Das Orakel der Spiegelwelt (Die Spiegelwelt-Trilogie 3) - Izzy Maxen - E-Book
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Izzy Maxen

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Beschreibung

»Da ist nur noch Feuer und Licht. Niemand mehr, nur ich. Ich bin das Licht.« Noch immer kann Sienna nicht glauben, wie sehr sich der Mann, den sie einst liebte, verändert hat. Getrieben von der Dunkelheit in seinem Inneren hat er sie in sein düsteres Reich verschleppt und fordert das, was ihm nicht länger gehört: ihr Herz. Doch die Lichtprinzessin ist fest entschlossen, sich gegen ihn und die Finsternis zu behaupten. Denn sollte sie scheitern, ist die Spiegelwelt für immer verloren – ebenso wie Thy, der ihr inzwischen viel mehr bedeutet, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der Sienna nicht nur an ihre Grenzen bringen wird, sondern weit darüber hinaus … Bist du bereit, für das Wohlergehen einer gesamten Welt alles aufs Spiel zu setzen – auch dein Leben? //Dies ist der dritte Band der magisch-romantischen »Spiegelwelt«-Trilogie. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: -- Die Prophezeiung der Spiegelwelt (Die Spiegelwelt-Trilogie 1) -- Die Rückkehr zur Spiegelwelt (Die Spiegelwelt-Trilogie 2) -- Das Orakel der Spiegelwelt (Die Spiegelwelt-Trilogie 3) Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Seitenzahl: 426

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Die Macht der Gefühle

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Izzy Maxen

Das Orakel der Spiegelwelt (Die Spiegelwelt-Trilogie 3)

»Da ist nur noch Feuer und Licht. Niemand mehr, nur ich. Ich bin das Licht.«

Noch immer kann Sienna nicht glauben, wie sehr sich der Mann, den sie einst liebte, verändert hat. Getrieben von der Dunkelheit in seinem Inneren hat er sie in sein düsteres Reich verschleppt und fordert das, was ihm nicht länger gehört: ihr Herz. Doch die Lichtprinzessin ist fest entschlossen, sich gegen ihn und die Finsternis zu behaupten. Denn sollte sie scheitern, ist die Spiegelwelt für immer verloren – ebenso wie Thy, der ihr inzwischen viel mehr bedeutet, als sie sich jemals hätte vorstellen können. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der Sienna nicht nur an ihre Grenzen bringen wird, sondern weit darüber hinaus …

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Vita

Danksagung

© Sarah Kastner Fotografie

Izzy Maxen lebt mit ihrer Familie in Süd-Hessen. Seit 2017 veröffentlicht sie Liebesgeschichten und romantische Fantasy-Romane. Sie hat Germanistik, Buchwissenschaften und Geschichte studiert. Seit Mai 2021 ist sie als freie Lektorin tätig. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit ihrer Familie und ihren Freunden. Sie liebt es zu reisen, neue Städte und Menschen kennenzulernen und ist großer Fan echter Rockmusik.

DIE PROPHEZEIUNG

Ein Blick in den Spiegel, in eine andere Welt,

ein Volk rebelliert, sie alle stellt.

Der Silberne Krieg bringt Elend und Tod,

vernichtet sie alle, bis das Licht sich erhebt.

Ein Friede geschlossen, ein trügerisch’ Bild,

die Welt vor dem Abgrund, sie alle verschlingt.

Ein Spiegel bringt Wahrheit, Erkenntnis dringt vor,

ein Volk, das verloren, kommt wieder empor.

Tod und Zerstörung für Schatten und Licht.

Die Spiegelwelt wird untergehen:

Folgt Eurer Pflicht!

Nur ein Bund kann sie retten, im Zeichen der Vier,

um Einklang zu bringen wie Hunderte Jahre zuvor.

PROLOG

An einem dunklen Ort zu einer anderen Zeit …

Es ist kalt. Meine Fingerspitzen kribbeln, als ich sie auf das gefrorene Glas der Fensterscheibe lege und diese sanft aufdrücke. Eisige Nachtluft peitscht mir entgegen, Schneeflocken wirbeln in das Zimmer. Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl, wie die Kälte in meine Haut beißt. Jeden einzelnen Stich auf meinem Gesicht, auf den Händen, auf meinem Oberkörper, der nur mit einem dünnen Hemd bedeckt ist. Innerlich seufze ich auf und spüre, wie die Kälte etwas mit meinem Körper macht. Wie sie mir Kraft schenkt und etwas Dunkles erwachen lässt.

Mit einem Zischen erstirbt das Feuer im Kamin hinter mir. Langsam hebe ich die Lider. Dunkelheit hüllt mich ein, nur das fahle Licht des Mondes scheint auf das offene weite Land vor dem Fenster. Eine dicke Schneedecke liegt über den Feldern und verschluckt jedes Geräusch, jegliche Wärme.

Ich liebe dieses Land. Alles daran. Die harten Klippen im Osten, die auf einen unüberschaubaren Ozean treffen, die hohen Berge im Süden und die karge Steppe, die sich von der Schattenburg aus bis zum Düsteren Wald erstreckt. Vor allem aber liebe ich die Kälte und die Dunkelheit, die es beherrschen.

Das ist dein Land, ertönt eine schmeichelnde Stimme hinter meiner Stirn.

Langsam schüttele ich den Kopf. Nein, das ist nicht mein Land. Noch nicht. Es ist das Land meines Vaters, des Dunklen Königs.

Es könnte aber dein Land sein, erklingt die Stimme erneut. Beharrlich, unaufhaltsam.

Klebrige, schwarze Schlieren wabern durch meinen Körper, kalt und mächtig, kitzeln in meinen Adern und lassen ein merkwürdiges Gefühl von Macht zurück. Es könnte mein Land sein.

Du musst nur eine Sache dafür tun. Die Stimme wird drängender, lauter, bis mich ein stechender Schmerz hinter der Stirn ablenkt.

Energisch fahre ich mir übers Gesicht, streiche meine kurzen, schwarzen Haare nach hinten, die hartgefroren sind vom Schnee, der sich darin verfangen hat.

Ich weiß, was die Stimme von mir will. Immer wieder höre ich sie, immer wieder erinnert sie mich daran, wer ich sein könnte. Der Dunkle König. Der mächtigste Mann in der Spiegelwelt. Wenn mein Vater nicht wäre. Wenn er tot wäre, würde ich seinen Platz einnehmen. Aber mein Vater lebt, daran kann ich nichts ändern.

Tatsächlich nicht?

Die Dunkelheit bäumt sich auf, durchdringt meinen Körper, raubt mir den Atem. Das Gefühl grenzenloser Stärke durchströmt mich, ich fühle mich mächtig, erhaben, unbesiegbar. Zwar für nur wenige Atemzüge, aber der Geschmack, das Wissen, wie es sich anfühlt, bleibt.

Gemächlich drehe ich mich herum, lasse den Blick durch das Zimmer gleiten. An der Wand steht ein pompöses Bett, daneben ein Spiegelschrank, ein Schreibtisch und ein riesiges Holzregal, in dem sich die unterschiedlichsten Bücher stapeln. Werke über Geschichte, über Staatsführung, über die Kriegskunst bis hin zu einem Ratgeber für den richtigen Anbau von Getreide. Ich habe alle gelesen. Habe jedes Wort, jede Zeile verschlungen, um meinen nicht enden wollenden Durst nach Wissen zu stillen. Und doch reicht es nicht. Immer noch fehlt etwas, immer noch fühle ich mich leer.

Ich mache zwei Schritte in das Zimmer hinein, trete vor den Spiegelschrank und verziehe das Gesicht, als ich mich selbst betrachte. Meine Haut wirkt blass und kontrastiert stark mit den schwarzen Haaren und den dunklen Augen. Die Dunklen nennen mich gut aussehend und ich weiß, dass es so sein muss. Das verraten mir die gierigen Blicke, mit denen mich unsere Mägde verschlingen.

Dennoch fehlt mir etwas. Niemand würde mich für einen König halten. Mir fehlt die Macht, die meinen Vater jede Sekunde umgibt, die nicht sichtbar ist, aber die jeder, der sich ihm nähert, sofort spürt.

Meine dunklen Augen schauen mir entgegen, traurig, zornig, einsam. Das ist alles, was ich im Moment bin, und doch könnte ich so viel mehr sein. Ich könnte der Dunkle König sein, ein Mann, vor dem die ganze Welt erzittert. Dessen Wort, dessen Macht über allem stehen.

Mit einem Ruck reiße ich das Hemd entzwei und starre auf meinen nackten Oberkörper. Außer ein paar blauen Flecken, die ich mir im täglichen Kampfunterricht zugezogen habe, ist meine Haut unversehrt. Ich kämpfe gut, das versichert mir mein Lehrer immer wieder. Aber so gut ich auch bin, ich verliere trotzdem. Die älteren Soldaten machen sich hinter vorgehaltener Hand lustig über mich, sind mir an Kraft und Ausdauer haushoch überlegen. Ich könnte es ihnen zeigen, ihnen allen. Wenn ich meine Kräfte hätte. Wenn ich endlich über die Kälte und Dunkelheit befehligen könnte, würde niemand mehr über mich lachen. Niemand würde es wagen, meine Position anzuzweifeln, niemand würde infrage stellen, dass ich König sein könnte. Der mächtigste Mann in der Spiegelwelt.

Wie von selbst fährt meine Hand über meinen Oberkörper. Unsichtbaren Linien folgend, die noch nicht auf meiner Haut sichtbar sind. Es wäre einfach, meine Kraft zu bekommen. So einfach. Doch ich müsste meine Verlobte hintergehen, würde nicht auf sie warten, wie sie es zweifelsohne von mir erwartet. Sienna, die Lichtprinzessin. Kurz flammt ein merkwürdig warmes Gefühl in meinem Bauch auf, als ich an sie denke, und für einen Augenblick verfliegt die Dunkelheit. Ich bin der Schattenprinz, alle Dunklen lieben mich. Ich muss noch kein König sein, ich habe Zeit. Dann schaue ich jedoch wieder in den Spiegel und das Gefühl verschwindet. Und mit ihm manifestiert sich ein einziger Gedanke in meinem Kopf.

Ich muss kein König sein, aber ich will es.

Mein Mund verzieht sich zu einem entschlossenen Lächeln, meine Augen flackern schwarz auf. Ein dunkler Hauch jagt durch mich hindurch und ich blecke die Zähne. In der nächsten Sekunde wende ich mich zur Tür und lasse den Jungen, den Schattenprinzen, endgültig hinter mir.

»Wie kann ich Euch helfen, mein Prinz?« Der dunkle Soldat, der vor der Zimmertür postiert ist, schaut mich überrascht an. Es ist mitten in der Nacht, er hat nicht damit gerechnet, dass ich jetzt noch etwas von ihm will.

»Schick mir Eilis.« Ich muss mich nicht weiter erklären.

Die blauen Augen des Mannes, die von schwarzen Punkten durchsetzt sind, halten meinem Blick stand, dann nickt er bedächtig und verschwindet im dunklen Palastflur.

Nur wenig später klopft es an der Tür. Ein nervöses Kribbeln packt mich, Vorfreude auf das, was gleich geschehen wird. Ohne zu zögern, öffne ich, trete einen Schritt zur Seite und lasse Eilis ein. Sie sieht ein wenig verschlafen aus, ihre schwarzen Haare sind zerzaust, ihr Kleid aus einfachem Leinen ist verknittert. Aber aus ihren braunen Augen blitzt es mir hellwach entgegen. Sie ist keineswegs überrascht, dass ich sie rufen ließ.

Ich gebe ihr gerade genug Zeit, ins Zimmer zu treten, dann schließe ich die Tür in ihrem Rücken und presse Eilis mit meinem Körper dagegen. Sie wehrt sich nicht, schaut mich von unten nur herausfordernd an. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein, Hoheit?«

Dieses Biest, sie weiß genau, was ich von ihr will. Und ich weiß, dass sie schon seit Monaten genau darauf wartet. Ihre Blicke waren eindeutig, der gerade Rücken und die hervorgedrückte Brust eine Einladung. Und es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass sie seit wenigen Wochen dafür zuständig ist, mich während der Mahlzeiten zu bedienen.

Ein dunkles Knurren bricht aus meiner Kehle, bevor ich sie mit der Hand am Kinn packe und ihren Kopf zur Seite beuge. Meine Lippen legen sich auf ihren Hals, mit den Zähnen kratze ich an ihrer zarten Haut. Als ich mit der freien Hand ihre Taille entlang nach unten wandere, ihren Po umfasse und sie fester an mich drücke, entfährt ihr ein Keuchen.

»Beim Gott der Nacht!«, wispert sie an meinem Ohr, doch in ihrer Stimme schwingt ein leises Gurren mit. Sie will das hier genauso sehr wie ich. Wenn auch aus anderen Gründen, die mir egal sind. Eilis ist ein Mittel zum Zweck und dass sie mir bereitwillig geben wird, was ich von ihr fordere, macht die Sache einfacher.

Ihre Hände fahren über meinen nackten Oberkörper, bis zum Bauch, und gleiten tiefer. Ungeduldig beginnt Eilis an meinem Gürtel zu nesteln. Ein sanftes Ziehen erwacht in meinem Unterleib, ein Glühen, aber mir gefällt nicht, dass sie die Führung übernimmt. Daher schiebe ich mich zwischen ihre Beine, lehne mich an sie, sodass sie nicht weitermachen kann.

»Hoheit, ich …«

Schnell presse ich meine Lippen auf ihre und bringe sie zum Verstummen. Ich will nicht reden, will ihre Stimme in diesem Augenblick nicht hören, die mich daran erinnert, dass Eilis die Falsche ist. Dass eigentlich Sienna vor mir stehen sollte, dass eigentlich meine Verlobte die erste Frau sein sollte, mir der ich schlafe.

Langsam bewege ich die Hüften. Vorsichtig, zurückhaltend, bis sich Hitze in meinem Körper ausbreitet. Eilis bäumt sich auf, als ich meine Zunge verlangend in ihren Mund schiebe. Mit jeder Sekunde verliere ich mehr die Kontrolle und ein mir bisher unbekanntes Verlangen flackert in meinem Körper hoch. Ich will sie, ich will das Feuer spüren, dass nur sie in diesem Moment in mir auslöst. Ich will nicht länger warten.

Meine Hüften reiben sich drängender an ihren, Eilis öffnet bereitwillig die Beine und kratzt mit ihren Fingernägeln über meinen Rücken. Ein dunkler Rausch ergreift mich, bis sie mich in die Unterlippe beißt und ich mein eigenes Blut schmecke. Atemlos lasse ich von ihr ab, schaue sie abschätzend an. Das Grinsen, das sie mir jetzt entgegenschleudert, hat etwas Wölfisches und ihre braunen Augen sind beinahe schwarz vor Verlangen. O ja, sie will, dass ich sie nehme. Und ihr gefällt die Art, wie ich es tue.

Mit einem Ruck reiße ich ihr dünnes Kleid entzwei. Ihre nackten Brüste recken sich nach oben und ihr Oberkörper bebt, als ihn ein kalter Windhauch trifft. Das Fenster hinter uns steht immer noch offen und wirbelt unaufhörlich Schneeflocken und Kälte in das Zimmer. Aber mich stört es nicht im Geringsten, ganz im Gegenteil.

Mit schnellen Griffen öffne ich die Hose, packe Eilis an den Hüften und hebe sie hoch. Sie schlingt ihre Beine fester um mich, während ich ihr ein letztes Mal tief in die Augen schaue. Die Dunkelheit flüstert in meinem Kopf, sehnt sich danach, endlich die Kontrolle zu übernehmen. Doch ich halte sie zurück.

Das Gefühl, als ich endlich in ihr bin, überwältigt mich beinahe und kurz wird mir schwarz vor Augen. Doch dann peitscht eine schier grenzenlose Kraft durch mich hindurch, die meinen ganzen Körper zum Brennen bringt und meine Bewegungen wie von selbst leitet. Ich packe Eilis fester, sie stöhnt laut auf, wirft ihren Kopf nach hinten gegen die Tür.

Die Dunkelheit in meinem Inneren explodiert und jedes andere Gefühl kommt zum Erliegen. Da sind nur noch Kälte und Schwärze. Und grenzenlose Macht.

Meine Knie geben nach, lassen mich unter Eilis einfach zusammensacken. Hart komme ich auf dem Boden auf, habe keine Kraft, wieder aufzustehen oder zu schreien. Ich liege nur da, während die Schneeflocken um meinen Körper herumwirbeln und Eilis panisch zu brüllen beginnt, und fühle, wie die Dunkelheit von mir Besitz ergreift. Wie sie sich ausbreitet, meine Adern und Muskeln entlangrast und jegliche Wärme, die in einem vergessenen Gedanken in mir war, einfach gefrieren lässt. Kalte Linien brechen durch meine Haut und ich schreie auf, als plötzlich glühender Schmerz durch meinen Körper tobt. Schwärze füllt mich aus, hüllt mich ein. Ich will, dass der Schmerz verschwindet, dass die Kälte verschwindet, aber dafür ist es längst zu spät.

So schnell wie er gekommen ist, ist der Schmerz wieder fort. Was bleibt, ist ein völlig neues Gefühl, vertraut und doch vollkommen fremd, warm und gleichzeitig so übermächtig, dass es nichts neben sich duldet. Ich brauche einen Moment, bevor ich begreife, was es ist. Meine dunkle Macht, die mich leitet, die mich lenkt und die mir unerschöpfliche Stärke schenkt. Und dafür einen sehr hohen Preis fordert: mich selbst.

Jetzt kannst du der Dunkle König sein, schießt es mir durch den Kopf. Du musst nur eine Sache dafür tun.

Mit einem Ruck reiße ich die Augen auf. Eiszapfen hängen von der Decke über meinem Kopf, die Überwürfe auf dem Bett sind gefroren, ebenso die Möbel um mich herum. Alles überzieht eine glitzernde Schicht. Als ich mich langsam aufrichte, treffen meine Hände auf Eis auf dem Boden.

Langsam drehe ich den Kopf zur Seite, mein Blick geht zur Tür, an der Eilis steht. Sie ist wie erstarrt, schaut mich aus weit aufgerissenen Augen an. Dunkles Blut läuft in dünnen Rinnsalen über ihren Oberkörper und an ihrem Hals entdecke ich dunkle Würgemale.

Beim Gott der Nacht, was habe ich nur getan?

Du hast dir genommen, was dir gehört. Du weißt, was du als Nächstes tun musst! Wieder ein Flüstern, wieder ein Ziehen in meinem Kopf. Die Dunkelheit, die mich lenken will, die mich einen Schritt vor den anderen setzen lässt.

Sobald ich neben Eilis stehe, weicht sie entsetzt vor mir zurück. Nackte Angst flackert in ihren Augen, aber da ist noch etwas anderes. Etwas, das sie den Kopf neigen und ehrfürchtig erschauern lässt. Und sie eindeutig in seinen Bann zieht.

»Mein König!«, murmelt sie leise und die Dunkelheit in mir applaudiert.

Nein! Nein, nein, nein!, will ich ihr entgegenschreien, weil es falsch ist, was ich getan habe. Weil nicht sie diejenige sein sollte, der ich meine Unschuld schenke. Weil nicht sie diejenige ist, die mein Herz schneller schlagen lässt. Das ist Sienna, mein Licht, meine Liebe. Sie macht mich stärker, nur sie versteht mich. Sie hätte heute Nacht bei mir sein sollen, nur ihr bin ich versprochen. Und sie mir. Scham flackert durch mich hindurch, Wut über mich selbst, weil ich mich so leicht verleiten ließ. Es war nicht ich, der gerade intim mit Eilis geworden ist, es bin nicht ich, der jetzt hier an der Tür steht und kurz davor ist, etwas Unaussprechliches zu tun. Meine Muskeln spannen sich an, Schweiß tritt auf meine Stirn. Ich will das hier nicht. Das bin nicht ich. Die Schwärze in mir sträubt sich, meine Macht bäumt sich auf und ich schließe die Augen, als der innere Kampf mich zu zerreißen droht.

Ich will es nicht tun, das alles hier bin nicht ich.

Aber es ist nur noch ein kleiner Schritt. Nur noch eine einzige Sache, die erledigt werden muss. Es ist nur noch eine einzige Person, die zwischen mir und dem Schattenthron steht.

Nein.

Warum nicht?, flüstert die Dunkelheit.

Wegen Sienna. Meinem Licht, meiner Liebe. Für sie will ich das nicht, nur für sie will ich nicht das Monster werden, das mich in die Schwärze lockt.

Stille. Dann ein leises, amüsiertes Lachen. Jegliches Gefühl in meinem Körper gefriert. Es ist zu spät, ich habe längst verloren.

Als ich die Augen wieder öffne, bleiben die Zweifel ungehört, kein Wort verlässt meine Lippen. Stattdessen verzieht sich mein Mund zu einem feinen Lächeln und meine rechte Hand schnellt nach vorne, packt Eilis an ihrer Kehle und zwingt sie nach oben zu sehen.

»Warte hier auf mich. Ich bin noch nicht fertig mit dir.« Die Worte fühlen sich fremd an, so als würde nicht ich sie sagen. Aber es ist mein Mund, der die Silben formt, es ist meine Stimme, die erklingt. Und es ist mein Körper, der Eilis abrupt loslässt, die Tür öffnet und nach draußen tritt.

Die Soldaten, die sich wohl auf Eilis’ Brüllen hin auf dem Gang versammelt haben, weichen ebenfalls erschrocken zurück und neigen ihre Köpfe. Und mit jedem Schritt, den ich weiter den Flur entlang in Richtung meiner Eltern gehe, verflüchtigt sich die Unsicherheit.

Es ist mein Recht, seinen Platz einzunehmen. Es ist mein Recht, der Dunkle König zu sein. Ich bin nicht länger der Schattenprinz.

Ich bin die Dunkelheit.

KAPITEL 1

Das Wetter ist so miserabel wie meine Stimmung. Kalter Regen fällt unablässig auf uns herab, es ist beinahe stockdunkel. Dabei ist erst Nachmittag. Ein Sturm wütet über der weiten Ebene des Sturmlandes, eine Windböe peitscht eine Wand aus gefrorenen Wassertropfen und Schneeflocken über die Soldaten hinweg, zerrt an unseren Umhängen und hinterlässt blutige Spuren auf der feinen Haut der Nachtläufer.

Unbehaglich ziehe ich den Umhang fester um die Schultern, greife nach Rhea, die vor mir im Sattel des Nachtläufers sitzt, und drücke sie an mich. Ich kann meine kleine Schwester vor dem Regen nicht schützen, aber zumindest kann ich ihr etwas Wärme spenden. Es beruhigt mich, dass ich sie endlich bei mir habe. Dass sie sich nicht länger im Gefängnis in Sonnensee befindet, sondern bei mir ist. In Sicherheit.

Als vor uns plötzlich ein Blitz den Himmel zerreißt, zuckt Rhea erschrocken zusammen. Keine Sekunde später dröhnt ohrenbetäubender Donner über uns hinweg. Mein Nachtläufer scheut und ich habe alle Mühe, ihn im Zaum zu halten. Schnell lehne ich mich an Rhea vorbei nach vorn, lege beruhigend die Hand auf den Hals des Tieres. Noch vor wenigen Wochen hätte ich mich geweigert, auch nur in die Nähe eines Nachtläufers zu treten. Aus Angst vor diesen monströsen und furchteinflößenden Tieren, die auf mich unberechenbar wirkten. Jetzt reite ich ihn so sicher wie ein Sandtier.

»Alles in Ordnung, Hoheit?«

Erst nach einem Moment begreife ich, dass die Frage mir gilt. Der dunkle Soldat, der neben mir reitet, mustert mich eindringlich.

Meine erste Reaktion ist, laut zu lachen, dann will ich ihn anschreien. Nein, nichts ist in Ordnung. Ich befinde mich inmitten eines Heeres aus dunklen Soldaten, angeführt von einem Mann, dem ich am liebsten sofort den Rücken kehren würde. Gemeinsam reisen wir durch ein Land, das alle Schleusen geöffnet hat, um uns das Vorankommen so schwer wie möglich zu machen. Und mit jedem einzelnen Meter, den wir zwischen uns und den Windpalast, den Hauptsitz der Grauen Rebellen, bringen, brennt und blutet mein Herz mehr.

Ich atme tief durch und richte mich wieder auf. Versuche zu verdrängen und zu vergessen, was erst vor wenigen Stunden geschehen ist. Doch ein Zittern fährt durch mich hindurch, als mich die Trauer und die Angst um Thy erneut zu überrennen drohen. Auch wenn sein Opfer einen Waffenstillstand zwischen allen Völkern herbeigeführt hat, sehe ich ihn immer noch vor mir. Eingekeilt zwischen den hellen Soldaten, ergeben und willenlos, verschleiert vom Regen, der über seinen nackten Oberkörper läuft, damit auch der letzte Bewohner der Spiegelwelt begreift, wer er ist. Der Sturmprinz, der letzte Graue, der durch Spiegel springen kann, der letzte Graue, der Anspruch auf den Sturmthron hat. Der einzige Mann in dieser und in der Menschenwelt, den ich wirklich und wahrhaftig liebe.

Mein Feuer explodiert, flackert unkontrolliert durch meinen Körper, ungezähmt, mächtig, tödlich. Meine Muskeln glühen, meine erhitzte Haut kribbelt, das Licht will hervorbrechen und alles verbrennen, was sich mir in den Weg stellt. Verzweifelt packe ich Rhea fester um die Taille und ziehe sie enger an mich. Meine Schwester erwidert die Umarmung nur mit einem sanften Streicheln meiner Hände. Ich bin mir sicher, sie spürt die Hitze. Die Hitze, die davon zeugt, dass meine Kraft vollständig erwacht ist und ich weit davon entfernt bin, sie kontrollieren zu können. Dennoch nimmt Rhea ihre Hände nicht weg, schützt sich nicht vor dem Feuer, das ihr überraschenderweise nichts antut. Anscheinend wird sie vom weißen Licht, das sie in sich trägt, beschützt. Jeden anderen ohne eines der vier Schattenlichter in sich hätte mein Feuer verbrannt.

»Ja, es ist alles in Ordnung«, antworte ich dem dunklen Soldaten verspätet und bin mir der scharfen Blicke meiner Begleiter durchaus bewusst. Natürlich sehen auch sie die goldenen Flammen, die immer wieder über meine Finger zucken. Außerdem müssen sie die Wärme spüren, die ich plötzlich ausstrahle. Selbst ohne die goldenen Linien, die sich deutlich auf meiner Wange abzeichnen und sanft in der Dunkelheit erstrahlen, weiß jeder hier, wer ich bin.

Und wem ich gehöre.

Seit wir aufgebrochen sind, haben mich die Dunklen keine Sekunde aus den Augen gelassen. Die ganze Zeit war ein Soldat neben mir, immer hat jemand darauf geachtet, dass mir nichts zustößt oder der Nachtläufer keinen falschen Tritt macht. Nicht, weil sie tatsächlich um mich besorgt sind, sondern weil sie sich vor Ciarans Zorn fürchten. Ich erkenne die Angst in ihren dunklen Augen, in ihren ehrfürchtigen Blicken, die wiederholt nach vorne schnellen, hin zu ihm, um keinen seiner Befehle zu verpassen. Die Macht, die Ciaran innehat und die ich selbst so viele Meter von ihm entfernt spüre, ist beeindruckend. Auch wenn ich es nicht will, fühle ich das sanfte Kribbeln um mich herum, den kalten Schleier, der mich zwingen will, den Kopf zu neigen und ihm zu gehorchen. Doch ich werde ihm nicht nachgeben. Niemals.

Rhea fährt erneut sanft über meine Finger, ruft meine aufwirbelnden Gefühle zur Ruhe. Ein Seufzen, dann habe ich meine Emotionen wieder im Griff. Der Soldat neben uns nickt, greift fester in die Zügel seines Nachtläufers und schaut nach vorne.

»Wo bringt er uns hin?« Rheas Stimme ist leise, ruhig. Es ist das erste Mal, dass sie mich anspricht. Seit wir losgeritten sind, hat sie hartnäckig geschwiegen. Sie will mich ablenken.

Ich beiße die Zähne zusammen. Es bringt nichts, jetzt die Kontrolle zu verlieren. Aber mein Feuer brodelt bedrohlich unter der Oberfläche, lässt mich wissen, dass es jederzeit hervorbrechen kann, wenn ich nicht aufpasse. »Ich vermute, in seine Burg.«

»Ins Schattenland?« Meine kleine Schwester zieht scharf die Luft ein.

»Ja.«

Meine Hände verkrampfen unter Rheas Fingern und ein wilder Schmerz zuckt erneut durch mich hindurch. Ich will nicht zu ihm. Ich will nicht zu Ciaran. Alles daran ist falsch. Ich hätte mich meinem Vater stellen müssen, ich hätte beim Hellen König sein müssen. Und doch bin ich hier, auf dem Weg ins Schattenland, während Thy sich geopfert hat. Für eine durchtriebene Vereinbarung, die Ciaran eingefädelt hat. Der Sturmprinz ergibt sich dem Hellen König, lässt sich von Victoria gefangen nehmen und bekommt so den Frieden, den die Grauen so dringend brauchen. Im Gegenzug dafür befindet sich Rhea wieder in meiner Obhut. Und der Dunkle König? Mein Blick ruckt nach vorne. Ciaran bekommt mich.

Etwas Dunkles kitzelt mich im Kopf und erinnert mich daran, dass meine Gedanken und meine Gefühle schon lange nicht mehr mir allein gehören. Dass zwischen Ciaran und mir seit unserer Hochzeit eine magische Verbindung besteht, die uns unsere Gefühle offenbart. Und ihn mit mir sprechen lässt, wann immer er will. Ciaran, der an der Spitze des Trosses aus dunklen Soldaten reitet, weiß in diesem Augenblick genau, was in mir vorgeht. Und ich spüre deutlich, dass es ihn amüsiert.

Meine Zähne knirschen, so fest presse ich die Kiefer zusammen. Dann schließe ich für einen Moment die Augen, blende alle Gefühle aus und versenge die Dunkelheit in mir. Ein heißes Fauchen dröhnt durch meinen Körper und die Kälte, die mit der Dunkelheit gekommen ist, zieht sich widerwillig zurück. Ich werde nicht länger zulassen, dass er in meinen Gedanken ist. Dass er fühlt, was ich fühle, dass er weiß, was ich denke. Es ist mein Körper, es ist mein Leben. Er hat keine Macht mehr über mich.

»Ich bin froh, dass du bei mir bist«, flüstere ich meiner Schwester ins Ohr und atme tief durch. Die Verantwortung, die auf meinen Schultern liegt, kann sie mir nicht nehmen. Aber sie wird mir helfen, diese zu erfüllen. Denn Thy hat sich in Gefangenschaft begeben, damit ich das Schattenlicht finden kann und diese Welt eine Chance hat zu überleben. Ich verstehe seine Entscheidung, respektiere sie. Ich hätte ebenso gehandelt. Doch verzeihen kann ich ihm nicht. Er hat mich allein gelassen, hat die Vereinbarung mit Ciaran ohne mein Wissen getroffen. Ich fühle mich hintergangen und bin enttäuscht, dass er mir nicht vertraut hat. Wobei ich zugeben muss, dass ich ihn nie und nimmer diesen Schritt hätte tun lassen. Eher hätte ich die ganze Spiegelwelt verbrannt – oder mich selbst gestellt.

Erneut zuckt ein Blitz über den Himmel und mein Nachtläufer scharrt ängstlich mit den Hufen. Die Tiere sind Dunkelheit und Kälte gewohnt, doch in diesem Augenblick begreife ich, dass es etwas gibt, dass ihnen Angst macht. Das allen Dunklen Angst macht.

Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln, als ich die rechte Hand aus Rheas Umklammerung befreie und wie beiläufig nach oben strecke. Kurz schließe ich die Augen, horche tief in mich hinein und konzentriere mich auf mein Feuer. Es wehrt sich, will mir nicht gehorchen, will ausbrechen und brennen. Ich presse die Lippen zusammen, riskiere alles und verliere mich in meiner Kraft. In dem Augenblick, als ich die Lider wieder öffne und meinen Fokus finde, bricht goldenes Licht aus meiner Hand hervor. Mein Feuer explodiert, nimmt mir für einen Moment den Atem, und ein gewaltiger heller Strahl zerteilt den dunklen Himmel. Hitze breitet sich rasant aus und bringt den Regen zischend zum Kochen. Innerhalb einer Sekunde bricht Chaos aus. Flammen züngeln über den Boden, einige Nachtläufer steigen panisch auf die Hinterbeine. Soldaten brüllen, werden aus den Sätteln gehoben und landen im aufgeweichten Boden. Die geordneten Reihen um uns herum brechen auseinander, plötzlich schaut niemand mehr nach Rhea und mir.

Tränen laufen mir über das Gesicht und ich spüre, wie ich immer mehr die Kontrolle über mein Licht verliere. Ich presse die Zähne zusammen, konzentriere mich und blende alles um mich herum aus. Die Schreie, den Gestank. Mit aller Kraft schließe ich die Hand, rufe das Feuer zurück, das mir nur widerwillig gehorcht, und gebe unserem Nachtläufer die Sporen.

Wir kommen nicht weit, nach wenigen Metern bremst uns eine Wolke aus dunklem Nebel. Der Nachtläufer scheut und bleibt stehen. Meine Tritte und mein Drohen ignoriert er, aber ich hatte auch nicht wirklich damit gerechnet, so einfach fliehen zu können. Ciarans Zornesschrei dröhnt durch meinen Kopf. Die Temperaturen um uns herum fallen rapide, der Regen verwandelt sich in Schnee. Der Dunkle König tobt und Schuld daran bin ich allein.

Ich lege den Kopf schief und kann nicht anders, als zufrieden zu lächeln.

Es gibt etwas, wovor alle Dunklen Angst haben. Und das ist Licht.

***

Die Wärme des goldgelben Feuers prickelt auf meiner Haut und lässt das Leben langsam in meine Hände zurückkehren. Ich spreize die Finger, spanne die Arme an und kann ein erschöpftes Seufzen nicht unterdrücken. Ich fühle mich erschlagen, kaputt, beinahe als hätte jemand alle Kraft aus meinem Körper gepresst; nur mein eiserner Wille hält mich davon ab, auf der Stelle zusammenzubrechen. Und die zwei dunklen Soldaten, die gerade dabei sind, Speisen auf einem kleinen hölzernen Tisch, der sich mitten in diesem riesigen Zelt befindet, aufzutragen. Vor ihnen gestehe ich mir keine Blöße zu, ich werde ihnen nicht zeigen, wie schwach ich bin.

Wir waren den restlichen Tag unterwegs, ohne eine einzige Unterbrechung. Ciaran hat weder mir noch seinen Soldaten erlaubt anzuhalten. Nach meinem kleinen Ausbruch hatte ich das Gefühl, dass er sein Heer verbissener als zuvor antreibt. Bis zum späten Abend sind wir durch die offene Steppe geritten, die der Sturm in eine Wüste aus Matsch, Regen und Wind verwandelt hat. Erst als die Ausläufer des Schattengebirges bedrohlich vor uns aufragten, durften wir absteigen. In Windeseile haben die dunklen Soldaten ein Lager errichtet, das ein wenig Schutz vor dem Sturm bietet, der immer noch um uns herum tobt. Rhea und ich wurden in eines der Zelte geführt, überraschenderweise eines der größten. Und eines, das von zwei dunklen Soldaten bewacht wird. Ich hasse Ciaran jetzt schon dafür, was er uns antut. Was er von mir und seinen Soldaten fordert, ohne Rücksicht auf Verluste. Denn nicht nur ich bin völlig am Ende, auch seinen Soldaten sind die Strapazen deutlich anzumerken. Dunkle Ringe liegen unter ihren Augen und der Tonfall mir gegenüber ist von ablehnend zu aggressiv gewechselt.

Blecherne Teller klappern leise und meine Nasenflügel blähen sich, als mich ein vertrauter Duft erreicht. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen und mein Magen rumort vernehmlich.

»Komm, wir sollten etwas essen!« Ich strecke die Hand nach Rhea aus, die sichtlich verunsichert neben mir steht. Auch ihr merkt man die Erschöpfung an, Schatten liegen unter ihren Augen und sie hat Mühe, nicht auf der Stelle einzuschlafen. Rhea ist erst acht Jahre alt, sage ich mir immer wieder, und allein diese Tatsache treibt mir augenblicklich die Tränen in die Augen. Sie ist noch so klein und hat in den letzten Wochen Ungeheuerliches erlebt. Ich weiß nicht, wie sie in der unterirdischen Zelle überleben konnte, in die Königin Victoria sie hat werfen lassen. Ohne Licht und mit dem Wissen, dass jeder Tag der letzte sein könnte. Dort hat sie ausgeharrt, wochenlang, bis Ciaran sie schließlich herausgeholt hat. Um ein Druckmittel gegen mich in der Hand zu haben, um sicherzugehen, dass ich auch wirklich zu ihm komme – und bleibe. Ich habe mich versichert, dass Rhea wohlauf ist, weiteren Fragen ist sie ausgewichen. Irgendwann wird sie mir erzählen, was geschehen ist. Im Moment zählt nur, dass sie bei mir ist.

Erschöpft lasse ich mich auf einem der Holzschemel an dem kleinen Tisch nieder und Rhea klettert wie selbstverständlich auf meinen Schoß. Ihre Nähe tut mir gut, sie beruhigt mich, dennoch ist das Gefühl, sie so nah bei mir zu haben, ungewohnt. Noch vor wenigen Wochen im Palast wäre so eine Situation undenkbar gewesen. Niemals hätte mein Vater geduldet, dass Rhea während des Essens auf meinen Beinen sitzt. Als Graue stand sie unter uns, sie war geduldet im Palast, aber bei den Mahlzeiten niemals erwünscht. So vieles hat sich seitdem verändert.

Ein Schwall eiskalter Luft zerreißt die behagliche Wärme in unserem Zelt. Die zwei Soldaten zucken zusammen, lassen die Teller, die sie gerade auf dem Tisch abstellen wollten, einfach fallen und sinken auf die Knie. Rhea erstarrt, ihre Finger krallen sich panisch in meinen Unterarm.

Mein Herzschlag stolpert, Kälte kribbelt auf meiner Haut. Ciarans Präsenz nimmt mir den Atem. Seine dunkle Macht erfüllt mühelos das ganze Zelt, dringt in jede meiner Poren ein und zwingt mich fast vom Stuhl herunter auf die Knie. Aber ich werde nicht vor ihm kriechen, will es nicht. Meine rechte Hand verkrampft sich, so stark kämpfe ich gegen den Zwang an, es doch zu tun.

Ciaran ist der Dunkle König. Ein Monster mit schwarzen Augen, die seine schwarze Seele widerspiegeln. Dennoch ist er unbestreitbar der mächtigste Mann in der Spiegelwelt. Sogar mächtiger als mein Vater.

»Raus hier! Sofort!« Ein dunkles Knurren. Ein klarer Befehl.

Die Soldaten springen auf die Beine und verlassen fluchtartig unsere Schlafstätte. Ruhig schiebe ich Rhea von meinem Schoß. Dann erhebe ich mich scheinbar unbeeindruckt von meinem Schemel, greife nach der Hand meiner Schwester und drücke sie ermutigend. Ich habe keine Angst mehr vor ihm. Nie wieder.

Eine schwarze Augenbraue hebt sich, dunkle Augen mustern mich, sein Blick gleitet langsam über meinen Körper hinweg. Und hinterlassen ein eiskaltes Kribbeln.

Ciaran starrt vor Dreck. An seinem schwarzen Umhang klebt Matsch, überall an seinen Stiefeln bis hinauf zur schwarzen Jacke finden sich dunkelbraune Spritzer. Regen tropft aus seinen langen Haaren, läuft in feinen Spuren über sein blasses Gesicht, aber all das stört ihn augenscheinlich nicht. Jeder andere würde frieren, der Dunkle König liebt die Kälte.

Ich hebe das Kinn, sehe ihn herausfordernd an. Mein Feuer zuckt durch mich hindurch, rennt durch meine Adern und bringt meine Haut zum Glühen. Es will mich daran erinnern, dass ich nicht länger wehrlos bin, dass ich genug Kraft habe, ihm entgegenzutreten. Und das werde ich tun.

»Kannst du mir mal verraten, was genau das vorhin sollte?« Er macht einen trägen Schritt auf mich zu, die Hände in den Hosentaschen, einen überheblichen Ausdruck im Gesicht. Dabei wirkt er vollkommen ruhig, aber in seinen schwarzen Augen blitzt der Zorn. Und in meinem Kopf pocht die Kälte. Ciaran kann mich nicht täuschen, ich weiß, was in ihm vorgeht.

»Ich habe mein Licht noch nicht unter Kontrolle. Es schoss einfach aus mir heraus.« Ich schenke ihm ein entschuldigendes Lächeln. Eine glatte Lüge und ich bin mir sicher, dass Ciaran mir kein Wort glaubt.

Rhea zieht scharf die Luft ein, als der Dunkle König näher kommt, kurz vor mir stehen bleibt und von oben auf mich herabblickt.

»Lüg mich nicht an!«

Das diabolische Lächeln, das sich nun auf seine Lippen legt, macht mich nervöser als die Kälte, die er ausstrahlt. Ich muss meine ganze Kraft aufwenden, um nicht vor ihm zurückzuweichen.

»Das würde ich nie wagen.« Ich bin nicht länger seine Prinzessin. Ich bin nicht länger das naive Mädchen, das er kontrollieren kann.

Mit einer schnellen Bewegung, die ich nicht habe kommen sehen, packt er mich an der Kehle und drückt zu. »Du gehörst mir, Sienna! Du hast mir zu gehorchen und zu folgen.«

Rhea schreit auf, zerrt an meiner Jacke, will mich von Ciaran wegziehen. Ohne Erfolg. Meine Hände krallen sich um seinen Arm, ich röchle, bekomme keine Luft mehr. Mein Feuer flackert hoch, brennt sich einen Weg durch meinen Körper und Hitze explodiert um mich herum.

Mit einem Fauchen lässt Ciaran wieder von mir ab. Wütend bleckt er die Zähne, doch in seinen Augen erkenne ich etwas anderes. Etwas, dem meine Rebellion gefallen hat, das geradezu begeistert ist von der Macht, die ich nun besitze.

»Ich gehöre niemandem!«

Stocksteif stehe ich da, angespannt bis in die Fingerspitzen und bereit, ihm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Noch einmal lasse ich mich nicht so überrumpeln.

Der Dunkle König schenkt mir einen abschätzenden Blick, der mein Licht erneut in Wallung bringt, bevor er sich von mir abwendet und mit wenigen Schritten auf die andere Seite des Zeltes geht. Mit einer geschmeidigen Bewegung zieht er den Umhang von seinen Schultern, wirft ihn achtlos in eine Ecke und greift nach seinen schmutzigen Stiefeln.

»Korrigiere mich, wenn ich falschliege, aber soweit ich mich erinnere, sind wir verheiratet. Obwohl du dich ganz offensichtlich zwischendurch mit dem Sturmprinzen vergnügt hast.«

Ich presse die Lippen zusammen. Sage kein Wort.

Die Stiefel landen neben dem Umhang, kurz darauf folgt seine Jacke. Nur in Hemd und Hose kommt Ciaran wieder auf mich zu, ein breites Grinsen im Gesicht. Ich schlucke hart, greife erneut nach Rheas Hand. Sie presst sich in meinen Rücken, zittert vor Angst.

»Liebes, auch wenn du es nicht wahrhaben willst, bist du meine Ehefrau. Und damit gehörst du natürlich mir.«

»Was willst du von mir?« Unwillkürlich weiche ich nun doch einen Schritt zurück. Die ganze Situation gefällt mir nicht und in meinem Bauch macht sich ein ungutes Gefühl breit. Wie von selbst wandert mein Blick an Ciaran vorbei zu der kargen, jedoch recht beschaulichen Ausstattung des Zeltes, das mich allein durch seine Größe beeindruckt hat. Warum hat er uns hierher bringen lassen? Und nicht in ein kleineres Zelt? Warum sind wir nicht gefesselt, warum werden wir so gut bewirtet und warum bei der Göttin hat er seine Kleidung abgelegt?

Ein überraschter Ausdruck huscht über sein blasses Gesicht, als er meine Verwirrung spürt, und ganz kurz blitzt der Junge durch, den ich einst kennenlernte. Aber nur einen Wimpernschlag später ist er verschwunden und zurück bleibt der Dunkle König, der ein Spiel mit mir spielt. Das er gerade zu gewinnen scheint.

»Ich habe dir bereits in der Schwarzen Stadt gesagt, was ich von dir will. Gemeinsam sind wir unbesiegbar, gemeinsam können wir die Spiegelwelt beherrschen. Niemand wird uns aufhalten, weder dein Vater noch sonst jemand. Selbst wenn er den Sturmprinzen nun in seiner Gewalt hat.«

Thy. Ich will nicht an Thy denken, nicht schon wieder, doch der Schmerz zuckt ungefiltert durch mich hindurch und zerreißt erneut mein Herz. Was Ciaran mit einem belustigten Zucken seiner Mundwinkel zur Kenntnis nimmt.

»Warum denkst du, dass ich dir dabei helfe?« Ich will diese Welt retten, nicht zerstören. Und ich will ihn retten, erinnere ich mich. Weil irgendwo in dem Dunklen König mein Schattenprinz steckt. Der Junge, der mir die Welt erklärte, auf den ich mich verlassen konnte, der Junge, den ich liebte. Den ich heute noch liebe, den ich brauche, als Freund. Als Vertrauten, aber nicht als Mann an meiner Seite. Denn mein Herz, mein gebrochenes, zerrissenes Herz, gehört einem anderen.

Ciarans Lächeln wird grausam, eine Fratze aus Gier und Kaltblütigkeit. Und plötzlich weiß ich, dass ich keine Wahl mehr habe. All das hier ist ein lang geplantes Spiel, bei dem jede Figur genau das getan hat, was der Dunkle König will. Er hat uns alle in der Hand, Thy, meinen Vater, Rhea, mich. Und wir alle werden uns ihm früher oder später beugen.

»Was bist du bereit zu opfern, Liebes, um die zu retten, die du liebst?« Mit einem Schritt ist er bei mir, so dicht, dass sein Oberkörper meine Brust berührt.

Ich trage immer noch den grauen Kampfanzug, den ich mithilfe meines Feuers trocknen konnte, dennoch spüre ich seine Nähe überdeutlich. Mein ganzer Körper versteift sich, ich bin unfähig, mich zu bewegen, denn seine Drohung war eindeutig. Das Licht erwacht in meinem Inneren, flackert auf. Ich kann mich gegen ihn wehren, kann verhindern, was er mit mir vorhat, aber zu welchem Preis? Meine kleine Schwester steht direkt hinter mit, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Ich kann nicht riskieren, dass er ihr etwas antut.

»Du bist nicht mehr so unschuldig wie das letzte Mal, als ich dich traf. Und ich hoffe sehr, dass der Sturmprinz seine Sache gut gemacht hat.« Er macht eine künstliche Pause, damit seine Worte den Schmerz auslösen, den er beabsichtigt hat. »Du bist nicht ohne Grund hier in diesem Zelt. Es ist meins, falls es das war, was du dich eben gefragt hast.«

Mein Mund wird schlagartig trocken, als ein dunkles Glitzern in Ciarans schwarzen Augen aufblitzt. Langsam hebt er eine Hand, zögert kurz, doch als ich nicht reagiere, fährt er federleicht mit einem Finger meine Wange entlang. Folgt einer goldenen Linie, die in verschlungenen Ranken von meiner Schläfe bis zum Kinn verläuft. »Du gehörst mir, Liebes. Ob du willst oder nicht.« Seine Finger wandern weiter den Hals hinunter, bis er sanft über die empfindliche Stelle direkt unterhalb meines Ohrs streicht. Gänsehaut überzieht meinen Rücken und obwohl ich es nicht will, obwohl ich mich mit allem, was ich habe, dagegen wehre, kann ich nicht verhindern, dass seine Berührung etwas in mir auslöst. Etwas Dunkles, etwas Forderndes. Etwas, das den Wunsch nach mehr entfacht.

Und du willst doch nicht, dass deiner kleinen Schwester etwas zustößt, oder?

Mein Licht erstrahlt, füllt mich aus und erlischt. Nein. Grauen fasst nach meinem Herzen. Ciaran hat kein Wort gesprochen, seine lockende, dunkle Stimme war nur in meinem Kopf. Rhea hat seine Drohung nicht gehört. Eine Drohung, die er unmöglich ernst meinen kann. Aber ein Blick in seine schwarzen Augen lässt jeglichen Zweifel in mir erfrieren. Ciaran spielt nicht länger. Er will mich, ich gehöre ihm und dafür ist er bereit, über Leichen zu gehen.

»Das wagst du nicht.« Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. Ich will keine Angst vor ihm haben, wehre mich mit aller Macht dagegen. Und dennoch huscht sie leise durch meinen Körper. Doch die Angst gilt nicht mir, sie gilt meiner Schwester.

Willst du es darauf ankommen lassen?

Wieder nur ein Wispern in meinem Kopf. Ein vertrautes Locken, ein neckisches Ziehen. Er ist mir so nah, dass seine Nasenspitze meine berührt. Kälte rennt prickelnd über meine Haut, hinterlässt ein Gefühl, das ich nicht einordnen kann.

»Rhea.« Ich drücke ihre Hand fester. »Geh zu den Soldaten vor dem Zelt. Sie sollen dich heute Nacht woanders unterbringen.«

Ein Wimmern antwortet mir. »Nein, ich bleibe bei dir.«

Ich zwinge den Blick von Ciaran los, hin zu meiner kleinen Schwester. »Bitte, Rhea. Vertraue mir. Sie werden dir nichts tun.«

»Ich lasse dich nicht allein mit ihm. Ich werde bei dir bleiben.«

Kurz bewundere ich den Mut, den sie trotz ihrer Angst vor Ciaran aufbringt. Aber heute Nacht fühle ich mich sicherer, wenn ich sie nicht in seiner Nähe weiß.

»Bitte, Rhea … Er wird mir nichts tun.« Was immer Ciaran mit mir vorhat, töten wird er mich nicht. Dafür bin ich ihm zu wichtig, dafür hat er zu viel riskiert, um mich in seine Gewalt zu bekommen.

Rheas Blick huscht an mir vorbei zu dem Dunklen König, der leise an meinem Ohr lacht. Dann sieht sie wieder zu mir und nickt bedächtig. Ein letztes Mal drückt sie meine Hand, anschließend verlässt sie das Zelt. Mein Herz zieht sich zusammen, kaum dass die Plane hinter ihr zuschlägt. Ich will sie beschützen und nun schicke ich sie erneut fort.

»Kluges Kind.«

Mein Kopf ruckt herum, direkt zu Ciarans belustigtem Grinsen. Jetzt, da Rhea nicht mehr hinter mir ist und mich zwingt, ruhig zu bleiben, brandet meine gesamte Wut, die ich auf den Dunklen König habe, über mich hinweg.

»Du Monster, du arroganter Widerling, du –«

Ein kalter Finger legt sich auf meine Lippen, bringt mich abrupt zum Verstummen. »Vorsicht, Liebes. Nur weil deine Schwester nicht mehr in Reichweite ist, ist sie noch lange nicht in Sicherheit. Ein Wort von mir und sie stirbt.«

Erschrocken presse ich die Lippen zusammen, schlucke alle weiteren Beschimpfungen hinunter. »Ist das der Grund, warum du sie gerettet hast? Damit ich dir gehorche?«

Sein Finger streift meine Unterlippe, fährt unter mein Kinn. Energisch schlage ich gegen seinen Arm, ich will nicht, dass er mich berührt. Blitzschnell zuckt seine freie Hand nach oben, hält mich fest. »Gut erkannt, Liebes.«

Mit eisernem Griff dreht er meinen Arm auf den Rücken und zieht mich mit einem Ruck an sich heran. Nichts steht mehr zwischen uns, ich spüre seinen ruhigen Herzschlag an meiner bebenden Brust. »Und jetzt kommen wir endlich zum amüsanten Teil des Abends.«

Mit aller Kraft ziehe ich das Knie nach oben und versuche gleichzeitig mich nach hinten zu werfen. Doch Ciaran steht zu dicht vor mir, sein Griff um meinen Körper ist zu fest, als dass ich etwas bewirken könnte. Ich brülle wütend auf, stoße verzweifelt mit meinem Kopf nach vorne, um mich zu befreien, aber gegen den Dunklen König bin ich chancenlos. Ciaran kann kämpfen. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Er ist weit besser, als ich jemals sein werde. Vermutlich sogar besser als Kit. Und mein Freund weiß, wie man kämpft – immerhin hat er mich jahrelang unterrichtet.

Mit einem harten Stoß lässt Ciaran mich zurückstolpern. Ich schreie auf, stürze und lande unsanft auf dem Rücken. Sofort ist der Dunkle König über mir, keilt mich unter sich ein. Erschrocken schaue ich zu ihm auf, spüre die kalte Erde unter meinem Rücken und Ciarans Knie zwischen den Beinen. Mit einer Hand stützt er sich neben meinem Gesicht ab, während er mit seiner anderen meine Arme über dem Kopf fixiert.

Glühender Zorn fährt durch mich hindurch, bringt mein Blut zum Kochen. Die Luft um mich herum beginnt zu flimmern und Flammen zucken über meine Arme. Ich kann mich gegen ihn wehren, ich bin ihm nicht hilflos ausgeliefert.

Zischend lässt Ciaran meine Arme los, doch auf seinem Gesicht spiegelt sich ehrliche Begeisterung. Und in seinen schwarzen Augen zuckt dunkle Begierde auf. »Bist du sicher, dass du das tun willst, Liebes? Denke an deine Schwester.«

Meine Zähne knirschen, so wütend bin ich. Sein Körper ist meinem viel zu nah, was mir unangenehm ist. Ich will ihn von mir stoßen, will ihn verbrennen. Vergessen ist der Gedanke, dass irgendwo in diesem Monster mein Schattenprinz steckt, den ich retten will. Im Moment zählt einzig und allein der Dunkle König über mir, der mit mir spielt, mich in seiner Gewalt hat und meine Schwester bedroht. Ich werde ihn umbringen. Irgendwann werde ich das tun. Doch leider nicht heute. Mit aller Kraft rufe ich das Feuer zurück, bringe meine aufgewühlten Gedanken unter Kontrolle.

»Wie war es mit dem Sturmprinzen, Liebes? Was hat er mit dir gemacht?« Langsam beugt sich Ciaran wieder über mich, Kälte kitzelt über meine glühende Haut.

Ich liege stocksteif unter ihm, mein Herz hämmert in der Brust. Er ist ein Monster, ein eiskaltes Monster und alles, was er tut, zielt einzig und allein darauf ab, mir wehzutun.

»Lag er über dir, so wie ich?« Seine schwarzen Augen graben sich in meine, fordern mich heraus, während seine Dunkelheit in meinen Kopf dringt.

Ich spüre Ciaran auf mir, in meinem Kopf, und obwohl ich sie verzweifelt zu verdrängen suche, zucken Bilder der vergangenen Nacht in meinem Gedächtnis auf. Thy und ich an dem kleinen See im Sturmland. Wir im Wasser, am Strand, als er bei mir war, wir eins wurden und ich mich vollkommen in ihm verloren habe. Erinnerungen brechen über mir zusammen, ein unbeschreibliches Gefühlschaos brandet über mich hinweg. Zarte Nähe, Aufregung, grenzenlose Hitze. Was bleibt, ist die Gewissheit, Thy zu lieben. Niemanden sonst, nur ihn.

Ich verliere mich erneut, vergesse mich, schließe die Lider. Die Bilder in meinem Kopf werden Realität, ich spüre sanfte Lippen in der Halsbeuge, Hände, die über meinen Bauch nach unten fahren, hin zu dem Glühen, das verzweifelt nach Erlösung sucht. Ein Keuchen kommt aus meinem Mund, als sie meine erhitzte Haut berühren.

Erschrocken reiße ich die Augen auf. Und schaue in einen schwarzen Abgrund, in ein Versprechen aus Kälte und Dunkelheit. Und erkenne eine Wahrheit, die mein Feuer mit einem Schlag zum Explodieren bringt.

Es ist Ciaran und nicht Thy, der mich berührt, der mein Blut zum Kochen und meine Haut zum Brennen bringt. In seinen Augen glüht dasselbe Verlangen, das in mir schwelt, doch ich erkenne deutlich, dass er verletzt ist. Dass er wütend darüber ist, dass er mich nicht hatte, dass er mich nicht haben kann, obwohl er mich unbedingt will. Weil ich ihn nicht liebe.

Licht schießt aus meinen Händen, Hitze dringt aus meinen Poren und binnen einer Sekunde stehe ich in Flammen. Unbändiger Schmerz erfüllt meinen Körper, als mein Feuer unkontrolliert über mich hinwegrauscht und mich verglüht. Zu viel Magie auf einmal bricht aus mir hervor, ungestüm und unbeherrscht saugt sie das Leben aus mir heraus.

Kalte Hände packen meinen Kopf, Dunkelheit bringt meine Hitze zum Erliegen. Mein Feuer flackert auf, kämpft mit aller Kraft, aber eine eiskalte Schwärze gebietet ihm Einhalt. Langsam kommen meine Gedanken zur Ruhe, die Wut flaut ab. Mein Blick klärt sich.

Ciaran kniet über mir, seine Hände an meinen Kopf gepresst, während ich meine Finger in seine Arme kralle. Sein Atem kommt stoßweise in weißen Wolken aus seinem Mund, Schweiß steht ihm auf der Stirn. Und in seinen schwarzen Augen flackert Zorn.

»Fass mich nie wieder an!« Meine Stimme ist leise, gefährlich. Denn etwas habe ich eben gelernt. Ich mag mein Feuer noch nicht kontrollieren können, doch ich kann Ciaran sehr wohl gefährlich werden. Ansonsten würde er nicht so offensichtlich angestrengt vor mir sitzen.

»Ich gehöre dir nicht länger, Ciaran. Du hast keinerlei Anspruch auf mich, obwohl ich mit dir verheiratet bin. Was Thy und ich getan haben, geht dich nichts an. Du hast behauptet, dass es eine Abmachung zwischen Thy und dir gäbe, dass er mit mir schläft. Damit ich meine Kräfte bekomme, denn nur so würde ich dir etwas nützen. Aber weißt du was? Das glaube ich dir nicht. Und selbst wenn es so wäre, es ist mir egal. Ich liebe Thy. Ich liebe, wer er ist, wie er mit mir umgeht, wie er mich behandelt, was er aus mir macht. Nie hast du dich für mich eingesetzt, nie hast du mich wirklich stärker gemacht. Ja, ich habe gestern mit ihm geschlafen, mit ihm und nicht mir dir, meinem Ehemann. Weil ich es wollte, weil er der Richtige ist. Und genau das verkraftest du nicht, habe ich recht? Dass du nicht mehr der Mann bist, dem mein Herz gehört, dass Thy etwas mit mir getan hat, dass er mir nah war, so wie du es nie sein wirst. Nicht gestern, nicht heute und nicht morgen. Niemals.«

Eine Sekunde vergeht. Eine Minute. Ciaran sitzt nach wie vor auf mir, doch seine Nähe macht nicht länger etwas mit mir. Die Temperaturen um uns herum fallen ab, Frost überzieht den Boden. Auch ohne diese deutlichen Zeichen wüsste ich, dass ich recht habe. Denn Schmerz zuckt durch Ciarans Gesicht, Angst und Einsamkeit stehen in seinen Augen. Mit jedem einzelnen Wort habe ich ihn verletzt, habe den Jungen getroffen, der sich nun allein und ängstlich zurückzieht. Und das dunkle Monster zurücklässt. Er wollte mich unbedingt, will mich immer noch. Nur deshalb kommt er mir so nah, nur deshalb erpresst er mich mit meiner Schwester, nur deshalb spielt er dieses Spiel. Weil er nicht akzeptieren kann verloren zu haben.