Deine innere Mutter - Nadiya Kroshka - E-Book

Deine innere Mutter E-Book

Nadiya Kroshka

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Beschreibung

Es ist nie zu spät für eine gute innere Mutter Kurzweilig: Psychologisches Wissen gemischt mit Patientengeschichten und Übungen Große Zielgruppe: Populäres Buch, das auch Therapeut:innen, Coaches und Berater:innen anspricht »Setz deine Mütze auf, mach deine Hausaufgaben, stell dich nicht so an, wie siehst du überhaupt aus, wieso bist du nur so, ein Mädchen tut sowas nicht, schlag dir das aus dem Kopf …!« All das und vieles mehr haben wir in unserer Kindheit von unseren Eltern gehört. Unabhängig davon, wo wir jetzt im Leben stehen, klingt die Stimme der Mutter immer in uns weiter. Bei manchen Menschen hilft und motiviert sie, doch häufiger bremst sie uns aus.  Kroshka beschreibt verschiedene Formen der inneren Mutter und ihre Auswirkungen auf unser Leben: Hatten Sie eine unzureichend fürsorgliche Mutter, eine kalte, ängstliche, nicht schützende oder ablehnende Mutter? Dann ist es Zeit, ihre Stimme zu transformieren – und zwar in eine Helfergestalt, die Ihnen immer zu Seite steht und an Sie glaubt. Die Ihre Flügel nicht mehr stutzt, sondern Ihnen Flügel verleiht! 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 341

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dies ist der Umschlag des Buches »Deine innere Mutter« von Nadiya Kroshka

Nadiya Kroshka

Deine innere Mutter

Wie du lernst, dir das zu geben, was du brauchst

Ein Buch über Selbstfürsorge und Nachbeelterung

Schattauer

Die digitalen Zusatzmaterialien finden Sie unter https://www.klett-cotta.de/kroshka-innere-mutter

Impressum

Besonderer Hinweis:

Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sollen psychotherapeutischen Rat und medizinische Behandlung nicht ersetzen. Die vorgestellten Informationen und Anleitungen sind sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen weitergegeben. Dennoch übernehmen Autorin und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die direkt oder indirekt aus der Anwendung oder Verwertung der Angaben in diesem Buch entstehen. Die Informationen sind für Interessierte zur persönlichen Weiterbildung gedacht.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH

Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart

Fragen zur Produktsicherheit: [email protected]

© 2025 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte inklusive der Nutzung des Werkes für Text und

Data Mining i. S. v. § 44b UrhG vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von istock/Liubov

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck

Lektorat: Miriam Seifert-Waibel, Hamburg

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40203-2

E-Book ISBN 978-3-608-12504-7

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20731-6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Einführung

Kapitel 1

Das Konzept der inneren Mutter

Wer ist die innere Mutter?

Klassifizierung der inneren Mütter

Die unterstützende/fürsorgliche Mutter

Die unzureichend fürsorgliche Mutter

Die kalte Mutter

Die ängstliche Mutter

Die nicht schützende Mutter

Die ablehnende Mutter

Objektbeziehungen und Bindung

Kapitel 2

Die innere Mutter verstehen und eine Beziehung zu ihr aufbauen

»Glaubst du etwa, für mich ist es einfach?«

Warum Sie immer nur andere retten und sich schlecht um sich selbst kümmern

»Du bist nicht wie wir!«

Wie Ablehnung und Kritik in der Kindheit Sie daran hindern, Sie selbst zu sein

»Wieso bist du nur so?«

Wie die Angst vor Verurteilung Ihren Selbstwert zerstört

»Wieso keine 1?«

Warum es Ihnen so schwerfällt, Ihre Erfolge wertzuschätzen

»Hast du zugenommen?«

Wie man lernt, sich selbst und seinen Körper zu mögen und wertzuschätzen

»Wenn du nicht fleißig bist, wird Mama sterben!«

Warum Sie sich immer noch für das Glück und Wohlbefinden Ihrer Eltern verantwortlich fühlen

»Du bist unfähig und dumm!«

Wie die Angst vor Fehlern Ihre Entwicklung behindert

»Gib niemals auf!«

Wie elterliche Projektionen Ihnen das Leben schwer machen können

»Tu, was ich dir sage!«

Wie transgenerationale Traumata Ihr Leben beeinflussen

»Was wäre, wenn …?«

Wie man sich von übertragenen Ängsten befreit

»Niemand wird dich jemals so lieben wie ich!«

Warum die Abnabelung von der elterlichen Abhängigkeit wichtig ist

»Das kannst du nicht machen. Du bist doch ein Mädchen!«

Wie man weniger angepasst und stattdessen glücklich wird

»Versuch es doch einfach!«

Wie der Selbstwert aufgebaut wird

»Ich war so einsam«

Wie sich das Fehlen von emotionalem Kontakt auf die Entwicklung der Persönlichkeit auswirkt

»Mal doch den Teufel nicht an die Wand!«

Warum Ängste hilfreich sein können

»Das bist du uns schuldig!«

Wenn sich Eltern aufopfern, die Kinder aber die Rechnung dafür bezahlen müssen

»Du bist selbst schuld!«

Wie sich die Gewalterfahrungen Ihrer Mutter auf Ihr eigenes Leben auswirken

»Das interessiert mich nicht!«

Warum Sie so große Angst davor haben, sichtbar zu sein

»Aber Sonja war besser!«

Wie Motivation über Vergleiche und widersprüchliches Verhalten Ihr Selbstbewusstsein zerstören

»Es ist mir egal, was ich dir gestern versprochen habe!«

Wie verdrängte Aggressionen Ihre Gesundheit bedrohen

»Ich glaube an dich!«

Wie die mütterliche Unterstützung Berge bewegen und Kraft in Ihnen freisetzen kann

»Ausruhen kannst du dich, wenn du tot bist!«

Warum Sie lernen sollten, Selbstmitgefühl zu entwickeln

»Stell dich nicht so an!«

Warum es wichtig ist, die eigenen Grenzen zu kennen

»Wenn ich du wäre, würde ich …«

Warum Sie sich über ungefragte Ratschläge ärgern, aber Angst vor eigenständigen Entscheidungen haben

»Du hast mein Leben ruiniert!«

Warum Sie die Last dieser Schuld in Ihrer persönlichen Entwicklung hemmt

»Die Klügere gibt nach!«

Warum Sie sich um andere kümmern und eigene Bedürfnisse vernachlässigen

»Lass mich das machen, du kannst das nicht!«

Woher Ihr Perfektionismus kommt

Kapitel 3

Was man von einer nicht perfekten Mutter lernen kann – Und wie eine Therapie bei der Neubewertung der Lebenserfahrungen hilft

Kapitel 4

Ein paar Worte zum Abschluss

Dank

Literatur

Leseempfehlungen

Für meine Mutter. Du hast mir Flügel gegeben und mich fliegen gelehrt.

Vorwort

»In der Psychoanalyse geht es immer um das Eine. Um die Mutter.«

Hanna Marx

Ich hätte nie erwartet, wie kontrovers und emotional das Thema der inneren Mutter aufgefasst würde. Mehrere Verlage lehnten dieses Buch ab – das Thema sei zu schwierig, sagten sie. Damals verstand ich das nicht. Erst als ich auf Instagram meine Leserschaft um Feedback zum Buchtitel bat, wurde mir klar, welche Emotionen ich damit auslöste. Ich hatte die Büchse der Pandora geöffnet.

Das Wort Mutter allein kann schon Wellen auslösen. Jeder Mensch hat eine – manche lieben sie, andere nicht. Einige sind selbst Mütter und wissen, wie fordernd diese Aufgabe ist und welchem gesellschaftlichen Druck sie unterliegt.

Wir können über Gender und Gleichberechtigung sprechen, doch eines bleibt: Die Mutterfigur spielt eine zentrale Rolle in unserem Leben – egal, ob sie liebevoll, schwierig, dominant, schwach oder gar nicht mehr ausgefüllt wird.

Gerade weil dieses Thema so tief berührt, musste ich dieses Buch schreiben. Dabei geht es nicht um Ihre reale Mutter. Es geht um die innere Stimme, die Art, wie Sie mit sich selbst sprechen – und darum, wie liebevoll Sie für sich da sein können.

Hat der Titel dieses Buches Ihre Neugier geweckt, Sie irritiert oder aufgeregt? Dann ist es Ihr Buch. Würde Sie das Thema Mutter nicht berühren, hätten Sie dieses Buch gar nicht wahrgenommen. Aber wenn Sie jetzt etwas spüren – sei es Interesse, Unbehagen oder Widerstand –, dann sagt Ihnen Ihre Psyche vielleicht, dass es hier etwas gibt, das Sie sich ansehen, das Sie entdecken sollten. Vertrauen Sie darauf. Ihre Psyche weiß oft mehr, als Sie denken.

Mütterlichkeit ist keine Frage des Geschlechts. Wie Helga Krüger-Kirn in ihrem Buch Mütterlichkeit braucht kein Geschlecht (2024) betont, ist sie eine Fähigkeit, die jedem Menschen offensteht – unabhängig von biologischer Mutterschaft. Dieses Buch ist für Sie, wenn Sie in Beziehungen leben, Kinder erziehen, mit Unsicherheiten und Selbstzweifeln zu kämpfen haben oder einfach mehr über sich selbst erfahren möchten.

Viele Menschen haben mir gesagt, dass das Konzept der inneren Mutter für sie eine wertvolle Stütze geworden ist. Ich wünsche Ihnen, dass es auch Ihnen hilft.

Nadiya Kroshka, Februar 2025

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Einführung

»›Wenn ich diesen Ring kaufe, wird mich meine Mutter umbringen!‹, dachte ich und spürte, wie es mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Ein klebriges Gefühl der Angst breitete sich in mir aus. Es war, als wäre ich wieder ein kleines Mädchen: Meine Mutter steht vor mir und will ein ernstes Gespräch mit mir führen. Ich habe Angst, dass sie mich nicht versteht, dass sie mich verurteilt und beschimpft. Und ich werde meine Entscheidung bereuen … das winzig kleine Ding zu kaufen, das ich so gerne haben wollte, das aber zu viel gekostet hat.

Ich lebe schon lange nicht mehr bei meiner Mutter, aber sie lebt in meinem Kopf. Ich höre ihre Stimme jedes Mal, wenn ich eine Entscheidung treffen muss: ob ich einen Ring kaufen, meinen Job kündigen, heiraten oder ein Kind bekommen soll. Ihre Meinung drängt sich in meine Gedanken und übertönt alle anderen Argumente dafür oder dagegen. Es ist, als wäre ihre Meinung die einzig richtige, als müsste ich nur auf sie hören und das tun, was sie für richtig hält. Sie begleitet mich bei all meinen inneren Gesprächen: meine Mutter.«

Diese Geschichte einer Patientin spiegelt beispielhaft wider, was vielen Menschen widerfährt, die zu mir in die Beratung kommen. Sie haben Ängste, Depressionen und Essstörungen, wobei sie anfangs gar nicht merken, dass ihr Hauptproblem in der Beziehung zu ihrer Mutter liegt …

Wie sollte diese Beziehung sein?

Idealerweise sollte eine Mutter freundlich, fürsorglich und liebevoll sein. Sie sollte zuhören, mitfühlen und unterstützen.

Aber nicht jeder Mensch hat so viel Glück: Manche Mutter entpuppt sich als kalt, ablehnend und vernachlässigend. Sie wertet ab und verurteilt fast jeden Schritt ihres Kindes, welches eigentlich genau das Gegenteil braucht. Und dann kommt es zu einem »Knacks« in seiner Psyche, der sich auf den Rest seines Lebens auswirkt. Das Bild der schimpfenden Mutter bleibt lange im Gedächtnis dieses Menschen und taucht immer dann auf, wenn eine Entscheidung ansteht. Ich bezeichne dieses Bild als »innere Mutter«. Es entsteht in der Interaktion mit der realen Mutter und wird durch die Art der Beziehung zu ihr geprägt.

Eine Mutter kann Ihnen zeigen, dass Sie Liebe und Fürsorge verdienen, oder sie kann Sie mit Verachtung strafen. Sie kann Sie die Konsequenzen Ihrer Fehler spüren lassen oder versuchen, alles für Sie und Ihr Wohlbefinden zu tun. Sie kann Sie zerschmettern oder trösten, beschützen oder bestrafen. Sie ist in der Lage, zu Heldentaten zu motivieren oder Ihnen die Flügel zu stutzen.

Ganz gleich, wie sich Ihre Mutter verhält – sie ist ein Teil Ihres psychologischen Systems. Deshalb konzentriere ich mich in der therapeutischen Arbeit mit meinen Patienten1 oft auf folgende wichtige Aufgabe: die gute innere Mutter zu stärken beziehungsweise großzuziehen.

Eine gute innere Mutter ist das Fundament, auf das Sie bauen können, wenn Sie etwas im Leben aus der Bahn wirft. Sie ist eine innere Stimme, die Sie unterstützen, leiten und, wenn nötig, kritisieren kann – ohne zu urteilen.

Die gute innere Mutter ist der Teil Ihrer Psyche, der immer an Ihrer Seite ist und Ihre Interessen vertritt. Sie können sie stets um Rat fragen, Probleme mit ihr teilen, sie um Unterstützung bitten. Die gute innere Mutter hat ein realistisches Bild von der Welt und von Ihnen, von Ihren Interaktionen mit anderen und mit dieser Welt. Sie trägt unendliche Weisheit in sich und hilft Ihnen auf Ihrem Weg.

Bevor wir tiefer einsteigen, möchte ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Nadiya Kroshka. Ich bin Psychologin und Psychoanalytikerin und habe seit 10 Jahren eine eigene Praxis. Meine Arbeit basiert auf fundiertem Wissen im Bereich der psychoanalytischen Theorie und klinischer Erfahrung, die ich im Laufe meiner Praxisjahre gesammelt habe. Meine Patienten sind Menschen mit verschiedenen psychischen Problemen, einschließlich Depressionen, Angststörungen, Panikattacken, Essstörungen und psychischen Traumata. Jeder hat sein eigenes Leiden und seine eigene Geschichte – aber alle, die zu mir kommen, haben zwei Dinge gemeinsam: Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen und mangelnde Selbstakzeptanz. Oftmals besteht sogar eine generelle Selbstablehnung. Sie leiden unter einer inneren Kritikerin und Perfektionismus, die sie daran hindern, ruhig zu leben und sich weiterzuentwickeln.

In diesem Buch erfahren Sie, wie frühere Erfahrungen mit Ihrer realen Mutter Ihr jetziges Leben beeinflussen. Sie werden Ihre innere Mutter verstehen und Ihre Beziehung zueinander kennenlernen. Sie werden deutlich sehen, welche Seiten an ihr gut entwickelt sind und welche noch entwickelt werden müssen. Sie werden erfahren, wie andere Menschen diese Aufgabe bewältigen. So können Sie von deren Erfahrungen profitieren, um Ihre Situation besser zu verstehen und zu lösen. Sie werden ein Gefühl dafür bekommen, was für Sie funktioniert und was nicht; was Sie für sich selbst wollen und was Sie lieber aufgeben würden.

Ziel ist, dass Sie sich in jeder Situation selbst unterstützen und verteidigen können. Sie werden in die Lage versetzt, in Konflikten für sich selbst einstehen zu können. Sie werden lernen, wie man Entscheidungen trifft. Sie werden zu einem mutigeren und selbstbewussteren Menschen.

Ihre Beziehungen zu anderen Menschen werden sich verändern: Sie werden sich freier und wohler mit ihnen fühlen. Ihre Welt wird in neuen Farben erstrahlen. Denn wenn man eine liebevolle Mutter an seiner Seite hat, muss man vor nichts Angst haben.

In diesem Buch zeige ich Ihnen, wie Sie das Bild einer freundlichen, guten inneren Mutter nutzen können: welche Worte sie sagen kann, welche Fragen Sie stellen können. Sie wird zu Ihrer persönlichen Mentorin, die immer für Sie da ist und sich stets für Sie einsetzt. Ich zeige Ihnen, wie Sie mit ihr interagieren könnten, um immer und überall die Unterstützung zu spüren, die Sie brauchen; um keine Angst vor neuen Situationen und Unternehmungen zu haben; um für sich selbst zu sorgen; um Beziehungen aufzubauen, ohne sich zu verraten; und um sich einfach als selbstbewusste, erwachsene Person zu fühlen.

Im nächsten Schritt werden wir die einzelnen Aspekte der inneren Mutter analysieren und transformieren. Sie werden sehen, wie diese Konzepte im realen Leben angewendet werden und welche praktischen Werkzeuge verwendet werden können, um den inneren Dialog zu verändern und gesunde psychologische Strategien zu entwickeln. Letztendlich werden Sie lernen, das Bild der guten inneren Mutter in Ihrem täglichen Leben zu nutzen. Sie wird Ihre persönliche Mentorin und Unterstützung in schwierigen Momenten. Sie werden erfahren, wie Sie mit ihr interagieren können, um in jeder Situation Vertrauen und Stabilität zu spüren, sich um sich selbst zu kümmern und gesunde Beziehungen aufzubauen, ohne sich in ihnen zu verlieren.

Der Prozess der Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsveränderung erinnert mich an ein 10 000-teiliges Puzzle des Kölner Doms: 5000 Teile zeigen den blauen Himmel, die anderen 5000 dunkle Teile des Doms. Am Anfang ist nichts klar und Frustration, Zweifel und Selbstkritik können auftreten. Aber, wie die russische Psychologin Maria Brazgovskaya in ihren Seminaren sagt: »Geben Sie der Zeit Zeit.« Setzen Sie das Bild in Ihrem eigenen Tempo zusammen: Zuerst werden einzelne Abschnitte sichtbar, und dann werden Sie plötzlich feststellen, dass jedes neue Stück Ihr Projekt erheblich ergänzt, ihm Klarheit, Struktur und Bewusstsein verleiht. Beeilen Sie sich nicht. Fordern Sie nicht alles auf einmal von sich selbst. Geben Sie sich die Möglichkeit, sich auf den Prozess einzustellen und das innere Bild umzustrukturieren. Erlauben Sie Ihrer Psyche, sich ohne Druck auf diesen Prozess einzulassen. Und dann, da bin ich sicher, wird Ihnen alles gelingen!

Kapitel 1

Das Konzept der inneren Mutter

Wer ist die innere Mutter?

»Es ist unmöglich, das Kind so zu erziehen, dass es seinem Therapeuten nichts zu erzählen hat.«

Unbekannt

Nur wenige Menschen können von sich behaupten, eine »perfekte« Mutter zu haben. Die meisten Mütter lieben ihre Kinder aufrichtig und versuchen ehrlich, sich nach besten Kräften um diese zu kümmern und ihnen alles zu geben, was sie brauchen. Aber viele Erwachsene, die zu mir in die Sprechstunde kommen, klagen über ihre Mütter: über ihre Kälte, Gleichgültigkeit, Strenge, Wut, Ablehnung, Manipulation. Sie klagen über Mütter, die nicht an sie glauben, die mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind oder bedingungslosen Gehorsam verlangen, auch wenn diese erwachsenen Kinder schon 30 oder sogar 50 Jahre alt sind. Hierzu zwei Beispiele:

»›Ernsthaft, du wechselst schon wieder den Job?‹, wird meine Mutter sagen, wenn ich ihr von dem neuen Job erzähle.« Im Bruchteil einer Sekunde wurde meine Klientin von einer blühenden, stolzen Geschäftsfrau zu einer grauen Maus. Allein der Gedanke an die Reaktion ihrer Mutter erschreckte sie.

Eine andere Patientin hatte beschlossen, zu heiraten – an sich ein freudiges Ereignis. Bei dem Gedanken an ihre Mutter bekam sie jedoch Bauchschmerzen: »Wie kannst du nur? Willst du mich allein lassen? Du verrätst mich!« Das war’s. An die Stelle von Freude und eigenem Glück traten Schuldgefühle.

Wessen Stimme erklingt in Ihnen, wenn Sie zweifeln? Wessen Stimme motiviert Sie? Wessen Worte begleiten Sie in Momenten, in denen Sie Angst haben oder Schmerz empfinden? Wie lauten diese Worte? In der Regel sind das die Stimmen Ihrer Eltern – insbesondere die Stimme Ihrer Mutter.

In meiner Arbeit stütze ich mich auf das Konzept der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT) von Luise Reddemann. Dieses Konzept basiert auf der Nutzung von Vorstellungskraft und inneren Bildern zur Bearbeitung emotionaler Probleme. Während der Therapie betrachten die Patienten ihre inneren Bilder, Emotionen und Erlebnisse mithilfe von Visualisierung und Imagination. Der Therapeut hilft ihnen, diese Bilder zu verstehen und zu interpretieren, was es ermöglicht, Konflikte und Traumata zu lösen sowie den Umgang mit Emotionen und Stress zu erlernen. Dieser Ansatz ist besonders hilfreich für diejenigen, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken, oder die es vorziehen, mit ihrer inneren Welt zu arbeiten.

Ich werde im Folgenden oft über die Stimme, das Bild und die einzelnen Teile Ihrer Persönlichkeit sprechen. Wenn Sie mit diesen Konzepten nicht vertraut sind, können sie Ihnen seltsam erscheinen. Manche Menschen fangen sogar an, sich Sorgen zu machen, ob sie etwa eine Psychose oder Schizophrenie haben, wenn sie die Stimme der inneren Mutter »hören«. Ich möchte Sie beruhigen: Sie haben keine Psychose. Wir Psychologen versuchen, wie Wissenschaftler in anderen Bereichen, Konzepte zu finden, um komplexe Prozesse zu erklären. Wir arbeiten hier eher mit Fantasie und Ideen, weil es so einfacher ist, sich vorzustellen, was in Ihrem Bewusstsein vor sich geht und was manchmal sehr schwer in Worte zu fassen ist.

Vielleicht haben Sie schon einmal vom Konzept des sogenannten »inneren Kindes« gehört. Es ist das Abbild dessen, wie Sie in Ihrer Kindheit waren. Es setzt sich ebenfalls aus verschiedenen Situationen und Interaktionen mit anderen Menschen zusammen. Das innere Kind denkt und fühlt, weint und freut sich, leidet unter Einsamkeit und möchte spielen. Manchmal kann man mit ihm in Kontakt treten. Lebt in Ihnen wirklich ein anderes Kind? Nein. Aber dank der Fantasie können wir uns der vergangenen Erfahrung annähern, mit diesem Teil Ihrer Persönlichkeit in Kontakt treten, ihn trösten und für ihn sorgen. Letztendlich kümmern Sie sich um sich selbst, und das ist einfacher, wenn Sie eine Vorstellung davon haben, was in Ihnen vor sich geht.

Ebenso ist es mit der inneren Mutter. Wenn ich sage, dass Sie mit ihr in Kontakt treten sollten, um Probleme zu besprechen, um Hilfe oder Trost zu erbitten, um mit ihr Tee zu trinken (siehe Übung S. 44), dann meine ich imaginäre Handlungen. Stellen Sie sich vor, dass Sie diese Handlungen ausführen, als würden Sie sich tatsächlich mit ihr treffen und mit ihr sprechen. Sie können Kontakt mit Ihrer inneren Mutter aufnehmen, über Ihre Probleme, Wünsche und Bedürfnisse sprechen, hören, was sie Ihnen antwortet, Ihre Reaktion fühlen und sie verstehen. Ich weiß, dass das womöglich seltsam klingt, aber Sie werden überrascht sein, wie real dieser Dialog sein kann. Immerhin glauben Sie auch Ihren inneren Kritikern, obwohl sie ebenfalls Introjekte sind, die in Wirklichkeit nicht existieren. Und doch hören Sie sie und spüren ihren Einfluss.

In diesem Buch werde ich beschreiben, wie es dazu kam, dass die innere Stimme Ihrer Mutter in Ihnen lebt; was zu tun ist, wenn Sie Konflikte mit ihr haben; und wie Sie eine gute Beziehung zu ihr aufbauen können, damit sie für Sie arbeitet.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, das durch die Gesellschaft geformt wird. Ein Neugeborenes ist wie ein unbeschriebenes Blatt: Es hat keine Vorstellung von der Welt, von Beziehungen, vom Gewissen. Im Gegenteil: Ein Säugling ist das egozentrischste Lebewesen der Welt. Er ist mit sich selbst und der Befriedigung seiner Bedürfnisse beschäftigt. Er macht sich lautstark bemerkbar, scheucht seine Eltern, wenn sie zu langsam sind, schreit und weint, bis er bekommt, was er braucht.

Die wichtigste Person im Leben eines Kindes ist seine Mutter oder jemand, der ihre Aufgaben erfüllt. Es ist die Mutter, die dem Kind Wissen über die Welt weitergibt, wie diese organisiert ist. Sie vermittelt ihm, ob es in dieser Welt willkommen, akzeptiert ist; und wie es mit ihr umgehen soll. Im ersten Lebensjahr ist die Mutter die Welt des Kindes. Und je nachdem, wie sich eine Mutter gegenüber ihrem Kind verhält, entwickelt das Kind ein Bild von der Welt um sich und von sich selbst.

Wenn die Mutter wütend auf das Kind ist, seine Bedürfnisse zurückweist, es demütigt und schlägt, beginnt das Kind allmählich zu glauben, seine Welt sei feindselig und es selbst sei eines anderen Umgangs nicht würdig. Es fühlt sich wie eine Last, glaubt, dass es falsch denkt oder fühlt; und wenn es beleidigt wird, meint es, das verdient zu haben. Wenn die Mutter sich hingegen liebevoll um das Kind kümmert, mit ihm spielt, mit ihm spricht, in ihrer Emotionalität verfügbar ist, entsteht im Kind der Eindruck, ein gutes, liebenswertes Wesen zu sein. Es braucht nur um etwas zu bitten und es wird ihm gegeben. Es spürt Halt und Unterstützung, hat Vertrauen in sich und seine Umwelt, kann sich durchsetzen und fürchtet keine Kritik.

Eine meiner Patientinnen fühlte sich ständig von ihrer Mutter kontrolliert. Diese wollte stets wissen, wo ihre Tochter ist und was sie tut; und sie äußerte immer ihre Meinung, ob ihre Tochter sie hören wollte oder nicht. Diese Mutter war eindeutig davon überzeugt, dass ihre Tochter ohne sie verloren wäre, weil sie ihrer Meinung nach vom Leben überhaupt nichts verstand. »Du stellst etwas an – und wer badet das alles hinterher aus?« – »Hör auf deine Mutter und du wirst glücklich sein!« – »Ich bin älter und weiß es besser!« – »Was für ein Quatsch!« … Die Liste der Ermahnungen, Wertungen und scheinbar fürsorglichen Anweisungen ließe sich endlos fortsetzen.

Der Wunsch, die Tochter vor Problemen und Schwierigkeiten zu schützen, führte schließlich dazu, dass diese genau so wurde, wie ihre Mutter es prophezeit hatte: unsicher, still, schüchtern. Es fiel ihr schwer, eine eigene Meinung zu haben, und noch schwerer, sie zu verteidigen. Sie hatte große Angst vor Urteilen und Konflikten und war sehr beunruhigt, wenn etwas nicht harmonisch verlief. Sie war ein braves Mädchen, gehorchte ihrer Mutter und hatte große Angst vor dem Leben.

Kinder spüren die Abhängigkeit von ihren Eltern sehr deutlich. Sie wissen intuitiv, dass sie nicht überleben werden, wenn ihre Eltern sich nicht um sie kümmern. Durch den Kontakt mit den Eltern begreift das Kind sehr früh, was in deren Augen »gut« und was »schlecht« ist; und wie sich sein Verhalten auf die Beziehung zu ihnen und sein eigenes Wohlbefinden auswirken wird.

Vielen Müttern fällt es schwer, mit ihren Gefühlen umzugehen, wenn das Kind nicht gehorcht. Sie ziehen sich möglicherweise beleidigt aus dem Kontakt zurück, schweigen einen Tag, sogar eine oder zwei Wochen lang und verurteilen das Kind so zur Angst vor dem psychischen Tod. Das klingt bedrohlich, weil es genau das ist. Ein Kind, das den Kontakt zur Mutter verliert, fürchtet den Verlust des Kontakts zum Leben. Die Mutter ist jene Person, die sein physisches und psychisches Überleben sichert. Die Mutter hilft ihm, sich selbst kennenzulernen.

Psychoanalytiker wie Melanie Klein und Donald Winnicott beschreiben in ihrer Theorie der Objektbeziehungen den Prozess der Selbstentwicklung und der Beziehungen eines Menschen durch den Kontakt mit primären Objekten – also jenen Menschen, die sich um das Kind in seiner frühen Kindheit kümmern. Nur im Kontakt mit der Mutter lernt das Kind, wer es ist. Indem sie auf es reagiert, gibt sie ihm ein Feedback. Das Kind spiegelt sich in ihr und kann nur so ein Gefühl des Selbst entwickeln. Wenn die Mutter jedoch den Kontakt unterbricht, verliert das Kind sein »Spiegelbild«, das es so dringend für sein Selbstverständnis braucht. Da sein Selbstbild in der Psyche noch nicht gefestigt ist, bedeutet der Verlust dieser Spiegelung die Bedrohung des Verlusts seiner selbst.

Warum handelt eine Mutter so? Wahrscheinlich, weil sie selbst nicht gelernt hat, ihre eigenen und die Emotionen anderer zu bewältigen. Möglicherweise haben ihre Eltern auch nicht mit ihr gesprochen, wenn sie sich nicht so verhalten hat, wie sie es wollten, wenn sie Emotionen gezeigt oder geweint hat. Möglicherweise wurde sie bestraft. Möglicherweise wurden ihre Emotionen abgelehnt und entwertet als Jammern: »Du Heulsuse …« usw. Die Mutter hat in dem Fall ein Verbot von Emotionen erlebt und keine Unterstützung erhalten bei der Entwicklung von Toleranz und der Fähigkeit, mit emotionaler Belastung umzugehen.

Viele von Ihnen haben gehört – oder selbst erlebt –, dass Kinder früher mit Ohrfeigen oder dem Gürtel bestraft beziehungsweise mit anderen aus heutiger Sicht schrecklichen Methoden erzogen wurden. Derartige Erziehungsmethoden schienen noch vor nicht allzu langer Zeit »normal«.2 Wird ein Kind von den Eltern bestraft, weil diese mit seinen Handlungen oder Emotionen nicht zurechtkommen, so fühlt dieses Kind Schuld. Infolgedessen versucht es, seine Emotionen zu unterdrücken, um die Beziehung zu den Eltern zu erhalten. Diese eigentümliche Form der Selbstbeschränkung hilft ihm, sein Leben zu kontrollieren und Sicherheit zu gewährleisten. Und Gehorsam wird belohnt.

Leider wiederholen solche Menschen diese Erfahrungen oft im Zuge ihrer eigenen Elternschaft. Sie haben nicht gelernt, mit Frustration, Ohnmacht und Wut umzugehen, fühlen sich häufig schuldig für ihre Emotionen und versuchen, wie in ihrer Kindheit damit umzugehen: Sie schweigen. Was ihnen damals im Umgang mit ihren Eltern geholfen hat, kann sich in der Beziehung zu ihren eigenen Kindern als fatal erweisen, selbst wenn die Mutter versucht, es so vor ihrem Ärger zu schützen.

In der ehemaligen DDR und Sowjetunion wurden Kinder sehr früh von ihren Eltern getrennt. Sie wurden schon im Alter von wenigen Wochen in die Krippe gegeben und kamen teilweise nur am Wochenende zu ihren Eltern. Die psychologische und emotionale Entwicklung des Kindes spielte dabei keine Rolle. Die Eltern gaben ihr Bestes, mussten aber arbeiten und irgendwie überleben. Damals wusste man auch nicht viel über die emotionalen Bedürfnisse der Kinder oder dachte nicht allzu viel darüber nach. Es war wichtiger, sie zu »kommunistischen Bürgern« mit allem, was dazugehört, zu erziehen, anstatt sie zu zarten und verwöhnten Kindern zu machen. Das Zeigen von Zuneigung und Emotionen wurde abgelehnt. War ein Kind empfindsam, so musste die Mutter oft Vorwürfe und Anklagen über ihre schlechte Erziehung über sich ergehen lassen und wurden aufgefordert, strenger zu sein, das Kind nicht zu verwöhnen. Sowohl die Kinder als auch die Eltern litten unter dieser Strenge. Aber sie schienen keine andere Wahl zu haben.

Wenngleich die erzieherischen Maßnahmen in der BRD der Nachkriegsjahre von dieser Linie abwichen und eine Betreuung in Krippen und Kindergärten dort unüblich war, war auch hier die Erziehung von einer gewissen Härte geprägt. »Auch wenn die in den späten 1950er und 1960er Jahren geborenen Kinder materiell gut versorgt waren und von den realen Schrecken des Krieges verschont blieben, wurden viele von ihnen durch die unverarbeiteten Kriegstraumata ihrer Eltern geprägt. Das Erleben von Zerstörung, Verlust, Schuld und seelischer Entwurzelung hatte diese nachhaltig geprägt. Die eigenen traumatischen Erfahrungen machten es oftmals schwer, dem Bedürfnis der Kinder nach Liebe und Anerkennung nachzukommen. Die Kriegserlebnisse hatten bereits die Beziehung zu den Eltern belastet, das setzte sich oftmals mit den eigenen Kindern fort. […] Unauffälligkeit, Bescheidenheit und die frag- und klaglose Einordnung in die bestehenden Verhältnisse waren einige der Leitgebote der Erziehung in den 1950er, aber auch noch in den 1960er Jahren.« Aufgebrochen wurde dieses System in den 1970er Jahren mit dem Konzept der antiautoritären Erziehung (Keunecke 2022).

In den letzten 50 Jahren hat sich die Situation schrittweise geändert, aber die Muster leben vielfach noch fort. Moderne Mütter, die selbst nicht genug Liebe und Wärme erfahren haben, versuchen zwar, diese ihren Kindern zu geben, aber sie leiden unter den Folgen ihrer eigenen Erziehung; darunter, dass es in ihrer eigenen Kindheit emotional kalt war.

Je jünger ein Mensch ist, desto beängstigender und gefährlicher ist für ihn der Konflikt mit den Eltern. Deshalb saugt das Kind die elterlichen Normen wie ein Schwamm in sich auf. In seinem psychologischen System entsteht ein Introjekt, das heißt ein inneres Bild der Eltern. Und dieses Bild lenkt später das Denken und Verhalten des Kindes – auch noch als Erwachsener.

Das mütterliche Introjekt, die innere Mutter, kontrolliert das Kind, weil es genau weiß, was die reale Mutter will und wie das Kind sich ihre Gunst verdienen kann, wie es Konflikte vermeiden und schließlich überleben kann.

Die innere Mutter ist ein unbewusster Teil Ihrer Psyche, aber sie hat das Sagen. Sie kümmert sich um Ihr Überleben, auch wenn Sie bereits erwachsen sind. Dabei nutzt sie das Wissen, das sie in Ihrer jüngsten Kindheit erworben hat. Die innere Mutter realisiert oft nicht, dass Sie mittlerweile erwachsen sind und sich die Zeiten geändert haben. Und so wie die reale Mutter manchmal Ihr Alter ignoriert und Sie immer noch daran erinnert, eine Mütze aufzusetzen, so geizt auch Ihre innere Mutter nicht mit Ratschlägen und Kritik, um Sie zu »schützen« oder zu »motivieren«.

Viele Erwachsene haben Angst, ihre Meinung zu sagen, ihre Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis zu äußern. Sie versuchen, die Kommunikation mit ihren Vorgesetzten zu vermeiden. Und wenn sie ihre Meinung sagen möchten, dann spüren sie oftmals eine geradezu körperliche Hemmung: Sie haben einen Kloß im Hals, bekommen keine Luft oder ihre Stimme versagt. Sobald sie den Wunsch verspüren, für ihre Interessen einzutreten, macht sich ihre innere Mutter bemerkbar: »Du darfst dich nicht mit den Älteren/Vorgesetzten anlegen. Du darfst sie nicht kritisieren. Das wird schlimme Folgen für dich haben. Du wirst bestraft werden. Es ist besser, zu schweigen.« Und so werden ihre Gefühle ins Nirwana geschickt. Sie halten ihren Mund und müssen die Situation weiter ertragen, weil sie nicht die Kraft und Ressourcen haben, etwas zu verändern. Sie versuchen es nicht einmal, schließlich wird es sonst nur noch schlimmer werden, hat ihre innere Mutter prophezeit. Und es wird tatsächlich schlimmer. Denn wenn sie eine unerträgliche Situation nicht verändern, zwingen sie sich, dauerhaft unter unangenehmen Bedingungen zu leben. Sie geben sich selbst hinderliche Botschaften: dass sie nichts Besseres verdient haben und erwarten dürfen; und dass – egal, wie sehr sie sich bemühen – alles so bleiben wird, wie es ist.

Der US-amerikanische Psychologe Martin Seligman (1979) nennt diesen Zustand »erlernte Hilflosigkeit«: Sie glauben nicht daran, dass Sie etwas verändern können, und versuchen es folglich erst gar nicht. Und warum ist das so? Weil die Stimme Ihrer inneren Mutter Ihnen immer noch beteuert, dass sie Sie angeblich vor Problemen schützt. In Wirklichkeit treibt sie Sie aber in Unzufriedenheit, Depressionen und Neurosen.

Viele Traumata werden unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben, und oft bestimmen überholte Vorstellungen die Interaktionen zwischen Eltern und Kindern. Eltern, die blind den Anweisungen der »Älteren« folgen, sehen oft die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht. Und wenn ein Kind plötzlich beginnt, Ansprüche zu stellen, wird es ermahnt, beschämt und zurückgewiesen. Ja, eine Mutter kann eine gute Tochter für ihre eigene Mutter sein, weil sie auf sie hört – aber sie wird dadurch womöglich zu einer unzureichend fürsorglichen Mutter für ihr eigenes Kind.

Wie oft verlangt Ihre innere Mutter von Ihnen, dass Sie überholte Prinzipien erfüllen sollen? Sie sollen keine Miniröcke tragen, nicht zu lange ausgehen, ein gutes Mädchen sein. Sie sollen sparen, nicht weinen, denn »das tun Jungs nicht«, die Mutter stolz machen wollen. Sie sollen Ihrer Mutter und anderen Menschen helfen, und das um jeden Preis.

Viele Mütter zeigen ihre Liebe, indem sie mahnen: »Setz deine Mütze auf!« – »Kein Sex vor der Ehe!« – »Du darfst keine Schande über die Familie bringen!« – »Wie du wieder aussiehst!« … Tatsächlich versuchten sie, ihre Kinder auf die ihnen zur Verfügung stehende Weise zu schützen. Indem die Mutter aber absoluten Gehorsam fordert, kann sie die Entwicklung der Autonomie des Kindes beeinträchtigen.

Wenn eine Mutter herrisch oder ängstlich ist, versucht sie, ihr Kind einzuschränken und zu sichern. Und dabei verweigert sie oftmals die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren. Hat sie ihre Kindheit in der schwierigen Nachkriegszeit verbracht, so wurde ihr wahrscheinlich nicht beigebracht, wie man sich einfühlsam und fürsorglich verhält. Sie selbst fühlte sich damals ängstlich und einsam. Sie will es besser machen und versucht nun auf jede erdenkliche Weise, ihr Kind zu schützen – ohne seine Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen. Und so schränkt sie möglicherweise die Autonomie ihres Kindes ein, indem sie es mit übermäßiger Fürsorge umgibt und kontrolliert.

Wir können unsere Vergangenheit nicht ändern, wir können unsere Mutter nicht ändern. Aber wir können mit Introjekten arbeiten, sie korrigieren, umgestalten, an unsere erwachsene Lebensweise, Bedürfnisse und Wünsche anpassen. Wir können lernen, uns selbst zu kümmern; uns selbst zu respektieren; uns anzunehmen; Unterstützung zu suchen, wenn wir sie brauchen; uns selbst zu beruhigen; Entscheidungen zu treffen und unsere neue Realität zu gestalten.

Wir sind frei, uns eine gute innere Mutter zu erschaffen.

Dieses Buch ist eine Art Weiterbildungskurs für Ihre innere Mutter. Sie werden die verschiedenen Charakterzüge Ihrer Introjekte kennenlernen, ihre Stärken sehen und ihre Wachstums- und Entwicklungspotenziale erkennen. Ich zeige Ihnen, wie Sie einen Dialog mit Ihrer inneren Mutter aufbauen und ihren »Arbeitsvertrag« ändern können. In gewisser Weise ist dies ein Buch über das innere Erwachsenwerden, über das Ändern der eigenen Einstellung und das Loslösen von veralteten Modellen und Vorstellungen.

Im Folgenden werde ich Ihnen zunächst meine Klassifizierung der inneren Mütter und ihre Wachstumspotenziale vorstellen. Ich möchte nicht über ihre Nachteile sprechen, denn das könnte Sie auch verletzen. Also spreche ich von Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten.

In einigen Kategorien und Beschreibungen werden Sie sich selbst wiedererkennen, in anderen werden Sie Ihre Freunde und Familie sehen. Lesen Sie die Beispiele, schauen Sie, was Sie wiedererkennen, testen Sie die Situationen aus und achten Sie dabei auf Ihre Bedürfnisse. Nehmen Sie die bereits bestehenden Qualitäten Ihrer inneren Mutter wahr und entwickeln Sie die, die Sie noch brauchen, weiter.

Ich möchte Ihnen helfen, Ihre gute innere Mutter zu pflegen, und zu diesem Zweck werde ich manchmal die Führung übernehmen und Ihnen zeigen, wie Sie mit ihr in Kontakt treten, eine Beziehung zu ihr aufbauen können. Wenn Sie feststellen, dass es Ihnen schwerfällt, mit Ihrem bestehenden Introjekt zu verhandeln, können Sie sich eine neue innere Mutter erschaffen – so, wie Sie sie gerade jetzt brauchen.

Die Arbeit am Bild der inneren Mutter gleicht einem Puzzle, das aus Ihren Wünschen und Bedürfnissen, vorhandenen persönlichen Eigenschaften und Wachstumsbereichen besteht. Am Ende werden Sie diese innere Unterstützung bekommen, diese innere Stimme entwickelt haben, die immer bei Ihnen ist, Ihnen hilft, Sie tröstet, führt und beschützt. Sie werden Ihre Grenzen stärken und eine Freiheit spüren, die Sie noch nie zuvor gekannt haben.

Klassifizierung der inneren Mütter

Die Klassifizierung der inneren Mütter basiert auf den Eigenschaften und Verhaltensmustern realer Mütter, die die Grundlage für die Bildung unserer Introjekte sind. Zuerst werde ich Ihnen jeweils eine Beschreibung einer typischen Mutter geben und dann zeigen, wie das entsprechende Introjekt aussehen kann, wie es sich auf Emotionen, Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.

Das Bewusstsein für unsere innere Mutter ist der erste Schritt zur Veränderung. Wenn wir ihre Stimme in uns hören, können wir uns fragen: Sind ihre Worte wirklich wahr? Wir können herausfinden, wie Emotionen und Reaktionen mit bestimmten Typen innerer Mütter verbunden sind. Und wir können Wege finden, uns in diesen Momenten Verständnis und Unterstützung zu geben. Auf diese Weise können das Bewusstsein für und die Arbeit mit Introjekten zu mächtigen Werkzeugen zur Selbsterkenntnis und persönlichen Entwicklung werden. Das hilft uns, eine fürsorglichere und unterstützende Beziehung zu uns selbst und den Menschen um uns herum aufzubauen.

Bitte betrachten Sie die folgende Klassifizierung als eine Orientierungshilfe. Menschen sind verschieden und kaum jemand ist immer gleich und passt in ein Raster. Es ist durchaus möglich, dass Ihre Mutter unterschiedliche Aspekte in sich trägt. Schauen Sie, was zu Ihren Erfahrungen passt. Und denken Sie dran: Das hier ist keine schulische Überprüfung, sondern eine Erkundungs- und Transformationsreise. Genauso wenig ist es unser Ziel, Ihre reale Mutter an den Pranger zu stellen. Wir wollen lediglich verstehen, was diese innere Stimme ausmacht, die Sie immer wieder in Ihrem Kopf hören. Treibt sie Sie an, ist sie lieb, fördernd, ermutigend?

Manche Aspekte werden Ihnen sehr bekannt vorkommen, andere Erfahrungen haben Sie vielleicht subtil oder unterschwellig gemacht. So muss eine ängstliche Mutter nicht unbedingt jedes Mal in Ohnmacht fallen, aber ihre Anspannung und Sorge werden atmosphärisch spürbar sein. Und wenn man nicht darüber spricht, kann das Kind die so entstehende Irritationen nicht direkt »verstoffwechseln«, sondern bleibt womöglich in einer leisen Irritation stecken.

Die unterstützende/fürsorgliche Mutter

Eine unterstützende Mutter ist das perfekte innere Objekt. Sie bietet eine großartige Lebensgrundlage. Sie versucht, Sie zu verstehen, Ihre Bedürfnisse und Wünsche, Ziele und Träume zu erkennen. Sie hilft Ihnen dabei, diese zu verwirklichen. Für sie spielt es keine Rolle, ob Sie Astronaut, Zirkusartistin, Arzt oder Tierpflegerin in Afrika werden wollen – sie will, dass Sie glücklich sind. Deshalb sorgt sie dafür, dass Sie die Erfahrungen machen, die Sie brauchen; und dass Sie die Eigenschaften entwickeln, die Sie zu Ihrem Ziel führen. Vielleicht teilt sie Ihre Wünsche nicht, aber sie ist in der Lage, sich emotional von Ihnen zu distanzieren und Ihnen Ihr Recht zu lassen, ein eigenes Leben zu leben. Sie mag Ihre Bemühungen kritisieren, aber sie tut es nicht, um Sie aufzuhalten oder zu entmutigen, sondern um Ihnen zu helfen, die Situation zu erkennen, die Einzelheiten zu durchdenken und einen besseren oder sichereren Weg zum Ziel zu finden. Sie können immer zu ihr kommen, wenn Sie in Schwierigkeiten sind – auch wenn Sie erwachsen sind, selbst um 3 Uhr morgens. Sie kocht Ihnen Tee, bringt Sie ins Bett, wäscht Ihnen morgens gründlich den Kopf, und dann krempelt sie die Ärmel hoch und schmiedet mit Ihnen Pläne zur Eroberung der Welt.

Introjekt der unterstützenden/fürsorglichen inneren Mutter und seine Auswirkungen

Beschreibung des Introjekts: Ihre innere Mutter verkörpert alle positiven Eigenschaften einer realen Mutter und zeichnet sich aus durch bedingungslose Unterstützung und Fürsorge.

Verhaltensreaktionen: Sie fühlen sich selbstsicher und unterstützt, was es Ihnen ermöglicht, Entscheidungen zu treffen und auf der Grundlage Ihrer eigenen Wünsche und Träume zu handeln.

Emotionale Konsequenzen: Ihre Emotionen sind höchstwahrscheinlich mit einem Gefühl von Selbstvertrauen, Komfort und Unterstützung verbunden, auch in schwierigen Momenten.

Auswirkungen auf Persönlichkeitseigenschaften: Ihre innere Mutter trägt zur Entwicklung von Selbstachtung, Selbstgenügsamkeit sowie der Fähigkeit zur Selbstentwicklung und Selbstverwirklichung bei.

Die unzureichend fürsorgliche Mutter

Die unzureichend fürsorgliche Mutter hat keine Vorstellung davon, wie man sich um eine andere Person kümmert, und weiß nicht, wie sie mit ihrem Kind umgehen soll. Sie ist in der Lage, Sie zu ernähren, zu kleiden, zur Schule oder zur Arbeit zu bringen und Geld zu verdienen. Aber oft erfüllt sie ihre Pflichten, ohne auf Ihre tatsächlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu achten.

Die unzureichend fürsorgliche Mutter erkennt Ihre Grenzen nicht, sie achtet nicht auf die Menge Ihrer verfügbaren Energie. Sie ist nicht unbedingt kalt und desinteressiert, es ist ihr nicht egal, wie es Ihnen geht. Sie hat nur begrenzte Ressourcen und ein eingeschränktes Repertoire an Pflege- und Unterstützungsfähigkeiten. Vielleicht hat sie einfach nicht die Energie dazu. Eine Mutter, die erschöpft ist, kann ihrem Kind nicht die Kraft und Fürsorge geben, die es braucht, weil sie sie nicht hat. Sie bietet das Minimum an Interaktion an, ohne tiefen emotionalen Kontakt.

Introjekt der unzureichend fürsorglichen Mutter und seine Auswirkungen

Beschreibung des Introjekts: Die unzureichend fürsorgliche innere Mutter kümmert sich auf grundlegender Ebene um Sie, ohne auf Ihre Grenzen und emotionalen Bedürfnisse zu achten.

Verhaltensreaktionen: Oft fühlen Sie sich müde und ausgebrannt, da Sie nicht genug Fürsorge und Unterstützung erhalten. Dies kann sich in Konflikten mit anderen und Perfektionismus in Beziehungen äußern.

Emotionale Konsequenzen: Sie könnten Enttäuschung und Unzufriedenheit darüber empfinden, dass es Ihnen an der Aufmerksamkeit und Fürsorge vonseiten anderer mangelt.

Auswirkungen auf Persönlichkeitseigenschaften: Es könnte schwierig für Sie sein, gesunde Grenzen in Beziehungen zu setzen und die Fürsorge einzufordern, die Ihnen fehlt. Es fällt Ihnen möglicherweise auch schwer, anderen zu vertrauen, da Ihre innere Mutter vielleicht Ängste vor Ablehnung oder mangelnder Aufmerksamkeit schürt.

Die kalte Mutter

»Jammer nicht« – »Weichei« – »Du bist doch ein Junge, stell dich nicht so an« – »Idiot«: Das und vieles mehr bekommen Kinder von kalten Müttern oft zu hören. Und als Erwachsene reden sie immer noch so mit sich selbst.

Eine kalte Mutter ist eine Phantom-Mutter. Sie scheint da zu sein, aber emotional ist sie es nicht. Sie kann auf physiologischer Ebene fürsorglich sein: füttern, Wasser geben, Schulgeld zahlen, ganz allgemein tun, was man braucht. Aber gefühlsmäßig spürt man sie nicht. Sie tröstet nicht, wenn Sie weinen, und wenn sie es doch tut, ist es irgendwie mechanisch; oder sie weist Sie zurück und fordert Sie auf, nicht zu stören. Sie fühlen sich immer auf Distanz zu ihr, oftmals allein auf der Welt, auch wenn Sie in Wirklichkeit von anderen Menschen umgeben sind.

Sie hatten also eine schwierige Beziehung zu Ihrer richtigen Mutter. Zwar ließ sie die Nähe zu, doch Sie empfanden sich als schwierig und unerwünscht. Als Sie vom Fahrrad gefallen sind, hat sie Ihnen mechanisch den Kopf gestreichelt und ein Pflaster auf Ihr kaputtes Knie geklebt – aber sie hat Sie nicht angesehen, angelächelt, in den Arm genommen, sie hat kein Mitgefühl gezeigt. Und Sie hatten das Gefühl, dass etwas nicht stimmt.

Sie scheint eine gute Mutter zu sein, und doch ist sie kalt. Aber warum ist sie so? Vielleicht weiß sie wirklich nicht, was sie tun soll, weil sie selbst keine Wärme erfahren hat. Vielleicht hat sie Depressionen oder eine Menge existenzielle Probleme. Vielleicht hat sie Angst vor einer Bindung, weil sie bereits ein Kind verloren hat – sie hat Angst, Ihnen nahe zu kommen und Sie auch zu verlieren … Es gibt eine Menge Gründe. Das Resultat ist dasselbe: Letztendlich erschien Ihnen Ihre Mutter kalt und unnahbar. Sie fühlten sich ungeliebt und unzureichend. Sie waren einsam und sind es heute immer noch.

Introjekt der kalten Mutter und seine Auswirkungen

Beschreibung des Introjekts: Die kalte innere Mutter spiegelt das Bild einer Mutter wider, die mechanisch die Pflichten der Kinderbetreuung erfüllt, ohne emotionales Engagement oder Unterstützung. Sie scheint Ihnen zu verbieten, Ihre Emotionen und Bedürfnisse auszudrücken.

Verhaltensreaktionen: