Dein Glück kommt von Herzen - Kathrin Sohst - E-Book

Dein Glück kommt von Herzen E-Book

Kathrin Sohst

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Über die Kraft der Liebe und Dankbarkeit  Minas Leben könnte so schön sein. Nach einer Lebenskrise hat sie bereits vieles verändert: Sie hat einen neuen Mann an ihrer Seite, wohnt direkt am Wald und nimmt sich mehr Zeit für sich. Doch dann liest sie im Ahnenbuch ihrer verstorbenen Großmutter von einem unglaublichen Vertrauensbruch ihrer Mutter. Mina taucht in die Vergangenheit ihrer Familie ein. Was als Schmerz beginnt, wird zu einem Geschenk: Menschen, die sie glaubte, für immer verloren zu haben, kehren zurück. Und sie erkennt, dass sie wahre Liebe und Dankbarkeit nur finden wird, wenn sie sich auf die Suche nach ihren eigenen Wurzeln macht. Weise und berührend geht Kathrin Sohst der Frage nach, was uns wirklich glücklich stimmt, wie wir uns mit unserer Vergangenheit aussöhnen können und was uns von Herzen mit der Natur und den Menschen, die wir lieben, verbindet. Das perfekte Geschenk – zauberhaft illustriert und mit Dankbarkeitstagebuch 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:

www.piper.de

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »Dein Glück kommt von Herzen« an [email protected], und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

© Piper Verlag GmbH, München 2025

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Gaeb & Eggers.

Illustration: Hanna Zeckau

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence, München mit abavo vlow, Buchloe

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem E-Book hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen und übernimmt dafür keine Haftung. Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

Text bei Büchern mit inhaltsrelevanten Abbildungen ohne Alternativtexte:

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Sonnenaufgang

Winterwandel

Zeichen und Wunder

Das Ahnenbuch

Rike, Ranja und dein Vater Georg

Lillis Wunsch

Traumzeit

Im Spiegel der Natur

Frühlingskraft

Das Flüstern der Buche

Die Magie der Dankbarkeit

Mut zum Frieden

Naturwesen

Die Farben des Lichts

Johanna, Navin und das Weisheitsbuch der Familie

Mutterliebe

Sommerglanz

Geplatzte Träume

Neue Pfade

Die Ferne so nah

Mina im Glück

Sommerfülle

Herbstleuchten

Vaterschaft

Früchte der Liebe

Licht im Dunkeln

Heilige Nacht

Die Wurzeln der Kraft

Seelenfrieden

Sonnenuntergang

Impulse für deine Dankbarkeitspraxis

Danke

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Widmung

Für meine ElternUrsula und Wolfgang.

Von Herzen Dank für eure Liebe.

Sonnenaufgang

Mit zitternden Händen strich sie über die letzte Seite ihres Werkes. Ihre Augen glänzten. Salzige Tropfen hinterließen kleine glänzende Pfade in ihrem Gesicht, das von so vielen Sommern fern der Heimat ihres Vaters gezeichnet war.

Wie immer, wenn sie nicht schlafen konnte, saß sie an ihrem hölzernen Sekretär, den ihr Mann für sie getischlert und ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Die Schubladen waren mit Schnitzereien geschmückt. Liebevoll und mit großer Präzision hatte er mit seinem Werkzeug Lindenblätter in das Material gezaubert. Es war, als hätte er seine ganze Wärme, Klarheit und Liebe in das Holz fließen lassen. Jedes Mal, wenn sie hier saß, fühlte sie sich ihm nah, obwohl es schon so lange her war, dass er diese Welt verlassen hatte.

Sie trank einen Schluck Wasser. Ihr Blick strich gerade über den Farn, der vor ihr auf dem Tisch stand, als ein Windstoß das Fenster vibrieren ließ. Sie hob den Kopf. Es musste in der Nacht geschneit haben, denn draußen war es ungewöhnlich hell. Dann nahm sie das vertraute Geräusch der Schritte ihrer Tochter im Treppenhaus wahr. Da war er, der neue Tag. Obwohl sie den Sonnenaufgang durch die Wolken hindurch nur erahnen konnte, richtete sie sich kurz nach Osten aus, neigte ihren Kopf leicht nach vorn, legte die Hände vor ihrer Stirn zusammen und dankte Himmel und Erde. Und wieder breitete sich eine Empfindung in ihrem Körper aus, die sie schon seit Wochen begleitete. Es war ein leichtes und erhebendes Gefühl, das ihr Herz flattern und sie langsamer werden ließ. Umso dankbarer war sie, dass es ihr in dieser Nacht gelungen war, die letzten Worte zu schreiben und ihre Aufgabe zu vollenden.

Sie legte ihren Füllfederhalter beiseite, klappte das eingebundene Heft zu und strich ein letztes Mal liebevoll darüber. Langsam erhob sie sich und taumelte leicht, bevor sie sich an der Tischkante festhalten konnte und ihr greiser Körper neuen Halt fand. Nachdem sie sich gesammelt hatte, beobachtete sie sich selbst dabei, wie ihre faltigen Hände zu ihrem letzten Werk griffen und es vom Tisch nahmen. Dann ging sie zu ihrem Bauernschrank und öffnete erst die eine, dann die andere Tür. Während die Geräusche aus der Küche in ihren Ohren sangen, sammelte sie all ihre Kraft in ihren Beinen, kniete sich vor dem Schrank hin und legte das Heft zusammen mit einem Brief an ihre Töchter hinein. Und damit all das, was sie bisher nicht hatte aussprechen können und nun doch noch Zeile für Zeile auf das Papier geflossen war.

Winterwandel

Innehalten.Ruhe finden.Der Stille lauschen undin die Tiefen der Seele tauchen.

Zeichen und Wunder

Mit schnellen Schritten ging Mina durch die trockene und klirrend kalte Winterluft Richtung Ankunftsterminal. Sie hatte ihren Schal hoch ins Gesicht gezogen und war froh, dass sie an ihre Mütze gedacht hatte. So kalt wie in den letzten Tagen war es selten. Nur wenn die Strömung aus Osten kam oder der eisige Nordwind übers Land zog, ließ die Kälte das Wasser erstarren und verwandelte die Seen der Region in Eisbahnen. Mina bekam Lust, ihre Schlittschuhe aus dem Keller zu holen und bei nächster Gelegenheit übers Eis zu fliegen.

Als sie das Gebäude erreichte, landete sie mit einem Schwung der Drehtür mitten im internationalen Flair des Flughafens. Sie blieb stehen und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Paare und Familien schenkten sich Umarmungen und freuten sich, wieder beieinander zu sein. Geschäftsleuten standen Eile und Konzentration ins Gesicht geschrieben. Und Urlaubsreisende schauten suchend umher, wirkten neugierig, müde oder beschwingt.

Mina löste den Schal und nahm ihre Mütze ab. Ihr wurde klar, dass sie mit der Welt des Fliegens inzwischen fremdelte. Dabei war sie selbst einmal viel unterwegs gewesen. Damals, als ihre Tochter Lilli noch zur Schule ging, hatte Mina im Unternehmen ihrer Mutter gearbeitet und ihre Reisen auf die Ferien gelegt. Während sie in aller Welt Verträge abschloss, verbrachte Lilli ihre schulfreie Zeit auf dem Lindenhof bei ihrer Uroma Aruna, Minas verstorbener Großmutter, und Großtante Rike, der Schwester von Minas Mutter Ranja.

Inzwischen war Lilli eine junge Frau und arbeitete bereits im zweiten Jahr auf einem ökologischen Hof, der drei Stunden Autofahrt entfernt lag. Anfangs hatte Mina ihre Tochter vermisst. Inzwischen fühlte es sich stimmig an, Lilli auf dem Land mitten in der Natur zu wissen. Denn da gehörte sie einfach hin. Und seit das Leben Mina nach dem Tod ihrer Oma und einer intensiven Trauerzeit überraschend viel Neues und Schönes geschenkt hatte, schlich sich die Sehnsucht nach alten Zeiten nur noch selten in ihr Herz. Sie wusste, dass Lilli auf ihrem ureigenen Pfad war. Und das war das Wichtigste.

 

Ein Schwall eiskalter Luft, der durch die Drehtür hinter ihr kam, ließ Mina frösteln, und sie machte sich auf den Weg zur Anzeige der ankommenden Flüge.

Was sich wohl bei Ranja alles getan hat?

In weniger als einer Stunde würde Mina ihre Mutter wiedersehen. Sie kehrte nach über einem Jahr Sabbatical in Südostasien zurück nach Hause. Dass sie, die immer kühl und distanziert aufgetreten war und für die ihre Arbeit immer an erster Stelle gestanden hatte, ausgerechnet von Mina abgeholt werden wollte, war eine kleine Revolution in der Familiengeschichte! Zuletzt hatte sich ihre Beziehung ungefähr so klirrend kalt angefühlt wie dieser Wintertag.

Als Ranja ihre Auszeit antrat, hatte sie niemandem gesagt, wo sie hinfuhr. Sie war lange für niemanden aus der Familie erreichbar gewesen. Was alle erst geschockt hatte, entpuppte sich für Mina als Chance, unabhängig von den Erwartungen ihrer Mutter zur Ruhe zu kommen und die Wunden der Vergangenheit ein Stück weit heilen zu lassen.

Anders als ihre Tante Rike, die den Hof der Familie bewirtschaftete, hatte Ranja studiert, früh Karriere gemacht, ein Unternehmen gegründet und Mina mit der Hilfe von Au-pair-Mädchen und ohne Vater großgezogen. Mina kannte ihre Mutter nur durchgetaktet, perfekt geschminkt und edel gekleidet.

Je älter und erfahrener Mina wurde, desto stärker gewann sie den Eindruck, dass Ranja sich hinter ihrer Arbeit versteckte. Oder sich in sie flüchtete. Besonders schmerzhaft war das für Mina gewesen, als sie während des Studiums mit Lilli schwanger geworden war und Lillis Vater Erik sich von ihr getrennt hatte, bevor ihr Zauberwesen zur Welt kam. Statt Mina zur Seite zu stehen, hatte Ranja sich noch mehr von ihr distanziert. Umso überraschender war es für sie gewesen, als ihre Mutter sie zu ihrem letzten Geburtstag angerufen hatte – mit der Ankündigung, dass sie bald zurückkommen und sich dann bei ihr melden würde. Und nun war klar: Ranja hatte ihr Wort gehalten.

Mina spürte, wie ihr Herz vor Aufregung pochte. Zum einen, weil darin all die Enttäuschungen und Verletzungen mitschwangen, die die schwierigen Jahre mit ihrer Mutter mit sich gebracht hatten. Aber auch, weil sie sich so sehr einen Neustart für sie beide wünschte. Wie schön wäre es, wenn Ranja und sie sich versöhnen könnten!

Schmunzelnd stellte Mina fest, dass sie inzwischen direkt vor der Ankunftsanzeige stand. Als sie die Flugnummer fand, sah sie, dass ihre Mutter später landen würde. Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wählte Valentins Nummer.

»Hey, Schatz, unser Abend muss noch etwas warten. Ranjas Flug hat Verspätung und ich somit auch. Wenn du Hunger hast, kannst du gerne schon essen.«

»Okay, danke, dass du dich meldest, Mina. Wie geht es dir?«

Mina erzählte ihm von ihren widersprüchlichen Gefühlen, und er antwortete leise: »Das kann ich gut nachvollziehen. Die Sache mit unseren Müttern.«

Mina konnte sein melancholisches Lächeln fast vor sich sehen. Auch zwischen dem Mann an ihrer Seite und seiner Mutter stand ein ungelöstes Thema.

»Ja, wir und unsere Mütter«, wiederholte sie.

»Lass es dir gut gehen, und genieß ein bisschen das Flughafenflair. Ich freu mich auf dich.«

»Ich versuch’s. Ich freu mich auch auf dich. Bis später!«

Mina legte auf, sah sich um und entdeckte einen Bäcker. Sie kaufte sich eine Zimtschnecke und schlenderte genüsslich kauend von einem Laden zum nächsten. Vor einer Papeterie blieb sie stehen. Sie steckte den Rest der Zimtschnecke zurück in die Tüte, wischte sich mit einem Taschentuch die Krümel von den Fingern und trat ein.

 

Langsam ging sie durch die Reihen. Vor einer Box, in der hochkant mehrere Notizbücher in unterschiedlichen Farben standen, hielt sie inne. Langsam zog sie das vorderste heraus. Es war grün und trug das Symbol des Lebensbaums. Genau wie die hölzerne Kiste, die sie am 12. Dezember zum Geburtstag bekommen hatte. Und heute war der 12. Januar. Also vor genau einem Monat. Mina lächelte. Wenn das mal kein Zeichen war! Nach allem, was sich in den vergangenen Monaten in ihrem Leben getan hatte, glaubte sie jedenfalls nicht mehr an Zufälle. Eher daran, dass alles miteinander verwoben war und einem tieferen Sinn folgte. Und dass die Magie des Lebens sich offenbarte, wenn sie sich dem, was sich ihr zeigte, öffnete.

Lächelnd steckte sie das grüne Notizbuch zurück in den Kasten und schaute sich ein Exemplar nach dem anderen an. Jedes hatte ein anderes Symbol auf der Vorderseite. Fast am Ende leuchtete ihr ein rotes entgegen. Es erinnerte sie sofort an den geheimnisvollen morgenroten Brief ohne Absender, den sie vor rund einem Jahr in ihrem Briefkasten gefunden hatte, kurz nachdem ihre Oma ins Licht gegangen war. Als Mina nun das Symbol auf der Vorderseite entdeckte, atmete sie tief durch: Ihr strahlte eine aufgehende goldene Sonne entgegen.

»Hallo, Oma«, sagte Mina leise. Der Name ihrer verstorbenen Großmutter, Aruna, bedeutete »Morgenröte« oder auch »aufgehende Sonne«.

Mina wusste noch nicht, wofür sie das rote Notizbuch mit der aufgehenden Sonne nutzen wollte, aber sie kaufte es und vertraute darauf, dass sich ihr zeigen würde, wofür sie es nutzen wollte. Jetzt musste sie erst einmal ihre Mutter abholen. Ein Blick auf eine Uhr an der Wand zeigte ihr, dass Ranja inzwischen gelandet sein musste.

Sie zahlte und eilte zur Ankunftshalle. Gebannt schaute sie zu den Türen, die sich immer wieder automatisch öffneten und schlossen. Als eine Frau durch die Tür kam, die wie ihre Oma in jüngeren Jahren aussah, war Mina völlig überrascht. Aber es war nicht Aruna. Es war ihre Mutter! Sie hatte sich äußerlich derart verändert, dass Mina kein einziges Wort sagen konnte, als Ranja auf sie zukam.

»Hallo, Mina, schön, dich zu sehen«, brach Ranja die Stille zwischen ihnen.

»Ja, äh … Hallo, Mama. Herzlich willkommen«, stotterte Mina und fügte etwas sicherer hinzu: »Ich hätte dich fast nicht erkannt.«

»Hm, stimmt. Ich habe mich schon so an mein neues Ich gewöhnt, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, wie es für dich sein könnte. Entschuldige bitte.«

»Das ist schon in Ordnung. Ich hatte mit vielem gerechnet, nur eben nicht damit, dass du so anders aussehen würdest«, sagte Mina. »Kann ich dir was abnehmen?«

»Gerne«, sagte Ranja und drückte ihrer Tochter eine Tasche in die Hand. Auf dem Rücken trug ihre Mutter einen Wanderrucksack, neben ihr stand ein riesiger Koffer.

Mina musterte Ranjas Kleidung, die definitiv nicht für den kalten Ostwind geeignet war, und schlug ihr vor, sich für den Weg zum Auto etwas überzuziehen.

Ranja nickte, nahm ihren Rucksack ab, holte Mütze, Handschuhe, Schal und eine dicke Wolljacke heraus und zog alles an. Als sie ihren Rucksack wieder geschultert hatte, griff Mina nach dem Koffer. »Gut, dann los. Soll ich dich nach Hause fahren, oder hast du andere Pläne?«, fragte sie.

»Nein, keine anderen Pläne. Erst mal nach Hause. Ich danke dir.«

 

Mina war fasziniert und zugleich zutiefst irritiert über die Wandlung ihrer Mutter. Ranja war über siebzig, sich in diesem Alter noch einmal so zu verändern, war ungewöhnlich. Da mussten sich ganze Welten verschoben haben. Härte, Gram und Kälte waren aus ihrem Gesicht gewichen. Stattdessen saß nun eine Frau neben ihr im Auto, die zwar eindeutig ihre Mutter war, aber fast eine so weiche Ausstrahlung hatte wie ihre Oma. Es hatte sich in ihrem letzten Telefonat also nicht nur so angefühlt, als könnte ein Neuanfang zwischen ihnen gelingen. Dieser Neuanfang geschah mit jeder Geste und jedem Wort genau in diesem Moment.

Die gesamte Autofahrt über erzählte Ranja munter von den Erlebnissen ihrer langen Heimreise, als hätte es niemals dieses kühle Schweigen zwischen ihnen gegeben. Auch wenn sich ab und an noch ein kleines »Achtung-Gefühl« in Mina aufbäumte, lächelte sie vor sich hin. Wahrscheinlich würde sie noch etwas brauchen, bis das entspannte Miteinander mit ihrer Mutter auch in den Tiefen ihres Herzens angekommen war. Und dann würde sie ihre Wiedersehensfreude so richtig genießen.

Als sie fast bei Ranjas Wohnung angekommen waren, wurde ihre Mutter stiller.

Mina nutzte die Gelegenheit, um eine Idee mit ihr zu teilen: »Rike und ich haben Arunas Zimmer so gelassen, wie es war, damit du es auch noch einmal sehen kannst.«

Ranja schluckte. Sie war nicht erreichbar gewesen, als Aruna gestorben war, und hatte so auch nicht bei der Zeremonie im Friedwald dabei sein können.

Bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte, fuhr Mina fort: »Was hältst du davon, wenn wir an einem der kommenden Wochenenden zu dritt zum Friedwald fahren und Arunas Baum besuchen? Anschließend könnten wir uns auf dem Lindenhof um Arunas Nachlass kümmern.«

Wieder schluckte ihre Mutter, und Mina meinte sogar, Tränen in Ranjas Augenwinkeln zu erkennen. Sie ließ ihr Zeit, parkte das Auto vor ihrem Haus, machte den Motor aus und wartete.

»Das ist eine schöne Idee, Mina. So machen wir das«, sagte Ranja schließlich und räusperte sich. »Und wir haben uns sicher noch mehr zu erzählen in den nächsten Wochen. Ich möchte wissen, wie es dir ergangen ist im letzten Jahr. Du hast dich auch verändert. Du siehst glücklicher und zufriedener aus.«

»Ja, Mama, es gibt viel zu erzählen. Doch alles hat seine Zeit. Du kommst erst mal wieder in Ruhe hier an. Und ich …«, Mina lächelte ihre Mutter an, »fahre jetzt nach Hause und lass mich von Valentin kneifen, damit ich weiß, dass ich meine Mutter und nicht Aruna vom Flughafen abgeholt habe. Du siehst aus wie sie, als ich mit Lilli schwanger war. Ich kann das alles noch gar nicht glauben.«

»Da haben wir etwas gemeinsam, Mina«, erwiderte Ranja ebenfalls lächelnd.

 

Nachdem Mina ihrer Mutter geholfen hatte, das Gepäck ins Haus zu bringen, fuhr sie aufgekratzt und müde zugleich nach Hause. Dabei kamen Fragen auf, für die es bisher scheinbar noch keinen Raum gegeben hatte. Oder konnte sie sich nur nicht daran erinnern?