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Jason Thomas hat schon immer davon geträumt, zu beweisen, dass Geister real sind. Bereits als Kind war er besessen von Spukorten und im Laufe der Zeit wurde seine Leidenschaft immer größer. Er schleppte seinen besten Freund Wade in verschiedene Spukhäuser und Hotels, immer in der Hoffnung, einen echten Geist zu sehen. Wade Rivers hat es immer geliebt, Zeit mit Jason zu verbringen, auch wenn das bedeutete, dass er einen gruseligen Ort nach dem anderen ertragen musste. Und ehe er sichs versah, entwickelten sich Wades Gefühle für Jason von einer Freundschaft zu etwas mehr. Leider wuchs auch seine Angst vor den Orten, die Jason erkunden wollte. Die Chance, ein Wochenende allein in einem berühmten Spukhaus zu verbringen, ist für Jason die Erfüllung eines Traums, während es für Wade eher ein Albtraum ist. Er weiß, dass Jason fasziniert von dem verlassenen Haus ist und so versucht er, seine Ängste zu verdrängen. Doch als merkwürdige Dinge passieren, ist das Eingeständnis seiner Gefühle für Jason plötzlich nicht mehr das Beängstigendste, was Wade passieren kann. Ein paranormaler, romantischer friends-to-lovers Thriller.
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Seitenzahl: 312
Veröffentlichungsjahr: 2025
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BL Maxwell
Aus dem Englischen von Cleo Göttert
© dead soft verlag, Mettingen 2023
http://www.deadsoft.de
© the author
Titel der Originalausgabe: Ghost Hunted
Übersetzung: Cleo Göttert
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte: © ysbrandcosijn – stock.adobe.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-656-2
Jason Thomas hat schon immer davon geträumt, zu beweisen, dass Geister real sind. Bereits als Kind war er besessen von Spukorten und im Laufe der Zeit wurde seine Leidenschaft immer größer. Er schleppte seinen besten Freund Wade in verschiedene Spukhäuser und Hotels, immer in der Hoffnung, einen echten Geist zu sehen.
Wade Rivers hat es immer geliebt, Zeit mit Jason zu verbringen, auch wenn das bedeutete, dass er einen gruseligen Ort nach dem anderen ertragen musste. Und ehe er sichs versah, entwickelten sich Wades Gefühle für Jason von einer Freundschaft zu etwas mehr. Leider wuchs auch seine Angst vor den Orten, die Jason erkunden wollte.
Die Chance, ein Wochenende allein in einem berühmten Spukhaus zu verbringen, ist für Jason die Erfüllung eines Traums, während es für Wade eher ein Albtraum ist. Er weiß, dass Jason fasziniert von dem verlassenen Haus ist und so versucht er, seine Ängste zu verdrängen. Doch als merkwürdige Dinge passieren, ist das Eingeständnis seiner Gefühle für Jason plötzlich nicht mehr das Beängstigendste, was Wade passieren kann.
»Bist du bereit?« Ich versuchte, so zu tun, als wäre es ein ganz normaler Abend und als würden wir uns nicht darauf vorbereiten, in ein Haus zu gehen, das als das schlimmste Spukhaus in Sacramento galt. Aber tief im Inneren machte ich mir fast in die Hose. Ich versuchte, so zu tun, als ob ich mich darauf freute und keine Angst vor diesem Ausflug hätte. Warum hatte ich mich überhaupt von Jason überreden lassen, mitzukommen?
Eigentlich wusste ich, warum, denn er war einer meiner besten Freunde und ich war schon seit Jahren in ihn verknallt. Er wusste davon, tat es aber ab wie einen Scherz. Obwohl ich ihn manchmal dabei ertappte, wie er mich ansah, als ob er an mir mehr als nur als Freund interessiert wäre. Aber ich hatte wirklich Gefühle für ihn. Und offenbar waren sie stark genug, um ihn bei einem weiteren seiner verrückten Pläne zu begleiten, von denen er eine Million hatte.
»Ja. Ich kann es kaum erwarten! Ich hoffe, wir sehen etwas, oder es passiert etwas wirklich Seltsames.« Er vibrierte förmlich vor Aufregung bei dem Gedanken, in das Haus zu gehen. »Komm schon, Wade, beeil dich. Los jetzt.« Er zerzauste mir im Vorbeigehen das Haar, und ich gab ihm einen kräftigen Schubs.
»Du Idiot. Benimm dich besser, wenn wir dort sind, oder ich bin raus.«
Er richtete sich zu seiner vollen Größe von eins sechsundsiebzig auf und rückte seine Giants-Mütze über seinem kurzen, kurz geschnittenen Haar zurecht. »Oh, ich werde mich benehmen. Und du siehst zu, dass du nicht gleich zur Tür hinausrennst, sobald wir etwas sehen.«
Wir schnappten uns die Seesäcke, die wir für unseren Wochenendausflug nach Coloma, einer kleinen Stadt aus der Zeit des Goldrausches in den Ausläufern Nordkaliforniens in der Nähe von Placerville, mitgenommen hatten. Schon vor Jahren hatten wir Geschichten über das Vineyard House und die frühere Besitzerin Louise Chalmers gehört, die dort angeblich spuken sollte.
Es stand seit etwa zwanzig Jahren leer und zerfiel zusehends. Aber zu unserem Glück kannte Jason jemanden, der jemanden kannte, der die jetzigen Besitzer kannte, die bereit waren, uns für ein Wochenende dort wohnen zu lassen. Die einzige Bedingung war, dass wir nicht bekannt geben würden, ob wir tatsächlich eine paranormale Erfahrung gemacht hatten. Das war für mich in Ordnung, denn ich hatte wirklich nicht mehr erwartet als einen Haufen Spinnweben und jede Menge Staub.
»Hast du unsere Ausrüstung dabei?«, fragte Jason.
»Ja, ich habe dein Spielzeug mitgenommen.« Wir hatten alle möglichen Geräte, die uns Beweise liefern sollten, falls wir tatsächlich einen Geist sehen würden. Es gab Nachtsichtbrillen und -kameras, ein digitales Diktiergerät, einen Detektor für elektromagnetische Felder, ein K2-Messgerät und einige Taschenlampen und Ersatzbatterien.
Jasons Besessenheit vom Paranormalen war nicht neu; sie hatte begonnen, nachdem er eine Folge von Ripley’s Believe It or Not über Spukhäuser gesehen hatte. Er war sofort Feuer und Flamme gewesen. Anfangs hatte er nicht realisiert, dass es so viele Spukhäuser gab, und wollte nun alles darüber erfahren. Er lieh sich immer wieder Bücher in der Bibliothek aus und zwang mich, sie mit ihm zu lesen. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, Zeit mit ihm zu verbringen, aber einige der Geschichten, die er erzählte, waren wirklich erschreckend und bereiteten mir viele schlaflose Nächte. Als wir älter wurden, sah er sich alle Geisterjagdsendungen im Fernsehen an, was dazu führte, dass er sich für den Fall der Fälle eine Geisterjagdausrüstung zulegte.
Dieser Ausflug war nur einer von vielen, die wir unternommen hatten. Als wir Teenager waren, hatte er darauf bestanden, das Winchester Mystery House zu besuchen. Ich musste zugeben, dass es ziemlich cool und riesig war! Es gab so viel zu sehen, dass es fast schon zu viel war. Aber nicht für Jason. Er hatte nur eines im Sinn: einen Geist zu sehen. Außerdem hatte er die brillante Idee, sich von der Führung abzusetzen und auf eigene Faust auf Entdeckungstour zu gehen. Das einzige Problem war, dass wir keine Ahnung hatten, wo wir waren. Das Haus war so verwinkelt und hatte so viele Türen, hinter denen sich nur Mauern befanden, dass wir uns in kürzester Zeit verlaufen hatten. Nach etwa drei Stunden schrien wir schließlich um Hilfe und hofften, dass uns jemand hörte.
Ein Wachmann fand uns schließlich und führte uns hinaus. Er teilte uns auch mit, dass wir nie wieder dort hinkommen sollten. Das war einer der peinlichsten Momente unserer Amateur-Geisterjäger-Abenteuer. Die Erinnerung daran ließ mich noch einmal nach dieser Vereinbarung fragen.
»Bist du sicher, dass es in Ordnung ist, wenn wir zum Vineyard House fahren und dort das Wochenende verbringen? Ich will nicht noch so eine Situation wie …«, fragte ich zum hundertsten Mal.
»Papperlapapp.« Er hielt sich die Ohren zu und tat so, als könnte er mich nicht hören. »Ich habe dir gesagt, dass du das nie wieder erwähnen sollst. Du weißt, dass es mein liebstes Spukhaus war, in das ich immer gehen wollte. Jetzt können wir wegen diesem Mist nie wieder hin.«
»Und wessen Schuld war das?«, murmelte ich.
Er verdrehte die Augen und stieß einen übertriebenen Atemzug aus. »Ich habe dir gesagt, dass ich einen Kontakt habe. Ich habe dir von dem Mädchen erzählt, das ich vor ein paar Wochen in der Bar getroffen habe und das gesagt hat, sie kennt die Besitzer. Sie hat mir ihre Nummer gegeben, und ich habe sie angerufen. Es ist ihnen egal, ob wir dorthin gehen, solange wir keine Live-Videos oder andere Dinge machen, die noch mehr Neugierige anlocken. Außerdem musste ich eine Haftungsfreistellungsvereinbarung unterschreiben, damit wir sie nicht verklagen können, falls wir uns verletzen. Das Haus ist ein Schrotthaufen, aber noch keine totale Ruine. Sie wollen nicht, dass wir es noch schlimmer machen.«
»Okay, wenn du dir so sicher bist. Ich will nicht, dass sie die Bullen schicken und sich plötzlich nicht mehr daran erinnern, uns die Erlaubnis gegeben zu haben. Wir können es uns nicht leisten, noch einmal für einen deiner schiefgelaufenen Pläne verhaftet zu werden.«
»Wade, es ist nicht meine Schuld, dass bei unserem Aufenthalt im Cary House keiner der anderen Gäste zu wissen schien, dass sie in einem Spukhotel übernachten.«
»Ja, du hättest dich ruhig verhalten können und nicht mit deinem EMF-Detektor herumlaufen müssen, um alle in Angst und Schrecken zu versetzen, dass es ein Gasleck geben könnte.« Darüber wurde er wütend. Er hatte niemanden erschrecken wollen; er hatte sich einfach in die Suche nach Geistern vertieft und dabei vergessen, dabei cool zu bleiben.
»Die Polizisten in Placerville waren überhaupt nicht amüsiert. Aber sie hätten uns nicht wirklich verhaften und über Nacht im Gefängnis lassen müssen. Das war ätzend.« Er war plötzlich tief in Gedanken versunken, vielleicht erinnerte er sich an die beschissene Nacht, die wir gehabt hatten, und an den ebenso beschissenen Morgen.
»Vielleicht hat es damit zu tun, dass zwei Männer Ende zwanzig das Hotel völlig verwüstet haben. Die Leute mögen es nicht, wenn man sie mitten in der Nacht aufweckt und fragt, ob sie etwas Verdächtiges gesehen haben. Als wir Kinder waren, war es einfacher, mit diesem Mist durchzukommen. Die Leute dachten einfach, wir wären seltsame Kinder; süße, seltsame Kinder.«
Jason dachte eine Sekunde lang darüber nach. »Du weißt, dass du recht hast, und das nächste Mal, wenn wir dortbleiben, werde ich deinem Beispiel folgen.«
Ich sah ihn mit offenem Mund an. »Ist dir klar, dass wir dort auch ungebeten sind?«
»Ja, ja.« Er murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte.
»Was? Ich habe den letzten Teil nicht verstanden.« Ich wusste, was es war, ohne dass er es aussprechen musste, und natürlich hatte ich wieder einmal recht.
»Ich sagte, dass sie irgendwann vergessen werden, wie wir aussehen, und wir werden zurückkehren.« Er blähte seine Brust auf und versuchte, ein wenig selbstbewusster zu wirken, als er wahrscheinlich war. Aber der Effekt machte ihn verdammt niedlich.
Mir wurde klar, dass er höchstwahrscheinlich schon unsere Rückkehr dorthin plante, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Er war wirklich hinreißend – vor allem, wenn er aufgeregt war – mit seinem glatten braunen Haar, das an den Seiten kurz geschnitten und oben länger war, und seinen Augen, die immer voller Schalk waren. Wir waren von ähnlicher Statur, aber mein Haar war heller, und wenn ich es länger ließ, kräuselte es sich. Man hatte mir gesagt, dass es genau zu meinen Augen passte, die mir im Vergleich zu dem leuchtenden Grün von Jasons langweilig vorkamen.
»Warum lächelst du so?«
Ich wischte mir das Lächeln aus dem Gesicht. »Nichts. Ich habe nur über etwas nachgedacht, das ich vorhin im Fernsehen gesehen habe. Bist du bereit?«
Er warf mir einen langen, strengen Blick zu, bevor er anfing, die Vorräte zu packen, die wir in Erwartung unseres Wochenendaufenthalts in dem verlassenen Haus gekauft hatten.
Ich versuchte, meine Gefühle für mich zu behalten. Ich wusste, dass Jason nicht an mir interessiert war, aber so aufgeputscht war er unwiderstehlich. Das machte es schwer für mich, nicht zu reagieren.
»Ich hoffe, das ist kein Fehler, Kumpel. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in einem verlassenen Hotel schlafen möchte.« Darauf freute ich mich überhaupt nicht. Hoffentlich würden wir uns nicht den Arsch abfrieren, verhungern oder von einem Gespenst oder sonstigem Getier angegriffen.
»Mach dir keine Sorgen. Ich habe Schlafsäcke und Matten eingepackt. Ich glaube, es gibt dort noch ein paar Betten, aber die wären über zwanzig Jahre alt, und ich dachte nicht, dass wir uns wirklich darauf verlassen sollten.«
Diese Idee gefiel mir überhaupt nicht. Wer wusste schon, was in diesen Betten lebte. Wahrscheinlich ein oder zwei Ratten oder andere Kreaturen, die ihren Schlafplatz nicht teilen wollten. Ja, das würde ein weiteres aufregendes Abenteuer werden. Eines, von dem ich hoffte, dass wir es nicht bereuen würden.
Die Fahrt nach Coloma war schön, aber ereignislos. Es war Anfang November und die Bäume färbten sich bereits, aber tagsüber war es noch nicht sehr kalt. Nachts war das ganz anders. Wir konnten die Nacht nicht ohne jede Menge warmer Kleidung und die Schlafsäcke im Haus verbringen. Wir hatten auch genug Essen für eine Woche eingepackt, aber so wie wir aßen, brauchten wir es. Wir waren in unseren Zwanzigern, aßen aber immer noch wie Teenager.
»Weißt du, wo du hinwillst?«, fragte ich Jason. Er benutzte sein Handy für das GPS, schien aber ein wenig verwirrt zu sein.
»Ich habe die Adresse, aber ich war noch nie dort. Sie sagte, ich solle auf ein Schild auf der rechten Seite der Straße achten und auf ein Tor, das die Straße versperrt.«
Gerade als er es sagte, fuhren wir um eine Kurve und da war es. Er hielt vor dem Tor, das mit einer Kette und einem Schloss verschlossen war.
»Bitte sag mir, dass du einen Schlüssel hast.«
»Natürlich habe ich einen. Nun, eigentlich habe ich keinen. Es ist nicht wirklich verschlossen. Sie haben nur das Tor aufgestellt und eine Kette und ein Schloss daran befestigt, damit die Leute nicht mehr die Straße zum Haus hinunterfahren.«
Er stieg aus dem Auto aus, drückte auf das Tor, das sich mit etwas Mühe öffnete, trabte zurück zum Auto und sprang hinein.
»Siehst du? Kinderleicht.«
»Klugscheißer. Sei nicht so überheblich. Ich habe mehr als genug Grund, an dir zu zweifeln.« Ich lächelte ihn liebevoll an. Auch wenn er mich immer in Schwierigkeiten zu bringen schien, war er immer noch mein Freund. Daran würde sich nichts ändern. Und die Tatsache, dass ich mir ständig mehr wünschte, spielte keine Rolle. Irgendwann würde ich darüber hinwegkommen, das sagte ich mir zumindest.
Wir fuhren langsam eine Straße hinunter, die jetzt mit Unkraut überwuchert und mit Ästen von den umliegenden Bäumen bedeckt war. Als das Haus in Sichtweite kam, war es viel größer, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir konnten die Seite des Hauses mit sechs Fenstern auf jeder Etage und weiteren Fenstern in einem separaten Bereich auf der Rückseite des Hauses deutlich erkennen.
Das Haus war von Weinstöcken überwuchert. Sie wuchsen an der Veranda hoch, bedeckten sie und reichten bis zum Dach. Was wir von dem Haus sehen konnten, hatte abblätternde Farbe und lose Bretter und Verkleidungen. Es war schwer zu sagen, in welcher Farbe es gestrichen worden war, da so wenig davon übrig war. Es war ein Haus im viktorianischen Stil, und ich wusste, dass es dreistöckig mit Keller und Dachboden war, da Jason schon seit Jahren davon sprach. Allein der Gedanke daran, was im Keller passiert war, machte mir eine Gänsehaut.
Das war für mich der schlimmste Teil. Die meisten Aktivitäten konzentrierten sich auf den Keller, wo der ursprüngliche Besitzer von seiner Frau angekettet worden und schließlich verhungert war. Nicht, dass sie ihm nichts zu essen gegeben hätte. Er war verrückt und hatte geglaubt, sie wollte ihn vergiften, also weigerte er sich, zu essen.
An einem guten Tag war ich kein Fan von Kellern. Nun, an jedem Tag. Aber zu wissen, dass er dort unten gestorben war und Berichten zufolge mit Menschen interagiert hatte, machte mir wirklich Angst. Einige Leute sagten, er sei irgendwie verspielt gewesen, hätte ein Glas auf der Theke bewegt oder ihnen Luft in den Nacken geblasen. Manche berichteten aber auch von viel Schlimmerem. Ich wollte das alles nicht erleben.
Um ehrlich zu sein, war ich ganz froh, dass wir noch nicht mit einem Geist in Kontakt getreten waren. Aber Jason konnte es kaum erwarten, tatsächlich mit einem zusammenzutreffen, das war schon immer sein ultimatives Ziel gewesen. Einen Geist tatsächlich zu sehen oder zu sehen, wie er etwas bewegte. Etwas zu erleben, das ihm zweifelsfrei bewies, dass Geister tatsächlich real waren.
Er war schon immer so fasziniert. Schon als wir klein waren, hatte er Geistergeschichten gelesen, während alle anderen Kinder mit Comics beschäftigt waren. Es war unser Ritual, jede Folge von Ripley’s Believe It or Not gemeinsam anzusehen. Wir haben nie eine Folge verpasst. Dort hatten wir zum ersten Mal von The Vineyard House erfahren, und nun waren wir hier und bereit, es aus erster Hand und allein zu erleben. Als die Sendung hier gedreht worden war, war das Vineyard House geöffnet gewesen, aber jetzt war es geschlossen, und das schon seit mehr als zwanzig Jahren. Und das sah man.
Jason hielt vor dem Haus. Wir reckten beide unsere Hälse nach vorne und starrten auf das riesige alte Gebäude, das vor uns stand. Es war wirklich imposant und ganz und gar nicht einladend.
Jason war wie hypnotisiert. Er nahm das Haus in Augenschein, als würde er zum ersten Mal einen Weihnachtsbaum sehen. Als ob es Antworten auf alle Fragen enthielt, von denen er nie gewusst hatte, dass er sie stellen wollte. Langsam schaute er zu mir hinüber und ein Ausdruck der Ehrfurcht huschte über sein Gesicht, er konnte wirklich nicht glauben, dass wir hier waren. Er schüttelte den Kopf, öffnete die Autotür und stieg aus.
»Bist du bereit dafür?«, fragte ich ihn.
»Machst du Witze? Ich kann es kaum erwarten, da reinzukommen. Komm schon, lass uns gehen.«
Er joggte zum hinteren Teil des Wagens und fing an, unsere Sachen zu holen. Ich folgte ihm und trug, was ich konnte. Wir würden eine weitere Runde machen müssen; es war unmöglich, alles auf einmal hineinzutragen.
Schwer beladen stiegen wir die Stufen zum Vordereingang hinauf. Er war so sehr von Ranken überwuchert, dass es keine leichte Aufgabe war, vor allem mit unseren vollen Armen. Als wir an der Tür ankamen, stellte Jason alles ab und begann, an den Türrahmen nach etwas zu suchen; ich war mir nicht ganz sicher, was.
»Suchst du einen Schlüssel?«
»Ja. Der Besitzer hat gesagt, er sei auf dem Sims über der Tür, aber ich spüre ihn nicht. Sie sind größer. Kannst du mal nachsehen?«
»Sicher.« Ich stellte alles ab, fuhr mit den Fingern darüber und fühlte … nichts. »Autsch!«
»Was ist passiert?«, fragte Jason.
»Ich bin mir nicht sicher.« An der Spitze meines Zeigefingers befand sich ein Blutfleck. »Es muss ein Nagel gewesen sein, der rausguckt.« Vielleicht ist es eine Warnung, dachte ich abwesend.
Jason sah nicht sehr überzeugt aus. »Bist du sicher? Ich habe nichts Scharfes gespürt.«
»Das muss so sein. Lass mich noch einmal nachsehen, ob ich den Schlüssel diesmal finde.« Als ich diesmal meine Hand dort hinlegte, fühlte ich ein dünnes Metallstück und zog es nach unten, wo ich es sehen konnte.
»Hier, bitte.« Ich lächelte und reichte Jason den Schlüssel.
»Danke, Wade. Bist du sicher, dass du nicht verletzt bist?«
»Ich bin sicher, es ist nur eine Fleischwunde.« Ich steckte meinen Finger in den Mund und lutschte die Spitze sauber. Jason stand mit dem Schlüssel da, bereit, ihn ins Schloss zu stecken, und starrte mich mit einem seltsamen Ausdruck an. »Was?«, fragte ich ihn.
Das schien ihn in die Realität zurückzubringen. Er räusperte sich und steckte den Schlüssel in das Schloss. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich geschworen, dass er mich mit Interesse ansah, aber das konnte nicht sein.
»Nichts, gar nichts. Mal sehen, ob der Schlüssel wirklich funktioniert oder ob wir draußen zelten.«
»Ich zelte nicht … ich sage es nur.«
Er drehte den Schlüssel und mit etwas Mühe sprang die Tür auf. Ein Schwall abgestandener Luft wehte heraus, als die Tür endlich offen war. Der Geruch war so schlimm, dass ich mir nicht vorstellen wollte, was es sein könnte. Vielleicht war in einem der Kühlschränke in der Küche etwas Essen liegen geblieben. Oder vielleicht war vor Kurzem ein kleines Tier hier drin gestorben. Was auch immer es war, es roch nach Verwesung. Es roch nach Fäulnis und nach Dingen, die mir keine Lust auf ein Wochenende hier machten.
Jason steckte seinen Kopf herein. »Okay, es ist alles klar. Komm schon, lass uns gehen.« Er stand da, als ob er darauf warten würde, dass ich zuerst ging, aber das würde auf keinen Fall passieren. Das war seine Show. Wenn er hierbleiben wollte, würde ich mitmachen, aber ich würde auf keinen Fall als Erster durch diese Tür gehen. Wenn uns etwas in die Quere käme, würde ich wie verrückt zurück nach Placerville rennen. Ich hatte wirklich kein persönliches Interesse daran zu sehen, was genau in dem Haus war.
Das war das Einzige, bei dem ich Jason gegenüber nie ehrlich gewesen war: Geister machten mir verdammt viel Angst. Die Vorstellung, dass etwas da sein könnte, das man nicht sehen konnte, das einen aber berühren oder sich an einem zu schaffen machen könnte, machte mir eine Scheißangst. Während er sie faszinierend fand, wäre ich froh gewesen, nicht mehr über Geister zu erfahren, als ich jetzt wusste. Ich war sogar froh, dass wir nicht zurück zum Winchester Mystery House gehen konnten. Dieser Ort war verdammt gruselig, aber er hatte nichts mit dem Vineyard House gemein.
»Hey, sieh dir das an. Es ist, als hätten sie alles hiergelassen.« Ich folgte ihm und prallte ihm in den Rücken, als er stehen blieb, um sich den vorderen Raum anzusehen. »Das sieht aus, als hätte man hier eingecheckt. Lassen wir unsere Sachen hier und schauen, wo wir schlafen sollen.«
Ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Nachdem wir die Einfahrt hinuntergefahren waren, hatten wir keine Möglichkeit, einen Anruf zu tätigen. Jason schien das alles nicht zu stören.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir wirklich hier sind. Lass uns erst oben nachsehen.«
Wenn ich zwischen dem Keller und dem Obergeschoss wählen müsste, würde ich mich jedes Mal für das Obergeschoss entscheiden. Wir gingen weiter in das Haus hinein und stiegen die Treppe hinauf, die in den zweiten Stock führte. Am oberen Ende befand sich ein langer Flur mit sechs Türen auf jeder Seite und einer am Ende. Wir öffneten ein paar, aber die Innenräume sahen alle ziemlich gleich aus. Schlafzimmer mit Betten, die bis auf eine Matratze und ein Gestell zerlegt worden waren. In den meisten Räumen gab es keine anderen Möbel, nur einige hatten eine Kommode oder einen Nachttisch.
Als wir am Ende des Flurs ankamen, öffneten wir die Tür. Dieses Zimmer war anders. Es war vollständig dekoriert. Schwere viktorianische Vorhänge hingen an den Fenstern, ein großes Himmelbett stand in der Mitte des Raumes, und ein Kamin nahm fast eine ganze Wand ein. Es wäre das perfekte Zimmer gewesen, um die Nacht mit einem besonderen Menschen zu einem unvergesslichen Anlass zu verbringen. Es wäre sehr romantisch, wenn es nicht mit Spinnweben und einer dicken Staubschicht bedeckt gewesen wäre. Ich war schockiert, dass so viel davon in seinem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben war. Es war alles sehr seltsam.
»Das war ihr Zimmer«, sagte Jason, während er den Raum betrachtete.
»Der Eigentümer?«
»Ja, der Chalmers. Alle nachfolgenden Besitzer haben diesen Raum intakt gelassen. Die letzten haben es als kleines Museum genutzt.«
»Moment, so war es also, als sie noch gelebt haben?«
»So steht es in allem, was ich über das Haus gelesen habe.«
»Aber warum sollten sie das tun? Sie sind ja nicht gerade berühmt.«
»Niemand schien zu wissen, warum. Louise hat es allen erzählt, die hier gearbeitet haben, und diese haben es den nächsten Besitzern so weitergegeben. Das ging so weiter, bis die letzten keine Lust mehr hatten, das Hotel zu führen und gleichzeitig zu versuchen, die Gäste davon abzuhalten, mitten in der Nacht zu gehen.«
Plötzlich spürte ich, wie die Temperatur im Raum sank, und auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut. »Spürst du das auch?« Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
»Ja.« Jason schaute sich noch einmal im Raum um.
»Keines der Fenster ist offen, aber ich könnte schwören, dass es hier drinnen zieht.« Ich konnte den Schauer nicht unterdrücken, der wieder einmal meinen Körper durchlief.
Er stieß einen zittrigen Atem aus. »Lass uns den Rest des Stockwerks ansehen und überlegen, wo wir schlafen«, sagte er mit einem besorgten Blick, den er durch Abwenden zu verbergen versuchte.
»Irgendwie glaube ich nicht, dass wir viel Schlaf bekommen, während wir hier sind.«
Wir verließen den Raum und schlossen die Tür hinter uns, bevor wir wieder den Flur hinuntergingen. Dort gab es eine schmale Treppe, die in den dritten Stock führte. Nachdem wir uns umgesehen hatten, stellten wir fest, dass der dritte Stock dem zweiten sehr ähnlich war: Zimmer mit alten, nackten Matratzen oder nur einem Bettgestell. Es gab kein einziges Zimmer, das noch so eingerichtet war wie das im zweiten Stock.
Wir wollten gerade wieder in die untere Etage gehen, als wir einen gewaltigen Knall hörten. Ich fuhr zusammen und hielt mich an Jasons Arm fest. »Was zum Teufel war das?«
Seine Augen waren vor Aufregung und vielleicht auch ein wenig Angst so groß wie Untertassen. »Ich bin mir nicht sicher, aber lass uns nachsehen.«
Jetzt war ich an der Reihe und sah ihn mit großen Augen an. »Willst du mich verarschen?«
»Komm schon, Wade. Deshalb sind wir doch hier, oder?«
Nun, er hatte mich dort. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich nur hier war, weil das bedeutete, dass ich ihn ein Wochenende lang ganz für mich allein haben würde.
»Du hast recht. Geh schon mal vor. Ich bin direkt hinter dir.« Ich packte sein Hemd von hinten und hielt mich fest. Das war meine übliche Position, wenn wir auf Geisterjagd waren. Ich benutzte Jason als Schutzschild … nur für den Fall. Ich mochte zwar in den Kerl verknallt sein, aber auf keinen Fall würde ich mich von einem Geist zuerst erwischen lassen. Er schlich die Treppe hinunter, während sie bei jedem Schritt knarrte. In diesem Haus gab es buchstäblich keine Möglichkeit, nicht gehört zu werden.
Als er weit genug unten war, um einen Blick auf den Boden zu werfen, sah er mich an und grinste. »Das war der Wind. Er muss die Haustür zugeweht haben.«
Ich schaute an ihm vorbei aus dem Fenster. Ich sah keinen Wind, der die Bäume heftig bewegte. Es wehte eine leichte Brise, aber ich glaubte nicht, dass sie ausreichte, um eine Tür mit so viel Kraft zuzuschlagen, wie es sich von ganz oben angehört hatte. Er schien sich mit dieser Erklärung jedoch sehr wohlzufühlen.
Als wir wieder unten an der Eingangstür waren, schlug er vor, das ehemalige Restaurant und die Bar zu besichtigen. Normalerweise hätte ich das für eine gute Idee gehalten. Einfach mal herumstöbern und sehen, was übrig geblieben ist. Aber in diesem Haus befand sich die Bar im Keller. Derselbe Keller, in dem der ursprüngliche Besitzer Robert Chalmers verhungert war, nachdem er wegen seiner Geisteskrankheit in Ketten gelegt worden war. Es hatte sich herausgestellt, dass er höchstwahrscheinlich Syphilis hatte. Seine Frau hatte nur versucht, ihn in Sicherheit zu bringen, obwohl ich keine Ahnung hatte, warum sie dachte, dass er im Keller angekettet sicherer war.
Jedenfalls wollte ich da nicht runter, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Jason das wusste.
»Okay, bist du bereit?«, fragte er mich und stieß die Luft aus, als würde er sich darauf vorbereiten, Sprints zu laufen oder in den Ring zu springen und ein paar Runden zu drehen.
»Ja, natürlich. Schauen wir es uns an.« Ich versuchte, so zu tun, als wäre es keine große Sache, als stünde ich voll hinter ihm, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er wusste, dass ich allein bei dem Gedanken daran, da runterzugehen, wie Espenlaub zitterte.
»Wir werden nicht dort schlafen, keine Sorge«, versuchte er mich zu beruhigen. Er wusste, dass ich Keller nicht mochte. Aber er hatte keine Ahnung, wie unbehaglich mir das alles war. Als wir angefangen hatten, an Orte zu gehen, an denen es angeblich spukte, war es nicht so schlimm gewesen. Meistens hatte es sich um ein Restaurant oder ein Hotel wie das Carey House gehandelt, das noch geöffnet und in Betrieb war. Es waren auch andere Leute da gewesen, und wir waren nicht allein in einem verlassenen Haus mitten im Nirgendwo. Dieser Ort war auf einer ganz anderen Ebene unheimlich. Ich hoffte, Jason würde wieder einmal enttäuscht sein und wir würden tatsächlich nichts sehen oder hören, aber je länger wir hier waren, desto mehr Zweifel hatte ich.
Wir machten uns auf den Weg zur Rückseite des Hauses. Dort gab es eine Treppe, die in den Keller führte und in das, was man das alte Gefängnis nannte; Jason führte uns die Stufen hinunter.
»Das habe ich überhaupt nicht erwartet«, murmelte ich.
»Was willst du …«
Jasons Worte wurden abrupt unterbrochen, als wir den Keller betraten und er sich umschaute. Oben an einer Wand waren drei kleine Fenster, die so viel Licht hereinließen, dass wir den Raum gut sehen konnten. Seine Augen waren weit aufgerissen und ein Ausdruck des Schocks huschte über sein Gesicht. Ich war auch überrascht, all die Spuren der Verwüstung hier zu sehen. Dass das Haus perfekt aussehen würde, nachdem es so lange leer gestanden hatte, hatte ich nicht erwartet. Aber das war nicht nur ein Schaden durch Vernachlässigung. Es war ein einziges Trümmerfeld. Überall lagen umgestürzte Tische und Stühle herum. Der Barbereich war mit Glasscherben übersät, die von den Gläsern der Bar stammten. Es sah aus, als hätte jemand absichtlich alles zerstört, was er in die Finger bekommen hatte.
»Was glaubst du, wer das getan hat?«, fragte Jason, der sich immer noch umschaute und schockiert aussah.
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sind ein paar Kinder eingebrochen und dachten, es wäre lustig, den Laden zu verwüsten. Irgendwie traurig. Es sieht so aus, als wäre dieser Ort wirklich schön gewesen, als er noch in Betrieb war.«
»Ich habe Bilder gesehen, es war schön. Seltsam, dass sie sich die Zeit genommen haben, all diese Gläser zu zerbrechen. Das muss eine Weile gedauert haben.« Jetzt war er noch misstrauischer. »Glaubst du wirklich, dass es Kinder waren?«
»Was könnte es sonst sein? Ich bezweifle, dass ein Geist zu so etwas in der Lage ist.«
Er trat in die Mitte des Raumes, drehte sich langsam um und nahm alles in sich auf. »Was, wenn sie es getan haben?«
»Was wäre, wenn wer was getan hätte?«
»Was, wenn ein Geist das getan hat?«
Ich spürte, wie mir die kalte Angst in den Nacken kroch.
»Komm schon, Mann, verarsch mich nicht.«
»Ich verarsche dich nicht. Dieses Haus ist seit Jahren verschlossen. Wenn es Kinder gewesen wären, hätten sie das ganze Haus verwüstet. Warum nur ein paar Gläser zerbrechen und hier unten eine Sauerei machen, wenn sie oben einen Haufen Sachen hätten zerstören können?«
Ich räusperte mich und versuchte, mein Herz zu beruhigen, das nun versuchte, aus meiner Brust zu schlagen. »Ich bin jedenfalls froh, dass wir nicht unten schlafen …« Das war alles, was ich herausbrachte, bevor ein Glas fast gegen meinen Kopf geschleudert wurde und an der Wand hinter mir zerschellte. Ich warf mich praktisch auf den Boden und sah mich hektisch um, wer es geworfen haben könnte. Ich konnte niemanden sehen. Ich sah zu Jason hinüber, der mit offenem Mund dastand und dessen Augen aussahen, als könnten sie ihm aus dem Kopf fallen.
Er hob die Hand und deutete auf eine Ecke des Zimmers, wobei er seinen Blick nicht von dieser Stelle abwandte. Ich lag immer noch auf dem Boden und hatte die Arme um meinen Kopf geschlungen, richtete mich langsam auf und schaute in die Richtung, in die er starrte.
»Hast du das gesehen?«, flüsterte er mir zu.
»Ich habe nichts gesehen, außer dem Glas, das mich fast am Kopf getroffen hat. Zum Glück habe ich es gesehen, sonst hätte es noch mehr Schaden angerichtet.«
Er blinzelte ein paar Mal und schüttelte den Kopf. Kurz bevor er sich auf mich stürzte.
»Wade, geht es dir gut? Ich wusste nicht, dass es so nah an dir dran war. Hat es dich getroffen?« Er fing an, an meinem Kopf herumzufummeln, und tat das denkbar Schlechteste, um nach mir zu sehen. Ich schob seine Hände weg.
»Lass das, Jason, es ist alles in Ordnung. Es hat mich nicht getroffen. Zum Glück haben meine katzenartigen Reflexe eingesetzt, und ich bin auf dem Boden aufgeschlagen. Warum hast du es überhaupt geworfen?«
»Ich habe es nicht geworfen«, sagte er so leise, dass ich eine Sekunde lang darüber nachdenken musste.
»Wie bitte? Was sagst du da?« Ich wollte, dass er sich klar ausdrückte, kristallklar.
»Ich habe es nicht geworfen. Ich habe nicht genau gesehen, was passiert ist, aber ich habe gesehen, wie es von da drüben auf dich zugeflogen ist. Das habe ich auch gesehen, als du dich geduckt hast. Es kam aus dem Nichts, und plötzlich flog es durch die Luft auf deinen Kopf zu.«
Seine Augen waren immer noch groß, während er mir das erzählte, aber ich zögerte, ihm zu glauben. Er wollte unbedingt, dass etwas passierte, aber würde er versuchen, mich zu verletzen, nur um den Anschein zu erwecken, es sei etwas Paranormales passiert? Ich glaubte es nicht, aber das Glas war meinem Kopf sehr nahegekommen. Von nun an musste ich meine Augen offenhalten und aufpassen. Nicht nur auf das Haus und all dem seltsamen Zeug, das es umgab, sondern auch auf Jason.
Ich wollte diesen Gedanken nicht denken; wir waren Freunde, seit wir etwa zwölf waren. Wir hatten uns über unsere gemeinsame Liebe zu allen seltsamen Dingen gefunden. Nun, eigentlich war es Jasons Liebe. Ich schätze, ich war nur dabei, um mitzumachen. Er war so süchtig nach allem. Wenn wir spielten, ging es darum, herauszufinden, wo ein verfluchter Gegenstand versteckt sein könnte, oder an einem Haus vorbeizugehen, in dem es angeblich spukte. Nur um zu sehen, ob wir es überleben würden.
Er war wirklich lustig. Er war so begeistert von jeder neuen paranormalen Geschichte gewesen, die in Ripley’s Believe It or Not gezeigt wurde, dass wir die ganze Woche damit verbrachten, mehr darüber zu erfahren. Und da das Internet damals noch nicht so verbreitet war, war das nicht immer so einfach gewesen. Meistens waren wir in die Bibliothek gegangen und hatten uns Bücher ausgeliehen, in denen die Informationen standen, die wir suchten. Das waren einige der schönsten Erinnerungen an meine Kindheit. Wir dachten wirklich, wir wären wie die Geisterjäger, aber wir waren wohl eher wie Scooby Doo.
In all dieser Zeit hatte er nie versucht, mich zu verletzen, weder körperlich noch emotional. Er stand immer hinter mir so wie ich hinter ihm. Diesmal war es nicht anders.
»Komm, lass uns nach oben gehen und überlegen, wo wir schlafen«, sagte ich und versuchte, die Situation zu entschärfen. »Wir bereiten unsere Ausrüstung vor, und dann können wir vielleicht einen Spaziergang über das Grundstück machen. Was hältst du davon?« Gespannt wartete ich auf seine Antwort. Ich war froh über jede Gelegenheit, aus dem Haus zu kommen, weg von dem beklemmenden Gefühl, ständig beobachtet zu werden.
Er blinzelte und schüttelte erneut den Kopf, bevor er sich mir zuwandte. »Ja – ähm, ja, du hast recht. Wir sollten uns auf den Weg machen und uns das Grundstück ansehen, bevor es zu spät ist.«
Er wirkte so nervös. Das Glas hatte mich fast getroffen, aber er schien genauso erschrocken zu sein wie ich. Wollte er mutig sein oder hatte er wirklich etwas gesehen?
Oder vielleicht wollte er mich nur verarschen.
In der Absicht, so schnell wie möglich aus dem Keller zu kommen, ging ich die Treppe herauf. Ich war schon ein paar Stufen weiter oben, als etwas gegen meinen Hinterkopf stieß.
»Hör auf damit, Jason«, stieß ich hervor, da ich diesen Mist bereits satthatte.
»Was?«
»Ich sagte, hör auf damit.« Ich drehte mich zu ihm um und erwartete, dass er über seinen Witz lachen würde. Stattdessen hatte er einen perplexen Gesichtsausdruck und schien keine Ahnung zu haben, wovon ich sprach.
»Komm, lass uns einfach unsere Sachen holen.« Er ging auf der Treppe um mich herum und joggte bis zur Tür.
Ich wollte auf keinen Fall allein in diesem Keller bleiben. Selbst wenn es draußen noch hell war, spielte das keine Rolle. Ich hatte ein ungutes Gefühl, dort unten zu sein, und beeilte mich, ihm zu folgen. Als wir oben an der Treppe ankamen, drehten wir uns beide um, um noch einmal nach unten zu schauen.
»Spürst du das?«, flüsterte Jason mir zu. »Als ob uns jemand beobachten würde. Ich habe es die ganze Zeit gespürt, als wir da unten waren.«
»Ich fühle es. Ich hatte gehofft, ich würde mich nur gruseln, aber … Scheiße, lass uns unser Zeug holen. Ich lasse mich nicht von etwas erschrecken, das ich nicht sehen kann.« Ich bemühte mich so sehr, überzeugend zu wirken, nicht nur für Jason, sondern auch für die Geister, falls sie zufällig zuhörten. Ich hatte das Gefühl, dass sie jedes Wort hörten, aber ich hatte auch das Gefühl, dass sie keinen von uns als Bedrohung ansahen. Was mich betraf, so hatten sie uns bereits gezeigt, dass sie mehr tun konnten, als uns nur zu beobachten. Aber wie weit würden sie tatsächlich gehen? Ich fürchtete mich davor, das herauszufinden.
Wir standen noch einige Augenblicke Seite an Seite am oberen Ende der Treppe, dann traten wir langsam zurück. Auf keinen Fall wollte ich dem, was uns unten im Keller beobachtete, den Rücken kehren.
Wir schlurften rückwärts, bis wir den unteren Teil der Treppe nicht mehr sehen konnten, dann drehten wir uns um und liefen im Eiltempo zurück zur Vorderseite des Hauses. Als wir an der Eingangstür ankamen, waren wir außer Atem und schwitzten vom Adrenalinrausch.
Jason öffnete die Tür, und wir traten auf die Veranda hinaus. Einfach aus dem Haus zu sein, fühlte sich besser an, irgendwie leichter. Jason drehte sich zu mir um und umarmte mich innig.
»Bist du sicher, dass es dir gut geht? Ich war so besorgt. Ich habe gesehen, wie das Glas geflogen ist, aber ich habe nicht gemerkt, wie nah es an deinem Kopf war. Wenn es dich getroffen hätte, hätte es dich wirklich fertiggemacht.« Sofort waren seine Hände wieder bei mir, drückten meine Arme, rieben meinen Kopf, suchten nach irgendwelchen Verletzungen.
Verdammt sei er und seine fürsorgliche Art. Ich ließ zu, dass er mich untersuchte. Ich war nicht verletzt, aber was konnte es schaden, seine Aufmerksamkeit noch ein paar Sekunden lang zu genießen? Als er zufrieden schien, dass alles in Ordnung war, trat er von mir zurück und ein besorgter Blick huschte über sein Gesicht.
»Hey, komm schon, Jason, es ist alles in Ordnung. Holen wir den Rest unserer Sachen und bringen sie rein. Wir müssen uns überlegen, wo wir heute Nacht schlafen sollen. Aber um ehrlich zu sein, werde ich wahrscheinlich kaum ein Auge zumachen.« Das schien ihn zu beflügeln.
