Dein Leben, dein Moment - Emilia Handke - E-Book

Dein Leben, dein Moment E-Book

Emilia Handke

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Beschreibung

Entdecke die Kraft der Rituale für dein persönliches Leben!

• Du hast die Sehnsucht in dir, mit Ritualen Wegpunkte zu setzen und brauchst Hilfe in der Umsetzung?

• Du möchtest mehr lernen über die Kraft der Rituale, die für unser Leben notwendige Rastplätze sind?

• Du überlegst, dein Kind taufen zu lassen, haderst aber mit der Kirche, suchst nach anderen, individuellen Möglichkeiten?

• Du möchtest heiraten, den kirchlichen Segen, aber nicht nach Schema F?

• Du musst einen geliebten Menschen oder einen Wunsch gehen lassen und suchst nach dem richtigen Ritual dafür, das ausdrückt, was du wirklich fühlst?

Dann ist dieses Buch für dich. Denn das Leben ist beides – Langstrecke und Raststätte, Alltag und heilige Momente. Es sind diese heiligen Momente, die unsere Identität prägen und die Seelenlandkarte des Lebens strukturieren: das gemeinsame Kennenlernen, der Beginn einer Beziehung, vielleicht Heirat, vielleicht Kinder, Erfolge oder Misserfolge im Beruf, Abschiede von Eltern, Partner*innen oder Freund*innen – Hoch-Zeiten, aber auch Tiefpunkte, die wir mit Ritualen feiern.

Aber viele der althergebrachten Rituale passen nicht (mehr) zum modernen Leben, fühlen sich zu eng, zu wenig individuell, schlicht aus der Zeit gefallen an. Emilia Handke und Meike Barnahl sind Pastorinnen und leidenschaftliche Ritual-Gestalterinnen, die mit diesem Buch Inspiration für dein Leben und deinen heiligen Moment liefern: Wie können Rituale so gefeiert werden, dass wir uns (wieder) mit ihnen identifizieren? Wie können wir sie heute so feiern, dass sie ihre heilige Kraft nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für uns als Gesellschaft entfalten?

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Seitenzahl: 263

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Entdecke die Kraft der Rituale für dein persönliches Leben!

Du überlegst, dein Kind taufen zu lassen, haderst aber mit der Kirche, suchst nach anderen, individuellen Möglichkeiten?Du möchtest heiraten, den kirchlichen Segen, aber nicht nach Schema F?Du musst einen geliebten Menschen oder einen Wunsch gehen lassen und suchst nach dem richtigen Ritual dafür, das ausdrückt, was du wirklich fühlst?Du hast die Sehnsucht in dir, mit Ritualen Wegpunkte zu setzen und brauchst Hilfe in der Umsetzung?Du möchtest mehr lernen über die Kraft der Rituale, die für unser Leben notwendige Rastplätze sind?

Dann ist dieses Buch für dich.Denn das Leben ist beides – Langstrecke und Raststätte, Alltag und heilige Momente. Es sind diese heiligen Momente, die unsere Identität prägen und die Seelenlandkarte des Lebens strukturieren: das gemeinsame Kennenlernen, der Beginn einer Beziehung, vielleicht Heirat, vielleicht Kinder, Erfolge oder Misserfolge im Beruf, Abschiede von Eltern, Partner:innen oder Freund:innen – Hoch-Zeiten, aber auch Tiefpunkte, die wir mit Ritualen feiern.

Aber viele der althergebrachten Rituale passen nicht (mehr) zum modernen Leben, fühlen sich zu eng, zu wenig individuell, schlicht aus der Zeit gefallen an. Emilia Handke und Meike Barnahl sind Pastorinnen und leidenschaftliche Ritual-Gestalterinnen, die mit diesem Buch Inspiration für dein Leben und deinen heiligen Moment liefern: Wie können Rituale so gefeiert werden, dass wir uns (wieder) mit ihnen identifizieren? Wie können wir sie heute so feiern, dass sie ihre heilige Kraft nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für uns als Gesellschaft entfalten?

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wir haben uns um eine gendergerechte Schreibweise bemüht. Sollte uns diese im Einzelfall nicht gelungen sein, sind bei der Verwendung entsprechender geschlechtsspezifischer Begriffe im Sinne der Gleichbehandlung ausdrücklich alle Geschlechter angesprochen.

Die Liedtextteile wurden durch die freundliche Genehmigung der Interpreten zum Abdruck genehmigt.

Siehe hier: »Das Lied von der Anderwelt« von Michael Ende © AVA international GmbH, Autoren- und Verlagsagentur 2023. Siehe hier: »Sie mögen sich« von Shaban & Käptn Peng © verlegt bei Wintrup Musikverlag, Berlin.

Jeanne Vera Caspar danken wir für die freundliche Genehmigung zum Abdruck ihres Gedichts »nur sein«. Martin Pieper danken wir für die freundliche Genehmigung zum Abdruck seiner Zusammenstellung der zünftigen Richtsprüche, siehe hier.

Die Bibelstellen sind, soweit im Text nicht anders vermerkt, zitiert nach der BasisBibel 2021, sowie der Lutherbibel 2017.

Der Wortlaut aus Psalm 139, siehe hier, ist durch freundliche Genehmigung zum Abdruck lizenziert. © BasisBibel, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Innenabbildung: JMBee Studio/adobe.stock.com

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN978-3-641-30841-4V001

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

Rituale als Rastplätze des Lebens

Aufbruch, oder:

Die Sehnsucht nach einem guten Anfang

Erzählung 1

Taufe nicht nach Schema F. Individualität trifft Ritual

Erzählung 2

Ein ander’ Welt. Taufe angesichts des Todes

Erzählung 3

Ohne viel Tamtam. Die Drop-In-Taufe

Erzählung 4

Eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Über den Sinn der Schiffstaufe

Erzählung 5

Alles auf Anfang. Wie Rituale ein neues Zuhause beseelen

Erzählung 6

Tanz im Mobile. Über Rituale im Familiengefüge

Unterwegssein, oder:

Die Sehnsucht nach einem guten Weg

Erzählung 7

Große Gesten. Über Rituale, die Geschichte(n) schreiben

Erzählung 8

Auf der Slackline des Lebens. Neue Rituale zum Erwachsenwerden

Erzählung 9

Hochzeit. Über ein Ritual, das so bunt ist wie die Liebe selbst

Erzählung 10

Wahlverwandtschaften. Wenn aus Freund:innen Familie wird

Erzählung 11

Sich selbst trauen. Segen für den eigenen Weg

Erzählung 12

Heilige Mahlzeiten. Über gemeinsames Essen als Ur-Ritual

Erzählung 13

Raunächte. Mit der Dunkelheit auf Du

Abschied, oder:

Die Sehnsucht nach einem guten Ende

Erzählung 14

Mein Abschied von einem Traum. Ritual zum Loslassen

Erzählung 15

Voneinander loskommen. Über Rituale, die entbinden

Erzählung 16

Fuck-Up. Beichten trifft Humor

Erzählung 17

Ciao Bello! Wenn Seelentiere gehen

Erzählung 18

Fest der Toten. Lebendig Menschen erinnern

Erzählung 19

Kummerkutter. Über Trauerrituale, die wirklich helfen

Und zuletzt:

Gute Reise!

Anhang

Anmerkungen

Einleitung

Rituale als Rastplätze des Lebens

Emilia Handke

Das Leben ist eine Reise. Täler und Berge, Wiesen und Auen, Klippen und Dünen, Wüstenlandschaft, Sümpfe, Stromschnellen und ruhige See wechseln einander ab. Manchmal sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ab und an beschleicht uns das dumpfe Gefühl, auf einem Vulkan zu sitzen oder in der Höhle des Löwen auszuharren. Bisweilen lässt man sich zu der Feststellung hinreißen: Jetzt bin ich definitiv in Absurdistan gelandet!? Und irgendwann nach langen Tagen und durchwachten Nächten dann wieder: grenzenlose Weite und endloses Himmelblau. Das aufatmende Gefühl von Freiheit. Die Wahl zwischen ausgetretenen und unbekannten Pfaden. Das Rauschen der Wellen, der Gesang der Vögel und nachts die Sterne über dir.

Manchmal kommen wir auf dieser Reise nur mit vorsichtigen Trippelschritten voran, ein anderes Mal tragen uns Siebenmeilenstiefel. Mal kriecht man – symbolisch auf dem Zahnfleisch – oder stolpert eher durch die Gegend, dann kann man plötzlich wieder größere Sprünge machen. Ab und an legt man einen Sprint ein – wenn man Strecke schaffen will, wenn der Druck groß ist. Mal ist Kurzstrecke, öfter wahrscheinlich Langstrecke angesagt. In manchen Zeiten sind wir in Begleitung, manchmal aber auch ganz alleine unterwegs …

Wenn wir auf dieser Reise durch abenteuerliche Lebenslandschaften und Gefühlsgemengelagen mit anderen Menschen zusammentreffen und nicht bei einer oberflächlichen Bekanntschaft stehen bleiben, dann erzählen wir einander in der Regel von wichtigen Erlebnissen, von besonderen Momenten auf unserer Lebensreise. Dann wird Leben zur erzählten Zeit. Selten erzählen wir dabei vom Alltag, sondern vielmehr von den Stationen, auf denen uns etwas Wichtiges widerfahren ist. Momente, die sich herausheben aus dem Einerlei des Alltags: in denen wir herausgefordert waren, die sich uns eingebrannt haben, die wir nicht mehr loswerden, aus denen wir leben, die immer bleiben. Sie haben oft mit anderen Menschen zu tun: Wir haben einen Weggefährten getroffen, der unserem Leben eine andere Richtung gegeben hat. Oder wir haben uns auf unserer Wanderschaft von jemandem verabschieden müssen, der von unserer Reise bisher einfach nicht wegzudenken war. Oder wir haben bewusst zueinander gesagt: Lass uns beide ab jetzt besser getrennte Wege gehen! Oder einander das Gegenteil versprochen: »Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch.« (Rut 1,16) Das ist übrigens einer der beliebtesten Hochzeitssprüche aus der Bibel.

Manchmal gibt es auch kostbare Momente, die mit einer größeren Gemeinschaft zu tun haben: besondere Erinnerungen an eine Clique in der Schule, ein Team im Basketball-Club oder an die Fangemeinschaft in der Südkurve, an einen Chor oder eine andere Familie. Es gibt aber auch besondere Momente, die man ganz allein für sich hat: Erkenntnisse, die einem plötzlich aufleuchten; Augenblicke in der Natur, bei denen man am liebsten einfach nur stumm Applaus klatschen möchte; und auch Erfahrungen der Anwesenheit von etwas noch Größerem, das wir in der Kirche »Gott« nennen. Alle diese Momente sind für uns, Meike und mich, die Autorinnen dieses Buches, »heilige Momente«, weil wir glauben, dass Gott immer dabei ist – bei Abschied und Aufbruch und natürlich auch beim Unterwegssein. Manchmal kann man ihn fühlen oder schmecken, manchmal hört sich Gott eher wie ein sanftes Säuseln an. Davon erzählen eigentlich alle Geschichten der Bibel.

Die besonderen Momente auf unserer Lebensreise, die Momente, in denen wir innehalten und von denen wir einander erzählen – genau um diese Momente geht es in diesem Buch. Denn auf unserer Reise brauchen wir immer wieder Rastplätze und Herbergen, an denen wir Pause machen können oder den Zäsuren in unserem Leben Raum geben dürfen.

Rituale mit ihrer Mischung aus alten und neuen Worten wollen genau so etwas sein – Orte, an denen du dich ausruhen und erholen kannst, ein Obdach auf deiner Reise findest. Rituale sind Orte, an denen die richtigen Worte schon bereitliegen. Denn unser Leben braucht immer wieder eine Sprache, die es auslotet, die es auf den Punkt bringt: Wir brauchen Worte, die Auswege zeigen, Dank zum Ausdruck bringen und Segen schenken zum Weitergehen. Manchmal gelingt es uns, diese bergenden und behütenden oder Kraft schenkenden Worte von alleine zu finden – öfter helfen uns geliehene Worte. Manchmal von Menschen aus unserer Nähe und manchmal eben auch aus heiligen Schriften wie der Bibel. Worte, die viele Jahrhunderte älter sind als wir selbst.

Wenn wir Pause machen und die Reise unterbrechen, dann gelingt uns für einen Moment ein kleiner Draufblick auf das, was vor uns, und das, was hinter uns liegt. Von dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard ist der viel zitierte Satz überliefert: »Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.« Meike und ich glauben, dass da was dran ist: Verstehen lässt sich der eigene Weg oft erst, wenn man sich für dieses Verstehen auch Zeit nimmt, den Lauf des Lebens für einen Moment unterbricht und sich ganz bewusst in Beziehung setzt zu sich selbst, seiner Umgebung und – für uns – auch zu Gott. Mit diesem Rück- und Vorausblick dehnen Rituale die Zeit ein bisschen aus, indem sie einen bestimmten Moment des Lebens – eine Einschulung, eine Hochzeit, einen Abschied und vieles andere mehr – groß machen und ihn feiern, also würdigen und einbetten, ihm im wahrsten Sinne des Wortes »Zeit geben« und die Verbindungen stärken zu allen Menschen, die in diesem besonderen Moment an unserer Seite sind.

So wie Rastplätze und Herbergen kommen Rituale nicht aus dem Nichts. Da ist immer schon ein Baumstamm, auf den ich mich setzen kann, eine gemähte Wiese, auf der ich mein Zelt aufschlagen kann, oder eine Höhle, in die ich mich zurückziehen kann. Rituale transportieren Worte, Werte und Handlungen, die Menschen schon lange vor uns selbst wichtig waren. Zum Beispiel, wenn wir einen toten Menschen bestatten oder den unendlichen Wert eines neugeborenen Kindes feiern, für Speis und Trank danken oder für geleistete Arbeit. Damit stabilisieren sie das Leben, weil sie seinen Widerfahrnissen Fassung und seinen Wegstrecken Würdigung geben. Der Philosoph Byung-Chul Han hat das ziemlich schön auf den Punkt gebracht, indem er schreibt, dass Rituale »das In-der-Welt-Sein in ein Zu-Hause-Sein [verwandeln]. Sie machen aus der Welt einen verlässlichen Ort. […] Sie machen die Zeit bewohnbar.«1 Ohne das alles würde sich noch viel stärker als ohnehin schon die Frage stellen, warum wir das alles tun: laufen und kämpfen, sprinten und ausharren, kriechen und springen, arbeiten und ausruhen, sich verbinden und trennen.

Das Kirchenjahr, an dem sich viele unserer Feiertage mit ihren alten Ritualen orientieren, bietet Rastplätze zu ganz unterschiedlichen Themen an: zum Beispiel die Zeit des Wartens im Advent, den Verzicht ab Aschermittwoch, den Dank für die Ernte im Herbst, die Zeit der Trauer im November oder den Ausblick auf unsere großen Hoffnungen am Ewigkeitssonntag. Und natürlich gehören auch Fasching und Karneval oder die Raunächte zu diesen Rastplätzen des Jahreskreises dazu. Ohne solche Rituale, die die Zeit strukturieren und uns Orientierung geben, ist die Zeit bloß »ein unbeständiger Fluss«2 – ohne Inseln, ohne Ankerplätze. Nur rauschendes Getöse. Je mehr jedoch die Selbstverständlichkeit dieser Rituale schwindet, desto schwieriger wird es für eine Gesellschaft, ein gemeinsames Ganzes zu entwickeln und zu verkörpern. Denn die Rituale geben uns auch die Möglichkeit, uns aus unserer Isolation in der Welt herauszuholen, indem sie uns zu einem bestimmten Anlass zusammenführen und dabei zu einer Gemeinschaft werden lassen. Eine bloße Masse von Tourist:innen auf einem Kreuzfahrtschiff ist noch keine Gemeinschaft – dazu braucht es Rituale des Kennenlernens und des miteinander Feierns und einen gemeinsam geteilten Wertehorizont.

Rituale leben von Wiederholungen. Indem wir individuell als Einzelne oder gemeinsam in einer Gesellschaft Worte und Handlungen wiederholen, brennen sie sich uns ein. Das Versprechen »In guten und in schlechten Zeiten …« ist wohl eines der bekanntesten Beispiele dafür. Oder auch Psalm 23 aus der Bibel. Als ich selbst am Totenbett meines Vaters saß, stand für mich die Zeit still. Alle eigenen Worte schienen mir fehl am Platz. Irgendwann nach langer Stille stiegen Worte auf, die ich in meiner Konfi-Zeit einmal auswendig lernen musste. Ich habe mich damals an ihnen festgehalten. Wie viele Menschen sie angesichts großer innerer Not wohl schon gemurmelt haben?

»Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. […]

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück;

denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich …«

Indem wir Worte und Handlungen wiederholen, lernen wir, sie tiefer zu verstehen – nämlich mit dem Herzen. Die Wiederholung bettet uns ein in die Gemeinschaft derer, die vor uns waren und die nach uns kommen. Wir verbinden uns in diesem Moment mit ihnen – durch alle Zeiten hinweg. Der Soziologe Hartmut Rosa hat das »kulturell etablierte Resonanzachsen« genannt. Sie werden durch Rituale gestiftet: Vertikal verbindet man sich dadurch mit Gott oder den Göttern, dem Kosmos, mit Zeit und Ewigkeit. In der Horizontale verbindet man sich mit anderen Menschen und in der Diagonale mit Dingen wie z.B. Schiffen oder Häusern.3

Rituale sind aber nicht einfach nur Worte, sondern auch sinnliche Handlungen – sie werden über den Körper erfahren. Wir betreten dafür besondere Räume, singen oder hören Musik, zünden Kerzen an, falten Hände, essen und trinken. Und auch beim Segen wird das besonders deutlich. Hier spürt man mit der Hand auf dem Kopf oder den Schultern den Zuspruch: »Es ist gut, dass du da bist. Du bist geliebt. Du bist nicht allein.« Nach dieser Bestätigung suchen wir immer wieder, auch als Erwachsene – ob in der Familie, im Freundeskreis, auf der Arbeit oder im Leben überhaupt. Und hier wird noch etwas anderes deutlich: Rituale helfen beim Umgang mit den eigenen Gefühlen – geben mancher Fassungslosigkeit Fassung und dem Jubel einen Ausdruck, bilden die eigene Identität aus und stärken sie. Denn es gibt viele Zeiten auf unserer Lebensreise, wo die eigene Identität immer wieder gehörig wackelt: Wer bin ich eigentlich? Was tue ich hier? Was soll das Ganze?

In den letzten Jahrzehnten sind viele Äquivalente zu Taufe, zur kirchlichen Hochzeit und Bestattung entstanden. Zahlreiche Ritualdesigner:innen und Ritualbegleiter:innen haben den Markt dafür entdeckt. Bei der Namensweihe für kleine Kinder, der Jugendweihe oder der weltlichen Hochzeit und Bestattung bilden die kirchlichen Rituale immer noch so etwas wie eine Hintergrundfolie. Trotzdem zeigt diese Entwicklung, dass die Rituale der Kirche in der modernen Kultur mittlerweile zu einer Variante der Sinnsuche neben vielen anderen geworden sind. Eine Option, die man wählen kann, aber nicht mehr muss. Vielen erscheinen die Rastplätze und Herbergen der Kirche inzwischen ein wenig verstaubt. Oder sie trauen sich einfach nicht, sie zu betreten, um dort Pause zu machen. Ich durfte mich vor etwa zehn Jahren in meiner Doktorarbeit an der Uni in Halle länger damit beschäftigen, warum die Kirche mit ihren Ritualen für viele Menschen so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln geworden ist. Gewissermaßen war das so etwas wie ein allererster Initiationsmoment für dieses Buch hier. Weil in mir selbst auch so viele Ideen dazu sprudelten, zog es mich dann jedoch in die Praxis, wo ich mich ausprobieren und bewähren wollte. Neben der Arbeit in einer Kirchengemeinde baute ich das Innovationszentrum »Kirche im Dialog« in Hamburg auf. Mein erstes und wichtigstes Projekt war die Gründung einer Ritualagentur. Das Konzept dafür hatte ich schon in der Zeit an der Uni und in meiner Ausbildung zur Pastorin entwickelt und dann in Hamburg Verbündete dafür gesucht. Eines Tages traf ich mich mit einer Gruppe junger Pastor:innen, die selbst schon sehr viel über Kircheninnovation und eine andere Art der Zusammenarbeit nachgedacht hatten. Unter ihnen war Meike, die damals noch Gemeindepastorin in Hamburg und sofort Feuer und Flamme für die Idee einer Ritualagentur war. Gemeinsam haben wir die Gründung dann weiter vorangetrieben, haben Kompliz:innen gesucht, mit anderen gemeinsam das Team zusammengestellt und dann auch den Namen entwickelt: st. moment. In Hamburg gibt es also seit dem 1. Januar 2022 nicht mehr nur St. Pauli oder St. Georg, sondern auch st. moment. Wir sprechen das übrigens erst Deutsch und dann Englisch aus [sankt momnt]. Ziel dieses kleinen kirchlichen Start-ups ist es, dass wir als Kirche unkompliziert erreichbar sind, sichtbarer werden in unserer geistlichen Kreativität an ganz verschiedenen Herzensorten und wirklich vorbehaltlos auf Menschen zugehen, um sie in den heiligen Momenten ihres Lebens zu begleiten.

Zwischenzeitlich haben wir vor, neben und mit st. moment so viele Menschen in ganz besonderen Momenten auf ihrer Lebensreise begleiten dürfen, dass wir jetzt in diesem Buch davon erzählen wollen. Wir finden, dass Rituale in unserer modernen, unübersichtlichen und sich immer schneller drehenden Welt fast noch wichtiger sind als jemals zuvor. Und wir finden, dass jetzt die Zeit dafür gekommen ist, sie (wieder) zu entdecken, ihre verbindende Kraft zu spüren und sie vor allem so individuell zu gestalten wie nur möglich. Kirche verändert sich mit den Menschen, die sie gestalten – genau das erleben wir auch bei st. moment, und auch davon wollen wir hier erzählen.

Ihr findet in diesem Buch 19 Erzählungen, die so wahr sind wie das Abenteuer Leben selbst. Jede einzelne steht für sich und beleuchtet einen anderen heiligen Moment dieses Lebens, das sich aus vielen verschiedenen Facetten, Erfahrungen und Perspektiven zusammensetzt. An allen Erzählungen haben Meike und ich gemeinsam gearbeitet – und bereits diese kleine Auswahl verrät: Es gibt aus unserer Sicht sehr viel mehr heilige Momente als nur Taufe, Hochzeit und Bestattung! Wir können mit zeitgemäßen Ritualen genau denjenigen Momenten heilige Kraft verleihen, die uns prägen. Ob sie unter dem Kapitel »Aufbruch«, »Unterwegssein« oder »Abschied« stehen, ist manchmal nur eine Frage der Perspektive. Lass dich überraschen!

Und eines soll an dieser Stelle auch noch einmal eigens betont werden: Es gibt viel mehr offene und kreative Pastor:innen als das Team von st. moment. In unserem Schlusskapitel erzählen wir dir, wie du sie finden kannst, um dein Leben, deinen Moment zu feiern. Laut oder ganz leise. So wie es für dich passt.

Aufbruch, oder:

Die Sehnsucht nach einem guten Anfang

Emilia Handke

Momente des Aufbruchs gibt es immer wieder im Leben – die Geburt ist nur der allererste. Der Anfang eines jeden Aufbruchs gewissermaßen, weil sie der Aufbruch ins Leben überhaupt ist. Es folgen viele weitere: Kindergartenkind zu werden und dabei von der Eichhörnchen- in die Hasengruppe zu wechseln, mit einer bunten Schultüte in die Schule zu kommen, das erste Mal alleine mit dem Zug zu fahren oder irgendwo anders zu übernachten. Ein Umzug oder überhaupt der Auszug aus dem Elternhaus, der Einzug in die erste gemeinsame Wohnung oder ein neu gebautes Haus, eine neue Beziehung, ein anderer Job … Auf eigentümliche Weise mischt sich in jeden Aufbruch ein Abschied. Man verlässt alte Ufer, bevor man sich zu neuen aufmacht. Da ist irgendwie immer beides zugleich da: aufgeregte Freude über das, was am anderen Ufer auf einen wartet, und Traurigkeit über das, was man zurücklässt.  

Die Momente des Aufbruchs haben oft eine ganz besondere Energieladung: Da ist einerseits Mut, Abenteuerlust und eine kribbelige Aufregung. Aber auch eine riesige Portion Unsicherheit: »Wie wird es werden? Kann ich das überhaupt?« Oder eine Prise Verlustangst: »Warum gebe ich eigentlich all das auf, bin ich verrückt?« Im Aufbruch überwiegt jedoch eine starke innere, treibende Kraft, die sich von den Ängsten und Unsicherheiten nicht zurückhalten oder einschüchtern lässt. Nicht von ungefähr hat der Poet Hermann Hesse deswegen von einem »Zauber« gesprochen, der »jedem Anfang innewohnt« und uns davor beschützt, dass die Ängste zu groß werden und uns einfrieren, unser Leben zum Stillleben mutiert.

Wir alle sehnen uns nach guten Anfängen. Oder nach einem Anfang, in dem alles gut ist. Deswegen haben Menschen Rituale um diese Anfänge herum ersonnen. Im Kern sind diese Rituale religiös und bekennen: Wir wissen, dass wir bei unseren Anfängen im Leben nicht alles selbst in der Hand haben. Wir brauchen Schutz und Kraft von »anderwärts her«.

Ein Beispiel für die große Sehnsucht nach einem guten Anfang ist die Taufe eines Kindes. Man kann sich ja fragen, warum man überhaupt Kinder tauft. Die wissen doch noch gar nicht, was da mit ihnen geschieht. Die können doch noch gar nicht entscheiden, ob sie das überhaupt wollen: getauft werden ... Im Prinzip ist die Taufe also nicht nur ein Ritual für ein Kind, sondern vor allem ein Ritual für die Eltern. Hinter ihrem Wunsch stehen oft eine große staunende Dankbarkeit über das geschenkte Leben und der Wunsch, dass es gut werden möge mit diesem Kind – so gut wie nur irgend möglich. Und so gesehen ist die Kindertaufe dann eine ganz rationale Entscheidung, denn: Stell dir vor, du kämest mit deiner Geburt in eine Welt, in der Gutes und Böses, Leben und Tod, Schönheit und Schrecken nebeneinander existieren. Stell dir vor, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass es irgendwo in, mit und über dieser Welt so etwas wie einen Gott gibt. Was würdest du dann tun? Ich würde mich sicherheitshalber von Anfang an und gemeinsam mit anderen mit diesem Gott – der Kraft zum Guten, dem Überwinder des Todes, der Chance auf einen Neuanfang, dem Beistand in der Not – verbinden wollen. Das ist es, was die Taufe im Kern meint.

Es geht also um den Aufbruch mit der richtigen Kraft im Rücken. Der Kraft der Liebe, die diese Welt verändern kann. Das Neue Testament hat genau dieses Bild zum Leitbild für Gott gemacht: »Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.« (1. Johannes 4,16b) Die Taufe ist damit so etwas wie eine Liebeserklärung Gottes. Sie sagt einmal unmissverständlich vor der ganzen Welt: »Du bist mein geliebtes Kind – und ich liebe dein lautes Lachen genauso wie deine wilden Sommersprossen. Deine Unsicherheit, die dich so weich macht und so zugänglich für andere, genauso wie deine heilige Wut über jede Ungerechtigkeit.« Von Gott aus gilt die Liebe wahrscheinlich auch ohne die Taufe – aber wie bei jeder anderen Liebeserklärung auch macht es doch einen großen Unterschied, ob sie ausgesprochen und gehört wird oder eben nicht. Der Ort, wo sie dir zugesprochen wird, ist dabei eigentlich egal. Gottes Liebeserklärung kann an jedem Herzensort laut werden – keineswegs nur in kühlen Kirchen auf harten Bänken. Davon handelt Erzählung 1 »Taufe nicht nach Schema F«.

Diese Kraft der Liebe duldet keine Unterschiede: Mit der Taufe gehören alle Menschen zu einer Familie Gottes, egal welche Hautfarbe sie haben, wie viel Geld sie auf dem Konto ansammeln, wie intelligent sie sind oder welches Geschlecht sie haben. Das könnte man mit Fug und Recht als eine christliche Revolution bezeichnen. Eine Liebesrevolution aus Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. Es ist der Traum von einer anderen Weltordnung, die in der Taufe aufblitzt. Getaufte sind dann kleine Revolutionäre, die daran glauben, dass Grenzen überwindbar sind und dass Hoffnungslosigkeit und Zerstörung nicht das letzte Wort haben. Das klingt pathetisch – und das ist es auch. Als Kind weiß man das alles natürlich noch nicht. Die Eltern und vor allem die Pat:innen sollen einem von diesem revolutionären Gedanken Jesu erzählen und gleichzeitig die große Gottesfamilie im Kleinen spürbar machen: Du hast nicht nur Eltern und Großeltern, sondern auch andere Wahlverwandte über deine kleine Familie hinaus. Du bist nicht allein. Du hast Anknüpfungspunkte und Herbergen auf der ganzen Welt. In Chile genauso wie in Norwegen.

Daran zu glauben, diese Kraft der Taufe für den Aufbruch ins Leben mitzunehmen, um es zu gestalten, das alles spiegelt sich in diesem Ritual. Gleichzeitig liegt in ihm ein schmerzliches Wissen – denn mit dem Aufbruch in dieses Leben ist schon vorweggenommen, dass es irgendwann zu Ende gehen wird. Für jeden von uns. Das ist natürlich eine Zumutung, an die bei der Taufe noch niemand denken will. Und trotzdem finden Meike und ich es tröstlich, den ultimativsten aller Abschiede auch als Aufbruch zu sehen – anderswohin nämlich. Davon handelt Erzählung 2 »Ein ander’ Welt«. Und da ploppt das Thema »Glauben« in seiner ganzen Tiefe auf: Dass nach diesem Leben etwas auf uns wartet, das ist eine Aussage des Glaubens. Wissen tun wir darüber nichts. Wir haben lediglich Anhaltspunkte. Für Meike und mich ist Glauben genauso wichtig wie Wissen. Weil Glauben aus unserer Sicht helfen kann, die Reise des Lebens zu bewältigen. Und davon werden alle unsere Erzählungen immer wieder handeln.

Manche Menschen lassen sich auch taufen, wenn sie viel älter sind. Davon handelt unsere Geschichte »Taufe ohne viel Tamtam« in Erzählung 3. Und dabei kann man sehen, dass die Taufe im Grunde wie eine Art Kaleidoskop ist – je nachdem, aus welcher Perspektive man auf sie schaut, setzt sich die Bedeutung für jeden persönlich etwas anders zusammen. Es gibt nicht »die« Taufe, sondern was Taufe alles bedeuten kann, das erzählt sich sich durch einzelne Lebensgeschichten immer wieder neu. Für Erwachsene war sie seit der Zeit Jesu vor allem ein Neuanfang mitten im Leben – eine Art zweite Chance, um noch einmal etwas anders zu machen: sich mit anderen Menschen zu umgeben, sich auf einen anderen (Werte-)Boden zu stellen, mit alten Geschichten endlich abzuschließen – dabei spielt auch das Thema »Vergebung« eine große Rolle. Zum Beispiel bei Taufen im Gefängnis oder in der Zeit beim Militär. Auch dafür braucht es ein Ritual – sang- und klanglos kriegt man eine Wende im Leben selbst oft nicht hin.

Die Kraft der Liebe muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, ihr Raum geben. So ist es mit der Taufe auch. Die Taufe ist kein Hokuspokus. Sondern eine Liebeserklärung, die man sich immer wieder in Erinnerung rufen muss, damit man sie nicht wieder vergisst, damit sie sich ins eigene Herz einschreibt. Der Apostel Paulus hat sich das auch gesagt, immer wieder: »Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, […] nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft.« (Römer 8,38) Auch Martin Luther hat sich den Satz »Ich bin getauft« immer wieder auf einen kleinen Zettel geschrieben, manchmal sogar mit Kreide ganz groß auf den Tisch. Weil ihm das Kraft gegeben hat – gerade in seinen schwersten Stunden. Für ihn war das wie eine regelmäßige innere Meditation dieser Liebeserklärung Gottes. Sie gilt auch dann, wenn man selbst nicht mehr daran glaubt, und sie gilt bis »an der Welt Ende« (Matthäus 28,20).

Auch Schiffe werden unserem Sprachgebrauch nach »getauft«. Das ist dann weniger Gottes Liebeserklärung an das Schiff, als vielmehr eine menschliche Achtungs- und Liebeserklärung gegenüber der Arbeit, die in diesem Schiff steckt. Und für viele, die daran gearbeitet haben, ist es dann doch wie ein eigenes Baby. Davon handelt Erzählung 4 »Eine Handbreit Wasser unterm Kiel«. Das ist im Grunde ganz ähnlich wie bei einem neuen Haus: Wir sagen zwar nicht »Haustaufe«, sondern feiern »Richtfest«, aber im Grunde passiert Ähnliches. Wir tun uns zusammen und feiern den Moment des Aufbruchs. Davon berichten wir in Erzählung 5 »Alles auf Anfang«. Große Einweihungszeremonien, festliche Grundsteinlegungen, traditionelle Richtfeste, feierliche Inbetriebnahmen – es gibt viele solcher Rituale, die sich um bedeutende Gegenstände oder Gebäude drehen und die nicht wegzudenken sind aus unserer – wirtschaftlichen und auch politischen – Gesellschaft. Bei allen diesen Ritualen wird jedoch auch der religiöse Kern deutlich: Wir haben das Gelingen nicht allein in der Hand. Leben ist so komplex und von so vielen Faktoren abhängig. Wir können zwar unser Bestes geben, dazu beizutragen, dass etwas gut geht – aber wir können es nicht garantieren. Da tut jeder Schutz gut, den man kriegen kann. In diesem Zusammenhang ist es auch ziemlich interessant, dass Jesus und Paulus ausgerechnet Handwerker waren – Jesus übte, wie sein Vater Josef, den Beruf des Zimmermanns aus, und Paulus war Zeltstoffweber. Ihnen war der Zusammenhang zwischen dem eigenen Gelingen, der Dankbarkeit dafür und dem Schutz dieses Gelungenen besonders nah. Uns ist er an vielen Stellen verloren gegangen. Die alten Rituale erinnern uns daran, dass nichts selbstverständlich ist im Leben.

Die Sehnsucht nach einem guten Anfang begleitet uns in jeder Gemeinschaft – auch in der Familie. Auch dort braucht es so etwas wie ein »Onboarding«, wenn jemand neu dazukommt. Davon handelt Erzählung 6 »Tanz im Mobile«. In diesem Moment gerät das fein austarierte Mobile der Familie nämlich erst mal mächtig durcheinander. Um das Gleichgewicht wiederzufinden, können Rituale helfen. Weil sie einen davon entlasten, jeden Tag wieder mühsam eine neue Struktur herstellen, alles immer wieder neu erfinden zu müssen. Sie sind dann für alle Familienmitglieder so etwas wie kleine Inseln oder Raststätten im Chaos des Alltags, auf denen man sich ausruhen kann. Manchmal nur für ein paar Minuten. Aber die sind ziemlich kostbar. Das kann die Mittagspause sein oder die Teestunde, das Tischgebet, das Sandmännchen oder die Gute-Nacht-Geschichte. All diese Rituale strukturieren Zeit in kleine Abschnitte. Daran kann man sich festhalten, das gibt Orientierung. Und die brauchen wir auf der Reise des Lebens im Kleinen wie im Großen, für uns selbst genauso wie für unsere Gemeinschaft und unsere Gesellschaft. »Orientierung« ist übrigens auch wieder so ein christlich geprägtes Wort und meint ursprünglich die Ausrichtung nach Osten zum Sonnenaufgang – dem Symbol der Auferstehung – also der Himmelsrichtung, aus der Licht und Leben kommen.

Erzählung 1

Taufe nicht nach Schema F. Individualität trifft Ritual

Meike Barnahl

Vergangenen Herbst war ich mit einer großen Schar Freund:innen unterwegs auf Amrum. Wir wanderten am Strand gen Süden, die Sonne schien uns ins Gesicht, hin und wieder wehte der Wind norddeutsch, aber es war ein außergewöhnlich warmer Oktobertag. Unsere Gruppe bestand aus drei Generationen, die ganz Kleinen schliefen in der Trage vorm Bauch der Mütter oder Väter oder in der Karre, die etwas Älteren stapften mit ihren Füßen durch den Wellensaum, und einige der Erwachsenen zogen sich bald aus, um ein erfrischendes Bad in der herbstlich spritzigen Nordsee zu nehmen.

Inmitten dieser Unbeschwertheit, der allgemeinen Gelöstheit kam plötzlich der Gedanke auf, dass dies doch der perfekte Moment für die Taufe wäre. Denn eines der wenige Monate alten Babys war noch nicht getauft, die Überlegungen dazu standen aber im Raum. Die Website taufspruch.de funktioniert auch draußen am Strand. Ein Taufspruch war schnell gefunden. Was also hindert’s, hier zu taufen? In Wind und Wellen, am Wassersaum mit den Füßen im Sand! Dieser Ort war perfekt! Aber: Es fehlten wichtige Menschen, die bei diesem besonderen Moment einfach nicht fehlen durften. Trotz der Magie des Augenblicks haben wir den spontanen Taufgedanken dann doch nicht in die Tat umgesetzt.

Als mein Mann und ich vor gut zehn Jahren unsere beiden Kinder taufen ließen, haben wir nicht wirklich über den Ort oder die Form des Taufgottesdienstes nachgedacht. Für uns war klar, dass wir beide Taufen in unserer kleinen Dorfkirche auf dem Berg südlich von Hamburg feiern möchten. Ehrlich gesagt wäre ich damals auch überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass wir an einem anderen Ort außerhalb eines Kirchgebäudes taufen könnten. Taufe in der Kirche, das war einfach das Normale. Für mich jedenfalls.

Und für viele andere Menschen auch. Viele denken auch heute noch: Es geht gar nicht anders. Schließlich ist die Form, die wir landauf und landab in unseren Kirchen feiern, doch seit Jahrhunderten Tradition. Doch das stimmt so nicht. Auf der ganzen Welt gibt es unzählige Traditionen rund um die Taufe, und über die Jahrhunderte haben sich auch hierzulande verschiedene Formen entwickelt: Haustaufen und Taufen in der Kirche, Taufen von Erwachsenen und Babys, eigene Taufgottesdienste oder das Ritual als Teil des Sonntagsgottesdienstes, Taufen in der Osternacht oder beim Konfi-Camp im Ostseewasser.

Die Zeit ist vorbei, in der alles selbstverständlich ist: der Ort, die Art, wie das Fest aussehen soll und was alles dazugehört, die Musik und nicht zuletzt die Taufe überhaupt. Das bedauern manche Menschen. Denn das, was einfach gesetzt ist, entlastet ja auch. Gibt Sicherheit und Halt. Tradition eben, in die wir uns auch hineinfallen lassen können. An die wir uns anlehnen können und die uns manche Entscheidung abnimmt.