Der 40. Hochzeitstag - Selma Ulrich - E-Book

Der 40. Hochzeitstag E-Book

Selma Ulrich

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Beschreibung

Ausgerechnet am 40. Hochzeitstag lässt Heidi die Bombe platzen, die sie seit langem vorbereitet hat, während Kuno sich ahnungslos von seiner besten Seite zeigen will und den Tag nach seinen Plänen vorbereitet. Zu seinem Leidwesen muss er erkennen, dass er selbst großen Anteil am Geschehen hat, und erträgt dies nur im Beisein des Alkohols, der in seinem Körper mehr als Blut vorhanden ist …

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Seitenzahl: 318

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© 2023 Selma Ulrich

ISBN Softcover: 978-3-347-89093-0

ISBN E-Book: 978-3-347-89094-7

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926

Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Selma Ulrich

Der 40. Hochzeitstag

Diesem Roman liegt eine wahre

Geschichte zugrunde.

Es handelt sich um eine sich durch

Inspiration sowie künstlerische Freiheit

ergebende Mixtur von Wahrheit und

Fiktion, bei der die handelnden Personen

insofern verfremdet wurden, dass ein

persönlicher Bezug entfällt.

Inhalt

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Der 40. Hochzeitstag

Cover

Urheberrechte

Titelblatt

Kapitel 1

Kapiel 24

Der 40. Hochzeitstag

Cover

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Der Wecker muss heute nicht klingeln, ich bin vorher hellwach, denn heute ist DER Tag. Die Sonne scheint ins Zimmer, das hebt meine Laune zusätzlich. Was bin ich aufgeregt; hoffentlich nicht zu sehr, dass ich deshalb noch etwas von meinem Plan vergesse, das darf besonders heute nicht passieren. Es ist noch still im Haus, so soll es auch bleiben.

Unglaublich, ich kann es selbst kaum fassen, wo die Zeit hin ist. Damals war ich noch so jung – und Heidi erst – sie ist ja noch gut fünf Jahre jünger als ich. Manchmal kommt es mir vor, als wenn es erst letzte Woche gewesen wäre, dass wir uns ein gemeinsames Leben versprochen haben.

Es ist nicht so, dass ich vierzig Jahre genau auf diesen Tag hingearbeitet hätte – nein. Wie hätte ich wissen sollen, dass ich so lange mit Heidi glücklich sein würde? Oder besser gesagt, sie mit mir. Gewünscht habe ich es mir natürlich, sogar sehr. Wenn es nach meinen Wünschen geht, sollen noch mindestens vierzig dazukommen.

Wenn ich so überlege, bin ich selbstverständlich davon ausgegangen – wie kann ich nur daran zweifeln? Wenn man heiratet, soll es im besten Fall für immer sein.

Es war mein absolutes Glück, dass die Ehe, die sie einige Jahre zuvor mit einem anderen schloss, nicht für immer gehalten hat; sie währte nur zweieinhalb Jahre.

Und dann sagt man kurz »Ja«, und schwuppdiwupp sind vierzig Jahre herum. Das sind vierzehntausendsechshundert Tage, wenn man die Schalttage außer Acht lässt. Oder auch dreihundertfünfzigtausendvierhundert Stunden, die wir mehr oder weniger gemeinsam verbracht haben; ich war am Anfang ja berufstätig, sie kümmerte sich um den Nachwuchs, aber in Gedanken waren wir auch da beisammen. Jetzt sind wir beide Rentner. Heidi noch nicht ganz, sie hat seit einiger Zeit einen kleinen Job, der unser Einkommen etwas aufbessert, nachdem ich nichts mehr dazu beitragen kann.

Rentner. Was für eine Bezeichnung für uns rüstiges Ehepaar. Dass mal hier und da die Knochen schmerzen, ist in dem Alter doch normal. Man ist doch immer so jung wie man sich fühlt, und ich fühle mich noch jung, auch wenn mir Treppensteigen immer mehr zur Last fällt und der Rücken öfter zickt.

Ich kann mit Sicherheit behaupten, noch stets mit Heidi glücklich zu sein und gehe sehr davon aus, dass es andersherum auch so ist, sonst wäre sie nicht mehr bei mir. Sie war von Anfang an meine absolute Traumfrau; sie ist es immer noch, und das, je länger wir zusammen sind.

Dass ich überhaupt eine Frau abbekommen habe, haha, und dann noch die hübscheste von allen, war für mich lange nicht verständlich. Der Herr oben musste mich wohl doch gut leiden können, als er mir Heidi ins Leben schickte.

Als ich ihr den Antrag machte, damals, vor dieser unglaublich langen Zeit, da sagte ich nicht die üblichen Worte, nein – das war mir zu gewöhnlich; sie ist schließlich keine gewöhnliche Frau. Ach, was hatte ich lange Zeit überlegt, wie es am besten sein sollte, und wie ich mich vorbereiten konnte, das hatte mich fast verrückt gemacht.

Ich lud sie zu einer Runde um den See ein, nahm allen Mut zusammen, bevor ich vor weiterer Nervosität einen Herzkasper bekommen hätte, kniete mich blitzschnell, um den Moment nicht zu verpassen, vor sie hin, und fragte: »Liebste Heidi, bevor ich meine Worte vergesse, möchte ich dich fragen: Willst du mit mir alt werden?« Ich hatte extra aufgepasst, nicht zu nuscheln oder mich zu verhaspeln, weil mein Herz so bebte, dann konnte das schon mal passieren, doch sie hatte mich offenbar gut verstanden. Ihre Reaktion war nicht das, was man als überschwänglich bezeichnen könnte, vermutlich weil sie so überrascht und davon angetan war, dann hatte sie mich doch umarmt, geküsst und »Ja, klar« in mein Ohr gehaucht. Ich bekam Gänsehaut und hatte das Gefühl, vor Freude zu platzen, was zum Glück nicht geschah; dann hätten wir beide von unserer Freude nichts mitbekommen. Sie sagte mir später, ich hätte einen hochroten Kopf gehabt, was ich ihr auf jeden Fall glaube. Wäre ich geplatzt, hätte es ein Blutbad gegeben, und keine Hochzeit, die bis heute Gültigkeit hat.

Juchu!

Ja, natürlich denke ich oft daran, wie sie bis vor einigen Jahren neben mir aufgewacht ist. Sie war immer vor mir wach. Wir haben uns einen Kuss gegeben, uns einen guten Morgen gewünscht, dann stand sie auf, und ich drehte mich nochmal um. Eine halbe Stunde später weckte sie mich. Nicht unbedingt zärtlich und so, wie ich es mir gewünscht hätte, das war lange vorbei, sie stand nur im Türrahmen, fertig angezogen und schön wie ein Frühlingstag; um sie herum schienen Schmetterlinge zu flattern, auch im Winter. »Frühstück ist gleich fertig«, sagte sie, bevor ich aus dem Bett taumelte und mich im Bad tagestauglich herrichtete. Mein verschlafenes Gesicht habe ich ihr niemals am Frühstückstisch zugemutet; es im Spiegel anzusehen fällt mir ja schon schwer.

Es ist wunderschön, mit ihr den Tag zu beginnen.

An ihren Geburtstagen und all unseren Hochzeitstagen begann er andersherum, so wie heute.

2

Seit Wochen schon bin ich richtig aufgeregt. Je näher der Tag rückte, desto mehr habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine Heidi am besten überraschen kann. Sie ist im Grunde genügsam, aber manchmal hat sie auch Wünsche, wie Frauen sie eben haben, da hätte sie gerne ein schönes Schmuckstück, ein neues Kleid oder eine hübsche Handtasche. Immer habe ich ihre Wünsche respektiert und zum Geburtstag oder zu Weihnachten umgesetzt, was sie immer sehr erfreut hat. Dabei war ihr unverkennbar der Stolz anzusehen, dass ich mir Hinweise, die sie mir irgendwann gab, gemerkt hatte. Das erfreut dann auch mich, klar. Ich hab es gerne, wenn sie sich freut. Sie achtet stets darauf, mit ihren Wünschen einen bestimmten finanziellen Rahmen einzuhalten, so muss es auch sein. Da sind wir ein perfektes Team.

Für mich hatte sie auch schöne Dinge zu unseren Feiertagen parat, obwohl ich eigentlich wunschlos glücklich und rundum zufrieden bin, wenn sie nur da ist. Es ist aber klar, dass sie nicht mit leeren Händen dastehen will, so freue ich mich trotzdem über alles, was sie mir schenkt; meistens ein hübsches Hemd, ein tolles After Shave, wobei die im Fernsehen immer eine berauschende Wirkung auf Frauen haben, was bei Heidi nicht so wirkt, wie mir scheint. Oder die neue Armbanduhr. Diese hier hat sie mir zum Siebzigsten geschenkt letztes Jahr. Es ist die goldene Uhr ihres verstorbenen Vaters, die sie reparieren und neu herrichten ließ. Es ist mir eine besondere Ehre, sie weitertragen zu dürfen. Nachdem er drei Jahre zuvor verstarb, lag sie in einer Schachtel im Schrank. Dass ich sie bekommen habe, ist ein großer Liebesbeweis, auf den ich sehr stolz bin.

Das schönste Geschenk von allen aber ist die Zeit, die sie mir schenkt.

Es gibt so viele Ehepaare, die seit Ewigkeiten zusammen sind, die sich nicht mehr respektieren und das auch nach außen tragen. Da spricht der Mann von seiner »Alten« und die Frau von ihrem »ollen Tattergreis« - alles schon gehört. So ist das bei uns nicht. Ich würde niemals abfällig über sie reden, und ein Tattergreis bin ich noch lange nicht.

Nun, ab und zu denke ich doch ein wenig anders über sie, als es sein sollte, das möge der Herr mir verzeihen, dann nämlich, wenn sie mir sagt, was ich ihrer Meinung nach tun soll oder muss. Dann denke ich manchmal, dass sie mir doch mit ihren Dingen den Buckel runterrutschen kann, ja, genau das denke ich, aber ich sage es nicht. Niemals schimpfe ich sie auch nur in Gedanken als Alte, da denke ich nichts Derartiges. Es würde auch überhaupt nicht zu ihr passen.

Ach, ich will doch bei der Wahrheit bleiben, manchmal beschimpfe ich sie gedanklich als Putzhexe, aber ich meine das nur liebevoll, na ja, bis auf wenige Ausnahmen. Mir passieren eben ab und zu kleine Missgeschicke, zum Beispiel, nachdem ich mit dem Kochen fertig bin, vergesse ich, die Spritzer von den Fliesen abzuwischen, und schon mal morgens mit der Kaffeemaschine, mit der ich auf Kriegsfuß stehe, seit wir sie haben. Die vorherige war viel besser, daran muss ich immer denken. Die Filtermechanik der jetzigen ist völlig untauglich. Wenn es nicht »klickt«, rastet der Filter nicht ein und der Kaffee läuft neben die Kanne und nicht hinein. Natürlich ist das ärgerlich, besonders für mich als Verursacher. Dabei achte ich immer genau darauf, dass es klickt, manchmal aber klickt es einfach nicht, obwohl das Ding zu ist. Es kann auch sein, dass ich es nicht höre. Ich mache es trotzdem mit allergrößter Sorgfalt und gehe davon aus, dass das Ding da ist, wo es hingehört, und manchmal passiert dann das Malheur.

Warum Heidi keine andere Maschine haben will, weiß ich nicht, denn damit wäre das Problem gelöst. Ich denke, wenn es mal ein gutes Angebot gibt, werde ich einfach eine neue Maschine vom Einkauf mitbringen. Dem kann sie nicht widersprechen. Am Ende wird sie sich darüber freuen und froh sein, dass ich mitgedacht habe; denn genau das nicht zu tun wirft sie mir öfter mal vor. Papperlapapp.

Jedenfalls ist es in diesen Fällen die Kaffee-Spur, die sich oft bis in die Besteckschublade fortbewegt hat, weil ich ins Bad gehe, nachdem ich die Maschine angestellt habe, und die ich danach nicht gut genug wegputze, wie Heidi sagt. Ich sehe es eben nicht so gut, ob mit oder ohne Brille. Dann schimpft sie fürchterlich, dass sie doch alles wieder selbst machen muss, weil ich das nicht richtig mache, dass es aber auch immer dasselbe ist mit mir, und so weiter – dann lasse ich sie das selbst machen, weil sie es im Grunde auch selbst wegmachen will, damit sie sich der perfekten Sauberkeit sicher sein kann. So ist sie schnell wieder glücklich und ich somit auch.

Apropos Brille, ich müsste mich doch mal wieder untersuchen lassen, es könnte sein, dass ich eine neue Stärke brauche, denn fast täglich mault Heidi mich wegen meiner Haare an, die ich nach der Rasur im Waschbecken angeblich hinterlasse. Dabei reinige ich das alles, so gut ich eben kann.

Gut, manchmal, wirklich selten, vergesse ich es tatsächlich. Dann ist Heidis Schimpfen berechtigt. Aber die anderen Male … ach, vergessen wir´s. Ich rege mich doch auch nicht auf, wenn ich die vielen Töpfchen und Tiegelchen sehe, die sie im Bad hortet, neuerdings mit unendlich vielen neuen Nagellacken, davon hatte sie früher höchstens zwei. Nun stehen ganz viele Farben da, die sie auch regelmäßig nutzt, was sie früher auch nicht gemacht hat. Könnte das damit zu tun haben, dass sie nun im Alter wieder Dinge so macht, wie sie sie in ihrer Jugendzeit gemacht hat, um der ankommenden Alterung entgegenzuwirken? Ich glaube, das mal irgendwo gehört zu haben und könnte es mir sehr gut vorstellen. Altern ist für niemanden ein Zuckerschlecken, da ist sie keine Ausnahme.

Als Mann lernt man nicht so das Putzen, sondern andere Dinge, die einen Mann ausmachen. Putzen und Waschen sind die Dinge, die Frauen tun und das von ihrer Mutter auch so beigebracht bekommen. Männer lernen eher technische Dinge, und Autofahren. Das mache ich leidenschaftlich gerne. Heidi ist im Besitz eines Führerscheins, aber gefahren ist sie nach ihrer Prüfung vor etlichen Jahrzehnten nicht mehr. Sie wollte es versuchen, aber das ist lange her. Das war vergebene Liebesmüh. Sie verstand nichts davon, war viel zu lange raus aus der Sache. Aber das macht nichts, meine Fahrpraxis reicht locker für sie mit, da macht mir keiner etwas vor. Es sind aber auch ständig so viele Idioten unterwegs, die mir auf die Nerven gehen, dann muss ich meinen Ärger herauslassen und verwende dazu oft sehr böse oder nicht jugendfreie Worte. Mal Hand aufs Herz: Wer macht das nicht? Es passt ihr nicht, wenn sie neben mir sitzt, dann schimpft sie mich wie ein Rohrspatz aus, weil ich über die anderen schimpfe; ich schimpfe dann auch noch über sie, weil sie mich ausschimpft und den Grund meines Schimpfens nicht erkennt.

Genauso verhalte ich mich, wenn ich allein unterwegs bin. Im Ernst: Sieht sie denn nicht, wenn andere ungehobelt fahren, als hätten sie ihren Führerschein im Lotto gewonnen? Manche fahren, als hätten sie nie eine Fahrschule von innen gesehen. Ist doch klar, dass sie vom Autofahren keine Ahnung hat und mit diesem verrückten Verkehr selbst niemals klarkäme; daher danke ich dem Herrn, dass sie das Fahren mir überlässt. Wenn ich diese Bekloppten sehe, kann ich nicht an mich halten und werde das nicht ändern, nur weil es ihr nicht passt. Am liebsten würde ich dann das Fenster öffnen und dem Verursacher meiner Verärgerung meine Meinung in den passenden Worten an den Kopf werfen, damit die sich ihrem falschen Fahrverhalten bewusstwerden, aber das mache ich nicht; ich mache mich deswegen nicht öffentlich zum Affen, das wäre nicht gut, auch nicht vor Heidi. Mir reicht es, wenn ich meine Wut und Verärgerung gegen die Windschutzscheibe knallen kann. Ich bilde mir ein, dass die Wirkung meiner Worte den Weg durch die Scheibe schon finden wird. Wenn Heidi selbst fahren würde, würde sie mich verstehen. Aber sie sitzt ja nur als Beifahrerin da und ist mit ihren Gedanken schon im Laden bei ihren Einkäufen oder, wie seit einiger Zeit, andauernd mit dem Handy beschäftigt, wohingegen ich mich konzentriert durch den Verkehr schlängeln muss, damit wir sicher ankommen. Sie kann es nicht nachvollziehen und interessiert sich nicht einmal dafür.

Ja, ich fahre lieber allein, muss ich zugeben.

Ach ja, es ist manchmal nicht einfach, aber ich nehme das Leben eben, wie es ist. Ohne Heidi würde ich etwas vermissen. Es ist aber inzwischen auch so, dass sie sich weiterentwickelt hat. Früher hatte sie irgendwelche Ängste, allein in eine Bahn zu steigen. Ich muss zugeben, und das sagte ich ihr auch kürzlich, dass ich mich etwas mehr um sie hätte kümmern müssen. Vielleicht hätte ich mehr Geduld haben müssen, als sie versucht hatte, nach all den Jahren wieder Auto zu fahren. Oder ich hätte mit ihr einige Bahnfahrten machen müssen, damit sie sich daran gewöhnt. Ach ja, hätte, hätte – Fahrradkette, ich mache eben andere Dinge lieber als die, wo ich schon im Vorfeld weiß, dass sie nichts bringen.

Manchmal regeln sich Dinge auch von allein. Seit sie den Putzjob hat, hat sie gelernt, das zu bewältigen. Anfangs ist Rieke schon mal mitgefahren, irgendwann schaffte sie es allein. Heidi fährt überall hin, auch zu Katja, das ist alles kein Problem mehr. Das freut mich sehr. Natürlich fahr ich sie gerne dorthin, dann weiß ich sicher, dass sie gut ankommt. Wenn sie öffentlich unterwegs ist, weiß man das ja nie. Ich fühle mich etwas unwohl dann, weil es auch für mich eine Herausforderung ist, allein zu bleiben. Aber auch das habe ich inzwischen gelernt.

Wenn man so lange zusammenlebt, Tag und Nacht verbringt, braucht es etwas, bis man allein zurechtkommt, das ist doch normal. Man gewöhnt sich nicht nur aneinander, sondern auch an die Dinge, die der jeweils andere macht, die man dann eben allein bewerkstelligen muss.

Gewöhnlich läuft der Fernseher bei uns schon am frühen Morgen, wobei er meistens einfach nur läuft, während wir etwas anderes tun, als zuzusehen, dabei jedoch das Wichtigste mitbekommen.

Ich, zum Beispiel, studiere nach dem Frühstück intensiv die Zeitung, während Heidi sich die Haare färbt oder sonst irgendetwas im Bad erledigt, dabei stört mich der Fernseher nicht. Ich kann lesen und gleichzeitig zuhören. Das nennt man doch Multitasking oder so ähnlich, wenn ich mich nicht irre, das kann ich gut. Das kann längst nicht jeder Mann, wie ich mal hörte, erst recht nicht in meinem Alter, darauf bin ich sehr stolz. Das sage ich Heidi öfter, doch es scheint sie nicht wirklich zu interessieren.

Nachmittags sieht sie beim Bügeln ihre Serien. Der Nachmittag zieht sich manchmal schon dahin; sie zieht sich entweder in ihr Zimmer zurück zum Lesen oder um ein Nickerchen zu machen, manchmal turnt sie ein bisschen herum.

Gegen halb sechs beginne ich mit dem Kochen, um pünktlich um halb sieben fertig zu sein. Wir schauen die Nachrichten beim Essen, studieren danach gemeinsam die Programmzeitschrift und haben eine tägliche Verabredung, nachdem wir uns für eine Sendung entschieden haben. Wir sind nicht immer einer Meinung, aber das kommt selten vor. In diesen Fällen geht Heidi in ihr Zimmer und schaut dort, was sie sehen will. Oft nimmt sie den Computer mit, um sich etwas im Internet anzusehen, was auch immer das ist. In der letzten Zeit hat sie das fast täglich gemacht. Meistens aber schauen wir etwas zusammen. Gleichzeitig spielt sie mit ihrem Handy herum, was mich zugegebenermaßen stört, oft gar aufregt, weil sie doch vom Film nichts mitbekommen kann, und weil ich kaum nachvollziehen kann, was und wem sie alles zu schreiben hat. Sie sagt, sie schreibt sehr viel mit ihren Freundinnen, die alle weiter weg wohnen, sonst würde sie sich öfter mit ihnen treffen. Früher haben sie sich Briefe geschrieben alle paar Wochen, daran kann ich mich noch gut erinnern. Daher ist das Schreiben der Handy-Nachrichten unerlässlich, um die Freundschaften zu erhalten, was ich wiederum einsehe. Auch, wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie es ist, Freundschaften über so lange Zeit zu haben, frage ich mich, warum das ausgerechnet immer abends passieren muss, wenn wir einen Film sehen, das kapiere ich nicht. Dazu hat sie doch nachmittags genug Zeit.

Ich weiß, dass ihre Freundin Tine gut dreihundert Kilometer entfernt wohnt, Lisa lebt sogar fast fünfhundert Kilometer weg; so hat sie mit ihrem Handy einen guten Draht zu allen hin. Na ja, vielleicht haben die auch am Nachmittag keine Zeit, sie sagt mir nichts dazu.

Besucht haben sie sich auch schon, aber das ist länger her. Tine kommt jedes Jahr für ein Wochenende, an Lisa kann ich mich kaum noch erinnern, aber sie war auch schon da. Im letzten Jahr hat Heidi sie besucht. Die Fahrgelegenheit, die sie hatte, ist mir bis heute suspekt, aber ich versuche, nicht mehr so oft daran zu denken.

Wir haben Lisa auch schon mal gemeinsam besucht, das ist viele Jahre her. Da ich nicht gerne lange Strecken fahre, weil sie mir einfach zu lang sind und der Sprit zu teuer ist, sind solche Besuche eher selten.

Weitere Gründe sind Erna und Bert, unsere beiden Landschildkröten, die bereits seit fast zwanzig Jahren bei uns leben. Wer sollte sie versorgen, wenn wir länger weg sind? Um das sicherzustellen, sind wir lieber daheimgeblieben.

Heidi und ihre Freundinnen telefonieren auch schon mal. Ja, zugegeben, ich habe es nicht gerne, dass es meistens genau dann passiert, wenn ich nicht da bin. Natürlich vertraue ich meiner Heidi, und doch hat man doch schon mal in TV-Sendungen gesehen, dass bei Gesprächen mit der Freundin kein gutes Haar am Ehemann gelassen wird. Nicht, dass ich da Bedenken hätte, obwohl … nein, dazu hat sie keinen Grund. Trotzdem weiß ich immer gerne, worüber gesprochen wird. Manchmal kommt es vor, dass Heidi noch telefoniert, wenn ich heimkomme. Es geht dann um eher belanglose Dinge, meistens um die Enkel. Die haben ihre Freundinnen auch, und da tauscht man sich als Großmutter auch gerne mal drüber aus, kann ich nachvollziehen. Bin ich vielleicht zu neugierig?

Nein, ich denke, das ist doch nur normal.

Es dauert nie lange, bis ich abends auf dem Sofa einschlafe. Darüber beschwert Heidi sich dann oft, ich kann aber da nichts für. Sie sagt, sie kann es nicht mit ansehen, wie ich da hänge und schnarche; es ist aber so, dass ich mit Interesse den Anfang eines Films sehe, und dann wird das immer weniger, dafür die Müdigkeit mehr. Dann sinkt mein Kopf nach vorne, mir ist alles egal und ich schlafe selig.

Wie ich nur so schlafen kann, fragt sie mich dann, und ich antworte, dass ich das nicht weiß, aber mich das auch nicht interessiert, weil ich eben auf diese Weise wunderbar schlafen kann.

Bei den Sendungen, die ich noch mitbekomme, geht es mir schon auf die Nerven, dass in fast jedem Film jeder mit jedem eine Affäre hat, immer jemand betrogen wird und hinterher das Geschrei groß ist. Manchmal passiert ein Mord aus genau diesem Grund, sogar im echten Leben, wie ich oft der Zeitung oder dem TV entnehme, wo zudem Eifersucht schon mal Thema in einer Sendung ungeklärter Kriminalfälle ist, die wir gerne verfolgen.

Ich frage mich dann, ob das wirklich sein muss. Hat die Welt sich so verändert, dass es heutzutage als Normalität gilt, sein Liebesglück außerhalb der heimischen Beine zu suchen? Oder auch Arme, oder Lippen – es ist mir egal, es nervt mich einfach, dass Fremdgehen fast täglich im Fernsehen das scheinbar beliebteste Thema ist. Manchmal denke ich tatsächlich, dass Zuschauer sich beim Zusehen erst über ihr eheliches Unglücklichsein bewusst und so auf Ideen gebracht werden, auf die sie sonst nie kommen würden. So ist es doch? Immer sind es junge hübsche Damen, mit denen die in die Jahre gekommene Ehefrau betrogen wird, selbstverständlich auch andersherum, wo die reifere Ehefrau sich einen jüngeren Liebhaber nimmt. Und da, denke ich, kann das wie ein Appetithäppchen wirken, über das besonders der männliche Fernsehzuschauer bei den jungen hübschen Damen immer mehr geneigt ist, nachzudenken. Manchmal dann mit gewissen Konsequenzen. Ich weiß, wovon ich rede, ich bin ja auch ein Mann. Hin und wieder muss ich mir solch seltsame Gedankengänge eingestehen, die ich schnell wieder verwerfe, und das nicht nur aus dem Grund, weil ich mörderische Absichten vermeiden möchte, nein, sie tun mir nicht gut. Sie zu vermeiden aber ist sehr schwierig.

Es liegt daran, dass Heidi mit ihren vierundsechzig Jahren noch so richtig gut aussieht und sich auch entsprechend kleidet, manchmal für meine Begriffe etwas zu hübsch, aber es passt alles zu ihr, keine Frage. Bloß mache ich mir Sorgen dahingehend, weil es mir gefällt, wie sie sich herrichtet, es aber auch garantiert anderen Männern gefallen könnte. Solange sie ihr nur nachsehen, ist es mir gleich, das gefällt ihr sicherlich; da muss ich lernen, an mich zu halten.

Wenn das Interesse meiner Artgenossen deutlicher ist und ich davon etwas mitbekomme, kann ich jedoch zum wilden Tier werden. Ich weiß als Mann sehr genau, was sich bei anderen Männern in diesen Momenten in ihren Gehirnwindungen abspielt, oder eher in Regionen unter der Gürtellinie. Heidi zielt es nicht darauf ab, wenn sie sich hübsch herrichtet, das weiß ich; sie will sich selbst gefallen, und das verstehe ich auch, das hat sie schon immer so gemacht. Im Fernsehen und in Zeitschriften wird ja immerzu der neueste Mode- und Schminktrend vorgestellt, da soll sie gerne mitziehen. Sie muss sich auch nicht extra hässlich machen, aber was soll ich tun? Als Mann mit einer hinreißend aussehenden Ehefrau bin ich Gefangener meines eigenen Daseins. Egal, was sie trägt, ich sehe sie in allem gerne. Nun ja, ab und zu habe ich tatsächlich einen Anflug von Erregtheit gespürt, der in meiner Bewunderung für sie wieder unterging.

Ein Grund meiner unliebsamen Gedanken könnte sein, dass uns in unserer langen Gemeinsamkeit die Sache mit den ehelichen Pflichten abhandengekommen ist, das passiert eben mit zunehmendem Alter. Vorher noch Feuer und Flamme, und plötzlich macht es Peng, und alles löst sich in Luft auf.

Selbst das ist für sie kein Grund, mich zu verlassen, warum auch, immerhin war ihre Krankheit der Auslöser dafür, damit fing die Auszeit an, die bis heute andauert. Dennoch darf ich ruhig stolz sein, eine ansonsten noch immer intakte Ehe zu führen. Wenn ich einen guten Freund hätte, würde ich ihm von meinem Stolz, vierzig Jahre mit derselben Frau geschafft zu haben, berichten, würde mit ihm einen heben gehen. Natürlich erst, nachdem ich mit Heidi gefeiert hätte.

Aber ich habe keinen besten Freund und hatte noch nie einen. Ein paar wenige Freunde habe ich erst, seit ich Heidi kenne. Dafür aber habe ich alles im Griff, was das gemeinsame Zusammenleben betrifft. Ich kümmere mich täglich um das leibliche Wohl, was üblicherweise der Ehefrau zufällt, kaufe ein, koche mit einer Leidenschaft, die ich bei den Fernsehköchen nicht entdecke, hebe vorausschauend die Füße, wenn der Staubsauger mit Heidi am Steuer angedüst kommt. Von ihr höre ich dann lediglich ein kurzes »Danke«. Immerhin etwas, wobei mir ein bisschen mehr Lob für meine alltäglichen Aktivitäten schon gefallen würde, das ist für Männer meiner Altersklasse nicht selbstverständlich, würde ich sagen.

Zweimal die Woche schleppe ich die Einkäufe in den ersten Stock, an die Hilfe des Aufzuges denke ich gerade nicht, der ist dauerkaputt. Dass mein Rückenleiden vielleicht auch daher kommen könnte, bedenkt Heidi nicht, wenn sie hinterher mit schrägem Blick die Taschen auspackt und nicht alles darin vorfindet, was sie aufgeschrieben hatte. Dann folgen regelmäßig Diskussionen, bei denen ich alle Mühe habe, meinen Standpunkt verständlich zu machen, warum ich die grün verpackte Butter statt der blauen mitgebracht habe, oder wie ich den Senf vergessen konnte, während ich an den Wein gedacht habe, der nicht auf der Einkaufsliste stand. Dann muss sie eben selbst mitkommen, sage ich ihr jedes Mal, aber das macht sie nur, wenn sie etwas Bestimmtes benötigt, dass ich ihrer Meinung nach auf keinen Fall finden kann. Sie sagt, dass sie meine Abwesenheit nutzt, um sauberzumachen. Das verstehe ich, aber dann darf sie sich danach nicht beschweren.

Trotzdem liebe ich sie wie eh und je, weil sie treu an meiner Seite ist, ganz gleich, was vorgefallen ist. Man könnte nun denken, nach so vielen Jahren ist es doch selbstverständlich, dass man die Ehefrau noch liebt, doch das sehe ich anders. Viele Ehen schaffen nicht einmal fünf Jahre oder zehn, geschweige dann vierzig; das macht uns schon besonders. Wir gehen durch Dick und Dünn, durch gute und schlechte Zeiten. So richtig schlechte hatten wir aber noch nie. Na ja, kommt darauf an, was man unter schlechten Zeiten versteht. Der berühmte Haussegen hängt schon öfter mal schief, aber in welcher Ehe nicht? Es gibt doch überall Reibereien, das weiß man doch. Deswegen schmeißt man doch keine Ehe weg, nein. Man hält trotzdem zusammen, auch wenn es inzwischen nicht mehr so viel zu reden gibt zwischen uns und außerhalb dieser kleinen Zwistigkeiten überwiegend Schweigen herrscht.

Vielleicht sogar schweißen Meinungsverschiedenheiten sogar zusammen? Irgendetwas in dieser Art wird es bei uns sein, es ist mir auch gleich, Hauptsache, wir sind zusammen.

Das, was man im Allgemeinen Liebe nennt, verändert sich ja auch im Laufe der Jahrzehnte, und wenn es davon schon vier an der Zahl sind, erst recht. Unsere Liebe ist nicht mehr so wie früher, aber sie ist noch da, eben nur anders. Sie hat sich mit uns mit verändert. Sie ist tiefer geworden. Es geht gar nicht mehr anders, als dass wir zusammen sind. Eine Ehe wie unsere gibt einfach Sicherheit.

Die Sicherheit, sich beim anderen immer gut aufgehoben zu wissen, umsorgt zu werden und sich aufeinander verlassen zu können. So ist es bei uns.

Vielleicht nicht jeden Tag … aber das erwähnte ich ja schon.

Des Weiteren gibt es bei uns die Sicherheit, niemals, wirklich niemals einen Hochzeitstag zu vergessen; das ist weder ihr noch mir jemals passiert. Darauf bin ich sehr stolz. Es soll tatsächlich Ehemänner geben, die diesen Tag vergessen – ich nicht. Ich kann gar nicht verstehen, wie man so einen Tag überhaupt vergessen kann. Erklären kann ich es mir nur damit, dass eben das Eheverhältnis nicht mehr wie gewünscht ist, da ist dann so eine Erinnerung schnell weg. Aber nicht bei mir. Dank meiner großen Aufmerksamkeit bekomme ich jeden ihrer versteckten Hinweise mit, und kann sie so an unserem persönlichen Feiertag mit ihrem Wunsch überraschen.

Das ist immer einer meiner persönlichen Glücksmomente, wenn ich sehe, wie sehr sie sich freut. Selbst wenn vieles bei uns nicht mehr wie früher ist, zeigen diese Momente, dass dennoch alles im Lot ist.

Ich darf mich auch Gentleman nennen, denn ich helfe ihr immer in die Jacke oder den Mantel, wenn wir irgendwo sind. So oft waren wir jetzt nicht irgendwo, aber wenn, war es so.

Dass es noch ganz anders sein kann, kriegen wir schon mal mit, wenn vor einem der gegenüberliegenden Häuser die Polizei steht. Wenn wir beide schon nicht mehr so viele Themen haben, kann man sich doch über die Nachbarn austauschen. Ich weiß nicht, wer da genau wohnt, aber es ist eine junge Frau, die berufliche Bordsteinschwalbe sein soll, wie ich gehört habe. Auch habe ich gehört, dass sie seit drei Jahren einen festen Freund hat, der aber immer wieder durchdreht und sie sich dann veranlasst sieht, die Polizei zu rufen. Den Typen habe ich schon mal gesehen, ein ungemütlicher Bursche. Deutsch sieht der nicht aus, und das sagt mir ja schon alles. Man erzählte, dass der sich sogar öfter mal an der Frau und auch ihrem Hund vergriffen haben soll. Dann frage ich mich, warum der immer noch da ist? Das verstehe, wer will, ich jedenfalls nicht. Die sollen doch dahin zurück, wo sie hergekommen sind und nicht hier den Nachbarschaftsfrieden stören.

Im Haus daneben wohnt auch so einer mit seiner Frau, die sind aber beide schon älter. Wo die genau herkommen, weiß ich nicht, ist mir auch egal, aber hier gehören die nicht hin. Auch wenn die nicht die Polizei rufen müssen, fühle ich mich unwohl, wenn ich denen mal begegne.

3

Meine Kochkünste lobt Heidi jeden Tag mal mehr, mal weniger; ich fände es einerseits schön, mit ihr zusammen in der Küche zu stehen und zu kochen, andererseits lasse ich mir auch nicht so gerne in die Töpfe gucken, also, was soll ich machen.

Nun ja, da wäre noch was - es gibt da ein paar sehr edle Tropfen, die ich beim Kochen gerne verwende, die muss ich natürlich vorher probieren. Wenn sie da dabei wäre, das wäre mir doch nicht so recht, und sie sieht es nicht gerne, wenn ich vor dem Essen schon etwas trinke.

Mir ist nur wichtig, dass es ihr schmeckt. Ihr Lob für meine Kochkunst kommt für mich einem Liebesbeweis gleich, daher gebe ich mir immer besondere Mühe, als ob ich für die Königin kochen würde. Da sie meine Königin ist, obwohl sie dem Namen nach meine Kaiserin wäre, ziehe ich immer alle Register, selbst bei einer ganz normalen Brotzeit. Alles richte ich hübsch her, da bekomme ich doch sehr viele Ideen aus den Kochsendungen, die ich später mit Leidenschaft selbst anwende. Ich starte immer mit einer schönen Tischdecke, darauf goldene Tischsets, das sieht schon königlich aus. Das Essen wird mit Liebe auf dem Teller angerichtet, die passenden Servietten fehlen nie. Ansonsten gibt es Butter aus der Butterdose aus Porzellan, das Brot wird im geflochtenen und blau-weiß ausgeschlagenen Körbchen serviert, und der Aufschnitt ist wie ein Gemälde auf der passenden Platte drapiert. Dekoration mit Tomaten und Gürkchen ist selbstverständlich.

Sonntags gibt es zum Frühstück für jeden ein weich gekochtes Ei. Ich kenne die Kochzeiten genau und kann auch Rührei mit Speck besser als jeder Sternekoch.

Dass ich so viel weiß und ihr so viel erklären kann, darauf bin ich sehr stolz. Sie ist darüber nicht so glücklich, das lässt sie mich dann immer merken, weil sie glaubt, ich würde sie für dumm erklären, aber das ist doch normal, dass Männer mehr wissen als Frauen. Sie kann sich glücklich schätzen, mich damals geheiratet zu haben, und ich glaube, im Grunde ihres Herzens tut sie das auch, sie kann es nur nicht so zeigen.

Ob es nun das ist oder der allgemeine Alltag mit seinen Problemchen hier und da, wir halten einfach zusammen; das ist eine Selbstverständlichkeit, die keiner großen Worte bedarf.

4

Wir wohnen zur Miete, und doch muss hin und wieder etwas erledigt werden, was die Haustechnik betrifft. Ich mache alles, was anfällt, vielleicht nicht, wie es ein Fachmann können würde, doch ich mache es gern. Es wäre mir sehr recht, wenn Heidi etwas mehr Stolz oder Dankbarkeit zeigen könnte, aber sie ist mir wahrscheinlich darin zu ähnlich und findet die richtigen Worte nicht. Ich sehe ihre Dankbarkeit in allen anderen Dingen, die sie tut. Wenn sie die Wohnung in Ordnung hält, wäscht und putzt, tut sie das ja auch für mich, wie ich auch täglich etwas für sie mache.

Ich bin ein Vorzeige-Ehemann. Ja, das bin ich. Manchmal ist Heidi anderer Meinung, dann schimpft sie über belanglose Dinge, die für sie offenbar nicht belanglos sind, aber das ist alles Ansichtssache. Sie glaubt, mir immer wieder Anweisungen geben zu müssen, was ich unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt tun oder lassen soll, dabei braucht sie nur etwas Geduld, dann würde ich alles erledigen, ohne dass sie mich vorher maßregeln müsste – aber Frauen sind halt so. Warum soll ich den Müll genau dann nach unten bringen, wenn sie es will? Ich würde ihn ja mitnehmen, wenn der Beutel richtig voll ist und ich sowieso die Richtung zur Garage einschlage, aber ihre Geduld ist in dieser Hinsicht leider nicht so ausgeprägt. Ich sage dann nichts mehr, das hat schon oft zu Streitereien geführt; sie versteht mich nicht, weil sie eben eine Frau ist. Ein verärgertes Grummeln kann ich allerdings nicht immer vermeiden, es muss dann auf diese Weise heraus aus mir. Es ist normal, dass Männer und Frauen sich oft nicht richtig verstehen. Da muss man als Mann eben drüberstehen. Ich verschwende nun mal ungern Zeit für Dinge, die später besser erledigt werden können, das hat Heidi auch nach vierzig Ehejahren nicht verstanden. Aber was soll´s, ich habe mich daran gewöhnt, manche Dinge ändern sich nie.

Ich meine es bestimmt nicht böse, wenn ich sage, dass es in Heidis Natur liegt, ein klein wenig herrisch zu sein, um alles unter Kontrolle zu haben, auch dafür liebe ich sie über alles. Sie will die Hosen anhaben, also lasse ich ihr die Freude.