Defcon One 2 - Andy Lettau - E-Book

Defcon One 2 E-Book

Andy Lettau

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Beschreibung

Ein Anschlag in New York und ein merkwürdiges Erpresserschreiben, welches die letzten lebenden Ex-Präsidenten bedroht - Teil 2 des sechsteiligen Serials! Präsident Barack Obama ist tot, durch eine Bombe in Berlin in Stücke gerissen. Kaum ist George T. Gilles als Nachfolger ins Amt eingeführt, überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst landet der abgetrennte Kopf eines im Irak entführten Zivilisten im Weißen Haus. Dann bricht nach einem Anschlag in New York Panik aus, und die vier noch lebenden Ex-Präsidenten geraten ins Visier eines unbekannten Gegners. Einem seltsamen Erpresserschreiben, welches die Räumung sämtlicher US-Militärbasen in Übersee zur Forderung hat, möchte die neue Administration in Washington zunächst wenig Beachtung schenken. Erst als Mark Spacy, Operationsleiter der regierungsnahen und ultrageheimen National Underwater & Space Agency, auf einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und den rätselhaften Toden einiger NASA-Top-Astronauten hinweist, gibt der Präsident sein Einverständnis für ein waghalsiges Geheimkommando. Von Andy Lettau sind ebenfalls »Balkanblut« und »Neversleep« bei Knaur eBook erschienen.

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Seitenzahl: 213

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Andy Lettau / Robert Lady

Defcon One

Angriff auf AmerikaTeil 2

Knaur e-books

Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

ZWEITES BUCHKAPITEL 11KAPITEL 12KAPITEL 13KAPITEL 14KAPITEL 15KAPITEL 16KAPITEL 17KAPITEL 18KAPITEL 19KAPITEL 20KAPITEL 21KAPITEL 22KAPITEL 23KAPITEL 24KAPITEL 25KAPITEL 26KAPITEL 27KAPITEL 28KAPITEL 29
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ZWEITES BUCH

Die Opfer

KAPITEL 11

08.02., 11.02 Uhr

Bahamas, Eleuthera Island

Die mächtigen Pratt & Whitney Doppelsternmotoren der Consolidated PBY Catalina lieferten einen tiefen und satten Sound, der wie Musik in den Ohren von Mark Spacy klang. Das rund zwanzig Meter lange Flugboot mit den markanten, blasenförmig verglasten Kanzeln auf beiden Seiten brachte es auf stattliche einunddreißig Meter Flügelspannweite. Das als Seeaufklärer und U-Boot-Jäger konzipierte Amphibium hatte im zweiten Weltkrieg und noch weit danach erfolgreich Dienst bei der US Navy, der Royal Navy und den sowjetischen Seefliegern geleistet. Die Catalina war kein besonders schnelles Flugboot. Dafür zeichnete es sich aber durch eine extreme Reichweite aus, welche es ihr erlaubte, bis zu vierundzwanzig Stunden ununterbrochen in der Luft zu bleiben. Die Catalina war, wie alle Flugzeuge der NUSA, in einem neutralen weißen Anstrich lackiert. Sie trug ein zivile Kennung und das Logo mit dem Fliegenden Fisch.

Spacy hatte die Maschine am Miami Seaquarium abgeholt, wo sie zuvor für Beobachtungsflüge der dortigen Meeresbiologen, welche sich mit dem Verhalten von Orcas beschäftigten, gechartert worden war. Sein Weg von Miami hatte ihn dann auf einem östlichen Kurs zu den Bahamas geführt, wo er Süd Bimini und Great Aboca Island überflogen hatte, um dann in Richtung Süden abzudrehen, seinem Bestimmungsort Cat Island entgegen. Während er seine Route dem Kontrolltower am North Eleuthera International Airport meldete, glitten unter ihm Harbor Island und Current Island hinweg. Er genoss die Aussicht auf die schmale und lang gezogene Insel Eleuthera, deren charakteristischer feiner Sand rot leuchtete, ein Resultat Jahrmillionen alter Korallenablagerungen.

Spacy liebte die Bahamas. Ihre rund siebenhundert Inseln, von denen nur ungefähr dreißig bewohnt waren, bildeten mit den vorgelagerten Sandbänken und Korallenriffen hervorragende Tauch­reviere. Zahlreiche Wracks und eine reiche Unterwasserflora und -fauna entschädigten für jede noch so weite Anreise. Obwohl die Bahamas als internationaler Umschlagplatz für den Drogenhandel bekannt waren, ließ es sich in dem subtropischen Klima als Urlauber hervorragend leben. Spacy erhoffte sich sehnsüchtig, demnächst mit Tracy Gilles ein paar ungestörte Tage auf den Inseln zu verbringen. Aber vor ihm lag noch eine gehörige Portion Arbeit, an Urlaub war deshalb überhaupt nicht zu denken. Seufzend widmete er sich wieder seiner Aufgabe.

Die Catalina erreichte nun den nördlichsten Punkt von Cat Island, und Spacy steuerte sie in der letzten Flugphase entlang der flachen Küstenlinie über Arthurs Town, Thurston Hill und Smith Town. Er war bereits im Sinkflug, als er an der Südspitze Devil`s Point passierte und nach dem außerhalb der Zwölfmeilenzone liegenden NUSA Forschungsschiff Ausschau hielt. Sein GPS nannte ihm die Position, und er konnte kurz darauf anhand der winkenden Männer an Bord erkennen, dass er bereits sehnsüchtig erwartet wurde.

Als er in der Nähe der Beluga, so der Name des Schiffes, zu Wasser ging, dauerte es nicht lange, bis ihn zwei Männer in Badeshorts und NUSA T-Shirts mit einem Zodiac-Schlauchboot abholten und übersetzten.

»Vorwärts, aufwärts, weiter, gemeinsam«, empfing ihn lachend Hunter, der Chefingenieur der NUSA.

»Hast du mal auf die Uhr geschaut, Jack? Ihr sollt arbeiten und nicht schon mittags Hochprozentiges schlucken«, begrüßte Spacy verwundert seinen alten Freund und umarmte ihn herzlich.

»Ach was, dafür haben wir hier überhaupt keine Zeit. Ich dachte, du hättest dir mal einen Reiseführer geschnappt und ein wenig Geschichte konsumiert. Das ist der Wahlspruch der hiesigen Insulaner«, erklärte Hunter die Bedeutung seiner überschwänglichen Begrüßung.

»Ach wirklich? Na dann sorg mal dafür, dass dieses Motto auch für unser kleines Sorgenkind gilt. Wie war das noch? Vorwärts, aufwärts, weiter ..?«

»… Gemeinsam!«, half Hunter Spacy auf die Sprünge. »Und mach dir mal keine Sorgen. Der Flying Fish geht heute Abend zu Wasser. Wir werden einen Meilenstein in der Luftfahrtgeschichte setzen.« Hunter war zuversichtlich, dass sich sein Meisterwerk der hydronautischen Ingenieurskunst als erstes U-Boot der Welt aus dem Wasser in die Luft erheben würde.

Der Flying Fish hing bereits an einem Ausleger und wurde mittels einer Winsch, die dem Gewicht des raketenähnlichen Objekts dank einem Plasmaseil aus ultrahochmolekularem Polyethylen trotzte, langsam zu Wasser gelassen. Obwohl das Forschungsschiff sanft in den Wellen vor sich hin schaukelte, stand Flying Fish nahezu bewegungslos über der Wasseroberfläche. Mehrere Computer steuerten den Hebe- und Senkmechanismus für das UFO, so die fachspezifische Bezeichnung, die laut Jack Hunter ab sofort für Underwater Flying Object stand.

»Ich weiß nicht, Mark. In diesem gigantischen Dildo zu sitzen, bereitet mir ein mulmiges Gefühl. Meinst du wirklich, das Ding fliegt?«, fragte Bruce Stocker, und seine Skepsis war nicht gespielt.

»Ich habe da auch so meine Zweifel. Bisher ist es nur in den Computersimulationen abgehoben. Vielleicht sollte man einfach einen Laboraffen da reinsetzen und das Ding erst einmal fernsteuern«, pflichtete ihm Chuck Devito bei und ließ eine Kaugummiblase vor seinem Mund zerplatzen.

»Gute Idee!«, meinte schließlich Thommy Wayne, der wie immer nicht viel zu den Unterhaltungen beitrug.

»Wenn Jack behauptet, er hätte eine fliegende Waschmaschine konstruiert, wäre ich der Erste, der sich in die Trommel setzen würde«, zerstreute Spacy alle Zweifel in seinem Team und schüttelte der Reihe nach ein paar Hände.

»Ach übrigens«, sagte Devito. »Das ist der Kerl, von dem ich dir am Telefon erzählt habe: Nick Willis, der beste Boxer seit Muhammed Ali. Spezialdisziplin: Unterwasser-Kinnhaken.«

Devito klopfte dem Neuen anerkennend auf die Schulter, während Wayne die Faust hob.

»Willkommen im Team. Habe den Bericht ausführlich gelesen. Gute Arbeit in Südafrika.«, begrüßte Spacy den jungen Nick Willis, welcher über beide Ohren grinste.

»Danke, werde versuchen mein Bestes zu geben.«

»Na dann mal an die Arbeit. Die fehlenden Teile für die Turbine sind in der Catalina. Pünktlich zum Sonnenuntergang möchte ich die erste Tauchfahrt unternehmen.«

Spacy wusste, dass sein Team reibungslos funktionierte. Die Ope­ration war von langer Hand vorbereitet worden, und Chuck Devito und Bruce Wayne hatten hervorragende Arbeit geleistet. Bereits unmittelbar nach ihrem Ausbildungseinsatz in Südafrika waren sie auf die Bahamas geflogen, um die Reise mit der Beluga von Nassau aus vorzubereiten. Während Spacy die Formalitäten mit den Zollbehörden vom Büro in New York aus klären musste, kümmerte sich sein Team vor Ort um den Proviant, die technische Ausrüstung und den streng überwachten Empfang von Flying Fish.

Das UFO war ein hochkomplexes Gerät, welches einer intensiven Überwachung und Analyse ausgesetzt werden musste. Hunters Prototyp mutete zwar wie eine phantastische Erzählung aus einem Jules Verne Roman an, war aber in Wirklichkeit das Resultat von zwei Jahrzehnten intensiver Forschungs- und Simulationsarbeit an Hochleistungsrechnern im legendären Massachusetts Institute of Technology. Aber erst bei der NUSA hatte das Projekt seinen Weg von der Theorie in die Praxis genommen. Admiral Adamski hatte dafür gesorgt, dass Jack Hunter, der langjährige Freund und Weggefährte von Mark Spacy, den Flying Fish bauen durfte. Sollte Flying Fish seine Jungfernfahrt oder seinen Jungfernflug nicht bestehen oder gar zerstört werden, wäre das Projekt damit gestorben. Allerdings verschwendete Spacy keinen Gedanken an ein solches Szenario, da er als Testpilot auf dieser Operation Zweifel nicht gebrauchen konnte. Sein Tatendrang und sein enger Terminkalender ließen diese Zweifel ohnehin nicht zu, denn schließlich war da noch dieses viel gewaltigere Problem, bei dem alle Beteiligten einfach nur im Trüben fischten.

Spacy stieg eine Treppe zu den Unterkünften und Forschungsräumen des Schiffs hinab, um seine Kabine aufzusuchen. Er kannte die Beluga von einer vorhergehenden Fahrt und war von daher mit den Räumlichkeiten an Bord vertraut. Die Beluga war ein im deutschen Travemünde gebautes Forschungsschiff, welches Anfang der 1980er Jahre zur Wrackerkundung in der Nord- und Ostsee eingesetzt worden war und schließlich aus Budgetgründen geopfert wurde. Über einen niederländischen Auktionator fand es schließlich seinen neuen Eigner, die National Underwater & Space Agency. Einige Monate hatten die Umbauarbeiten in Norfolk in Anspruch genommen, aber nun erstrahlte alles wie neu. Die physikalischen, chemischen, radiologischen und geologischen Forschungslabore dienten einem halben Dutzend Wissenschaftlern als täglicher Arbeitsplatz. Zusammen mit den Tauchern und Technikern an Deck hielten sich ständig um die dreißig Personen auf diesem Schiff auf.

Als Spacy die Tür seiner kleinen Kabine schloss, die direkt hinter dem Fotolabor lag, musste er wieder zurückdenken an das schreckliche Video im Weißen Haus. Fast zwei Wochen waren nun vergangen, seitdem die HAMAS sich zu Wort gemeldet hatte. Zwei Wochen, in denen keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Der Präsident hatte die NUSA gewaltig unter Druck gesetzt und wollte endlich Ergebnisse sehen, wenn er schon geheime Etats anzapfte. Aber weder NSA, CIA oder FBI lieferten irgendwelche Resultate. Selbst im United States Department of Homeland Security, dem Heimatschutzministerium, wo sich rund 200.000 Mitarbeiter mit der Kontrolle der Grenzen, der Küsten und der Flughäfen beschäftigten, gingen keine Hinweise auf einen Steve Miller oder einen Palästinenser ein, der mit Zubehörteilen eine selbstgebaute Bombe zur Zündung bringen wollte. Alle verdächtigen Terrorzellen im Land waren überprüft und verhört worden, ohne ein brauchbares Ergebnis. Spacy war sich ziemlich sicher, dass erst der 20. Februar eine Erkenntnis bringen würde, von der man bisher noch gar nichts ahnen konnte. Insofern war er froh, sich mit dem konkreten Projekt Flying Fish beschäftigen zu können. Etwas in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass Flying Fish noch eine Bedeutung im Kampf gegen die HAMAS zukommen würde. Es war nur ein vages Gefühl, aber immerhin.

Spacy widmete sich zum wiederholten Mal den Konstruktionsplänen des fliegenden U-Boots und spielte an seinem Laptop die unterschiedlichen Simulationsprogramme durch, die ihn auf eine virtuelle Reise durch den Ozean und anschließend in die Luft brachten. Er arbeitete ein von Hunter entwickeltes und programmiertes Multiple Choice Spiel durch, in dem er alle Fragen zu Steuerung, Ballistik, Verdrängung, archimedischem Prinzip, Waffentechnik, Auftrieb, Vortrieb, Signalübertragung, Telemetrie, Autorotation und vielen weiteren Bereichen jeweils fehlerfrei beantwortete. Der wissenschaftliche Prüfungstest war als Spiel konzipiert und führte durch verschiedene Levels. Am Ende eines jeweiligen Levels gratulierte ein singender Kapitän Nemo, der das Gesicht von Admiral Adamski hatte. Spacy fragte sich insgeheim, wann sein Freund Jack eigentlich noch die Zeit fand, um sich mit solchen programmiertechnischen Spielereien zu beschäftigen.

Schließlich entschied Spacy sich dazu, noch zwei Stunden zu schlafen. Bis es endlich losgehen würde, war noch genügend Zeit. Die Erprobungsfahrt sollte inklusive des anschließenden Fluges von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang gehen und ihn in ein Gebiet führen, welches rund zweihundert Seemeilen östlich der Bahamas lag. Für diese Operationsphase musste er absolut fit sein. Da Spacy über die besondere Gabe verfügte, seine benötigten Schlafeinheiten punktgenau abzurufen, fiel es ihm nicht schwer, in seiner engen Schlafkabine innerhalb weniger Minuten einzuschlummern und träumend Kraft zu tanken.

KAPITEL 12

08.02., 12.00 Uhr

Lake Okeechobee, Florida

Scott Glenmore galt in der Gesellschaft von Tampere als erstklassige Partie. Als leidenschaftlicher Junggeselle, dessen einzige Geliebte die Arbeit war, gab er sich nur gelegentlich dem weiblichen Geschlecht hin. Seine Affären waren meist nur von kurzer Dauer und überstanden kaum einen Monatswechsel. Romantik oder ein ausgeprägtes Gefühlsleben waren nicht die herausragenden Charaktereigenschaften jenes Mannes, der als Chefpilot das nächste Space Shuttle für die NASA zur Internationalen Raumstation ISS fliegen sollte. Mit seinen einundfünfzig Jahren und der Sonnenbräune Floridas im Gesicht wirkte der stets gutmütig und lächelnd dreinblickende Mann mit der Statur eines Ausdauersportlers ungemein anziehend auf Frauen. Sein graumeliertes Haar und sein grauer Schnäuzer hätten ihm in jedem Hollywood-Film eine Rolle als Chefarzt einer Klinik garantiert.

Scott Glenmore freute sich auf sein erstes verlängertes Wochenende seit drei Wochen und steuerte den roten Dodge Viper über den Highway 40 Richtung Lake Okeechobee, wo er in der Nähe von Buckhead Ridge eine kleine Hütte mit einem dazugehörigen Motorboot am See angemietet hatte. Hier wollte er ausspannen und angeln und den Stress des harten Arbeitspensums bei der Weltraumbehörde für zwei Tage vergessen. Glenmore liebte die Abgeschiedenheit und die Ruhe an jenem Ort, den er seit knapp zwei Jahren regelmäßig aufsuchte. Der größte Süßwassersee Floridas war ein Anglerparadies und der Schwarzbarsch die bevorzugte Jagdbeute. Heute Abend sollte ein stattliches Exemplar des wohlschmeckenden Fisches auf seinem Grill brutzeln. Bei dem Gedanken daran lief Glenmore schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.

In Taylor Creek bog er ab und fuhr eine Zeit lang durch das Brighton Seminole Indianerreservat, immer den großen See auf seiner Fahrerseite im Blick behaltend. Als er Buckhead Ridge erreichte, machte er einen kurzen Stopp, um in einem Angelshop ein paar Köder und Utensilien zu kaufen. Als er die letzten Meilen zu seinem Ziel fortsetzte, fiel ihm der unauffällige graue Van auf, der sich an seine Hinterräder geheftet hatte. Dieser fuhr weiter, als Glenmore irgendwann abbog und seinen Dodge über den Deich auf eine unbefestigte Straße zu der angemieteten Hütte steuerte. Er packte den Wagen aus, fand den Schlüssel zu der einfachen Hütte wie telefonisch mit dem Vermieter vereinbart unter einem Blumenkübel, und richtete sein schlichtes aber gemütliches Quartier für die nächsten achtundvierzig Stunden ein. Dann zog er sich um, nahm seine Angelausrüstung, und begab sich zu dem angrenzenden Bootshaus, um den Hänger zum Ufer zu ziehen und das Boot zu wassern.

Diese Ecke des Sees war menschenleer, und nur der Wind, der durch die Mangrovenlandschaft wehte, störte die ansonsten friedliche Stille. Lediglich ein paar Pelikane sorgten für eine natürliche Geräuschkulisse, wenn sie sich ins Wasser stürzten, um auf Beutezug zu gehen. Weit und breit war kein anderes Boot zu sehen und Glenmore hoffte, dass dies auch den restlichen Tag so bleiben würde. Sein Plan für heute war es, einige Forellen und Meeräschen zu fangen, um diese dann in seinem Haus in Orlando einzufrieren. Auf den seiner Meinung nach viel köstlicheren Schwarzbarsch wollte er sich am Nachmittag konzentrieren. Auf diesen Kampf am Drill freute er sich schon jetzt, denn der launische Fisch, der eine Mischung zwischen Hecht und Barsch war, wusste mit imposanten Sprüngen und ausdauernden Widerstandsversuchen zu überzeugen.

Glenmore startete den Motor des Bootes und fuhr hinaus auf den See. In einigen Meilen Entfernung konnte er als kleine Punk­te andere Boote ausmachen, auf denen Angler ebenfalls ihr Glück versuchten. Er stellte den Motor ab und trieb auf der Stelle. Er präparierte seine Ruten, sortierte die verschiedenen Köder und öffnete sein erstes Bier. Mit einem zischenden Geräusch entwich die Luft aus der Dose. Er nahm einen großen Schluck, stellte die Dose zur Seite, genoss die großartige Aussicht und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Sie werden schon anbeißen, dachte er.

Drei Stunden später waren seine Kescher eindrucksvoll gefüllt. Glenmore entschied sich, es bei dieser Ausbeute an Forellen und Schnappern zu belassen. Er entschuppte die Fische an Ort und Stelle, nahm sie aus und warf ihre Innereien über Bord. Nach getaner Arbeit war seine gekühlte Gefrierbox zum Bersten gefüllt, und er hatte Mühe, den Deckel richtig zu verschließen. Dann machte er sich auf den Rückweg, um sich auf den Fang des Tages vorzubereiten. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass der Großmaulschwarzbarsch in Ufernähe, nah bei umgestürzten Bäume auf dem Grund des Sees, sein Revier hatte.

Er stoppte den Motor und war keine fünfzehn Meter vom Ufer entfernt, als ein grauer Lieferwagen, der etwa achthundert Meter von seiner Hütte entfernt zwischen den Bäumen stand, sein Interesse weckte. Konnte es sein, dass er diesen Wagen schon irgendwo in Buckhead Ridge gesehen hatte? Er erinnerte sich vage daran, wie ihm dieser Wagen vom Angelshop gefolgt war.

Seltsam, dachte Glenmore, weit und breit kein Boot in Sicht. ­Eigentlich keine besonders geeignete Stelle für ein Picknick. Und weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Na hoffentlich bleibt das auch so und ich werde nicht von irgendeinem dämlichen ­Touristen wegen der Fangergebnisse des Tages angequatscht.

Glenmore widmete sich wieder ganz seinem Hobby und ignorierte den einsamen Van am Ufer. Er wollte an diesem Wochenende seine Ruhe haben und nicht den Abend mit irgendwelchen Typen aus der Stadt am Lagerfeuer verbringen. Er hatte sich ein gutes Buch eingepackt, und sein Bier war ohnehin rationiert. Er konzentrierte sich ganz auf seine Angelrute und suchte die Oberfläche des Sees nach Auffälligkeiten ab. An dieser Stelle hatte er im letzten Sommer ein Prachtexemplar erwischt.

Fünfzehn Minuten später stiegen plötzlich Wasserblasen am Bug auf und zerplatzen an der glitzernden Oberfläche. Glenmore blickte auf den Grund des Sees und konnte die Ursache für die Blasen nicht ausmachen. Die Tiefe des Lake Okeechobee betrug hier nicht mehr als vier Meter, und das Wasser war glasklar. Der kalk- und sandsteinige Grund war mit umgestürzten Bäumen, Gräsern und Pflanzen überwuchert und schimmerte in gelben und grünen Nuancen.

Die Quelle der Luftblasen musste genau unterhalb des kleinen Bootes liegen. Vorsichtig tastete sich der NASA-Chefpilot außerhalb des kleinen Ruderhauses entlang, um den Weg der Luftblasen zu verfolgen. Falls etwas mit dem Boot nicht stimmen sollte, würde er es an Land untersuchen, gegebenenfalls an Ort und Stel­le reparieren, und es dem Eigentümer mitteilen. Aber dazu sollte es gar nicht mehr kommen.

Plötzlich packte ihn etwas ohne Vorwarnung an der rechten Ferse, und er stürzte kopfüber ins Wasser. Glenmore war auf Not­fallsituationen trainiert und hatte unzählige Stunden im Johnson Space Center in Houston in dem großen Schwimmbecken absolviert, wo die Astronauten den Einsatz in Schwerelosigkeit simulierten. Aber das hier traf ihn völlig unvorbereitet. Er wirbelte herum und erstarrte. Im gasklaren Wasser des Sees verharrte fünf Meter von ihm entfernt ein Taucher, der ihn neugierig beobachtete, jedoch keine Anstalten unternahm, zu helfen. Mit einem kräftigen Stoß drehte Glenmore sich um und tastete seinen Knöchel ab. In dem Augenblick, als er das reflektierende Metallstück an seinem Fuß sah, ergriff ihn kaltes Entsetzen. Der Taucher hatte ihm beim Zugriff eine automatisch zuschnappende Fußfessel um den Knöchel gelegt. Und diese Fußfessel war mit einer langen Kette verbunden, die einige Meter weiter um einen umgestürzten Baum befestigt war. Der Taucher nahm ein lose am Boden liegendes Glied auf, führte es zu einem zweiten Glied und verkürzte die Länge der Kette, in dem er die beiden Glieder mit einem Sicherheitsschloss verband. Nun würde es unmöglich für das Opfer sein, an die Wasseroberfläche zurückzukehren.

Scott Glenmore versuchte aufzutauchen und nach Luft zu schnappen, doch die Kette hinderte ihn daran. Es waren nur wenige Zentimeter, die ihn von der rettenden Oberfläche trennten. In einem letzten und verzweifelten Versuch versuchte er, die Kette von dem Baumstamm zu lösen. Panik stieg in ihm auf und er erkannte, dass er diesen aussichtlosen Kampf verlieren würde. Die letzte Luft entwich aus seinen Lungen und der Tod klopfte an. Sein ganzer Körper bäumte sich noch einmal auf. Hektisch zuckten die Glieder durch das Wasser und wirbelten den Untergrund auf. Das Letzte, was Scott Glenmore in seinem Leben sah, war der teilnahmslose Blick eines Schwarzbarsches, der an ihm vorbeiglitt. Dann umfing ihn finstere Schwärze.

Der Taucher wartete noch drei Minuten, um sicher zu gehen, dass der NASA-Mann wirklich ertrunken war. Dann löste er die Fußfessel und stieß den Körper an die Oberfläche. Mit einem Blick über das Wasser und über das Ufer vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war.

Der Taucher kletterte an Bord des Bootes, entledigte sich seiner Flasche und seiner Flossen und zog die Leiche an Bord. Penibel untersuchte er den Fuß der Leiche auf Schürfwunden, konn­te aber keine Spuren von Kratzern oder Druckstellen erkennen. Er zog Glenmore die Schuhe von den Füßen und richtete den Körper auf. Er nahm den Kopf des Toten und schlug ihn mit voller Wucht gegen die Holzverkleidung des Steuerhauses. Da die Totenstarre noch nicht eingetreten war, sickerte sofort Blut aus der Platzwunde am Hinterkopf. Dann warf er die Leiche rückwärts über Bord.

Der Taucher schaute sich auf Deck um und öffnete die Gefrierbox. Er kippte die ausgenommenen Fische auf den Boden und warf die Kiste in eine Ecke. Dann stellte er die Segelschuhe von Glenmore ordentlich nebeneinander ins Ruderhaus. Er vergewisserte sich, ob auch ein Blutfleck an der Ruderhausverkleidung zu sehen war. Schließlich schnallte er sich wieder seine Flasche auf den Rücken, stülpte sich seine Taucherflossen über und glitt lautlos auf den Grund des Sees. Die Strömung hatte den Körper bereits vom Boot weggetrieben, und letztendlich würden die Kräfte der Natur entscheiden, wo die Leiche angespült und entdeckt werden würde.

Der Taucher löste das Sicherheitsschloss der Kette und nahm die Tatwerkzeuge mit. Zufrieden tauchte er zum Ufer zurück, tauschte die Taucherausrüstung gegen bequeme Freizeitkleidung, startete den Motor und steuerte seinen grauen Van weg vom Ort des Verbrechens. Da die Meteorologen kräftige Schauer angekündigt hatten – und ein Blick zum bewölkten Himmel genügte, um zu wissen, dass es in Kürze heftig regnen würde – verzichtete der Mörder auf die Beseitigung von Fußabdrücken und Reifenspuren.

Welch ein tragischer Unfall. An Deck ausgerutscht und bewusstlos in den See gestürzt, dachte der Mann und erwartete genau diese Analyse im späteren Polizei- und Autopsie-Bericht.

KAPITEL 13

09.02., 15.53 Uhr

Bahamas, Eleuthera Island

Spacy war an diesem Tag nicht in allerbester Stimmung. Die technischen Probleme, die in einer der zahlreichen Brennstoffkammern von Flying Fish aufgetreten waren, hatten den Start verzögert. Die ganze Nacht über hatte die Crew fieberhaft versucht, den Fehler zu beheben. Schließlich waren drei komplett neue Brennstoffkammern, in denen reiner Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser oxidierte, ausgetauscht worden. Bis in den Mittag hinein waren Jack Hunter und sein Team damit beschäftigt gewesen, die volle Leistung des Hybridantriebes herzustellen. Zumindest in den Simulationsprogrammen seines Computers lief der Motor wie geschmiert.

Zur vollen Stunde sollte nun die Tauchfahrt unternommen werden. Spacys Miene hellte sich auf, als ihm ein NUSA Techniker endlich Einsatzbereitschaft signalisierte. Eine verpatzte Generalprobe war immer noch besser als eine misslungene Premiere. Die Beluga lag ruhig im offenen Meer, und die eingesetzten Taucher hatten kein Problem damit, die Versorgungsschläuche vom Flying Fish zu lösen. Die See war ruhig, und es wehte ein leichter und angenehm warmer Wind. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen und die angespannte Stimmung der Crew löste sich allmählich. Alle hofften jetzt auf einen großen Erfolg der Jungfernfahrt.

»Na dann wollen wir mal«, sagte Spacy und kletterte durch die enge Luke des Underwater Flying Objekts. Er konnte sich mit dem Begriff UFO immer noch nicht so recht anfreunden, verband er damit doch eher seltsame Kisten aus fernen Galaxien, die von kleinen grünen Männchen gesteuert wurden.

»Willkommen an Bord«, begrüßte ihn Hunter, der bereits auf dem Co-Pilotensitz Platz genommen hatte und an einigen Schaltern hantierte. Hunter trug wie Spacy weiße Shorts und ein T-Shirt mit dem NUSA Logo. Er hatte sich tagelang nicht mehr rasiert, und sein ganzer Körper schimmerte krebsrot, da seine blasse Haut die direkte Sonne nicht besonders gut vertrug.

»Sonnenbrand?«, erkundigte sich Spacy und lachte mit gespielter Schadenfreude. »Dann müssen wir dir an Land wohl ein paar Inselschönheiten besorgen, die dich von oben bis unten liebevoll einölen.«

»Wenn wir gleich runter gehen, nimmst du die Farbe Rot ohnehin nicht mehr wahr«, entgegnete Hunter ein wenig gereizt und war ganz auf seine Knöpfe und Schalter konzentriert.

»Was du nicht sagst«, gab Spacy jeglichen Versuch auf, die Neckerei fortzusetzen. Er kannte seinen Freund nur zu gut und wusste, wie angespannt dieser gerade war. Hunter lastete es sich persönlich an, dass zwei fehlerhafte Brennstoffzellen zu dieser Verzögerung geführt hatten. Und alles, was ihn jetzt interessierte, war ein reibungsloser Erprobungslauf seiner revolutionären Maschine.

Sollte sich die Maschine nach den Taucherprobungen beim anschließenden Aufstieg an die Oberfläche nicht wie erwartet aus dem Wasser in die Luft erheben, war ihr zumindest ein Preis für das schönste Design gewiss. Flying Fish war ein sehr ästhetisches Gerät. Mit sieben Metern Länge und etwas mehr als zwei Metern Durchmesser wirkte es wie eine verkleinerte Saturn Rakete der Apollo Astronauten. Der lange weiße Rumpf mit dem abgeflachten, fast kreisrunden Profil endete in einer Spitze, die dem Cockpit des Überschallflugzeuges Concorde ähnelte. Allerdings war die Spitze komplett aus Plexiglas und sorgte für einen spektakulären Blick. Sie diente rein aerodynamischen Zwecken und garantierte einen extrem niedrigen Luftwiderstand. Das Cockpit war komfortabel und übersichtlich und wurde von einem Touch­screen-System dominiert, das dem Piloten die Bedienung durch Fingerberührung erlaubte. Eine hauchdünne und transparente Folie, die sich konvex in der Spitze des Cockpits ausdehnte, lieferte die Positionsangaben und bildete gleichzeitig den künstlichen Horizont, ohne dass dadurch die Sicht nach außen in irgendeiner Weise beeinträchtigt wurde. Zwischen den beiden beigefarbenen Pilotensitzen, deren weiche Lederbezüge sich der Ergonomie des jeweiligen Körpers anpassten, war eine Halbkugel montiert, die sämtliche Wärme abstrahlenden Gegenstände und Lebewesen als holografische Rückkoppelung durch die im Außenrumpf versenkten Kameras widerspiegelte. Der oder die Piloten steuerten den Flying Fish aus einer halb sitzenden, halb liegenden Position. Die Ein- und Ausstiegsluke befand sich direkt über ihren Köpfen. Hinter der schallisolierten Wand im Anschluss an die Cockpitsektion erzeugten die Brennstoffzellen die Art von elektrischer Energie, die eine fast geräuschlose, komplett umweltfreundliche und extrem lange Tauchzeit garantierte. Das Abfallprodukt einer Tauchfahrt mit Flying Fish