Defcon One 5 - Andy Lettau - E-Book

Defcon One 5 E-Book

Andy Lettau

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Beschreibung

Ein Anschlag in New York und ein merkwürdiges Erpresserschreiben, welches die letzten lebenden Ex-Präsidenten bedroht - Teil 5 des sechsteiligen Serials! Präsident Barack Obama ist tot, durch eine Bombe in Berlin in Stücke gerissen. Kaum ist George T. Gilles als Nachfolger ins Amt eingeführt, überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst landet der abgetrennte Kopf eines im Irak entführten Zivilisten im Weißen Haus. Dann bricht nach einem Anschlag in New York Panik aus, und die vier noch lebenden Ex-Präsidenten geraten ins Visier eines unbekannten Gegners. Einem seltsamen Erpresserschreiben, welches die Räumung sämtlicher US-Militärbasen in Übersee zur Forderung hat, möchte die neue Administration in Washington zunächst wenig Beachtung schenken. Erst als Mark Spacy, Operationsleiter der regierungsnahen und ultrageheimen National Underwater & Space Agency, auf einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und den rätselhaften Toden einiger NASA-Top-Astronauten hinweist, gibt der Präsident sein Einverständnis für ein waghalsiges Geheimkommando. Von Andy Lettau sind ebenfalls »Balkanblut« und »Neversleep« bei Knaur eBook erschienen.

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Seitenzahl: 169

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Andy Lettau / Robert Lady

Defcon One

Angriff auf AmerikaTeil 5

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Über dieses Buch

Inhaltsübersicht

FÜNFTES BUCHKAPITEL 71KAPITEL 72KAPITEL 73KAPITEL 74KAPITEL 75KAPITEL 76KAPITEL 77KAPITEL 78KAPITEL 79KAPITEL 80KAPITEL 81KAPITEL 82KAPITEL 83KAPITEL 84KAPITEL 85KAPITEL 86KAPITEL 87KAPITEL 88KAPITEL 89KAPITEL 90KAPITEL 91
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FÜNFTES BUCH

Das Ultimatum

KAPITEL 71

26.04., 18.45 Uhr UTC

Apogäum, Internationale Raumstation ISS

Zweihundert und fünfzig Meilen über dem Indischen Ozean, mit einer Relativgeschwindigkeit von 18.000 Meilen pro Stunde, in einer Position, die der weitesten Entfernung von der Erde, dem sogenannten Apogäum, entsprach, bewegte sich das größte je von Menschenhand ins All beförderte Objekt, die Internationale Raumstation ISS, wie ein riesiges feingliedriges Insekt lautlos durch die Zone ewiger Ruhe. Acht Solarpaneele, die im reflektierenden Licht der Sonne wie die überdimensionierten Flügel einer Libelle erstrahlten, versorgten die dreihundert Tonnen schwere Konstruktion mit der notwendigen Energie, um den drei Wissenschaftlern in den jeweiligen Wohn- und Forschungsmodulen das Leben und Arbeiten an Bord zu ermöglichen. Seit ihrer Inbetriebnahme hatte die ISS die unglaubliche Distanz von mehr als einer Milliarde Meilen zurückgelegt und dabei ihren wechselnden Besatzungen alle zweiundneunzig Minuten eine komplette Erdumrundung beschert.

Seit dem Andockmanöver der Atlantis waren zwei Stunden vergangen. Damit war ein Zustand eingetreten, der in den wildesten Phantasien der Erbauer und Betreiber der Station niemals vorgekommen war. Eine terroristische Organisation, die sich selber als HAMAS bezeichnete, hatte ihren Fuß auf den letzten bemannten Außenposten der Menschheit gesetzt. Das wahrscheinlich tollkühnste, teuerste und prestigeträchtigste Projekt, welches unterschiedliche Nationen jemals gemeinsam in Angriff genommen hatten, drohte nun dem Willen eines einzelnen Mannes, der in feindlicher Absicht seine aberwitzige Mission angetreten hatte, ausgesetzt zu sein. Hilflos hatte Patrick Kennedy, der derzeitige Kommandant auf der ISS, mit ansehen müssen, wie sich das Space Shuttle dem Andockmodul genähert hatte und wie seine fünf Besatzungsmitglieder, allen voran eine bewaffnete Asiatin, in das Habitat übergewechselt waren.

Nun befanden sich die drei ständigen Besatzungsmitglieder der ISS, sowie die fünf Neuankömmlinge, im russischen Swesta-Modul, wo Steve Miller die Steuereinrichtungen, die Lebenserhaltungssysteme, die Küche, die hygienischen Einrichtungen und diverse Trainingsgeräte inspizierte, ohne dabei seine Geiseln aus den Augen zu lassen. Die ungewohnte Schwerelosigkeit machte ihm ebenso zu schaffen, wie seinen Kampfgefährten Hassan und Hyacinth.

Hassan, der sich bereits auf dem Flug mehrfach übergeben hatte, sah blass aus und versuchte umständlich, einen Trinkbeutel mit einem isotonischen Getränk zu öffnen, wobei sich Flüssigkeit in Form von kleinen wabernden Kugeln in der Kabine verteilte.

Es war eine groteske Situation, in der bis zum jetzigen Zeitpunkt eine peinliche und unheilvolle Stille geherrscht hatte, die von gegenseitigem Misstrauen und von einer unverhohlen zur Schau gestellten Feindseligkeit gekennzeichnet war.

Die gezogenen Waffen vom Typ Colt M1911, die Miller und Hyacinth auf die Besatzung gerichtet hielten, ließen Kommandant Kennedy zu dem Schluss kommen, dass es besser wäre, sich ruhig und kooperativ zu verhalten, anstatt den Helden zu spielen und in den zweifelhaften Ruhm zu gelangen, der erste erschossene Astronaut im All zu sein.

»Wie ich sehe, haben Sie es sich hier oben so richtig gemütlich gemacht, Commander«, sagte Miller in Richtung Kennedy, der mit einer Hand einen der zahlreichen Haltegriffe umklammerte und mit und mit Unverständnis auf den Terroristen blickte.

»Sie werden wohl kaum von mir einen Willkommensgruß erwarten. Wir sind hier oben zwar auf Besuch eingestellt, allerdings nicht auf solchen, der sich mit Waffengewalt Zutritt verschafft. Ich muss Sie wohl nicht erst daran erinnern, welche fatalen Konsequenzen es hat, wenn Sie dieses Ding da abfeuern.«

»Nein, das müssen Sie in der Tat nicht«, versetzte Miller mit einem Grinsen. »Ein Loch in der Außenhülle könnte das Ende für diese wunderbare Raumstation bedeuten. Und das wollen wir doch nicht, oder?«

Der graumelierte und kleinwüchsige Kennedy war besonnen genug, den Terroristen nicht zu provozieren. Deshalb beschränkte sich seine Antwort auf ein Kopfnicken, welches die beiden anderen ständigen Besatzungsmitglieder, die russische Kosmonautin Olga Putinowa sowie der deutschstämmige Bordingenieur Paul Reiter, ohne jegliche Regung zur Kenntnis nahmen. Tracy Gilles und Doug Brown hielten sich ebenfalls bedeckt, hatten sie doch schließlich die letzten beiden Tage miterleben müssen, wie die Kidnapper argwöhnisch jedes Manöver und jeden Funkkontakt mit der Flugkontrolle verfolgt und kommentiert hatten, ohne auch nur für eine Sekunde unbewaffnet zu sein.

»Sehr schön, Commander«, kommentierte Miller das kooperative Verhalten der Crew. »Wenn Sie nichts dagegen haben, wür­de ich nun mit meinem Team gerne eine kleine Inspektion vornehmen. Und kommen Sie bitte nicht auf die Idee, irgendein Schott hinter uns zu schließen. Wir würden nur ungern herausfinden wollen, wie sich gezündeter Plastiksprengstoff in der Schwerelosigkeit verhält.«

Kennedys Augen weiteten sich, als er das weiße Semtex sah, welches Hyacinth wie zum Beweis aus einer Tasche ihres Overalls zog. Die kautschukartige Masse würde in dieser Umgebung eine verheerende Wirkung entfalten.

»Wenn Sie vorhaben, diese Station in die Luft zu jagen, würden wir gerne wissen, warum«, kam Olga Putinowa, die attraktive russische Kosmonautin, ihrem Kommandanten zuvor. Die vollbusige Ingenieurin mit den hohen Wangenknochen und den langen braunen Haaren starrte Miller an, als ob sie ihm auf der Stelle den Gulag wünschen würde. »Wir Raumfahrer sind es gewohnt, mit Risiken zu leben. Der Tod ist für uns ein ständiger Faktor. Hier oben können tausend Dinge schief laufen. Aber als Wissenschaftler wollen wir den Dingen permanent auf den Grund gehen. Wir wollen die Ursache wissen, warum etwas nicht funktioniert. Verraten Sie uns, was Sie und Ihre Clique eigentlich hier oben wollen?«

Miller leckte sich über die Lippen und fixierte die russische Schönheit, deren mandelbraunen Augen Sinnlichkeit und eine deutliche Aggressivität ausstrahlten. In seiner Phantasie malte er sich aus, wie er in der Schwerelosigkeit ihren makellosen Körper erkunden würde. Der Gedanke erregte ihn und es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder gesammelt hatte. Putinowa meinte in diesem Moment zu erahnen, was in dem Kopf des Terroristen vorging, und sie verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust.

»Nun, Mrs Putinowa, wir sind bestimmt nicht hier, um Ihr teures Spielzeug zu zerstören. Wir haben die allergrößte Hochachtung vor diesem technischen Meisterwerk. Sollten Sie uns allerdings in die Quere kommen …«

Es war Hassan, der den Satz vollendete, indem er den entleerten Trinkbeutel aufblies und mit einem dumpfen Knall zerplatzen ließ. Wie ein kleines Mahnmal schwebten die schlaffen Reste der Verpackung zwischen den Kidnappern und der Crew.

Zufrieden fuhr Miller fort.

»Diese kleine Demonstration soll Ihnen Warnung genug sein, uns uneingeschränkt an Bord arbeiten zu lassen. Sobald wir eine Position erreicht haben, die der Frühstückszeit in Washington entspricht, werden wir unsere Forderungen bekanntgeben. Sie werden also früh genug erfahren, was der Grund unseres Besuchs ist. Bis dahin dürfen Sie sich wieder Ihren Experimenten widmen.«

Dann bewegten sich die drei Terroristen halb schwebend, halb kletternd, durch das Innere der Internationalen Raumstation und durchquerten die unter Druck stehenden Module Sarja, Unity und Destiny.

Die verwinkelten Gänge und Verbindungstunnel waren zwar nicht mit den unrealistischen Größenverhältnissen in einem Science Fiction-Film zu vergleichen, erlaubten aber dennoch ein professionelles und ungestörtes Arbeiten, ohne dass man sich permanent behinderte und in ständiger Sichtweite seines Nachbarn befand. Die ISS war im Laufe der Jahre zu einer beeindruckenden Größe herangewachsen, sodass ein Versteckspiel durchaus möglich war. Doch mit solchen Überlegungen konnte sich weder die aktuelle Mannschaft noch Miller beschäftigen.

Während Commander Kennedy und Commander Brown gemeinsam mit Tracy beratschlagten, ob es einen Ausweg aus der prekären Lage gab, verkabelten die Besetzer weitere Zündvorrichtungen mit dem weißen Plastiksprengstoff. Binnen weniger Stunden würde die rund einhundert Meter lange ISS einer fliegenden Bombe gleichen.

Nach getaner Arbeit suchte das Trio das Pirs-Andockmodul auf, welches auf russischer Technologie basierte und die Verbindungsschleuse für die sowjetischen Sojus-Raumschiffe und Progress-Frachter darstellte. Einige mehr als rustikal anmutende russische Orlan-Raumanzüge, sowie diverse Nahrungsvorräte und Ausrüstungsgegenstände waren in dem engen Bereich vor der Schleuse in praktischen Transportbehältnissen verstaut und blockierten die Außenschleuse.

»Hier schlagen wir unser provisorisches Lager auf. Die Russen werden wohl kaum in der Lage sein, plötzlich hier aufzukreuzen. Sollten sie von Baikonur oder Archangelsk was hochschießen, dürfte das gut eine Woche von jetzt an dauern«, sagte Miller.

»Und die Amerikaner? Die können wirklich keine Rakete oder ein weiteres Shuttle starten?«, stellte Hassan zum x-ten Mal die gleiche Frage. Wirkliche Besorgnis war aus seiner Frage allerdings nicht herauszuhören.

»Nein. Die Endeavour würde frühestens in zwei Wochen startklar sein. Und seitdem die NASA das Crew-Return-Vehicle X-38 aus Budgetgründen gestrichen hat, gibt es auch kein anderes Rettungssystem. Sei also unbesorgt, wir sind hier oben auf absehbare Zeit ganz alleine«, erklärte Miller seinem alten Weggefährten nochmals die Lage.

»Ich werde die erste Wache übernehmen«, bot sich derweil Hyacinth an.

»In Ordnung«, erwiderte Miller. »Wir wechseln uns alle drei Stunden ab. Sollte wider Erwarten die Crew gegen uns rebellieren, weißt du, was zu tun ist.«

»Ja«, zischte die hübsche Asiatin, in deren Augen ein neu entfachtes Feuer aufzulodern schien. »Und sollte diese kleine russische Schlampe noch einmal so vorlaut sein, werde ich ihr das Herz aus dem Körper reißen.«

Miller und Hassan krochen in ihre Schlafsäcke, die sie an den Seitenstreben des Pirs-Moduls mit Schlaufen und Karabinerhaken befestigt hatten. Der Schlaf in der Schwerelosigkeit würde dem Liegen auf einer Wassermatratze entsprechen, wie sie bereits in der Fähre festgestellt hatten.

Dann fielen die Männer fast augenblicklich in einen traumlosen Schlaf, während Hyacinth eine Wachposition einnahm, von der aus sie freien Blick über das T-förmige Verbindungsstück in diesem Sektor der Raumstation hatte. Eine kleine Luke in der Mitte des Ganges erlaubte ihr den Blick auf die Erde, die in atemberaubender Schönheit unter ihr hinweg glitt. Sie würde mindestens drei Sonnenauf- und Untergänge erleben, bis sie die Männer aufwecken würde. Es war für sie ein beruhigender Gedanke, sich in einer uneinnehmbaren Festung zu befinden. Zufrieden und entspannt begann sie damit, ihre Pistole zu reinigen.

KAPITEL 72

26.04., 19.03 Uhr

Vandenberg, AFB

Aus der Luft betrachtet sah die Vandenberg Air Force Base menschenleer und unberührt aus. Einige kleine grauweiße Kleckse in den rötlich schimmernden Ausläufern des Santa Ynez Gebirges gaben Hinweise auf Raketensilos und Startrampen, die im kargen und ausgedörrten Felsuntergrund in unmittelbarer Nähe zur Pazifikküste lagen. Wie Maulwurfhaufen verteilten sich die teilweise unterirdischen Abschussbasen mit ihren flachen oberirdischen Gebäudekomplexen über das weitläufige Gebiet, in dessen Mittelpunkt eine außergewöhnlich lange und breite Betonpiste die Landschaft dominierte. Der an der Westküste zwischen San Francisco und Los Angeles gelegene Luftwaffenstützpunkt war das Hauptquartier des gemeinsamen Weltraumoperationszentrums, wo im Zusammenspiel zwischen der NASA und der US-Luftwaffe Raketen zu Verteidigungs- und Angriffszwecken getestet wurden.

Spacy hatte nach seinem erfolgreich verlaufenen Meeting im Firing Room des Kennedy Space Centers die volle Unterstützung der NASA bekommen, um in einem Wettlauf gegen die Zeit das Unmögliche möglich zu machen. Die Betreiber der Internationalen Raumstation waren zunächst skeptisch gewesen, als sich Spacy im Namen der NUSA mit einem tollkühnen Plan angeboten hatte, die ISS zurückzuerobern. Das Konsortium wollte das Risiko des Verlustes der Station natürlich minimieren, da immerhin schon einhundert Milliarden Dollar in die Entwicklung und den Bau geflossen waren. Man wollte die Terroristen nicht provozieren und zu einer spontanen Selbstzerstörungsaktion verleiten, indem man zu plump an die Sache heranging. In weiser Voraussicht hatte Spacy in seinem Plan berücksichtigt, dass die Annäherung mit der nur wenigen Menschen bekannten Independence das Risiko weitestgehend auf null reduzierte. Lediglich der Faktor Mensch – er selber – stellte die große unbekannte Variable in diesem orbitalen Machtpoker dar.

Letztendlich war es Vizepräsident Walter Franklin gewesen, der in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages sein Einverständnis aus dem fernen Washington gegeben hatte, weil Präsident George T. Gilles ans Krankenbett gefesselt war. Der Zustimmung des Vizepräsidenten wäre allerdings nie und nimmer zustande gekommen, hätten nicht der ehemalige und der amtierende Sicherheitsberater, Admiral Adamski und General Grant, in aller Eile die Pläne detailreich skizziert und wortgewandt vorgetragen – wobei im letztgenannten Punkt General Grant das Reden übernommen und somit die Operation möglich gemacht hatte.

Nun sollte in Vandenberg herausgefunden werden, welche der Trägerraketen am geeignetsten war, um das Mini-Shuttle Independence in eine Umlaufbahn zu schießen und sich unbemerkt der ISS anzunähern. Jack Hunter, der mit den leitenden Ingenieuren vor Ort bereits fieberhaft an einer Lösung des Problems arbeitete, hatte während Spacys Abwesenheit bereits die Überführung der Independence aus der Mojawe-Wüste organisiert und dabei auf strikte Geheimhaltung geachtet. Denn das Schlimmste, was jetzt passieren konnte, war ein Fernsehbericht, der die Terroristen im All vorwarnte. Spacy wollte einen Überraschungscoup landen, und dafür bedurfte es der Nachrichtensperre.

Hunter hingegen wollte sich selber überraschen und seinem alten Freund beweisen, warum etwas Eckiges in etwas Rundes passen konnte. Der Chefingenieur der NUSA war der Lösung näher als vermutet, und es fehlte nur noch das berühmte Quäntchen Glück, um für den kleinen Raumgleiter das passende Gegenstück zu finden. Aus einer offenen Montagehalle heraus erspähte Hunter über der Landebahn eine Maschine, in der er mit Blick auf die Uhr Spacy vermutete. Die F-15Strike Eaglebefand sich Endanflug, fuhr im letzten Moment das Fahrwerk aus und landete.

Die F-15der US-Luftwaffe benötigte nur wenige Sekunden, bis sie genug Geschwindigkeit verloren hatte, um auf eine abzweigende Rollbahn abzubiegen und auf die Montagehalle zuzusteuern.

Spacy stellte die beiden parallel angeordneten Mantelstromtriebwerke ab und öffnete die Cockpithaube. Sofort kamen zwei uniformierte Techniker der Luftwaffe herbeigeeilt und kümmerten sich um das Flugzeug, dessen Heimatbasis die Tyndall Air Force Base in Florida war.

»Eine kleine Spritztour auf Kosten des Steuerzahlers?«, begrüßte Hunter seinen Freund und machte eine Handbewegung in Richtung des taktischen Kampfbombers.

»Der Admiral hat mal wieder seine Beziehungen spielen lassen, wobei das Wort des Vizepräsidenten ebenfalls ziemlichen Einfluss gehabt haben soll«, entgegnete Spacy.

»Verstehe. Befehl von oben.«

»So was in der Richtung. Allerdings hätte die Spezialausrüstung auch nicht ins Handgepäck bei United Airlines gepasst.«

Hunter und Spacy beobachteten, wie das Bodenpersonal aus dem freien Co-Pilotenbereich zwei zusammengefaltete weiße Bündel entnahm.

»Unsere Arbeitskleidung. Ich hoffe, ich habe mich bei deinem Exemplar nicht in der Größe geirrt. Astronauten-Anzüge für kleine Dicke sind ziemlich rar bei der NASA«, grinste Spacy.

Hunter inspizierte den schweren Anzug und hob die Schultern. »Wird schon passen. Aber hattest du am Telefon nicht gesagt, ich solle das Mini-Shuttle startklar machen, eine Trägerrakete konfigurieren und die Flugphase überwachen? Von einer gemeinsamen Jagd war überhaupt keine Rede.«

»Warum soll ich immer die Drecksarbeit machen? Außerdem kann ein Trip ins All ziemlich langweilig werden, wenn man nicht einen redseligen Beifahrer dabei hat.«

Hunter verdrehte die Augen und war sich nicht sicher, ob er lachen oder weinen sollte. Bisher war der Mini-Shuttle aus Sicherheitsgründen nur durch Spacy alleine im Flug getestet worden. Hunter hatte die Independence lediglich im Simulator geflogen. Der für insgesamt drei Personen ausgelegte Transporter war eigentlich noch nicht ausgereift genug, um das Risiko eines Starts mit kompletter Besatzung einzugehen. »Okay, der Erbauer dieser genialen Konstruktion sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Ich bin dabei«, stimmte Hunter Spacys Vorschlag zu. »Aber vorher würde ich gerne wissen, was du eigentlich vorhast. Oder ist das etwa wieder so eine improvisierte Nummer? Getreu dem Motto: Wird schon schiefgehen?«

Spacy lachte und klopfte Hunter aufmunternd auf den Rücken. Dann verzogen sich die Männer in eine abgelegene Ecke der großen Montage- und Wartungshalle der US Air Force.

»Sei unbesorgt. Diesmal ist der Plan wirklich durchdacht. Wenn wir das hinter uns gebracht haben, steht unserer Karriere als Staubsauger-Vertreter nichts mehr im Wege.«

»Eigentlich hatte ich mir unseren sozialen Aufstieg ganz anders vorgestellt«, versetzte Hunter. »Aber schieß los, ich ahne bereits Schlimmes.«

»Schlimm wird es nur dann, wenn die Dosierung des Gases falsch berechnet wird und seine Verteilung in der Schwerelosigkeit anders verläuft als unter normalen Umständen«, wurde Spacy plötzlich ernst. »Wir werden der ISS nicht die Luft absaugen, sondern etwas in sie hineinblasen. Und zwar einen hochwirksamen Kampfstoff, der bereits vor einigen Jahren in Russland eingesetzt worden ist, nachdem tschetschenische Rebellen das Moskauer Dubrowka-Theater mit achthundert Geiseln in ihre Gewalt gebracht hatten.«

»Oh Gott«, stöhnte Hunter. »Soviel ich weiß, sind damals etliche der Geiseln gestorben, weil die Konzentration des Gases zu hoch war. Die Sicherheitskräfte haben seinerzeit eine zu hohe Dosis eines Fentanyl-Derivats benutzt. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den Namen der Substanz.«

»Carfentanyl. Ein Betäubungsmittel, welches schwerpunktmäßig bei der Jagd auf Großwild verwendet wird.«

»Carfentanyl«, murmelte Hunter und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Und diesen Plan hat der Präsident, äh, ich meine der Vizepräsident abgesegnet?«

»Nachdem der Direktor der russischen Raumfahrtagentur Feuer und Flamme für meine Idee war, die Kidnapper auf der ISS durch ein eingeleitetes Betäubungsgas Schachmatt zu setzen, hat er sich sofort bereit erklärt, dieses Mittel zu beschaffen. In einer ganz speziellen, verfeinerten Mixtur. Unser Boss hat mir übrigens gesteckt, Vizepräsident Franklin sei eine Stein vom Herzen gefallen.«

»Klar, kann mir schon denken, warum. Sollte der Plan schiefgehen, kann man es auf die Geheimdienste und Militärexperten in Moskau schieben.«

»Im Grunde genommen sind wir die einzigen Personen, die von dem Einsatz dieser Substanz wissen. Und natürlich das ISS-Konsortium. Aber die wollen natürlich die Raumstation retten, die Besatzung spielt da wohl nur eine untergeordnete Rolle.«

»Konntest du dir nicht einen anderen Rettungsplan ausdenken? Vielleicht ein Trojanisches Pferd oder einen deiner simplen Hau-drauf-Angriffe? Müssen wir jetzt wirklich mit einer ABC-Waffe los?«

»Wenn mir etwas Besseres eingefallen wäre, hätte ich es mit Sicherheit in diesem Gremium angebracht«, versetzte Spacy leicht angesäuert.

Hunter erkannte sofort, in welcher Zwickmühle sein bester Freund steckte. Dieser wollte Tracy retten, und dafür würde er alles riskieren. Und je länger Hunter darüber nachdachte, desto einleuchtender kam ihm Spacys Plan schließlich vor. »Tut mir leid. Ich dachte nur, es gebe eine andere Möglichkeit, die Nuss zu knacken.«

»Anscheinend haben wir diesmal nicht das beste Pokerblatt in der Hand. Und abgesehen davon rennt uns die Zeit davon. Während wir hier stehen und Däumchen drehen, dürfte die Atlantis bereits angedockt haben.«

»Dann lass uns keine Zeit verlieren und loslegen. Ich habe auf diesem Testgelände etwas entdeckt, was unseren Ansprüchen genügen dürfte.«

»Dann statten wir also dem Startkomplex Slick Six einen Besuch ab?«

»Wie kommst du nur auf die Idee?«

»Weiß doch jedes Kind, wo die richtig dicken Dinger gelagert werden.«

»Und ich hatte mich schon so darauf gefreut, dich mit einer DELTA IV zu überraschen.«

»Die Überraschung ist dir gelungen, Jack«, antworte Spacy und stieg erwartungsfroh in den bereitstehenden Jeep, hinter dessen Steuer ein uniformierter Fahrer der Air Force wartete. Dann fuhr der offene Wagen mit den beiden NUSA Experten los, in Richtung der riesigen weißen Montagehalle, auf der unübersehbar die amerikanische Nationalflagge aufgemalt war. Als Spacy bereits in der Ferne die enormen Ausmaße der gewaltigen Rakete erkennen konnte, um die Dutzende von Technikern wie Fliegen schwirr­ten, wich sein angespannter Gesichtsausdruck einem zufriedenen und selbstsicheren Lächeln. Sollte die Spezialisten nicht übermäßig viel Zeit damit verlieren, die noch horizontal liegende Rakete vertikal aufzurichten, könnte der Start bereits innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden erfolgen.

»Schönes Teil. Ich hatte schon befürchtet, du würdest mir so eine alte Minuteman oder Peacekeeper organisieren. Eines dieser Dinger, die hier überall wie Zäpfchen in den Erdlöchern stecken.«

»Wo denkst du hin? Die alten Interkontinentalraketen, die hier noch lagern, sind allesamt für unsere Zwecke ungeeignet«, erklärte Hunter. Die DELTA IV hingegen ist wie geschaffen für unsere Mission. Genaues weiß ich auch nicht, aber anscheinend hat man uns Priorität gegenüber dem geplanten Start eines Spionagesatelliten des NRO eingeräumt. Da muss der Alte in Washington ziemlichen Druck gemacht haben.«

»Dass er Kontakte ins National Reconnaissance Office hat, ist mir neu. Ich vermute eher General Grant und Charlotte Stuyvesant hinter dem Deal. Schließlich gehört es bei denen zum Tagesgeschäft, sich mit dem Nachrichtendienst für militärische Satellitenprogramme auszutauschen. Aber wir werden gleich mit Sicherheit mehr erfahren.«