Den Trost in allem finden. Auszüge aus dem »Handorakel und Kunst der Weltklugheit« - Baltasar Gracián - E-Book

Den Trost in allem finden. Auszüge aus dem »Handorakel und Kunst der Weltklugheit« E-Book

Gracián Baltasar

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Beschreibung

In Spaniens »Goldenem Zeitalter«, vor über 350 Jahren, entstand Graciáns Handorakel: scharfsinnige wie pragmatische Ansichten, gebündelt in Maximen, die zum Selbstdenken und zur Selbstüberprüfung herausfordern und einen Leitfaden für ein besseres Leben abgeben. Wie erlangt man breites Wissen, einen guten Geschmack? Wie geht man klug mit seinem Umfeld und seinen eigenen Leidenschaften um? Wie erlangt man Zufriedenheit? Der Band versammelt die wichtigsten und schönsten Aphorismen und Lehrsätze für unsere Zeit aus Hans Ulrich Gumbrechts gefeierter Neuübersetzung des Klassikers.

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Seitenzahl: 101

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Baltasar Gracián

Den Trost in allem finden

Auszüge aus dem Handorakel und Kunst der Weltklugheit

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Melanie Möller

Reclam

E-Book-Leseproben von einigen der beliebtesten Bände unserer Reihe [Was bedeutet das alles?] finden Sie hier zum kostenlosen Download.

 

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962152-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014278-3

www.reclam.de

Inhalt

Den Trost in allem finden

Zu dieser Ausgabe

Nachwort: Gracián mit Gumbrecht lesen

Den Trost in allem finden

1 Alles ist schon entfaltet, und das Person-Sein im höchsten Grad. Mehr wird heute von einem Einzigen als früher von sieben Weisen erwartet; und mehr braucht man in diesen Zeiten, um mit einem Menschen zurechtzukommen, als früher mit einem ganzen Volk.

 

2 Gemüt und Verstand. Die beiden Achsen, welche Fähigkeiten strahlen lassen; eine ohne die andere, halbes Glück. Verstehen reicht nicht, Gefühl wird begehrt. Unglück des Dummen, die Bestimmung in Gesellschaft, Beruf, Land, Alltag zu verfehlen.

 

3 Die Dinge im Unklaren lassen. Die Bewunderung der Neuheit ist Wertschätzung des Gelingens. Mit offenen Karten spielen ist weder nützlich noch angenehm. Nicht gleich deutlich werden schafft Anspannung, vor allem wo hoher beruflicher Status Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit ist; lass immer etwas Geheimnisvolles aufscheinen und löse mit solcher Unklarheit Verehrung aus; selbst wenn man sich zu verstehen gibt, ist Offenheit zu vermeiden, so wie auch im Umgang die inneren Gedanken nicht allen zugänglich werden sollen. Behutsames Schweigen ist der heilige Innenraum von Klugheit. Das angekündigte Vorhaben wurde nie geschätzt, eher der Verurteilung überlassen, und wenn es zu einem schlechten Ende führt, dann zweimal unglücklich. Göttliches Verhalten soll also nachgeahmt werden, um sich den Blicken und dem Warten auf Entbergung auszusetzen.

 

4 Das Wissen und der Mut schaffen Größe. Sie machen unsterblich, weil sie es sind. Jeder ist, so viel er weiß, und wer Wissen hat, dem gelingt alles. Ein Mensch ohne Kenntnisse, eine Welt im Dunkel. Einsicht und Kräfte, Augen und Hände; ohne Mut ist die Weisheit fruchtlos.

 

7 Siege über den Vorgesetzten vermeiden. Jeder Sieg ist verhasst, und der über seinen eigenen Herrn entweder töricht oder tödlich. Die Überlegenheit wurde schon immer verabscheut, und vor allem gegenüber Überlegenen. Gemeine Vorteile pflegt die Aufmerksamkeit zu verhehlen, so wie Nachlässigkeit die Schönheit überspielt. Gut wird es dem gehen, der sein Glück und seine Gemütseigenschaften zurücktreten lässt, aber niemand, schon gar nicht jemand, der in hohem Rang steht, tut dies mit seinem Verstand. Er ist die Königs-Eigenschaft, und daher war jedes Vergehen gegen ihn ein Majestätsverbrechen. Fürsten wollen auf höchster Ebene fürstlich sein. Sie lassen sich gerne helfen, aber nicht überbieten, und deswegen muss der Rat, den man ihnen gibt, eher wie eine Erinnerung an etwas Vergessenes wirken denn wie ein Verweis auf etwas ihnen nicht Zugängliches. Eine glückliche Anleitung dazu geben uns die Sterne, denn obwohl sie ihre Kinder sind, wagen sie sich nie an die Strahlen der Sonne heran.

 

8 Leidenschaftslos sein, Fähigkeit der höchsten Geistesgröße. Ihre Überlegenheit erlöst einen von der Unterwerfung unter gemeine Außeneindrücke. Keine größere Herrschaft gibt es als die über sich selbst, seine eigenen Affekte: sie wird zum Triumph des freien Willens. Und wenn die Leidenschaft schon das Persönliche beherrscht, darf sie sich nicht an das Amt wagen, umso weniger, desto höher es ist. Eine gebildete Haltung, um sich Enttäuschungen zu ersparen und sogar den Weg zum Ansehen abzukürzen.

 

11 Mit dem verkehren, von dem man lernen kann. Es soll der freundliche Verkehr Schule der Gelehrsamkeit sein und die Unterhaltung gebildeter Unterricht: so macht man seine Freunde zu Lehrern, während der Nutzen des Lernens und die Freude an der Unterhaltung einander durchdringen. Mit Leuten von Verstand lösen Genuss und Verstehen einander ab, indem das, was man sagt, den Beifall einbringt, den man bekommt, und das, was man hört, die Belehrung. Gewöhnlich führen uns eigene Ziele zu den anderen – und hier ganz besonders. Der Offene besucht die Häuser jenes Adels höfischer Helden, welche Bühnen der Heldenhaftigkeit statt Paläste der Eitelkeit sind. Es gibt für ihr gescheites Verhalten anerkannte Helden, die nicht nur als Vorbild und im Umgang zu Orakeln alles Großen werden, sondern zugleich durch ihr Gefolge zu einer hohen Akademie aller guten und eleganten Weltklugheit.

 

13 Aus Absicht handeln, manchmal aus der zweiten, manchmal aus der ersten. Eine Schlacht ist das Leben des Menschen gegen das Schlechte im Menschen. Es kämpft der Scharfsinn mit Strategien der Absicht: nie tut er das, was er vorgibt; er visiert ein Ziel nur an, um zu täuschen; er macht gekonnt aussehende Luftstreiche und tut, immer zu überspielen bemüht, das, woran niemand gedacht hat; eine Absicht lässt er sichtbar werden, um die rivalisierende Absicht zu binden, und kehrt ihr dann den Rücken, um durch das nicht Erwartete zu siegen. Doch aufmerksam kommt ihm durchdringende Intelligenz zuvor, lauert mit Reaktionen auf; versteht immer das Gegenteil von dem, was sie verstehen soll, und erfasst jegliche Täuschungsabsicht; sie lässt alle erste Absicht ins Leere laufen und wartet schon auf die zweite oder sogar auf die dritte. Wenn Verstellung ihre Kunst durchschaut sieht, wird sie stärker und versucht, mit der Wahrheit selbst zu täuschen; sie stellt ihr Spiel um, indem sie ihre List umstellt und das nicht Fingierte fingiert erscheinen lässt, also die Finte in der größten Aufrichtigkeit begründet. Auftritt die Beobachtung mit ihrem eigenen Scharfsinn und deckt die vom Licht verkleidete Finsternis auf; sie entziffert die Absicht, welche je einfacher desto arglistiger ist. In solcher Weise kämpft die hitzige Python gegen den Glanz von Apollos durchdringenden Strahlen.

 

15 Intelligenzen zur Hilfe haben. Glück der Mächtigen: sich mit Athleten des Verstandes umgeben, die ihnen aus durch Unwissen bedingten Schwierigkeiten helfen und für sie mit offenen Problemen streiten. Besondere Größe, sich der Weisen zu bedienen, und sie ragt über den gräulichen Geschmack des Tigranes hinaus, unterworfene Könige zu Dienern zu machen. Eine neue Form der Herrschaft im besten Sinn des Lebens: sich mit Geschick die zu Dienern machen, welche die Natur überlegen ausgestattet hat. Es gibt viel zu wissen und wenig zu leben, und ohne Wissen lebt man nicht wirklich. Ein einzigartiges Geschick ist es also, ohne Anstrengung zu lernen – und zwar viel von vielen, indem man von allen Wissen bezieht. Bei einer Versammlung redet man dann mit den Worten von vielen, aus dem Mund von all den Weisen, die einem vorausgingen, und gewinnt dank fremden Schweißes den Ruf, Orakel zu sein. Jene stellen zuerst die Vorlesung zusammen und dienen einem in den Quintessenzen des Wissens. Wem es aber nicht gegeben ist, sich das Wissen zum Diener zu machen, der pflege den Umgang mit ihm.

 

17 Den Ton beim Handeln abwechseln. Nicht immer auf dieselbe Weise, um so die Aufmerksamkeit vor allem derer zu blenden, mit denen man im Wettbewerb steht. Nicht immer beim ersten Versuch, dessen Gleichförmigkeit sie erfassen werden, um die Aktion zu konterkarieren und sogar zunichtezumachen. Leicht ist es, einen Vogel zu töten, wenn er geradeaus, aber nicht, wenn er in Bögen fliegt. Auch nicht immer beim zweiten Versuch, denn beim zweiten Mal verstehen sie die List. Die Bosheit wartet ab; es bedarf großer Raffiniertheit, sie zu täuschen. Nie spielt der Betrüger das Stück, mit dem sein Gegner rechnet, und schon gar nicht das, welches er sich wünscht.

 

20 Mann in seinem Jahrhundert. Die ganz besonderen Menschen hängen von den Zeiten ab. Nicht alle hatten die, welche sie verdienten, und vielen, die sie hatten, gelang es nicht, etwas aus ihr zu machen. Manche waren eines besseren Jahrhunderts würdig, nicht alles Gute setzt sich immer durch. Die Dinge haben ihren Moment, selbst das Vortreffliche gehört in einen Rahmen; doch das Weise hat ein Privileg: dass es ewig ist, und wenn dieses nicht sein Jahrhundert ist, es viele andere sein werden.

 

21 Die Kunst, Glück zu haben. Es gibt Regeln des Glücks, für den Weisen besteht es nicht nur aus Zufällen; es kann durch Bemühung befördert werden. Manche sind damit zufrieden, sich frohen Muts am Tor des Glücks einzufinden und darauf zu warten, dass es handelt. Besser tun andere, sie gehen weiter und vertrauen der klugen Kühnheit, die mit den Flügeln ihrer Tugend und ihres Muts das Glück erreichen und ihm wirksam schmeicheln kann. Aber philosophisch recht gesehen gibt es kein Ermessen als das der Tugend und Aufmerksamkeit, denn es gibt nicht mehr Glück oder Unglück als Klugheit oder Unklugheit.

 

22 Mann mit lobenswerten Kenntnissen. Ausrüstung der Gescheiten ist eine feine, elegante Gelehrsamkeit: ein praktisches Wissen von allem Geläufigen, eher das Bemerkenswerte als was in aller Munde ist; einen würzigen Vorrat witziger Redeweisen und eleganter Verhaltensformen haben und sie im rechten Moment zu gebrauchen wissen; oft klang ein Rat als Witzwort besser denn als schwerwiegende Belehrung. Wissen für Gespräche hat sich für manche besser bewährt als alle sieben freien Künste, so frei sie auch sein mögen.

 

23 Keinen Makel haben. Die notwendige Bedingung von Vollkommenheit. Wenige leben ohne Schwäche im Moralischen wie im Körperlichen und leiden sehr darunter, obwohl man sie leicht heilen kann. Es bedrückt die Weisheit, von außen zu sehen, wie ein winziger Fehler manchmal eine erhabene Vollständigkeit von Fähigkeiten beeinträchtigt, und eine Wolke reicht, um eine ganze Sonne zu verfinstern. Muttermale des Ansehens, welche die Missgunst bemerkt und auf die sie zurückkommt. Es wäre das höchste Geschick, sie in Glanzpunkte zu verwandeln. Auf diese Weise verstand es Cäsar, aus seinem körperlichen Gebrechen einen Lorbeer zu machen.

 

25 Gut verstehen. Einst war Nachdenken-Können die Kunst aller Künste; jetzt reicht es nicht mehr: man muss imstande sein, Dinge zu erahnen, besonders wenn es darum geht, Illusionen aufzulösen. Wer nicht gut versteht, kann nicht verständig sein. Es gibt Tiefengräber des Herzens und Luchse der Absichten. Die Wahrheiten, die uns am wichtigsten sind, werden immer nur zur Hälfte ausgesprochen; sie sollen von dem Aufmerksamen mit vollem Verständnis aufgenommen werden: im Angenehmen, die Gutgläubigkeit zügeln, im Abscheulichen, sie anspornen.

 

26 Für jeden die richtige Daumenschraube finden. Es ist die Kunst, den Willen anderer in Bewegung zu setzen. Eher aus Geschicklichkeit besteht sie als aus Entschlossenheit: das Wissen, wie man einem jedem beikommen kann. Es gibt keinen Willen ohne besondere Neigung, und sie ist je nach Geschmack eine andere. Alle haben ihre Götzen: manche die Wertschätzung, andere das eigene Interesse und die meisten das Vergnügen. Es geht darum, zum Zweck der Bestimmung anderer diese Götzen zu kennen, indem man für jeden den wirksamen Auslöser kennt, dann hat man gleichsam den Schlüssel zum Wollen der anderen. Man muss zum primären Impuls gehen, der nicht immer der höchste, meistens der niedrigste ist, weil die Menschen ohne Ordnung zahlreicher sind als die Untergeordneten. Man muss zuerst das Gemüt bearbeiten, danach das richtige Wort treffen, bei der Neigung angreifen, so setzt man unfehlbar den freien Willen matt.

 

27 Dem Innen mehr Aufmerksamkeit als dem Außen schenken. Die Vollkommenheit besteht nicht aus Quantität, sondern aus Qualität. Alles besonders Gute war immer wenig und selten; das Viele kommt Geringschätzung gleich. Selbst unter den Menschen sind die Riesen die wahren Zwerge. Manche schätzen die Bücher nach ihrem Umfang, als ob man sie schriebe, um die Arme statt den Verstand zu üben. Das Außen allein kam nie über das Mittelmaß hinaus; und es ist die Krankheit der Allgemeingebildeten, sich nirgends auszukennen, weil sie sich überall auskennen wollen. Das Innen gibt Vorzüglichkeit, und es ist heldenhaft, wenn es um Erhabenes geht.

 

29 Rechtschaffener Mensch.