Den Rücken selbst heilen - Dr. med. Martin Marianowicz - E-Book

Den Rücken selbst heilen E-Book

Dr. med. Martin Marianowicz

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Beschreibung

Mit der neuen ganzheitlichen Rückentherapie Schmerzen vorbeugen, lindern und heilen 60 bis 80% aller Rückenschmerzen sind unspezifisch. Das Krankheitsbild zeigt keine Veränderungen am Skelett und passt einfach nicht in die Schubladen des herkömmlichen schulmedizinischen Ansatzes, der die körperliche Struktur, nicht aber den gesamten Menschen in den Vordergrund stellt. Der Wirbelsäulenspezialist Dr. Martin Marianowicz hat am eigenen Leib erfahren, wovon er seit vielen Jahren als Experte spricht: Er kennt die permanenten Schmerzen, die Strapazen und den Leidensweg, wenn nach einem Eingriff der Erfolg ausbleibt. Deshalb lautet das Credo des international anerkannten Rückenexperten: "Am Rücken hat alles recht, was hilft. Das Wohlbefinden des Patienten ist der Gradmesser für Erfolg." Eine erfolgreiche Rückentherapie betrachtet alle Einflussfaktoren, die Schmerzen verursachen können. Das fundierte 3-Stufen-Programm erklärt anhand der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Neurologie, Physiotherapie oder der Schmerzforschung die psychischen und physischen Einflussfaktoren und zeigt anhand vieler Tests und Checklisten, welche Rolle das Schmerzgedächtnis in unserer Wahrnehmung spielt. Alltagstaugliche Übungen helfen, Schmerzen vorzubeugen, sie akut zu lindern und den Rücken langfristig beweglich und stark zu machen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 312

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Franziska Daub (Neuausgabe), Birgit Reiter (Erstausgabe)

Lektorat: Margarethe Brunner

Bildredaktion: Fabian Riedel, Simone Hoffmann

Covergestaltung: GROOT-HUIS. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH; groothuis.de

eBook-Herstellung: Teresa Klocker

ISBN 978-3-8338-9617-0

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Fotoproduktion: GU-Archiv/Nicolas Olonetzky

Illustrationen: GU/Joseph & Sebastian

Fotos: Adobe Stock; Andreas Epstein; Ronald Frommann/laif; Getty Images; Dorothee Griesbeck; GU-Archiv/Stockfood Studios/Meike Bergmann; GU-Archiv/Klaus Arras; GU-Archiv/Coco Lang; GU-Archiv/Marc Oeder; GU-Archiv/Katrin Winner; Klinikum rechts der Isar/K.Czoppelt; Lilartsy/Unsplash; Marianowicz Medizin/R. Schmitz; Emmanuel Phaeton/Unsplash; picture alliance/Willfried Gredler-Oxenbauer/picturedesk.com; Privat; Shutter-stock;

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München, www.imageprofessionals.com

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Dieses Buch ist genau richtig für Sie, wenn

Sie schon länger unter unklaren Rückenschmerzen leiden und endlich wieder schmerzfrei werden wollen.

Sie lernen wollen, schmerzauslösende und -fördernde Bewegungs- und Verhaltensmuster abzustellen und die Selbstheilungskräfte Ihres Körpers zu aktivieren.

Sie mithilfe von umfangreichem Wissen und der Erfahrung aus mehreren medizinischen und therapeutischen Fachbereichen Ihre Beschwerden wirksam lindern wollen.

Sie erleben wollen, wie sich durch gezielte positive Aktivitäten jahrelange, chronische Schmerzen bessern und nachlassen.

Sie nach alltagstauglichen Selbsthilfe-Maßnahmen und gezielten Rückenübungen suchen, um wieder mobil zu werden und es auch zu bleiben.

Sie mit ganzheitlichen Methoden, Entspannungsübungen, Mentaltraining sowie Meditation für sich einen rückengesunden Alltag etablieren wollen.

Sie Ihren Rücken auch über eine gezielte Ernährung mit abwechslungsreichen Rezepten stärken wollen.

»Wissen führt zu Erkenntnis, Erkenntnis führt zu Aktivität. Aktivität führt zu Heilung.«

Rückenschmerz ist besiegbar

Die gute Nachricht zuerst: »Rücken« ist eine gesunde Krankheit. Haben Sie dort Beschwerden, ist das weder lebensbedrohlich, noch verkürzt es Ihre Lebenserwartung. Sie gehören zu den privilegierten Kranken, denn Sie müssen sich »nur« um Ihren Rücken kümmern. Die nicht so Privilegierten sitzen beispielsweise beim Onkologen oder beim Kardiologen. Aber auch wenn einen Rückenschmerzen zwar nicht umbringen mögen, weiß ich als Arzt und auch aus eigener Erfahrung, dass sie die Lebensqualität dramatisch einschränken. Leider gibt es kein Zaubermittel, das Ihre Schmerzen mit einem Schnipp beseitigt. Wer seine Beschwerden dauerhaft in den Griff kriegen will, muss sich mit den vielfältigen Ursachen auseinandersetzen, um sie zu beheben. Es ist gewissermaßen eine lebenslange Aufgabe, wenn man Rücken »hat«.

Nach fast 40 Berufsjahren als Orthopäde und der Behandlung von über 25 000 Patienten sehe ich die Entstehung des Schmerzleidens »Rücken« sowie dessen Heilung ganz anders, als es die gängigen Therapiekonzepte propagieren. Für die meisten Ärzte ist der Rücken ein anatomisches Werkstück, das man mit Fräsen und Schrauben bearbeitet, verändert und verbessert, um den Schmerzen beizukommen. Dieser mechanistische Ansatz wird allerdings nur einem Bruchteil der Rückengeplagten gerecht. Der Großteil wird in ein veraltetes Therapiekonzept hineingepresst, mit dem »Erfolg«, dass über 50 Prozent der Deutschen Rückenschmerzen haben. Das Leid dieser Menschen, aber auch der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Die Krankheitskosten in Deutschland belaufen sich jährlich auf etwa neun Milliarden Euro. Wirbelsäulenbeschwerden sind zudem die häufigste Ursache für eine vorzeitige Verrentung und Frühinvalidität.

Schmerzfrei – ohne Operation

Die allgemeine Lehrmeinung deckt sich mit meiner Praxiserfahrung: 90 Prozent aller Beschwerden heilen innerhalb eines halben Jahres spontan oder mithilfe einer konservativen Therapie wieder ab. Aus dieser Erkenntnis heraus habe ich im Laufe der Jahre zusammen mit meinem Team aus Ärzten und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen ein ganzheitliches und interdisziplinäres Rückenprogramm entwickelt, das den vielfältigen und fließenden Ursachen von Rückenbeschwerden Rechnung trägt. Denn die Mechanik ist wie gesagt nur ein möglicher Auslöser, nur eine mögliche Ursache.

Ein Blick ins Internet zeigt: Die neuesten Forschungserkenntnisse zum Thema Rückenschmerzen sind vorhanden! Aber noch ist dieses Wissen um die moderne Behandlung weder in der breiten Öffentlichkeit noch bei allen Betroffenen und behandelnden Ärzten angekommen. Im Zeitalter von Computern und Mikrochips wird immer noch versucht, chronische Rückenprobleme mit Hammer und Schraubenzieher zu lösen. Nach wie vor suchen viele die Ursache von Rückenschmerzen ausschließlich in degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Unser Gesundheitssystem fördert, wie Sie sehen werden, dieses längst überholte Wissen und erkennt zeitgemäße Therapiemethoden nicht an. Also müssen Sie selbst dafür sorgen, die richtige und notwendige Therapie zu bekommen.

Seit Jahrzehnten setze ich mich als konservativer Orthopäde gegen die OP-Wut am Rücken ein. Aufklärung und Selbsthilfe waren mir beim ersten Erscheinen dieses Buches vor über zehn Jahren ein großes Anliegen – und das ist immer noch so. Denn immer noch wird viel zu oft und viel zu schnell zum Messer gegriffen, um dem Schmerz zu Leibe zu rücken. Dabei wissen wir genau, dass beinahe die Hälfte der Operierten weiterhin Beschwerden haben – und das, obwohl in 80 Prozent der Fälle die Beschwerden statt mit einem Eingriff auch mit einem schonenden konservativen Therapiekonzept hätten behoben werden können.

Neue Hoffnung für Rückengeplagte

Ich bin es leid, in meiner Praxis Patienten zu empfangen, die nach einer langen Odyssee und mehreren Operationen immer noch Rückenschmerzen haben. Das muss aufhören! Als einzelner Arzt kann ich am System nichts ändern, aber ich kann Patientinnen und Patienten ermächtigen, ihre Rückengesundheit selbst in die Hand nehmen. Genau aus diesem Grund habe ich das Marianowicz-Rückenprogramm entwickelt, das auf meiner jahrzehntelangen Praxiserfahrung in der OP-freien Orthopädie beruht. Es hilft bei akuten leichten Beschwerden, aber auch bei chronischem Rücken und gravierenden Fällen, etwa bei Menschen, die bereits operiert wurden. Dieses Buch, erstmals vor zehn Jahren erschienen, wurde für die Neuausgabe vollständig überarbeitet und auf den neuesten medizinischen Erkenntnisstand gebracht. Zahlreiche Menschen haben sich damit von Rückenschmerzen befreien können.

Wenn ich sage, für jeden Rückengeplagten gibt es Hoffnung, dann meine ich das so. Denn meine Erfahrung ist, dass sich sogar schwere chronische Beschwerden mithilfe dieses Schmerzprogramms innerhalb von sechs bis zwölf Wochen bessern. Danach kommt es auf Sie an, dass das auch so bleibt. Sie sind dafür verantwortlich, wieder zu lernen, sich selbst zu stärken und mit Ihrem Körper und Ihrem Leben rückenfreundlich umzugehen. Ihr Rücken braucht Ihre Unterstützung! Dieses Buch erklärt Ihnen, was Sie selbst für Ihre Rückengesundheit tun können und was Sie dazu wissen müssen.

Ihr

DEN RÜCKEN VERSTEHEN

Sie leiden akut, schubweise oder ständig unter Rückenschmerzen? Sie glauben, keiner könne Ihnen helfen? Dann ist es höchste Zeit, die vielfältigen Ursachen Ihrer Beschwerden zu erkennen und zu beseitigen.

Fragen, die mir Patienten häufig stellen

Viele meiner Patienten absolvieren einen wahren Ärztemarathon, ohne eine Besserung zu spüren. Mit diesen Fragen kommen sie zu mir.

Ich habe seit Jahren chronische Rückenschmerzen und war bei vielen Ärzten. Nichts half und bis heute weiß ich meine Diagnose nicht genau. Was kann ich noch tun?

Leider ist das meine tägliche Erfahrung, dass viele Patienten konzeptlos nach dem Motto »Trial and Error« und ohne fundierte Diagnose behandelt werden. Das Behandlungsspektrum reicht dabei sogar bis hin zur erfolglosen Zahnsanierung. Die daraus resultierende Hoffnungslosigkeit der Betroffenen ist einer der effektivsten Schmerzverstärker. Der medizinische Gott hat die fundierte Diagnose vor die Therapie gesetzt. Daran hat sich auch im Zeitalter der Gerätemedizin nichts geändert. Meine Empfehlung: Sie brauchen einen versierten Diagnostiker, der die Ursache Ihrer Beschwerden ausfindig machen kann.

Ich bin wegen mittelstarker Rückenschmerzen in Therapie. Soll ich mich krankschreiben lassen?

Ich empfehle meinen Patienten in so einem Fall Aktivität. Ablenkung, Kommunikation und Bewegung – das alles ist gut, um die Schmerzwahrnehmung zu verändern. Studien belegen, dass längere Krankschreibungen zu einer Chronifizierung des Schmerzes führen können.

Ich bin bereits an der Wirbelsäule operiert, man hat die untersten Wirbel versteift. Warum habe ich immer noch Schmerzen?

Dafür kann es mehrere Ursachen geben: Erstens kann der Chirurg nach Sichtung der Bilder an der Schmerzursache vorbeioperiert und die eigentliche Ursache nicht behoben haben. Zweitens könnten sich nach der OP schmerzhafte Narbenverwachsungen entwickeln haben, die die Nervenwurzeln einengen. Drittens verändert eine Versteifungsoperation die Statik sowie die Bewegungsabläufe Ihrer Wirbelsäule. Die daraus resultierende Belastungsveränderung drückt auf die benachbarten Bandscheiben. Deshalb müssen Patienten, deren Wirbel operativ versteift wurden, oft nach drei bis fünf Jahren nachoperiert werden.

Ich habe privaten/beruflichen Stress. Könnte das meine Rückenschmerzen ausgelöst haben?

Das kann sein. Ich finde es gut, dass Sie sich solche Gedanken machen. Denn Schmerz entsteht im Gehirn. Ein gestresstes Gehirn ist nicht mehr in der Lage, die Schmerzreize abzuwehren, was eigentlich seine Aufgabe wäre. Stattdessen verstärkt es sie, indem mehr Schmerzimpulse gefeuert werden.

Ich habe starke Schmerzen im Nacken, die bis in den rechten Arm und in die Finger ziehen, aber nur leichte Veränderungen an der Halswirbelsäule. Kann das solche Schmerzen machen?

Durchaus. Die Übereinstimmung zwischen Schmerzstärke und Veränderungen auf den Bildern liegt nur bei rund 25 Prozent. Es gibt Menschen, die starke Veränderungen in den bildgebenden Verfahren aufweisen, aber kaum oder keine Schmerzen haben. Deshalb muss Ihr Arzt eine genaue Untersuchung durchführen, bevor er bewertet, was auf Bildern zu sehen ist. Sonst kann es sein, dass an der wirklichen Ursache für die Schmerzen vorbeitherapiert wird.

Ich höre oft, dass die meisten Rückenpatienten schnell schmerzfrei werden. Warum gehöre ich nicht dazu?

Sie gehören vermutlich zu den rund 20 Prozent, deren Körper es nicht von selbst oder mithilfe leichter Schmerzmittel schafft, sich selbst zu helfen. Aber ich kann Sie beruhigen: Sie brauchen einen Orthopäden, der Ihre Beschwerden mit einer gezielten ganzheitlichen Therapie angeht, um den Körper bei seiner Regenerationsarbeit zu unterstützen.

Mir ist vom Radiologen gesagt worden, dass ich mich wegen eines Bandscheibenvorfalls operieren lassen muss, weil meine MRT-Bilder so schlecht sind. Dabei sind meine Schmerzen gar nicht so schlimm. Ist eine OP nötig?

Der Einzige, der aufgrund seines Leidens die Entscheidung für oder gegen eine Operation trifft, sind Sie. Erst wenn Sie sagen, dass Sie so nicht weiterleben können, weil die Schmerzen Ihre Lebensqualität dramatisch einschränken und alle zuvor angewendeten konservativen Maßnahmen wirkungslos waren, könnte eine Operation angezeigt sein. Bei einem Bandscheibenvorfall entsteht der Schmerz, das muss man wissen, aufgrund der Nervenreizung und nicht durch eine veränderte Bandscheibe. Hat der Körper genügend Zeit, die durch die Reizung hervorgerufene Entzündung zu bekämpfen, suchen sich die Nerven einen neuen Weg und passen sich den Veränderungen an den Bandscheiben an. 80 Prozent der wie Sie Betroffenen sind in der Regel innerhalb von sechs bis zwölf Wochen wieder schmerzfrei. Ich halte es deshalb für fahrlässig, wenn ein Radiologe mit solchen Katastrophenmeldungen den Patienten verunsichert und damit den Schmerz verstärkt. Das Gehirn, das immer an der Schmerzverarbeitung beteiligt ist, tut seine Arbeit besser, wenn Sie eine positive Erwartungshaltung haben.

Meine Rückenschmerzen verleiden mir seit Jahren alles. Ich mag nicht mehr ins Kino gehen oder zu Einladungen meiner Freunde, weil ich weder lange sitzen noch lange gehen kann. Wie komme ich da wieder raus?

Die gute Nachricht ist: Sie kommen da wieder raus! Ich habe täglich mit Patienten zu tun, denen es ähnlich geht wie Ihnen. Für Sie ist es zunächst wichtig zu verstehen, dass zur Bekämpfung langwieriger Rückenschmerzen zwei Stellschrauben nötig sind: die Anatomie und die Psyche. Mit Medikamenten, Injektionen und Krankengymnastik behandelt der Arzt die anatomischen Ursachen der Beschwerden. Bei chronischen Schmerzpatienten muss man sich psychotherapeutische Hilfe holen, weil ihnen der Schmerz über die zweite Stellschraube, die Psyche, das Leben verleidet. Leider gibt es in der Psychotherapie nicht genügend Kapazitäten. Deswegen habe ich ein Programm zusammengestellt, mit dem Sie anfangen können, sich selbst aus dem Teufelskreis zu befreien.

Ihr Rücken hilft sich selbst, wenn Sie ihn unterstützen

Ihre Wirbelsäule ist ein sich immer wieder selbst erneuerndes System, das Unterstützung braucht. Grundlegendes, modernes Wissen über die Schmerzentstehung ist der Anfang.

Die neuesten Erkenntnisse der Schmerzforschung machen deutlich, dass ein Umdenken stattfinden muss: Schmerz wird nicht nur im Kopf wahrgenommen, er kann auch dort entstehen. Rückenleiden lassen sich deshalb in den allermeisten Fällen nicht mit einer Operation oder durch ein verheißungsvolles trendiges Rückenschulprogramm abstellen, sondern vielmehr durch ein dynamisches und vielfältiges Therapiemodell, in dem Sie als Betroffener der Hauptakteur sind, der allein und zusätzlich mithilfe von Experten herausfindet, welche Einflüsse in welchem Umfang für Ihre Rückenschmerzen verantwortlich sind.

Damit Sie die Selbstheilungskräfte aktivieren können, möchten meine Kollegen und ich Sie im Verlauf dieses Buches zum Rückenprofi machen. Unser Ziel ist, dass Sie maximale Selbstheilungsbereitschaft entwickeln, weil Sie die Angst vor den Rückenschmerzen verlieren, dass Sie Schritt für Schritt die Ursachen Ihrer Beschwerden erkennen und beheben – und dabei weder unter- noch übertherapiert werden.

Ein Wunderwerk der Evolution

Lassen Sie mich zunächst einmal eine Lanze für Ihren Rücken brechen. Denn er ist nicht, wie man noch manchmal liest oder hört, eine evolutionäre Fehlkonstruktion, da der Mensch nicht für den aufrechten Gang geboren sei. Ganz im Gegenteil! Im Rücken verbirgt sich die Wirbelsäule, und die ist ein wahres Wunderwerk der Evolution.

Stabil und zugleich flexibel

Diese zentrale Achse Ihres Skeletts trägt den Kopf und macht Ihren Körper in alle Richtungen flexibel. Ein ausgeklügeltes System aus Wirbelkörpern und -gelenken, kleinen Muskeln, Bändern und Bandscheiben ermöglicht Stabilität und Mobilität gleichermaßen. Die Muskeln und Bänder, die an der Wirbelsäule festgemacht sind, koordinieren die Bewegung der Wirbel, stützen den gesamten Rücken und machen ihn stark. Wir können sitzen, liegen und stehen, aber auch gehen, laufen, springen und klettern. Ob kleine und feine oder ruckartige Bewegungen, schweres Tragen und Heben oder sportliche Höchstleistungen – der Rücken ist sehr flexibel, hält viel aus und ermöglicht höchste Belastbarkeit.

Ein ausgeklügeltes System

Schauen wir uns die Wirbelsäule von hinten an, sehen wir eine gerade Linie, betrachten wir sie von der Seite, zeigt sich eine zweifach gekrümmte S-Form. Ohne diese abfedernde Krümmung wäre unser Gehirn bei jedem Schritt einer Erschütterung ausgesetzt. Je nach Zählart umfasst die Wirbelsäule 33 Wirbel unterschiedlicher Größe, die aus einem halbrunden Wirbelkörper, zwei Querfortsätzen und einem mittigen Dornfortsatz bestehen. Die Wirbel sind über Facettengelenke flexibel miteinander verbunden. Die Wirbelsäule ist in fünf Bereiche eingeteilt, drei, Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, sind sehr beweglich, und zwei, Steiß- und Kreuzbein, stark verknöchert und ziemlich starr (siehe >).

In der Mitte jedes Wirbels befindet sich ein Loch, das Rückenmarks- oder auch Spinalkanal genannt wird und in dem das etwa 45 Zentimeter lange Rückenmark mit seinen Nervenbahnen eingebettet ist. Zusammen mit dem Gehirn bildet es das zentrale Nervensystem, das unseren Körper steuert, indem über die Nervenbahnen Impulse beziehungsweise Nachrichten in den Körper ausgesendet, aber auch empfangen und weitergeleitet werden.

Der Rücken verzeiht viel und schützt sich selbst vor Verschleiß bis ins hohe Alter, wenn man ihn lässt und gut zu ihm ist.

Die Bandscheiben

Zwischen den Wirbelkörpern liegen als Puffer die Bandscheiben, die sich aus einem sehr festen und zugleich elastischen Faserring und einem weichen Gallertkern zusammensetzen, der je nach Alter und Gesundheitszustand aus bis zu 90 Prozent Wasser besteht. Er hält die Wirbelkörper auseinander, denn seine Fasern sind in der Lage, das bis zu Tausendfache ihrer Masse an Feuchtigkeit zu speichern – wie ein prall gefüllter Schwamm. Wenn wir uns vor-, zurück- oder zur Seite beugen, bewegt sich der Gallertkern in die andere Richtung.

Da sich in den Bandscheiben keine Blutgefäße befinden, brauchen sie Bewegung. Durch Belastung leeren sie sich im Lauf des Tages teilweise und der Kern schrumpft etwas zusammen. Das ist der Grund, warum wir abends bis zu zwei Zentimeter kleiner sein können als morgens. Während wir schlafen, saugen sich die Bandscheiben wieder mit Nährflüssigkeit aus dem Wirbelkörper voll, um ihrer Stoßdämpferfunktion erneut nachkommen zu können. Diese natürliche Regenerationsfähigkeit sowie der Wassergehalt in den Bandscheiben nehmen mit fortschreitendem Alter, aber auch durch Bewegungsmangel ab.

Die Bändersysteme

Eine wichtige Funktion im System Wirbelsäule fällt den Bändern zu. Es gibt sechs Bändersysteme, die sich über die gesamte Länge der Wirbelsäule erstrecken und Stabilität sowie Beweglichkeit gewährleisten. Die Bänder wiederum werden in ihrer Arbeit von den Rücken- und Bauchmuskeln unterstützt. Besonderes Augenmerk verdient die tief sitzende, kleine autochthone Rückenmuskulatur. Sie verläuft auf beiden Seiten der Wirbelsäule vom Becken über den Brustkorb bis zum Kopf und macht den aufrechten Gang und starke Belastungen möglich. Die Bauchmuskeln sind wichtig, weil sie ein Gegengewicht zum Rücken schaffen. Im untrainierten Zustand können sie ihrer Funktion nicht nachkommen. Dann neigt das Becken dazu, nach vorn zu kippen, die tiefe Rückenmuskulatur verkürzt sich und die Lendenwirbelsäule krümmt sich zu einem Hohlkreuz.

Die Wirbelsäule

Heilung heißt Anpassung

Das geniale System der Wirbelsäule ist sehr anpassungsfähig und kann degenerative Veränderungen bis ins hohe Alter erstaunlich gut kompensieren, wie eine Studie der Universitäten Freiburg und Tübingen mit 1244 Bandscheibenvorfall-Patienten belegt: Bei 75 Prozent der mit einer konservativen Therapie behandelten Patienten war der Bandscheibenvorfall nicht mehr auf dem Kernspinbild nachweisbar. In 25 Prozent zeigte sich noch ein Befund, die Patienten waren aber schmerzfrei. Was heißt das? Der Rücken hat, wenn man ihm genug Zeit gibt und das richtige, auf die persönlichen Beschwerden abgestimmte Therapiekonzept findet, eine hohe Selbstheilungskompetenz.

Abbau oder Umweg

Heilung bedeutet in der Orthopädie also Arrangement und Anpassung an eine veränderte Anatomie, der jeder Mensch im Laufe der Zeit durch Verschleiß oder Überbelastung unterworfen ist. Der Rücken kennt zwei Wege der Heilung: Abbau oder Umweg. Entweder wird das, was nicht mehr funktioniert, absorbiert oder die Nervenbahnen suchen sich einen neuen Weg an dem »Hindernis« vorbei. Das können Sie sich wie in einem Flussbett vorstellen. Stürzt ein Felsbrocken ins Wasser, gibt es kurzzeitig einen Wasserstau, vielleicht tritt der Fluss sogar übers Ufer. Doch nach ein paar Wochen hat sich der Strom einen neuen Weg gebahnt – er will nichts als weiterfließen.

Manchmal zeigt sich auf einer Kernspinaufnahme ein eingeklemmter Nerv auf der rechten Seite des Rückens, der eigentlich starke Schmerzen verursachen müsste. Befragt man den Patienten, klagt er jedoch über Schmerzen auf der linken Seite. Was lässt sich daraus schließen? Der Körper hat sich mit dem eingeklemmten Nerv auf der rechten Seite arrangiert. Nun ist es die Aufgabe von Arzt und Patient, diesen Selbstheilungseffekt auch links zu erzeugen. Dazu braucht der Körper Zeit, Unterstützung und eine positive Einstellung.

Ein gutes Beispiel für die Selbstheilung sind Ergebnisse von Studien aus dem süddeutschen Raum: Zwei Jahre nach der konservativen Behandlung von großen Bandscheibenvorfällen kontrollierte man, was mit den herausgerutschten Bandscheiben passiert war. In 73 Prozent der Fälle waren sie verschwunden. Der Körper hatte sich mit den veränderten anatomischen Verhältnissen arrangiert und das Überflüssige abgebaut. Bei den restlichen 27 Prozent hatte sich nichts verändert, aber der Körper hatte gelernt, mit den Stellen zu leben.

Fazit: Rückenleiden sind gutmütig

Ihr Rücken verfügt über selbstreparierende Mechanismen. Und zwar bis ins hohe Alter! Das klappt wie gesagt in 90 Prozent aller Fälle. Selbst wenn organische Veränderungen vorliegen, bedeutet Heilung nicht notwendigerweise, dass sich die Befunde im Bild verändert haben, auch wenn der Patient schmerzfrei ist.

Zur Bewegung geboren

Der Rücken hält den vielen Belastungen des Alltags stand. Auch an den altersbedingten Verschleiß passt er sich auf geniale Weise an. Nur eines tut ihm nicht gut: Bewegungsmangel. Das schwächt Knochen und Muskulatur und führt auf Dauer zu Verspannungen, Blockaden, Bandscheibenbeschwerden und so weiter. Damit einher geht der Schmerz! Manche Menschen können problemlos zwölf Stunden am Computer sitzen. Andere bekommen schon nach wenigen Stunden Kreuz- oder Nackenschmerzen. Die einen können am Tag acht Stunden schwere Lagerarbeit machen, andere quälen sich mit verspannter Muskulatur, verschlissener Wirbelsäule und starken Schmerzen durch den Arbeitstag.

DEN RÜCKEN SPÜREN

Die meisten Menschen schenken ihrem Rücken erst dann Beachtung, wenn er wehtut. Wann haben Sie sich das letzte Mal über dieses Wunderwerk der Evolution gefreut? Noch nie? Dann wird es höchste Zeit.

Setzen Sie sich auf die Kante eines Stuhls, sodass Sie mit der Hand nach hinten an Ihre Wirbelsäule fassen können. Legen Sie die Finger über die Knubbel, die Sie am unteren Rücken spüren – die Dornfortsätze der einzelnen Wirbel.

Nun beugen Sie sich leicht nach vorn und dann den Oberkörper zur Seite, mal nach links, mal nach rechts. Wenn Sie die Finger auf den Dornfortsätzen behalten, können Sie spüren, wie sie sich jeder Bewegung anpassen und mal stärker und mal weniger stark hervortreten. Ist das allein nicht schon ein guter Grund, den Leistungen Ihres Rückens neue – positive – Beachtung zu schenken?

Feinde der Rückengesundheit

Eines ist sicher: Einseitige Belastung, monotone Arbeiten in einer statischen oder physiologisch unnatürlichen Zwangshaltung tragen nicht zu einer rückengesunden Lebensführung bei. Eine andauernde Schon- beziehungsweise Fehlhaltung reizt die Wirbelsäule und die dazugehörigen Bänder und Muskeln, sodass es zur Aktivierung von Nervenstrukturen der Gelenke kommt, die reflexartige Reaktionen hervorrufen. Die Muskulatur verkrampft, das schränkt die Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule ein und führt auf Dauer zu Haltungsschäden. Wenn ein Aktenvernichter im Patentamt acht Stunden pro Tag nichts anderes macht, als im Sitzen einen Knopf zu drücken, wenn ein Fliesenleger stundenlang kniend sein Handwerk verrichtet oder schwer tragen muss, ein Rezeptionist den ganzen Tag am Empfang steht oder die Verkäuferin von morgens bis abends an der Supermarktkasse sitzt, dann leidet der Bewegungsapparat.

Die negativen Folgen mangelnder Bewegung zeigen sich am drastischsten bei Astronauten. Sie leiden schon nach wenigen Wochen im All unter Rückenbeschwerden. Die Wirbelsäule ist in der Schwerelosigkeit keiner Belastung ausgesetzt, die ihr schaden kann. Es ist aber der Bewegungs- und Belastungsmangel, der dem Rücken zu schaffen macht, denn dadurch degenerieren die Wirbelsäule und die Muskulatur, sodass der Rücken seiner natürlichen Stütz- und Haltefunktion nicht mehr in dem Maße nachkommen kann, wie er sollte.

Die Beschwerden beginnen früh

Wir sind Opfer des technischen Fortschritts, der unser Leben bequemer, unseren Rücken aber anfälliger macht. 80 Prozent der Menschen haben mindestens ein Mal in ihrem Leben Rückenschmerzen. Das Problem beginnt bereits in der Kindheit. Unser Orthopädieteam hat in einer Studie 346 Kinder und Jugendliche untersucht. Etwa 61 Prozent litten an Haltungsschäden, die Hälfte klagte über Rückenschmerzen. In der Kinderorthopädie unserer Praxis sehe ich jeden Tag, wie sich die Situation verschlechtert. Die Ursache liegt im Bewegungsmangel: Die Medien sind die größten Feinde des Rückens.

Ein Teufelskreis

Menschen mit chronischen Rückenschmerzen leiden aufgrund der Beschwerden unter latenter Bewegungsarmut, und das wiederum führt zu einer zunehmenden Schwäche des Muskelkorsetts, das die Wirbelsäule hält und stützt. Die Folge: Verspannungen und neue Schmerzen! Denn unser Körperbau ist nun mal auf Bewegung ausgerichtet. In der Geschichte des Menschen sind wir die längste Zeit Jäger und Sammler gewesen und waren tagtäglich viele Stunden auf den Beinen, um Nahrung zu suchen. Der heutige Lebensstil ist nicht mehr artgerecht und buchstäblich rückenzerstörend.

Wer sich sehr lange nicht bewegt, reduziert den Stoffwechsel in der Bandscheibe. Die Muskulatur schrumpft zudem und verkürzt sich und ist damit nicht mehr in der Lage, den Belastungen des Alltags standzuhalten. Ist die Bewegungsarmut ein Dauerzustand, ist Degeneration vorprogrammiert. Dann wächst sich der Rücken schnell zum Drama aus. Es kommt zu Verspannungen, die Entzündungen in der Muskulatur, an den Sehnen, Muskelansätzen und Bändern hervorrufen und irgendwann Schmerzen verursachen können. Gezielte Bewegung wirkt wie ein natürliches Schmerzmittel. Sie versorgen damit Ihren Organismus mit einem Vielfachen an Sauerstoff als beim Herumsitzen. Wenn Sie es vernünftig tun, können Sie den Rücken gar nicht genug bewegen!

»GENERATION RÜCKEN«

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegen sich 80 Prozent der Kinder weltweit zu wenig. Während Corona verbrachten Jugendliche rund 70 Stunden pro Woche vor dem Bildschirm. Stundenlang sitzen, im Bett Computer spielen, aufs Handy starren – das alles schädigt die Wirbelsäule. Dabei ist körperliche Aktivität lebenswichtig, um Motorik und die Gehirntätigkeit zu fördern.

Leitlinien der Behandlung

Wie unser gesamter Körper kommt auch die Wirbelsäule in die Jahre. Degenerative Veränderungen lassen sich nicht rückgängig machen. Aber mit der richtigen Versorgung können wir den Körper dabei unterstützen, sich mit diesen Veränderungen so zu arrangieren, dass ein bestehender Schmerz nachlässt oder sogar verschwindet. Weil die Selbstheilungskompetenz des Rückens so enorm ist, sollte der Behandlungsweg immer von sanft zu intensiv gehen. Nur so bekommt Ihr Rücken die Chance, seine Arbeit selbst zu tun.

Damit dieser Selbstheilungsprozess aus medizinischer Sicht optimal vonstattengehen kann, hat eine Vielzahl von Experten verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen eine medizinische Empfehlung zur Behandlung von Rückenschmerzen erarbeitet: die »Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz« (NVL), herausgegeben von der Bundesärztekammer, von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Seit ihrer Entstehung wird diese Leitlinie regelmäßig überarbeitet und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Ihr Ziel ist unter anderem, Medizinern wie Betroffenen eine umfassende Empfehlung zur Versorgung von unspezifischen Rückenbeschwerden zu geben sowie Abläufe der Behandlung und mögliche Lösungswege aufzuzeigen.

HALTUNGSANALYSE

Mit dieser Übung können Sie Ihre Haltung testen. Sie brauchen dazu nur einen Besenstiel, einen Hocker und eine Wand.

Stellen Sie sich an die Wand und bringen Sie den Besenstiel an Ihre Wirbelsäule. Mit einer optimalen Haltung berühren Sie ihn, ohne sich zu verbiegen, an drei Punkten: am Kreuzbein, an der Brustwirbelsäule und am Hinterkopf. Hals und unterer Rücken kommen nicht damit in Kontakt. Menschen mit einer Kyphose, einer Krümmung der Wirbelsäule, können den Stiel nur mit dem Kopf berühren, wenn sie im Halsbereich überstrecken.

Probieren Sie auch Folgendes aus: Stellen Sie einen Hocker hinter sich, halten Sie den Besen am Rücken mit einer Hand fest und setzen Sie sich hin, ohne die Berührungspunkte zu verlieren. Das ist rückengerechtes Sitzen: dynamisch und aktiv, mithilfe Ihrer Muskulatur.

Einfache und klare Empfehlungen

Die NVL verweist bei nicht spezifischem Rückenschmerz unter anderem auf:

ein ausführliches Anamnesegespräch sowie eine gründliche körperliche Untersuchung;

Mobilisation und Bewegung;

»Edukation«, um den Patienten zu informieren und aktiv einzubeziehen;

eine »Erfassung der psychosozialen Risikofaktoren« während der ärztlichen Erstversorgung, sollten die Beschwerden länger als vier Wochen anhalten.

Darüber hinaus wird von zahlreichen nicht medikamentösen Therapieverfahren, die in den Organismus eingreifen, explizit abgeraten. Denn, so heißt es im Punkt Versorgungskoordination: »Die Beschwerden bei akutem, nicht spezifischem Kreuzschmerz sind üblicherweise selbst begrenzend, sodass der größte Anteil der Personen, die sich zum ersten Mal aufgrund von Rückenbeschwerden in medizinische Behandlung begibt, lediglich einer Beratung und Akutversorgung bedarf.«

Als eine vorrangige Aufgabe des Arztes sieht die Kommission aus diesem Grund die »kontinuierliche Aufklärung und Motivation zu einer gesunden Lebensführung, die regelmäßige körperliche Aktivität einschließt«. Für den Fall, dass die Beschwerden trotz leitliniengerechter Behandlung mehr als sechs bis zwölf Wochen anhalten, kommt die Expertenrunde zu dem Schluss, dass »alle vorliegenden Befunde fachübergreifend gesichtet und im Rahmen einer gemeinsamen Fallkonferenz beurteilt werden«.

Zu schön, um wahr zu sein?

Eine ausführliche Diagnose, Ermunterung zu körperlicher Aktivität und gesundheitsfördernden Maßnahmen, Verzicht auf in ihrer Wirksamkeit nicht erwiesene Therapieverfahren, eine minimale und kontrollierte Verabreichung von Medikamenten und so weiter. Leider sieht die medizinische Realität oft anders aus. Viele unspezifisch und chronisch Rückenkranke haben eine lange »Schmerzkarriere« hinter sich. Fünf bis zehn Jahre von Arzt zu Arzt zu tingeln, ist keine Seltenheit. Die Bandbreite der Therapiemaßnahmen, die sie über sich haben ergehen lassen, reicht dabei von Schmerzmitteln über Injektionen, Massagen, Einlagen bis zu Zahnbehandlungen und diversen alternativen Methoden. Doch nichts hat bisher wirklich geholfen. Die Beschwerden bleiben bestehen oder reduzieren sich vorübergehend, nur um nach einer Weile mit noch stärkerer Wucht zurückzukehren. Der quälende Schmerz zehrt am Körper und die Erfahrung, dass einem keiner weiterhelfen kann, an den Nerven. An diesem Punkt der Krankengeschichte ist die Diagnose »chronisch rückenkrank« oft Ausdruck eines doppelten Scheiterns. Therapeut und Patient resignieren, weil sie keine Aussicht auf Heilung sehen. Die einzige Hoffnung: dass die eine oder andere der genannten Maßnahmen die Beschwerden zumindest zeitweise lindert.

Chronifizierung

Manchen Behandlern ist das erschreckende Schlagwort Chronifizierung auch dienlich, um den Patienten schnellstmöglich eine Operation als Vorbeugungsmaßnahme zu empfehlen. Das widerspricht aber allen aktuellen Erkenntnissen der Schmerzforschung. Die NVL empfiehlt, falls die Beschwerden länger als zwölf Wochen trotz leitliniengerechter Versorgung anhalten und die Lebensqualität einschränken, die fachübergreifende ganzheitliche Behandlung oder Rehabilitation. Eigentlich liegt alles auf der Hand. Aber warum werden unspezifisch Rückenkranke dennoch oft nicht leitliniengerecht behandelt? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf das herrschende Gesundheitssystem.

Die erschütternde Realität der Rückenpatienten

Mit der Erfindung des Röntgenbildes etablierte sich eine mechanistische Denkweise, die davon ausgeht, dass jedem Rückenschmerz eine unfallbedingte oder degenerative Veränderung zugrunde liegen muss. Daran hat sich bis heute nichts geändert, die modernen bildgebenden Verfahren machen die Darstellung von anatomischen Schäden nur noch einfacher. Dieses mechanistische Verständnis von Rückeschmerzen führte zu der Auffassung, eine Operation sei das einzige Mittel zur dauerhaften Schmerzbeseitigung. Eine fatale Fehlannahme, aufgrund der die Operateure, eigentlich die letzten in der Behandlungskette, die Therapie vorgeben. Früher stand bei der Facharztausbildung Orthopädie die konservative Behandlung von Krankheiten am Bewegungsapparat im Fokus. Zudem konnte man sich unfallchirurgisch ausbilden lassen. Mittlerweile gibt es nur noch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die konservative Therapie ist aus dem begrifflichen Regelwerk verschwunden, der Schwerpunkt liegt auf dem operativen Teil.

Nicht zu schnell unters Messer

Dieses altmodische Rückenkonzept wird von einem Gesundheitssystem gestützt, das konservative Therapien finanziell »bestraft«: Ein Orthopäde erhält für die Behandlung eines akuten oder chronischen Rückenleidens im Durchschnitt 50 Euro im Quartal, also für drei Monate, ganz gleich, wie oft der Patient kommt. Im Vergleich dazu kostet eine Rückenoperation durchschnittlich 10 000 Euro.

Unser Medizinsystem hat es geschafft, den Betroffenen die wirklichen Verhältnisse über 50 Jahre zu verschleiern. Die meisten Menschen denken, dass ein Arzt für eine konservative Behandlung sehr viel Geld bekommt und sich doch so wenig Zeit dafür nimmt. In ihrer Wahrnehmung fließt viel Geld im ambulanten Bereich, ohne dass sie eine entsprechende Leistung bekommen. »Solange die Operation so bezahlt wird wie 30 konservative Behandlungsjahre, wird in Deutschland die OP-Lastigkeit bevorzugt«, so Prof. Niedhart, früherer Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.

OPs gegen den Schmerz?

Nach meinem Studium begann ich meine Facharztausbildung in der Orthopädie eines Wirbelsäulenzentrums in der Nähe von Stuttgart, in dem jährlich 3000 Menschen am Rücken operiert wurden. Ich wurde in meiner Ausbildung darauf trainiert, Rückenschmerzen »wegzuoperieren«. Im Lauf der Jahre, wenn meine Kollegen und ich die Ergebnisse der Operationen und den Heilungsverlauf überprüften, mussten wir uns eingestehen, dass wir vielen Patienten mit den Operationen nicht hatten helfen können und es einigen nach dem Eingriff schlechter ging als vorher.

Je mehr ein Rückenchirurg am Rücken arbeitet, je mehr Schrauben, Dübel und Prothesen er setzt, desto höher ist die Entlohnung. Jede zusätzlich versteifte Etage in der Wirbelsäule spült mehr Geld in die Kassen aller Beteiligten. Am lukrativsten sind in diesem Zusammenhang ältere Menschen, bei denen sich in den Bildern viele Befunde zeigen, auch wenn gar nicht alle Beschwerden auslösen. Würde ein Arzt rein nach den Bildbefunden vorgehen, müsste fast jeder über 70-Jährige operiert werden. Doch ohne Leiden ist jeder Befund nur eine Erkenntnis, aber noch keine Krankheit.

Die Deutschen sind »OP-Weltmeister« am Rücken, sie operieren (sehr) viel häufiger als Ärzte in England, Frankreich oder Italien.

Studien belegen: OPs wirken langfristig nicht besser

Bereits ab 1996 lieferte eine Zehn-Jahres-Studie der Harvard Medical School aufschlussreiche Ergebnisse. Insgesamt 507 Rückenpatienten mit Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen (siehe >), die einen konservativ behandelt, die anderen operiert, wurden ein, fünf, acht und zehn Jahre nach der Behandlung untersucht. Die Operierten fühlten sich im ersten bis vierten Jahr besser als die Nichtoperierten. Doch auf lange Sicht, also acht bis zehn Jahre nach dem Eingriff, war das nicht mehr so. Beide Gruppen fühlten sich gleich, was ihre Rückenbeschwerden anging. Knapp 19 Prozent der Bandscheibengruppe und jeder dritte der Spinalkanalstenosen-Patienten musste mindestens einmal nachoperiert werden.

Zum gleichen Ergebnis kam eine Zwei-Jahres-Studie des Leiden University Center in den Niederlanden. Man untersuchte insgesamt 283 Patienten, die seit sechs bis zwölf Wochen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls an Rückenschmerzen litten. Sie hatten starke Schmerzen, konnten kaum laufen, geschweige denn ihrer geregelten Arbeit nachgehen. Die Hälfte der Probanden erhielt eine konservative Behandlung, die eine Optimierung des persönlichen Schmerzmanagements und Physiotherapie einschloss, die andere Hälfte wurde etwa 14 Tage nach der Diagnose operiert. »Das wichtigste Ergebnis, das wir nicht erwartet hatten, war«, fasst Neurochirurg Dr. Wilco Peul die Ergebnisse zusammen, »dass sich die meisten Patienten aus der konservativ behandelten Gruppe ebenfalls schnell wieder erholten.« Ihr Heilungsprozess sei zwar etwas langsamer verlaufen, »aber bereits nach einem Jahr waren die Resultate beider Gruppen gleich. Sie unterschieden sich bereits nach drei beziehungsweise sechs Monaten nicht mehr so sehr.«

Was lässt sich daraus schließen? Ein operativer Eingriff kann anfänglich die Lebensqualität tatsächlich steigern, der Erfolg nimmt aber im Lauf der Zeit wieder ab. Operationen bringen also in den meisten Fällen nicht mehr als konservative Therapien.

Dennoch steigt die Zahl der OPs!

Zwischen 2007 und 2015 stieg Zahl der Wirbelsäulen-Operationen von 442 000 auf 775 000 pro Jahr. Ein Grund dafür ist ein neues Abrechnungssystem in Krankenhäusern. Das sogenannte DRG, eingeführt im Jahr 2004, rechnet die Kosten nicht mehr vorrangig nach Tagessätzen, sondern nach Fallzahlen ab. Je schneller ein Patient also das Krankenhaus nach einem chirurgischen Eingriff verlässt, desto höher der Gewinn.

Zudem hat Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern rund dreimal so viele Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner. So entsteht ein ungünstiger Anreiz für Operationen: Aufgrund der kürzeren Liegezeit stehen mehr Betten leer, die belegt werden müssen.

2020 beklagte die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft einen Rückgang von Wirbelsäulen-OPs um zehn Prozent. Während Corona wurde »nur« 735 000-mal an der Wirbelsäule operiert. Für Rücken-Geplagte ein Segen, denn 80 Prozent aller Rückenbeschwerden klingen innerhalb von sechs bis zwölf Wochen wieder ab.

Die nicht zufriedenstellend Operierten sind übrigens die schnellststeigende Gruppe der chronisch Rückenleidenden. Warum? Weil oft an der tatsächlichen Ursache der Beschwerden vorbeioperiert wird. Nicht selten sind, wie eine niederländische Studie aus dem Jahr 2023 bestätigt, sogar weitere Eingriffe nötig. Fachleute sprechen vom »Failed Back Surgery Syndrome« und meinen damit die Beschwerden, die sich nach einer erfolglosen Operation erneut einstellen oder sogar neu hinzukommen. Rund 40 Prozent der Patienten haben bereits kurz nach einer Rückenoperation trotz Verbesserung der OP-Bilder wieder Beschwerden und kehren innerhalb eines Jahres in die Therapie zurück. Natürlich gibt es Fälle, in denen man nicht um eine Operation herumkommt, zum Beispiel, wenn Nerven geschädigt wurden oder wenn sie abzusterben drohen. Das betrifft aber höchstens drei Prozent aller Wirbelsäulenleiden.

Abhängig vom Wohnort

Die Zahl der Rückenoperierten ist übrigens direkt proportional zur Zahl der Operateure in Ihrem Wohnort und zur Entfernung zur nächsten Klinik. Sie haben als Wirbelsäulenkranker also Glück, wenn Sie weit entfernt vom nächsten Rückenchirurgen wohnen. Allein in München gibt es über 170 niedergelassene Rücken-Operateure, das ist viermal so viel wie in den 1970er-Jahren. Auf dem flachen Land leiden die Menschen also nicht weniger an Rückenschmerzen, da wird nur weniger oft operiert. Die Indikation zu einer Operation ist letztlich von folgenden Faktoren mit abhängig:

der Dichte der Chirurgen im Wohngebiet;

der Anzahl der Krankenhäuser beziehungsweise der zu belegenden Betten;

der Entfernung des Krankenhauses vom jeweiligen Wohnort;

den Möglichkeiten der bildgebenden Verfahren, zu denen wir noch kommen.

ÄRZTE UNTERM MESSER?

Die Universität Heidelberg hat eine Umfrage unter 169 deutschen Orthopäden gemacht, um herauszufinden, ob sie sich, wenn man ihnen im Beschwerdefall zu einer von elf Standardoperationen riete, auch selbst unters Messer legen würden. Die Antworten werden Sie nach allem, was Sie bisher gelesen haben, nicht verblüffen: Nur 41 Prozent stimmten komplett zu. Und lediglich 17 Prozent würden aufgrund eines schweren Bandscheibenvorfalls einen Eingriff vornehmen lassen.

Auch hier regiert das Geld

Ein Arzt, der nach der NVL behandelt und sich im Zweifel mit Kollegen zur Beratung kurzschließt, würde letztlich wesentlich weniger verdienen als andere. Damit bestraft das Gesundheits- und Abrechnungssystem sowohl die Behandler, die sich an die Richtlinien halten, als auch die Patienten. Denn unter diesem finanziellen Druck werden die Rückenkranken, darunter immer mehr ganz junge, mit Horrorszenarien in eine Operation getrieben: Vom Damoklesschwert der Querschnittslähmung im Falle einer Verletzung oder eines Unfalls, über »Sie können keine Kinder bekommen«, drohende Inkontinenz, Stuhlverlust oder Impotenz werden alle Register gezogen. Das Ganze stets untermauert mit dramatischen Kernspinbildern, die vielleicht tatsächlich eine Verschleißerscheinung aufzeigen. Das ist logischerweise gerade bei Älteren häufig der Fall.

Das Fatale daran ist: Von den Patienten, die an einer anatomisch verursachten Rückenproblematik leiden, müssten tatsächlich nur 1 Prozent operiert werden, und zwar, wenn eine durch eine neurologische Untersuchung nachgewiesene Nervenschädigung vorliegt. Sagt Ihnen ein Operateur: »Das muss man operieren!«, lügt er streng genommen in 99 Prozent der Fälle. Eine Operation sollte immer die letzte und nicht die erste Behandlungsoption sein. Für Rückengeplagte bedeutet das zuallererst, sich genau zu überlegen, welches Leistungsspektrum der behandelnde Arzt bietet und wie sich die Diagnose dazu verhält. Wer als Erstes einen Operateur aufsucht, weiß eigentlich schon von vornherein, welches Angebot erfolgt.

DER ARZT HAT IHNEN ZU EINER OPERATION GERATEN?