewusst, dass mein ohnehin schon knappes Kleid dabei bis zu den Hüften hochrutschte und ihm eine ungehinderte Sicht auf meinen Spitzentanga gewährte.

Eine Zornesfalte bildete sich zwischen den Brauen meines Vaters. Sein Blick glitt zu meinen nackten Beinen, zu dem schwarzen Rosentattoo, das seit etwa einer Woche die Innenseite des rechten Oberschenkels zierte.

»Deine Mutter würde sich für dich schämen!«

Ich zuckte die Schultern. Mum war tot, sie sah mich nicht mehr. Er schon.

»Eine Woche Hausarrest.«

Als ob ich mich daran halten würde.

Mein Vater ging in die Hocke, dabei streifte mich die schwarze Krawatte, die er passend zu seinem dunklen Anzug trug. Mit einer schnellen Bewegung packte er mich am Kinn und zwang mich, ihn anzublicken. Die Berührung tat weh und das war genau seine Absicht, da war ich mir sicher.

»Du bist eine Schande für diese Familie, Juniper.« Angewidert ließ er mich los.

»Nicht mehr als du«, fauchte ich.

Der Schlag kam aus dem Nichts. Mein Kopf flog zur Seite, die Wange brannte. Tränen schossen mir in die Augen, ich blinzelte sie jedoch verzweifelt fort.

»Geh! Bis morgen Abend bleibst du in deinem Zimmer.«

Aus dem Augenwinkel registrierte ich, wie mein Vater erneut die Hand hob, aber bevor er mich wieder schlagen konnte, schloss sich blitzschnell eine Hand um seinen Arm.

»Nicht, Dad«, flüsterte Summer. Meine Schwester war wie mein Vater vollständig angezogen und zurechtgemacht, als kämen sie beide von irgendeiner Veranstaltung. »Sie ist betrunken, sie weiß nicht, was sie sagt.«

O doch, das wusste ich ganz genau. Besonders in diesem Zustand, in dem mein gesamter Hass auf ihn ungefiltert durch meine Adern rauschte. Ich wollte ihn provozieren, ihm zeigen, was ich von ihm hielt, aber Summers Blick ließ mich die Lippen zusammenpressen.

Stumm bat meine Schwester mich, den Mund zu halten und nachzugeben. Und ich tat es. Nicht für mich – ein Schlag mehr oder weniger machte keinen Unterschied mehr –, aber ich wollte sie nicht in den permanent vor sich hin brodelnden Streit zwischen mir und unserem Vater reinziehen. Meine Geschwister waren alles, was mir geblieben war. Summer, meine zwei Jahre ältere Schwester, und James, mein Zwillingsbruder. Ich wollte nicht, dass Dad sie ebenso hasste wie mich.

Mit einem wütenden Knurren erhob er sich. »Morgen Abend bist du nüchtern. Ich will, dass wir einen guten Eindruck machen.«

Ach ja, die Charity-Gala des Royal-Sydney-Yacht-Squadron, des größten und renommiertesten Jachtclubs Australiens.

Fick dich, Dad, dachte ich, schwieg aber. Ein guter Eindruck war alles, was ihm wichtig war. Hauptsache, wir Kinder funktionierten und halfen, sein sauberes Image zu bewahren. Nur dass ich kein Bock mehr darauf hatte.

Seit Mums Tod vor fünf Jahren konnte ich das nicht mehr. All die Lügen, diese ganze beschissene glänzende Hülle, die mein Vater um uns herum errichtet hatte, waren nichts als schöner Schein. In dieser Familie zählte nur, was für einen Nutzen man hatte. Und ich besaß keinen, das hatte mir mein Vater mehr als einmal deutlich gemacht. Also rebellierte ich. Vielleicht auch, damit er mich sah. Mich, June, und nicht nur die Tochter, die aus der Reihe tanzte.

Mit zusammengebissenen Zähnen griff ich nach Summers ausgestreckter Hand, rappelte mich auf und zog mein Kleid wieder herunter.

»Geh ins Bett«, murmelte meine Schwester mir zu und strich mir einmal über die Wange.

»Danke.«

Sie nickte bloß.

Schwankend griff ich nach der Clutch und der Jacke und ging auf meinen hohen Sandalen den Flur entlang zur Treppe, die nach oben zu unseren Zimmern führte. Doch statt auf die erste Stufe zu treten, warf ich mein Zeug darauf und bog nach rechts in die Küche ab. Ich brauchte wenigstens ein paar Schlucke Wasser, bevor mein Hirn morgen kompletter Matsch sein würde.

Gähnend zog ich die Kühlschranktür auf und fröstelte bei der Kälte, die mir entgegenschlug. Schnell nahm ich eine Flasche heraus. Wasserperlen liefen über meine Finger, weil ich zu hastig trank. Ich war müde und um mich herum drehte sich alles. Warum musste mein Vater ausgerechnet jetzt zurückkommen? Warum war er noch wach und dann sogar nicht in seinem Büro? Die Worte, die wir am Tag wechselten, konnte ich an einer Hand abzählen. Und dann musste er mich mitten in der Nacht erwischen. Verfluchte Scheiße.

Ich hasste ihn! Hasste den Blick, mit dem er mich ansah. Als hätte er versagt, als wäre ich nichts anderes als eine Belastung. Mit zu viel Schwung donnerte ich die Flasche zurück in den Kühlschrank und stieß die Tür zu. Es klirrte.

»Vorsicht!«

Überrascht drehte ich mich um. Hinter mir tauchte Kieran auf, der Freund meines Vaters. Was zur Hölle tat der hier?

»Ist alles okay?« Graue Locken fielen ihm in die Stirn, als er nähertrat und sich vorbeugte. Zu nah. Er überschritt eine Grenze.

»Klar«, nuschelte ich.

Sein Blick glitt über mich hinweg, blieb an dem kurzen Kleid hängen. In seine Augen trat ein Ausdruck, den ich schon öfter in ihnen gesehen hatte. Der Wichser war scharf auf mich.

In meinem Kopf legt sich ein Schalter um. Kieran war mit meinem Dad zur Uni gegangen. Ich wusste, dass sie oft telefonierten und sich sehr nahestanden. Offenbar war er wieder einmal über das Wochenende bei uns. Dad vertraute ihm, er war sein Freund. Sein Fehler, denn genau das würde ich ausnutzen. Er würde Kieran das, was gleich passierte, nie verzeihen.

Ohne weiter nachzudenken, griff ich nach dem Saum meines Kleides und zog es mir über den Kopf. Eine Gänsehaut lief über meine nackte Haut.

Kieran runzelte die Stirn. Er war mindestens doppelt so alt wie ich und verheiratet. Aber seine Frau war in Cairns, über tausend Meilen weit weg.

Ich fasste nach seinem hellblauen Hemd und zog ihn zu mir heran. »Fick mich!«, raunte ich in sein Ohr.

Er zog die Augenbrauen hoch, doch sein schneller Atem verriet ihn. Und seine harte Erektion, die gegen seine Hose drückte. Mit der rechten Hand fuhr ich langsam darüber.

Kieran keuchte gepresst auf, sein Blick wanderte zur offenen Tür. In der Küche war es dunkel, aber aus dem Flur drang Licht herein.

Ein saures Gefühl stieg in mir hoch, der Schwindel wurde stärker. Und als Kieran mit fahrigen Bewegungen meine Brüste umschloss und seine Lippen auf meine presste, explodierte die Übelkeit in meinem Magen. Ich fühlte Ekel und Hass, vor allem auf mich selbst. Was ich hier tat, war ein Fehler. Ich nutzte ihn für meine Zwecke aus, zerstörte damit eine Ehe, obwohl ich wusste, dass es falsch war. Doch als mein Vater zur Tür hereintrat und erstarrte, musste ich lächeln.

Ja, Dad, so fühlt es sich an, verarscht zu werden. Vorgeführt zu werden und machtlos zuzusehen, wie eine Freundschaft zerbricht. Du willst mir wehtun? Bitte schön. Ich habe von dem Besten gelernt.

Kieran fluchte und zog sich schnell zurück. Sinnlose Entschuldigungen stammelnd flüchtete er regelrecht aus der Küche. Ich hingegen neigte den Kopf zur Seite und grinste.

Die Augen meines Vaters wurden dunkel vor Zorn. Ich rechnete damit, dass er zu mir kommen würde, um mich erneut zu schlagen, er drehte sich jedoch um und verschwand. Ohne ein einziges Wort.

Erschöpft lehnte ich mich gegen den geschlossenen Kühlschrank. Ein Frösteln lief über meine nackte Haut. Keine drei Herzschläge später war meine Schwester bei mir. Sie sagte kein Wort, griff nur nach meinem Arm und zog mich hinter sich her bis in mein Zimmer. Der Vorwurf stand ihr klar ins Gesicht geschrieben; ich war zu weit gegangen.

Am nächsten Morgen war Summer weg. Ohne eine Nachricht, ohne ihre Klamotten oder ihr Handy. Drei Tage später erklärte die Polizei sie für vermisst. Zwei Monate danach gab mein Vater auf. Selbst der Privatdetektiv, den er beauftragt hatte, fand keine Spur.

Ab dem Moment durfte der Name meiner Schwester in diesem Haus nicht mehr genannt werden, jede Erinnerung an sie wurde gelöscht, die Tür zu ihrem Zimmer verschlossen. Als wäre sie nie Teil unserer Familie gewesen, als hätte sie nie wirklich gelebt.

Kapitel 1

Heute

Juniper

Der Bass vibriert durch meinen Körper. Ich spüre den Rausch, das Kribbeln, die Euphorie, die auf mich überschwappen wollen. Für einen Moment schließe ich die Augen, wehre mich gegen den Strom, der mich mitzureißen droht, und finde die schwarze Leere in meinem Inneren. Ich kralle mich daran fest, wappne mich und ziehe meine mentalen Mauern hoch. Ich bin nicht hier, um zu feiern. Nicht mal im Entferntesten.

Als ich die Lider wieder öffne, bin ich klar. Was jedoch nicht für meine beste Freundin gilt.

»Die sind der Wahnsinn!« Fallon reißt die Arme hoch und schwenkt sie hin und her. Einzelne Haarsträhnen kleben auf ihrer Stirn, die Wangen sind feuerrot. »Diese Stimme! Scheiße, ist der gut!« Sie wirft den Kopf zurück. Ein ekstatischer Ausdruck legt sich über ihr Gesicht, dann öffnet sie den Mund und singt mit – wie die anderen geschätzten zwanzigtausend Menschen um uns herum.

Das Gegröle erhebt sich in den dunklen Nachthimmel über der Qudos Bank Arena, auf deren Bühne die Dead Souls gerade ihren letzten Song anstimmen. Drei Stunden Hard Rock, drei Stunden Euphorie und Ekstase.

Ich wende den Blick ab und starre auf die abgewetzten Spitzen meiner schwarzen Dr. Martens. Bemühe mich erneut darum, mich zu sammeln und die überschwänglichen Gefühle auszuschließen, die auf mich einprasseln. Diesmal schaffe ich es allerdings nicht.

Die ausgelassene Stimmung in der Arena reißt mich mit und ein warmes Kitzeln rauscht durch meinen Körper. Es riecht nach Schweiß und Bier, nach Sünde und Vergessen.

Unwillkürlich verzieht sich mein Mund zu einer Grimasse. Ja, die Dead Souls sind gut. Und wäre die Situation eine andere, würde ich vorne bei den Groupies stehen und hemmungslos mitfeiern. Hard Rock geht einfach immer. Aber meine Schwester ist seit zwei Monaten verschwunden und der einzige Hinweis, den ich in ihrem Zimmer gefunden habe, war eine Telefonnummer. Sieben Ziffern, gekritzelt auf die letzte Seite eines Notizblocks, ein Name darunter.

Sein Name.

Asher Campbell. Frontmann und Leadsänger der Dead Souls.

Der berühmte Rockstar, der mit seiner Band aktuell die australischen Charts stürmt und als der neue Bon Scott gefeiert wird.

Und als solcher schafft er es mit seiner rauen Stimme, die Menschen zu begeistern, mich eingeschlossen. Wie ein dunkles Versprechen legt sie sich um mein Herz, während über mir tausend Sterne vor dem schwarzen Novemberhimmel funkeln und Scheinwerfer über die Massen hinwegzucken.

Das Kribbeln in meinem Bauch wird zum Feuersturm, doch ich balle die rechte Hand zur Faust. Ich bin nicht hier um zu feiern, ich bin hier, um ihn zu treffen. Um zu fragen, warum meine Schwester ausgerechnet seine Nummer hatte.

Entschlossen hebe ich den Kopf und sehe nach vorne zur Bühne. Fixiere den Mann, wegen dem ich dreihundert Dollar für die letzten beiden Konzerttickets ausgegeben habe.

»I wannna sink into darkness, no words, no promise, no hold, just me.«

Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten. Ich kenne den Song, habe ihn hundertmal gehört. Und hatte jedes Mal eine Gänsehaut. Asher singt von Abgründen, von einer Leere, der er sich zu gern hingeben würde. Von Hoffnung, wo keine ist. Als hätte er einen Blick auf mein Leben geworfen und meine Gefühle auf wenige Zeilen gebannt. Der Rhythmus wird schneller, Asher geht nach vorne an den Bühnenrand und lässt sich auf die Knie fallen. Er singt mit geschlossenen Augen, schmettert uns den Text entgegen, als käme er direkt aus seinem Herzen.

Meine Mauern bröckeln weiter. Da, wo die schwarze Leere war, flammt Wut auf. Summer hatte seine Telefonnummer. Ich habe es überprüft. Diese Stimme würde ich überall wiedererkennen, am anderen Ende der Leitung war er.

Aber was hatte sie mit ihm zu tun? Meine Schwester steht nicht auf Rock, hört meistens irgendein Pop-Gedudel oder sogar Klassik. Sie studiert eigentlich Soziale Arbeit, hilft in ihrer Freizeit im Altenheim aus und organisiert am Wochenende Hilfsaktionen für die Ocean Care Foundation. In ihr gradliniges, wohlgeordnetes Leben passt jemand wie Asher nicht.

Jemand, der schon zweimal in einer Entzugsklinik war und seinen Tag trotzdem mit einer Flasche Scotch beginnt.

Jemand, der so viele Tattoos hat, dass man unter dem offenen schwarzen Sakko kaum noch helle Haut erkennt.

Jemand, der nach eigener Aussage der Liebe abgeschworen hat, weil es seiner Meinung nach nur Zeitverschwendung ist, sich an jemanden zu binden.

All das und einiges mehr habe ich durch eine kurze Internetrecherche über Asher erfahren. Vermutlich ist die Hälfte davon überzogen, trotzdem erfüllt der Typ mit den rabenschwarzen Haaren, den zerrissenen Jeans und den Lederbänden am Handgelenk jedes Klischee eines Rockstars. Als hätte ihn ein Manager erfunden und so gezeichnet, dass die Fans ihr Herz an ihn verlieren müssen.

Zu diesem Zeitpunkt ist es mir jedoch völlig egal, wer er wirklich ist. Asher ist ein Hinweis, der einzige Hinweis, der mich zu meiner Schwester führen kann.

Ohrenbetäubender Applaus brandet um mich herum auf. Die Euphorie erreicht ihren Höhepunkt. Fallon kreischt, hüpft im Kreis und brüllt sich die Seele aus dem Leib, bis die letzten Klänge des Songs verstummen, das Klatschen und Pfeifen abflaut.

Asher hat die Arme zur Seite ausgestreckt, die Augen geschlossen. Auf den großen Bildschirmen neben der Bühne erkenne ich, dass sich sein Brustkorb schnell hebt und senkt. Er spannt die Arme an, die Sehnen an seinen Unterarmen treten hervor.

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Sollte er sich nicht freuen? Glücklich mit seinen Fans feiern? Den Eindruck macht er nicht wirklich.

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus und ich setze dazu an, etwas zu Fallon sagen, verharre jedoch, als Asher die Augen öffnet.

Ich weiß, dass sie grün sind. Dunkelgrün mit türkisfarbenen Sprenkeln. Doch jetzt liegt ein goldener Glanz auf seinen Iriden, der beinahe unwirklich hell in die Nacht hinaus leuchtet.

Verflucht, er muss etwas genommen haben. Diese Farbgebung ist auf gar keinen Fall normal. Abrupt wächst mein Misstrauen ihm gegenüber.

»June!«, brüllt Fallon mir ins Ohr und lässt mich damit zusammenzucken. »June! Wir sollten los, sonst kommen wir nicht mehr in den Backstagebereich.« Sie deutet an mir vorbei zur Bühne, ein aufgeregtes Lächeln auf dem Gesicht.

Ich blinzle irritiert und es dauert einen Moment, bis ich mich gefangen habe. »Klar, sorry. Ich war kurz woanders.«

Fallon lacht. »Das hat man gesehen.« Sie zwinkert mir zu.

Ich verkneife mir einen Kommentar und den Hinweis, dass meine Absichten Asher gegenüber andere sind, als sie denkt. Meine Freundin weiß nicht, warum wir hier sind. Sie liebt die Dead Souls schon seit Jahren und war begeistert, als ich sie gebeten habe, mich zu begleiten. Sie wäre sofort auf das Konzert gegangen, allerdings kann sie sich die Tickets nicht leisten. Anders als ich, da mir Dad monatlich mehr Geld zuschiebt, als ich ausgeben kann. Schweigegeld, damit ich der Presse nicht erzähle, wie es in der Familie des erfolgreichen Unternehmers wirklich zugeht. Zumindest fühlt es sich verflucht noch mal so an.

Ich schiebe die bitteren Gedanken beiseite und blicke kurz zurück zur Bühne. Asher ist verschwunden. Wahrscheinlich dorthin, wo wir auch hinwollen.

Zusammen mit Fallon setze ich mich in Bewegung und dränge mich zwischen verschwitzten Fans hindurch bis zur rechten Seite neben der Bühne. Dort stehen mehrere Ordner und halten die Massen im Zaum. Das Konzert ist vorbei, dennoch feiern die Fans weiter. Sie singen die Songs der Dead Souls, verlangen lautstark nach mehr. Doch die Bühne ist dunkel, die Mitarbeiter haben bereits mit dem Abbau begonnen.

Wir reihen uns in die Schlange der Mädchen ein, die ebenfalls Backstage-Pässe haben. Es sind überraschend viele, in Anbetracht der scheißteuren Karten. Aber anders komme ich nicht an Asher heran und das muss ich, wenn ich meine Schwester finden will.

Kapitel 2

Asher

Glühendes Feuer schießt durch mich hindurch. Meine Adern brennen, verbrennen, vor Schmerz schreie ich auf. Die Gefühle sind zu viel. Zu gut. Zu mächtig, als dass ich damit klarkäme.

Ich sinke auf die Knie, strecke die Arme von mir und schließe die Augen. Mein Herz hämmert in der Brust, zerreißt beinahe, weil das Selen das Blut zum Kochen bringt. Die Synapsen in meinem Hirn verglühen, meine Muskeln spannen sich an und ich spüre, wie ich hart werde. Fuck! Das hier ist der geilste Trip meines Lebens.

Tausende Fans brüllen mir ihre Begeisterung entgegen. Ich spüre Euphorie, Hysterie, Leidenschaft und Verlangen. Sie sind auf diesem Konzert, um uns zu feiern. Um mich singen zu hören, um zu sehen, wie ich alles gebe. Und dafür liebe ich sie.

Ein Schrei bricht aus mir heraus. Heiser und schrill und schmerzhaft. Er verhallt in dem Gebrüll aus tausenden Kehlen, das mich überrollt.

Die Ekstase ist mit das reinste Gefühl, das Menschen verspüren. Sie vergessen in diesem Moment alles um sich herum. Da ist nur noch dieses brennende Gefühl, das alles zum Erliegen bringt. Und das eine Energie in sich trägt, die jetzt ungefiltert in mich hineinfließt.

Nur dass nicht ein Mensch vor mir steht, sondern zwanzigtausend.

Keuchend reiße ich die Augen auf. Das Selen pulsiert durch meinen Körper und absorbiert die Gefühle der Menschen. Ich spüre die Kraft, die mich in Höhen katapultiert, in denen ich nie zuvor war.

Mein Herz rast, Blut rauscht in meinen Ohren.

Ich lebe. Und wie ich das tue.

Benommen stehe ich auf, suche in meinem Kopf nach Worten. Ich weiß, ich muss singen, doch da ist nichts mehr. Nur noch der heiße Rausch, der mich taumeln lässt.

»Asher!« Bonnies Brüllen lässt mich aufsehen. Meine Schwester starrt mich an. Mit ihrem Drumstick zeigt sie nach vorne. Zu den Zuschauern, die alle zu uns aufschauen.

Verfluchte Scheiße! Ich muss mich konzentrieren.

Zerschlagen fahre ich herum, ringe mühsam nach Luft. Stolpere nach vorne, weil es nach wie vor zu viel ist. Weil die Gedanken in meinem Kopf rasen, weil ich einfach nicht zur Ruhe komme. Das Konzert in der Qudos Bank Arena ist mit Abstand das größte, das wir bisher gespielt haben – und das macht sich deutlich bemerkbar.

Ich hole Luft. Kneife die Lider zusammen, bis ich Sterne sehe. Fange an zu singen. Wörter, Sätze, die sich in mein Gehirn gebrannt haben. Die von Gefühlen sprechen, die ich nicht habe, weil es nicht meine sind.

»Love burns through my heart,

tearing it into a thousand splinters,

emptiness remains.

The word of a stranger.«

Ein Abgrund tut sich vor mir auf, ich fühle die Musik durch mich hindurchgleiten. Spüre Romes Blick auf mir, der den Text mit einem harten Gitarrenriff unterbricht.

Das Rauschen in meinem Kopf schraubt sich höher und höher. Ich singe, werfe den Massen meine Seele entgegen, schreie meine Wut und mein Elend heraus und sie feiern mich dafür.

Ich sterbe für sie. Wieder und wieder. Suche in der Dunkelheit nach meinem Licht, nach der Flamme, die mich rettet und die es nicht mehr gibt.

Das Publikum grölt. Tausende heben die Hände, werden zu einer sich wiegenden Masse.

Ich sterbe für sie. Heute wie jeden Abend. Und sie haben keine Ahnung, wie dicht ich damit an der Wahrheit bin.

Doch Tote können nicht mehr sterben, oder?

Die Musik wird leiser. Bonnie trommelt einen letzten Beat, dann schreit sie auf und ich bin am Ende.

Schweiß überzieht meine Haut, ich fühle mich elend und gleichzeitig vibriert mein Körper vor Energie. Ein Blick zu Rome bestätigt mir, dass es meinem Bruder ähnlich geht. Nur dass ein teuflisches Grinsen auf seinen Lippen liegt, weil er das hier genießt. Für ihn ist es ein Festmahl, für mich ein Albtraum.

Die Bühne wird dunkel. Benebelt rapple ich mich auf, folge einem Ordner und falle fast die Treppe hinunter. Dann packt mich jemand an der Schulter und ich drehe mich um.

»Alles klar, Asher?« Bonnie mustert mich mit vor Schweiß glänzender Stirn. Ihr dunkler Mascara ist verlaufen, rinnt in schwarzen Linien über ihre Wange.

»Klar, ich brauch nur einen Moment.« Ich schüttle den Kopf, versuche klar zu werden, das heiße Pulsieren in den Griff zu bekommen, das immer noch durch meinen Körper peitscht. Ich muss Dampf ablassen, dringend. Und dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten.

Jemand schiebt mich weiter, durch einen hell erleuchteten Flur in einen Raum hinein.

»Trink das!«, brummt Rome und drückt mir eine Flasche in die Hand.

Dankbar nehme ich einen ersten Schluck und lasse den brennenden Whiskey meine Kehle hinabrinnen. Anschließend leere ich die halbe Flasche in einem Zug. Hitze explodiert in meinem Magen, aber das hilft mir, mich zu fokussieren. Langsam lässt der Rausch nach und der Alkohol legt sich schwer über meine Gedanken – was eindeutig den vielen unterschiedlichen Emotionen vorzuziehen ist, die das Selen zum Brennen gebracht haben. Ich nehme einen weiteren Schluck, dann werfe ich die leere Flasche achtlos zu Boden.

Das war die eine Möglichkeit. Die zweite nimmt gerade Rome in Angriff.

Inzwischen hat er es sich auf einer weißen Couch bequem gemacht, den Kopf zurückgelegt, die Beine gespreizt. In der Hand hat er ebenfalls eine Flasche Schnaps, während vor ihm ein braunhaariges Mädchen kniet und seinen Schwanz lutscht. Ein Groupie für seine ganz persönlichen Bedürfnisse, das er vor allen anderen in die Garderobe geschafft hat.

Ein abfälliges Schnauben verlässt meinen Mund. Jeder von uns hat eine andere Art, Druck abzubauen. Aber ich will mich nicht beschweren, schließlich haben wir als Rockband eine einfache Art und Weise gefunden, Emotionen abzugreifen. Der Preis dafür besteht für mich aus dem, was gleich kommt.

Noch ist es ruhig im Backstage-Bereich, in wenigen Minuten wird das anders sein. Wenn Nick, unser Manager, Fans zu uns hereinlässt und wir alle wieder eine Rolle spielen müssen.

Seufzend schaue ich zu Bonnie, die weiter hinten im Raum vor einem Spiegel sitzt und über ihr Gesicht tupft. Ihr besorgter Blick findet meinen.

Ich ignoriere Romes Stöhnen und gehe zu ihr. Dabei greife ich nach einer weiteren Flasche Whiskey. Der Rausch ist nichts mehr als ein schwacher Nachhall, doch die nächste Stunde überlebe ich nicht mit klarem Kopf.

»Bist du okay?«, frage ich meine Schwester. Ihr Gesicht wird von einer neuen Schicht Puder bedeckt, ein goldener Schimmer liegt über ihren Augen.

Sie nickt. »Das war krass.«

»Das war zu viel. Wir müssen Nick sagen, dass wir so große Konzerte nicht mehr spielen. Nicht nur wegen der Masse an Menschen, sondern weil wir nicht zu bekannt werden dürfen. Du weißt, welches Risiko wir damit eingehen. Sie könnten uns finden.« Ich ziehe die Silben zu weit auseinander, ein erstes Zeichen, dass der Alkohol wirkt. Normalerweise braucht es deutlich mehr, bis mein Körper darauf reagiert, doch vielleicht war das heute insgesamt alles einfach zu viel des Guten.

»Ich weiß. Wir müssen mit ihm darüber sprechen. Allerdings nicht heute Abend.« Bonnie legt die Hand auf meinen Arm. »Du siehst nicht gut aus.«

Hinter uns werden Stimmen laut. Ich drehe mich um und beobachte, wie Rome das Mädchen von sich stößt und den Reißverschluss seiner Hose schließt. Gerade noch rechtzeitig, bevor Nick mit einer Horde Fans in die Umkleide strömt.

Mir wird übel.

Ich will hier weg. Will allein sein.

Nick besteht darauf, dass wir Kontakt zu unseren Fans halten und es gibt Abende, an denen genieße ich das. Da sitze ich neben Rome und wir ficken gemeinsam so viele Mädchen, bis mein Hirn wieder klar ist.

Aber heute nicht.

Ich fahre mir übers Gesicht und streiche meine schweißnassen Haare aus der Stirn. Anschließend wische ich meine Hand an der Jeans ab. »Schafft ihr das heute Abend ohne mich?«

Bonnie lehnt sich zurück, die Hände auf die Knie gestützt. Das weiße Top spannt über ihren Brüsten, um ihren Hals hängen mehrere goldene Ketten. Sie sieht gut aus, stelle ich fest, immer noch wie Anfang zwanzig. Ihre Haut schimmert in einem gesunden Bronzeton, ihre Lippen sind kirschrot. Auch ihre Augen haben wieder eine normale blaue Farbe angenommen. Sie wirkt verflucht unschuldig und jung, wie sie jetzt die Lider niederschlägt und einen Schmollmund zieht. Nur dass sie das nicht ist und niemand den Fehler machen sollte, sie zu unterschätzen.

»Nick wird dich umbringen.« Eine ungewohnte Ernsthaftigkeit schwingt in ihrer Stimme mit. Von ihrer üblichen Coolness ist nichts zu merken.

Das Gekreische hinter uns wird lauter. Schweiß bricht mir aus und erneut wische ich mit der Hand über meine Hose.

»Soll er doch. Wäre nicht das erste Mal.« Ich blecke die Zähne und nehme noch einen Schluck Alkohol. Dunkelheit zerrt an meinem Bewusstsein, ich bin auf dem besten Weg in einen Blackout.

Bonnie schürzt missbilligend die Lippen. »Hau ab. In dem Zustand bist du sowieso zu nichts mehr zu gebrauchen.«

Ich beuge mich vor und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Dabei streift mein Arm wie zufällig ihren rechten Busen.

»Lass das.« Sie schlägt den Arm fort. »Uns könnte jemand sehen. Wir sind Geschwister, schon vergessen?«

Meine Lippen verziehen sich zu einem gefährlichen Lächeln, Verlangen pocht durch meinen Bauch. »Aber auch nur auf dem Papier.«

Sie stößt mich hart vor die Brust, sodass ich lachend zurückstolpere. Ich fange mich und steuere auf die Tür zu. »Pass auf Rome auf«, sage ich über die Schulter hinweg. »Nicht, dass er wieder die Kontrolle verliert.«

Ihre Antwort höre ich nicht mehr, denn ich dränge mich zwischen den kreischenden Mädchen hindurch. Den finsteren Blick unseres Managers ignoriere ich, bis ich draußen auf dem Flur stehe. Zwei Groupies folgen mir, allerdings schiebt sie ein Ordner auf mein Zeichen hin zurück ins Zimmer.

»Wie komme ich raus?« Mit der Flasche Schnaps, die ich mitgenommen habe, starre ich ratlos den Flur entlang. Ich war vor etwa zwanzig Jahren schon einmal in der Qudos Bank Arena, kurz nach deren Eröffnung. Allerdings als Gast, sodass ich den Bereich hinter der Bühne nicht kenne.

»Die dritte Tür rechts, den Flur runter. Irgendwann kommst du zum Parkplatz.« Der Typ im dunklen Hoodie mustert mich skeptisch. »Soll ich mitkommen?«

»Nein.« Ich setze die Flasche an und trinke. Laufe weiter und weiter, bis ich die letzte Tür aufstoße und sich der sternenklare Nachthimmel über mir wölbt. Es riecht nach Abgasen und Pisse, weil offenbar einige Fans die Toiletten nicht gefunden haben. Direkt vor mir liegt der dunkle Parkplatz hinter der Arena, Autos reihen sich aneinander, in einiger Entfernung stehen sogar ein paar Camper. Konzertbesucher laufen herum.

Schnell wende ich mich nach rechts, gehe ein paar Meter, bis ich raus aus dem Lichtkegel der Außenlampen bin und mich die Schatten einhüllen und verschlucken.

Und endlich wird es still in meinem Kopf. Ich lehne mich gegen die Außenmauer der Arena und rutsche daran hinunter. Der harte Beton schabt über meinen Rücken, doch das ist nichts gegen den Schmerz, den ich auf der Bühne gespürt habe.

Trotzdem brauchen wir die Gefühle der Menschen, um zu leben. Um zu überleben, denn eigentlich tun wir das längst nicht mehr. Das Herz in meiner Brust schlägt; einen Muskel am Leben zu halten, ist kein großes Kunststück. Aber der Geist verabschiedet sich schnell, wenn er nicht regelmäßig Nahrung bekommt. Ohne das Selen in meinem Körper, das die Gefühle der Menschen absorbiert, wäre ich nichts anderes als eine weitere Leiche. Mit dem Unterschied, dass ich jeden Gerichtsmediziner vor Rätsel stellen würde, denn mein Körper ist fast dreihundert Jahre alt. Obwohl ich keinen Tag älter als vierundzwanzig aussehe.

Müde schließe ich die Augen und nehme noch einen letzten Schluck. Dann ist die Flasche erneut leer. Mit träge gewordenen Gedanken atme ich die warme Nachtluft tief ein und Schwindel erfasst mich. Ein leises Lachen bricht aus mir hervor.

Hier bin ich nun, abgewrackt und kaputt und der Gedanke, dass ich einfach aufgeben sollte, ist wieder da. Es wäre so leicht zu sterben. Ein wenig Königswasser ins Blut – die einzige Säure, die in der Lage ist, das goldene Selen aufzulösen – und das wäre das Ende. Aber da ist etwas, das mich zurückhält. Das mich jeden Tag aufs Neue aufstehen lässt, das mich antreibt, auf eine Bühne zieht, damit ich genug Emotionen in mich aufnehme, um problemlos die nächste Woche zu überstehen. Das ist der verfluchte Wunsch, dass da mehr sein muss. Mehr als dieses stumpfe Leben, in dem sich jeder Tag gleich anfühlt. In dem alles seine Farbe verloren hat und nicht mehr ist als ein Schwarz-Weiß-Film ohne Kontraste. Ein Stummfilm selbstverständlich, denn meinem Leben fehlen die lauten Spitzen. Vielleicht hat der Film musikalische Untermalung, denn Gott weiß warum, habe ich eine recht ordentliche Stimme. Also nicht, dass ich an Gott glauben würde. Es wäre purer Hohn, wenn ausgerechnet ich das täte. Fuck! Ich werde sentimental.

Erneut bricht ein abfälliges Schnauben aus mir hervor und ich strecke die Beine aus. Den Kopf im Nacken starre ich in den Nachthimmel. Ein paar Akazien stehen nur wenige Meter von mir entfernt und versperren mir die Sicht. Aber ich weiß, wie der Himmel über Sydney aussieht. Klar und weit und unendlich wie die rote Wüste mitten in diesem verfickten Land. Das weit genug von England weg ist, dass mich die Assertoren nicht finden sollten. Am Ende der Welt. Am Ende meiner Welt.

Ich brauche eindeutig mehr Schnaps. Oder irgendein Mädchen, das mich für eine Weile ablenkt.

Umständlich rapple ich mich auf und stütze mich an der Wand ab, weil der Schwindel so heftig ist, dass ich fast das Gleichgewicht verliere. Es sollte genug Zeit vergangen sein, dass die Groupies wieder weg sind – und falls nicht, ist es auch egal.

Ich stolpere zurück zur Tür, falle beinahe über meine eigenen Füße. Wenn mich Nick so sieht, wird er durchdrehen. Unwillkürlich muss ich grinsen. Das wäre gar nicht so schlecht, dann wären wir ihn wenigstens los. Nick ist okay, er kümmert sich um die Band. Vor allem um die Band, um uns persönlich eher weniger. Der Erfolg ist ihm wichtig, unser Image. Aber dass eine Band aus Personen besteht, die auch ein Privatleben haben oder andere Bedürfnisse als nur ihre Karriere, vergisst er ganz gern.

»Hey, Asher, richtig?«

»Fick dich, Mann!« Als ob irgendwer hier meinen Namen nicht wüsste.

Doch der Typ im Hoodie, der vor der Tür steht, durch die ich hinausgegangen bin, tritt nicht zur Seite. Ich kneife ein Auge zusammen. Es ist derselbe, der mir den Weg nach draußen erklärt hat.

»Was willst du?« Ich strauchle, schüttle den Kopf, um den Schwindel daraus zu vertreiben. Nur kurz rein, Bonnie Bescheid geben, dass ich ins Hotel fahre, und dann schlafen. Morgen ist es vorbei, morgen habe ich meine Gefühle wieder fest verschlossen und funktioniere. Nur heute Abend … ist es einfach zu viel.

»Nichts. Nur dein Leben.«

Was?

So schnell, dass ich nicht reagieren kann, ist er bei mir und stößt mir ein Messer in die Seite. Ein stechender Schmerz schießt durch meinen Bauch. Ich schreie auf und stoße ihn von mir. Zu fest. Er prallt zurück, kracht gegen die geschlossene Metalltür und bleibt liegen.

Fuck!

Warmes Blut läuft mir über den Bauch, tränkt den Stoff meiner Hose. Ich presse die Zähne zusammen, brülle gegen meine geschlossenen Lippen an und ziehe mit einem Ruck das Messer heraus. Der Schmerz bleibt jedoch, frisst sich durch meinen Unterbauch bis in meine Beine.

»Scheiße!«, keuche ich. Eisen. Das Selen in mir beginnt zu glühen, wehrt sich gegen die fremden Moleküle und treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn.

Schwer atmend lasse ich das Messer zu Boden fallen. Das Klirren ist noch nicht verklungen, da bin ich bereits bei dem Typen und reiße ihn herum. Er reagiert nicht, aber er atmet. Ich packe seinen rechten Arm und ziehe den Ärmel seines Hoodies hoch. Ein schwarzes Tattoo auf gebräunter Haut. Das Unendlichkeitszeichen. Verflucht!

»Hey, du Arschloch. Wir sind hier.«

Keine Sekunde später trifft mich ein Schlag auf den Hinterkopf. Ich stolpere nach vorne, krache gegen die Tür. Der metallische Geschmack von Blut sammelt sich in meinem Mund und für einen Atemzug schließe ich die Augen. Konzentriere mich, blende alles um mich herum aus. Das Brennen in meinem Körper, das zum Glück den Rausch vertrieben hat, die Schmerzen in der Seite.

Dann drehe ich mich blitzschnell herum, ducke mich in der Bewegung und schlage dem Kerl hinter mir die Beine weg. Er fällt auf den Boden, flucht. Ich setze ihm nach, am Rande meines Sichtfelds blitzt ein Messer auf. In der Drehung bremse ich, springe herum und trete dem dritten Kerl vor die Brust.

Ich bin schnell. Schneller als normale Menschen. Nur genau damit haben die Typen gerechnet.

Ein Schlag trifft mich in den Rücken. Irgendetwas knackt, ein glühender Schmerz jagt meine Wirbelsäule entlang. Wütend fahre ich herum, schlage zu, Blut spritzt. In mir flackert etwas hoch, meine Sicht verschwimmt. Schneller, immer schneller schlage ich um mich, sehe nicht mehr, wen oder ob ich treffe.

Dann fällt ein Schuss. Etwas Hartes dringt in meinen Oberkörper ein, zehn Zentimeter weiter und mein Herz wäre Matsch. Endgültig. Schmerz reißt mich auseinander, ich falle nach hinten. Blut sammelt sich in meinem Mund, ich spucke und spucke, ringe nach Luft.

»Du verficktes Monster!« Etwas Kaltes drückt sich an meine Stirn. Eine Pistole. Direkt dahinter einer der Typen.

Ich blinzle, starre nach oben, erkenne nichts als Schatten. Meine Lunge kollabiert, ich kann nicht mehr atmen. Mein Körper wehrt sich gegen die Eisenkugel, die Hitze in meiner Brust wird unerträglich, scheint mich in Flammen zu setzen. Aber gegen Eisen kommt das Selen nicht an.

Auch ein Unsterblicher kann sterben, wenn man nur weiß, wie.

»Bastarde!« Ich spucke dem Kerl Blut ins Gesicht.

Er flucht, wischt sich über die Nase, aber die Pistole an meiner Stirn senkt sich kein Stück.

Schwarze Punkte flackern am Rande meines Sichtfeldes auf. Ich spüre den warmen Asphalt unter meinen zitternden Händen. In mir tobt der Schmerz, es wäre so leicht, sich jetzt zu fügen. Mich der Dunkelheit hinzugeben und einfach zu fallen.

»Du Monster, sieh mich an.« Erneut schlägt der Typ gegen meine Schläfe.

Ich reiße die Augen auf und blicke geradewegs in das vor Hass zerfurchte Gesicht des Kerls. Doch ich fühle nichts, er muss so voll mit Eisen sein, dass ich seine Gefühle nicht spüren kann.

»Wir haben euch gefunden. Deinen Bruder und deine Schwester. Sobald sie allein sind, werden wir auch sie töten.«

Nein.

Ich reiße die Hände nach oben, lege sie blitzschnell um den Kopf des Typen und drücke zu. Dabei bohren sich meine Daumen in seine Augäpfel. Er schreit auf, zerrt an meinen Armen, knallt mir die Pistole gegen die Schläfe. Ich lasse jedoch nicht nach, sondern grabe meine Finger tiefer, bis Blut über meine Hand läuft.

Ein Schuss löst sich, Feuer brennt in meiner rechten Seite. Ich lasse los. Falle zurück, in eine bodenlose Finsternis. Dumpf höre ich den Typen schreien, irgendwer tritt gegen mich. Doch da sind nur noch Schmerzen und Übelkeit und Finsternis. Die Hölle zerrt mich hinab.

Aber ich darf nicht sterben, nicht jetzt. Bonnie, Rome. Verzweifelt versuche ich, meine Füße zu bewegen, ziehe die Beine an und will aufstehen. Meine Finger schrammen über den Asphalt, finden keinen Halt.

Über mir tausend Sterne. In mir drin ein dunkler Abgrund.

Eine Stimme erklingt. Hell und klar und sehr wütend. Schreie, Schritte.

Ich schließe die Augen. Dunkelheit, Schmerz, nichts.

»Hey.« Finger fahren über meine Wange. »Hey!« Eine Frau brüllt mich an. »Fuck! Du wirst nicht sterben. Nicht jetzt.«

Sterben.

Beinahe muss ich lachen.

Ich kann nicht sterben, ich bin tot, will ich sagen, doch aus meinem Mund kommt nur Blut.

»Hey!« Die Frau schlägt mir mit der flachen Hand gegen die Wange.

Blinzelnd öffne ich die Augen. Schemen und Schatten. Und das Gesicht eines Engels, das mir in die Hölle folgen wird.

Kapitel 3

An einem Nachmittag im Sommer vor zwei Jahren

Juniper

»Hey, June.« Meine Schwester steht in der Tür zu meinem Zimmer, in der Hand ein kurzes, schwarzes Kleid. »Meinst du, das kann ich heute Abend anziehen?«

»Klar«, sage ich.

Sie und Dad gehen auf irgendeine Gala. Eine von unzähligen, zu der er jeden Monat rennt. Als CEO eines der größten Logistikunternehmens in ganz Australien legt er sehr großen Wert auf Imagepflege. Schließlich muss ja das ganze Geld, was er bei seinen Geschäften einfährt, auch präsentiert werden. Dazu gehört natürlich auch, Teil des Stadtrats zu sein, denn eine Hand wäscht die andere. Und seine Geschäfte würden ohne die richtigen politischen Kontakte nicht funktionieren.

Diese ganze Wichtigtuerei widert mich inzwischen einfach nur an und ich weigere mich, meinen Vater bei seinen Machenschaften zu unterstützen. Aber zum Glück hat er das ja auch nicht nötig, solange Summer sich seinem Willen fügt. Und seit dem Tod unserer Mum will er unter allen Umständen das Bild der heilen Familie aufrechterhalten.

Aber meine Schwester ist nicht wegen des Kleides hier. Sie weiß genau, was ihr steht und was nicht.

Ergeben lässt sie die Arme sinken. »Kann ich kurz reinkommen?«

Ich rutsche auf dem Bett nach hinten, bis ich den Rücken gegen die kühle Wand lehnen kann. Die Kopfhörer, aus denen leise Musik dringt, lege ich auf die Decke und schalte die Playlist auf meinem Handy ab. »Was gibt’s?«

»Du warst letzte Woche nicht in der Uni.«

Sofort sinken meine Schultern nach unten, meine Arme spannen sich an. »Woher weißt du davon?«

Summer setzt sich zu mir aufs Bett, das Kleid legt sie daneben. »June, wir wohnen zusammen und studieren beide an derselben Universität.«

Dass wir zusammenwohnen, will nichts heißen. Unser Dad lebt auch hier und ihm ist nicht aufgefallen, dass ich vormittags zu Hause war.

Tief Luft holend lasse ich meinen Blick zum Fenster wandern. An einem azurblauen Himmel fliegen einige weiße Puffwölkchen umher und die Schreie der Möwen erinnern mich daran, dass der Strand von Waverly nur einen Steinwurf entfernt ist. Wenn es Nacht ist und der Lärm der Stadt verstummt, kann ich sogar die Wellen rauschen hören.

»Es war ihr Todestag. Ich konnte einfach nicht gehen.«

Summer rückt näher an mich heran und zieht mich in ihre Arme. Sie riecht nach Flieder und Kaffee. Und nach Blaubeeren, die sie immer zum Frühstück isst.

»Ich weiß«, murmelt sie und fährt mir über die Haare.

Drei Jahre ist unsere Mum schon tot. Und jedes Jahr um diese Zeit habe ich das Gefühl, als würde meine Welt aufs Neue zersplittern. Als würde mir die Luft zum Atmen genommen werden, als würde mich jemand zwingen, weiterzulaufen, wo es keinen Weg mehr gibt.

»Ich weiß«, wiederholt meine Schwester und ihre Stimme zittert. »Erinnerst du dich an den einen Tag im Frühling, an dem Mum entschieden hat, dass wir nicht zur Schule müssen, sondern den ganzen Tag Pancakes futtern?«

Mein rechter Mundwinkel zuckt. »Mir war so schlecht an dem Abend, dass ich kotzen musste.« Ich lehne mich zurück und sehe meine Schwester an.

Summer grinst. Ihre grünen Augen, die meinen so verflucht ähnlich sind, funkeln verschmitzt. Die langen rotblonden Haare trägt sie zu einem geflochtenen Zopf gebunden und auf ihrer Nase tanzen Sommersprossen. Alles an meiner Schwester ist hell und freundlich, von ihren weißen Shorts über das hellblaue Top bis zu den weiß lackierten Fingernägeln. Als hätten meine Eltern bei der Namenswahl schon gewusst, wie sie später aussehen würde.

»Als Dad abends heimgekommen ist, stand er kurz davor, auszurasten. Aber Mum hat ihm erklärt, dass wir eine Auszeit brauchten, und er hat es verstanden.« Sie seufzt. »Mum konnte ihm alles erklären, und danach war es gut.«

Als sie nicht mehr da war, nicht länger der Puffer zwischen uns und unserem Vater, ist alles zusammengebrochen. Und jeder von uns geht damit auf seine Art um. Summer versucht Dad zu gefallen, seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Auch James folgt seinen Anweisungen. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass mein Zwillingsbruder nicht ständig derselben Meinung ist und eigentlich andere Pläne hat. Nur dass er bisher nicht wagt zu widersprechen. Und ich? Ich kann das nicht, ich bin nicht wie meine Geschwister.

Dad hat mich noch nie gesehen, ich war immer nur die andere Tochter. Seit Mum tot ist, umso mehr. Also trinke ich, um zu verdrängen, tanze, um mich lebendig zu fühlen. Schreie, um ihn zu verletzen. So wie er mich andauernd aufs Neue mit seiner Missachtung verletzt.

»Ich vermisse sie«, murmle ich und habe Mühe, die Tränen zurückzuhalten.