Rêverie - Selma Ulrich - E-Book

Rêverie E-Book

Selma Ulrich

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Beschreibung

In der Testphase eines Schlafmedikaments der Von-Gemser-Pharma wird als Nebeneffekt entdeckt, dass man seine Träume steuern und mit anderen Menschen teilen kann. Durch einen berufsbedingten Zufall trifft die Innenarchitektin Céline auf ihre Jugendliebe Joris. Bei beiden entflammt sofort die große Liebe. Doch schlechte Zeiten überschatten das junge Glück. Sind die Traum-Pillen für das Paar die Chance, an der großen Liebe festzuhalten? Auch die Pharma-Familie hat mit familiären Unstimmigkeiten zu kämpfen, was nicht nur am Auffliegen der Traum-Sache liegt, die eigentlich geheim bleiben sollte …

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Rêverie

Rêverie

Liebe bis in den Traum

SELMA ULRICH

© 2022 Selma Ulrich

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer

ISBN Softcover: 978-3-347-64722-0

ISBN E-Book: 978-3-347-64724-4

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Prolog

Weihnachten lag drei Wochen zurück. Es war ein schönes Fest, voller Liebe und Gemütlichkeit, voller Zukunftspläne, voller Freude auf das Baby, voller Hoffnung. So würde es nie wieder sein.

Obwohl der Himmel seit langem bedeckt, es eisig und die Sonne in den letzten Tagen nicht zu sehen gewesen war, löste sich erst heute der Schnee aus den Wolken. Ein harter Wind trieb die noch kleinen Flocken hektisch tanzend über das Land.

Seit Mittag war die junge Frau, die vor kurzem noch eine gewöhnliche Achtzehnjährige gewesen war, die ihre Arbeit verantwortungsvoll verrichtet und das Geld, das sie verdient hatte, akribisch für später zur Seite gelegt hatte, in der erbarmungslosen Kälte unterwegs. War mit dem Bus, der ihr für eine halbe Stunde die Gefühllosigkeit in den Gliedern nahm, bis kurz vor die Grenze gefahren. Die letzte Station auf deutschem Boden. Dann hatte das Kind gewimmert. Es entwickelte sich zu einem energischen Geschrei, soweit der erst wenige Tage alte Körper dazu in der Lage war. Auf einer Bank an einem kleinen Waldweg hatte sie es gestillt und den intensiven Duft des Babys aufgesogen, von Cremes und Puder bester Qualität.

»Und jetzt mach, dass du wegkommst« hatten sie gesagt und sie aus dem Haus gejagt. Die Worte hingen noch dröhnend in ihren Ohren.

Dabei waren sie doch vorher so gut zu ihr gewesen. Niemals war ihnen ein böses Wort über die Lippen gekommen. Alles hatte sie im Gegenzug zur vollkommenen Zufriedenheit und mit großer Sorgfalt für die Herrschaft erledigt. Seit zwei Jahren hatte sie zuverlässig ihren Dienst getan. Sie fühlte sich gedemütigt.

Ihre Zukunft hätte so schön werden können an Philips Seite. Nun war ihr nicht einmal die Möglichkeit geblieben, sich von ihm zu verabschieden, geschweige denn, ihm den Grund ihres Verschwindens zu nennen. Er verstand die Welt nicht mehr, das wusste sie. Auf einen Schlag war seine Verlobte mit dem Kind weg. Er würde nach ihnen suchen, und nicht fündig werden. Er würde mit Sicherheit Fragen stellen. Welche Erklärung würde man ihm geben? Würde er sie glauben?

Sie hatten sich so sehr auf ein Leben zu dritt gefreut. Heiratspläne hatten sie geschmiedet, wollten damit warten, bis das Kind da war. Erst vor einer Woche, als sie mit prallem Bauch neben ihm lag und er mit aller Zärtlichkeit darüber gestreichelt hatte, hatte sie die Nähe so stark wie nie gespürt, die sie beide verband. Einen Tag später hatte sie das Kind allein geboren. Philip hatte keine Erlaubnis bekommen, dabei zu sein, weil er seiner Arbeit nachgehen musste.

Wie sehr er sich gefreut hatte, sie und das Kind zu sehen. So sehr, dass er geweint hatte. »Jetzt wird alles gut«, hatte er gesagt. »Jetzt sind wir eine richtige Familie. Wenn ich unser kleines Würmchen anmelde, werde ich gleich das Aufgebot bestellen.«

So lautete der Plan. Und nun war alles zerplatzt, wie eine Seifenblase, weil andere Leute reicher, damit mächtiger waren als sie und so über den Fortgang ihres Lebens entschieden hatten.

Sobald es möglich war, würde sie Philip aufsuchen, ihm alles erzählen. Würde er sie dann noch wollen? Würde seine Liebe dafür reichen? Die Geschehnisse waren unentschuldbar. Sie hätte ihn im Falle eines Abwendens verstanden. Das war das Risiko. Sie musste es versuchen. Doch noch nicht so bald. Erst musste sie selbst die Sache verarbeiten und klarer sehen.

Eines war für sie jedoch sonnenklar: Philip war die Liebe ihres Lebens. So blieb es immerzu und ewiglich.

Ihre Fragen wurden nicht geduldet, so eilig hatte man es, sie fortzuschicken. Schnell hatte sie daher ihren Beutel um die Schulter geworfen, war mit dem in Decken gehüllten Baby hinausgelaufen und hatte sich mit der immensen Belastung auf den Weg gemacht. Mehrmals hatte sie sich umgedreht in der Hoffnung, Philip irgendwo zu entdecken – leider erfolglos.

Die Zeit drängte, wenn sie noch vor Eintritt der Dunkelheit daheim ankommen wollte.

Dass man nach den guten Jahren zugelassen hatte, sie in diese Kälte zu schicken, dazu mit dem vier Tage alten Neugeborenen, war bis ans Lebensende unverzeihlich.

Nun suchte die kalte Luft Wärme in ihrem und dem kleinen Körper.

Dort die Straße. Da das Feld. Keine Bushaltestelle, keine Telefonzelle weit und breit. Von einem einzigen Gedanken angetrieben lief sie weiter durch die Wolken ihres Atems. Ihr Mantel schlug mit jedem Schritt gegen ihre Beine. Weicher, dunkelgrauer Loden. Sie hatte ihn mit Philip zusammen gekauft, als ihre Schwangerschaft vier Monate alt war. »Du musst dich und unser Baby warmhalten, wenn der Winter kommt«, hatte er gesagt und den vollen Preis aus seinem Ersparten gezahlt. Für sie allein wäre er unerschwinglich gewesen. Er hatte bestens für sie gesorgt und war bereit gewesen, dies sein ganzes Leben lang zu tun.

Nach Hause kommen. Endlich zu Hause sein. Geborgenheit spüren, etwas von den furchtbaren Dingen loslassen können. Sie ganz zu vergessen, daran wagte sie nicht zu denken. Es wäre niemals möglich.

Dann lag die Grenze weit hinter ihr. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Die Farben der Natur schwanden immer mehr.

Wie zu Scherben erstarrt stach die eiskalte Luft in die Wangen der jungen Frau ein. Die Tränen trocknete der eisige Wind.

Von Hoffnung getrieben stapfte sie in unregelmäßigen Schritten über den schneenassen Feldweg. Ihre Schuhe würde sie entsorgen müssen, wenn sie ihr Ziel erreicht hatte. Erst hatte sie die eingedrungene Nässe an ihren Zehen noch schmerzlich gespürt, nun spürte sie nichts mehr. Sie war sicher, dass ihre Füße ihr bald den Dienst versagten aufgrund der Kälte. Sie hatte Bilder vor Augen, wie ihre Zehen bereits blau angelaufen waren, vielleicht sogar amputiert werden mussten. Das alles war egal. Sie musste weiter.

Ihr Blick war starr. Sie schien verwirrt. Doch sie wusste: In der Richtung, von wo aus gerade der Mond durch die kahlen Baumspitzen zwinkerte, wo sie noch gerade durch die umherwirbelnden Schneeflocken die Silhouette des Kirchturms ausmachen konnte, da lag ihr Heimatdorf.

Sie hatte den Eltern Briefe geschrieben. Von der überraschenden Rückkehr aber wussten sie nichts. Es ging alles zu schnell. Erst würden sie überrascht sein, sie dann ins heimelig beheizte Haus einlassen, sie in der Geborgenheit der Familie willkommen heißen. Folglich Fragen stellen.

Auf die sie sich bereits plausibel klingende Antworten ausgedacht hatte.

Niemand durfte die Wahrheit erfahren. Sie musste es vergessen. Irgendwie würde es schon funktionieren. Es musste. Dem Kind zuliebe.

Es war hungrig und schrie. Sie ließ sich auf die nasse Erde sinken, öffnete die oberen Knöpfe des Mantels. Für einen kurzen Moment setzte die Kälte an, sich den Weg in ihren Körper zu bahnen und sie schauderte. Die Wärme des kleinen Mundes wirkte dem entgegen.

»Trink doch schneller, sonst erfrieren wir«, flüsterte sie ihm auf Französisch zu. Doch es dauerte.

Nach ein paar Minuten stand sie auf. »Wir müssen weiter, es wird dunkel. Du kriegst mehr, sobald wir zu Hause sind.«

Ihr Schluchzen wie das Wimmern des Babys wurde vom dicken Schal erstickt, den ihre Mutter eigenhändig gestrickt und ihr ins Weihnachtspäckchen gepackt hatte.

Kein Vogel war zu sehen oder zu hören.

Bis auf das Käuzchen, dessen »Hu-huuu« unheilvoll aus den Bäumen zu ihr herdrang.

Verzweifelt und vor Kälte zitternd, presste sie das kleine Bündel fester an sich.

Noch fühlte es sich seltsam an. Ob sie es jemals würde lieben können?

Sie hatte noch keinen Namen für das kleine Mädchen.

Konzentriert setzte sie einen Fuß vor den anderen, auch wenn sie keinen Schritt mehr fühlte. Bloß nicht hinfallen.

Dort hinten. Nicht mehr weit. Dann war sie zu Hause.

Geschwängert mit einer Lüge

.

No one can resist the desire

to escape to paradise.

But it seems like there is nothing else to do

but dream and fantasize.

Refrain aus: “No One”, 2 Unlimited

Kapitel 1

Langsam hob sich der dunkle Schleier, der das Gemsertal zur Nacht eingehüllt hatte. Wer wollte, erkannte im frühherbstlichen Dunst den Wald, die Wiesen, den akribisch gepflegten Garten, der sich symmetrisch um den Teich legte, das alte herrschaftliche Gebäude aus Backstein, dessen weiße Klappläden dem dämmernden Tageslicht noch den Eintritt nach innen verwehrten.

Seit fast dreihundert Jahren thronte das Haus inmitten der malerischen Landschaft kurz vor der französischen Grenze. Es hatte viele Generationen des Gemser-Geschlechtes beherbergt und mit ihnen Geschichte geschrieben. Die Linie ließ sich bis ins frühe sechzehnte Jahrhundert zurückverfolgen.

Durch regelmäßig durchgeführte Restaurierungsarbeiten überdauerten die alten Gemäuer gute und schlechte Zeiten; sie waren daher noch heute in einem vorzüglichen Zustand.

*

Der alte Holzboden knarzte überall im Haus bei jedem Schritt. Sogar hier im Atelier, wo ein Malerteppich dem Künstler zu Füßen lag, machte sich das Holz bemerkbar. Der Raum war groß genug, um Werke beträchtlichen Umfangs mit Abstand zu begutachten. Einige davon waren an die Wände gelehnt. Tageslichtleuchten sorgten dafür, die Nacht zum Tag werden zu lassen, denn Kunstlicht hätte die Farbtöne verfälscht und die Arbeit zu einem Desaster werden lassen. Wann immer ihn die Kreativität überfiel, wollte er arbeiten können, ob am Tag oder bei Nacht.

Vor dem riesigen Atelierfenster prunkte die große, schwere Staffelei aus dunkel gebeizter Eiche, daneben ein mit Farbflecken übersäter Tisch, auf dem sich unzählige Tuben, Flaschen und Pinsel, die genauso fleckig waren, befanden.

Wenn Joris von Gemser arbeitete, störten ihn die Fußbodengeräusche nicht. Mit mal harten, mal sanften Klängen von Metallica auf den Ohren war er ganz bei sich und in seiner bunten Welt. Dort nannte er sich Jorisanto in Anlehnung auf die Weltsprache Esperanto. Er wusste genau, dass er ein Weltkünstler, ein Weltmaler war. Die Welt selbst wusste das noch nicht, aber sie würde schon noch darauf kommen, es brauchte noch etwas Zeit. Er hoffte lediglich, diesen Berühmtheitsstatus noch erleben zu dürfen.

Der entscheidende Impuls für dieses Bild war gestern Abend über ihn gefallen. Während der folgenden Nacht hatte er sich verausgabt, saß nun im mit Farbflecken übersäten Hemd auf dem Schemel, zwei Meter vor seinem Werk, betrachtete von dort, was er im Übereifer begonnen, dann mehrfach überdacht, mit Pinseln, Schwämmen und Händen übermalt, folglich immer wieder neu gestaltet, und nun endlich vollendet hatte.

Musik war seine Droge. Sie hielt seine Konzentration wach und forderte alle Genialität zutage, die in ihm schlummerte. Er wusste, dass viele andere Künstler rauchten, teils harte Drogen nahmen oder tranken, um sich in Ekstase zu versetzen; bei ihm erledigten das der Punkrock, Hardrock und Heavy Metal.

Er konnte sich nicht erklären, warum ihm Alkohol egal war. In der Familie wurde stets ein guter Wein geschätzt; der Keller war voll davon. Einer seiner Großonkel war Winzer und hatte im Elsass einen großen Weinberg, mit dessen edlen Tropfen jährlich der Weinkeller des alten Gemser Hauses aufgefüllt wurde. Joris trank zu besonderen Anlässen ein halbes Glas Wein, sonst nicht einmal Bier. »Wasser muss durch meinen Körper fließen, damit meine Bilder aus mir fließen können«, sagte er einmal.

Die Musik schottete ihn von allem ab, was den kreativen Ablauf hätte stören können.

Seine ganze Energie steckte in diesem Bild. Grundlage war eine Fotografie, auf der er im letzten Herbst frühmorgens den vorbeiziehenden Nebel über Gemserau verewigt hatte. Es war ein magischer und inspirierender Moment gewesen, den er nun in seiner eigenen Interpretation für die Ewigkeit festgehalten hatte.

Auf dem Gemälde war auf den ersten Blick davon nicht viel zu erkennen. Es mochte auf einen Laien verwirrend wirken, doch Joris wusste genau, warum er unten rechts das knallige Rot gesetzt hatte, am Rand das helle Grün und Blau, und mittig das Schwarz, das schwärzer nicht sein konnte. Und wer genauer hinsah, erkannte in den wenigen kurzen Strichen in der Ferne das uralte Herrenhaus, in dessen dicken Mauern er sich befand, und ganz weit hinten, mit wenigen winzigen Tupfen hingezaubert, die terracottafarbenen Dächer der Häuser von Gemserau. Über allem zog der Nebel hinweg.

Das Bild musste genauso sein und nicht anders. Es hatte nach diesen Farben und Formen gefragt. Joris hatte das perfekte Gespür dafür und so dieses Meisterwerk erschaffen.

Das war sein Kind. Lange hatte es in seiner Seele gelegen, in den Stunden der vergangenen Nacht hatte er es daraus geboren. In seinen prüfenden Blick schlich ein zufriedenes Lächeln.

Sein Gehör nahm das signifikante Intro von Enter Sandman wahr, ein Gitarrenriff, das ihn jedes Mal in Hochstimmung versetzte. Er stampfte mit seinen Füßen zum Takt, stand auf, bewegte seinen Kopf dazu passend auf und ab, ließ seinen ganzen Körper zu den Wellen der Musik schwingen, sang mit.

Dabei ließ er sein Bild nicht aus den Augen. »Ich bin ein Genie«, rief er mit ausgebreiteten Armen, obwohl er seine Worte wegen der Kopfhörer kaum hörte, »wer etwas anderes behauptet, lügt. Yeah!«

Seine Hände zu Fäusten geballt schien er mehrmals eine imaginäre Dampflok zum Tuten zu bringen, um seiner Begeisterung Platz zu machen, bevor er sich tanzend durch die offene Flügeltüre in sein Schlafgemach verzog und sich übermüdet aufs Bett fallen ließ, wo er sich noch eben den Kopfhörer abzog, nach wenigen Augenblicken in einen tiefen Schlaf versank.

Wo ihn nach nur einer Dreiviertelstunde die Hand seiner Mutter aus seinen Träumen rüttelte.

»Joris, Junge, hast du schon wieder die ganze Nacht herumgepinselt? Du weißt, dass dein Vater es nicht leiden kann, wenn du am Frühstückstisch fehlst. Also, komm.« Verärgert nahm Carmen Gräfin von Gemser zur Kenntnis, dass ihr Sohn in seiner vollgekleckerten Kleidung in der seidenen Bettwäsche lag. Das Geld für die Garnitur war nicht wichtig, aber so respektlos sollte er auch nicht damit umgehen.

Joris hob seine schweren Lider, stöhnte genervt, ärgerte sich, seine Suite wieder einmal nicht abgeschlossen zu haben. »Mama, du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn ich meinen Schlaf nicht bekomme«, maulte er. »Und ich habe nicht herumgepinselt, sondern intensiv gearbeitet. Langsam solltest du das wissen.« Er kratzte sich die Bartstoppeln, blies eine Haarsträhne fort, die ihm ins Gesicht gefallen und so dunkelblond war wie das Haar seiner Mutter. Allerdings war es bei ihm noch seine Naturfarbe.

Carmen konnte auch so einiges nicht leiden. Zum Beispiel, ihren Sohn mit einunddreißig Jahren noch aus den Federn holen zu müssen. In dem Alter hatten andere schon eine Familie. Sie hob ihre Hand, öffnete ihren Mund und setzte zum Sprechen an.

»Lass es, Mama. Bitte.« Joris unterbrach sie, bevor sie ein weiteres Wort sagen konnte. »Du weißt es, Papa weiß es, also lass mich. Der alte Herr wird schon nicht an seinem Frühstücksei ersticken, weil ich nicht dabei bin. Gute Nacht.« Er drehte sich zur anderen Seite, murmelte noch: »Dann wäre es schon längst passiert«, sank dann umgehend in seinen Schlaf zurück.

»Wie kannst du nur so ungehobelt über deinen Vater reden?« Ihren Kopf vor Hilflosigkeit schüttelnd drehte Carmen um. »Wenn ich nur wüsste, was bei dir falsch gelaufen ist. Warum musst du immer so zerfleddert aussehen? Und hier die ganze Unordnung. Wenn du wenigstens im Studium gelernt hättest, ansehnliche Bilder zu malen statt dieser irrwitzigen Kleckerei, dann hätte es sich wenigstens etwas gelohnt«, sagte sie mit kurzem Blick auf die Staffelei im Nebenraum, bevor sie ihren Rückweg antrat und die Zimmertüre etwas lauter als üblich schloss. Mit Verärgerung im Gesicht stellte sie mit einem prüfenden Blick sicher, dass ihr taubenblaues Seidenkleid keine Malfarbe abbekommen hatte, verließ dann den Gang.

»Guten Morgen, liebste Mama.« Samuel kam ihr vom gegenüberliegenden Flur aus entgegen.

Da lächelte sie wieder. Ihr Erstgeborener war der perfekte Vorzeigesohn im Gegensatz zu seinem Bruder. Der gutaussehende Mann und Vater zweier zauberhafter Töchter wirkte wie aus dem Ei gepellt: perfekt rasiert, das Haar adrett frisiert, sportlich-elegant gekleidet. Seine Gegenwart erwärmte ihr Herz zu jeder Zeit. »Guten Morgen, Samuel.«

Er umarmte seine Mutter, drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, hakte ihren Arm in seinen unter, während sie die Stiegen hinabgingen, die auf einem goldenen Teppichboden in einer leichten Kurve ins Erdgeschoss führte. »Und, was ist mit unserem Picasso?« Mit dem Kopf wies er in die Richtung, aus der seine Mutter gerade gekommen war. »Hat er wieder ein Meisterwerk vollendet?«

»Vergiss es. Er wird sich nie ändern. Dabei könnte er dir eine Hilfe in der Firma sein.«

»Die brauch ich gar nicht, ich schaffe das ganz gut ohne ihn.« Samuel tätschelte ihre Hand. »Wenn er sich nützlich machen will, könnte er ab und zu einen kreativen Entwurf für unsere Medikamentenverpackungen abliefern, dann wäre er zumindest für etwas zu gebrauchen.«

Sie lachten beide, als sie die große Flügeltüre des Esszimmers erreichten.

Kapitel 2

Papa steht mir gegenüber. Ich rühre in meinem Kaffee. Er nimmt mir die Tasse aus der Hand und lächelt. Ich stehe im Regen und fühle ihn nicht. Ich sehe den Bildschirm, auf dem sich Quadrate und Dreiecke zu einer ansprechenden Einrichtung formieren. Ella nimmt mir den Laptop weg und zerreißt ihn in der Luft wie Papier. »Gefällt mir nicht!«, ruft sie entsetzt. Plötzlich taucht Tom auf, hält einen Ring vor meine Nase, langt nach meiner Hand. Ich ziehe sie zurück. »Sie dürfen die Braut jetzt küssen«, sagt Frau Loeven im dunkelroten Kostüm; sie lacht und zeigt dabei ihre Zahnlücke. Anouk läuft als süßes Blumenmädchen umher und beginnt plötzlich zu schreien, doch es klingt wie …

… Miiiep! Miiiep! Miiiep!

Nass geschwitzt schreckte Céline Morel auf. Starrte mit schnellen Atemzügen auf die leuchtenden Ziffern der Uhr, die sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Wie in Trance stellte sie den Ton ab.

Es war fast jede Nacht dasselbe: hundemüde schlief sie ein, schreckte nach einer Stunde auf, lag danach lange wach, wälzte sich von einer Seite zur anderen, fuhr stundenlang auf dem Gedankenkarussell, das sich wie ein Mixer drehte, bevor sie wieder in Schlaf versank, aus dem sie mit Hilfe der Weckuhr erschöpft erwachte.

Dabei passierte nichts Besonderes, doch gab es ständig Dinge in ihrem Leben, die ihr zu schaffen machten. Die Gründung des Architekturbüros war so lange noch nicht her und erst knapp aus den roten Zahlen heraus. Zum Glück lag die Arbeitsstätte im Haus von Ellas Eltern. Ihr eigenes Reizdarmsyndrom, das sich ab und zu zeigte, war auch nicht ohne.

Dazu die Sorge um ihre Omi. Eigentlich hatte sie immer mit Magenschmerzen zu tun gehabt, Céline kannte sie nicht anders. Seit ein paar Wochen klagte sie erneut darüber, diesmal öfter mit Übelkeit. Für heute war ein Termin zur Magenspiegelung anberaumt, den hatte die Großmutter regelmäßig. »Mach dir keine Sorgen, Liebes«, hatte sie ihr gestern lachend bei ihrem Besuch beteuert, »Unkraut vergeht nicht. So schnell bin ich nicht klein zu kriegen.« Dennoch sorgte Céline sich, denn sie hing sehr an ihr. Genau wie an ihrer Mutter. Und am Vater, der viel zu früh die Welt verlassen hatte.

Céline war der geborene Familienmensch. Nach dem Tod des Vaters war ihr erst bewusst geworden, wie wichtig Familie war, und wie viel sie ihr bedeutete.

Unnötigerweise tauchte in diesem ganzen Schlamassel ihrer Träume immer wieder Tom auf, zum Glück nicht persönlich. Das Kapitel war bereits seit dreizehn Wochen Geschichte.

Wie hatte sie es nur so lange mit ihm aushalten können? Ein ganzes Jahr und ein halbes. Ganze achtzehn Monate zu viel, wie ihr inzwischen klar war. Anfangs hatte sie ihn für den Mann ihres Lebens gehalten. Schließlich ließ auch er keinen Zweifel aufkommen, dass sie die Frau seines Lebens war, so beteuerte er es ihr oft. Bis sich herausstellte, dass ihm Treue nicht so viel bedeutete wie ihr. Nicht nur, dass er wirklich jedem Rock nachsah, selbst wenn er Céline auf offener Straße küsste. Dass er nicht nur mit seinen Augen, sondern auch mit seinen Gedanken bei anderen Frauen war, sogar wenn Céline in seinem Armen lag, entging ihr nicht. Immer wieder trudelten Handynachrichten ein, die er ihr abgewandt ansah, zurückschrieb, und ihr hanebüchene Aussagen über die jeweiligen Absender auftischte von Mitarbeitern, deren Namen sie noch niemals gehört hatte.

Ihre Gefühle ließen sie im Glauben an die Liebe und schoben alle Zweifel beiseite.

Es sollte ja Begegnungen geben, die als Schicksal oder zumindest als Hinweis gedeutet werden konnten. Zu solch einer Begegnung kam es an dem Tag, an dem Céline in der Bäckerei, wie so oft, ein paar Teilchen zum Kaffee holen wollte.

Eine hochschwangere junge Frau stand neben ihr, ihr Handy in der Hand. Normalerweise interessierte sich Céline nicht für die Handyfotos anderer Leute. Doch irgendetwas hatte sie dazu bewogen, ihren Kopf in Richtung der Frau zu drehen, einen Blick auf deren Mobiltelefon zu werfen. Bis heute fragte sie sich, ob das eine göttliche Fügung gewesen war; denn auf dem Telefon erkannte sie diese junge Frau in inniger Umarmung tatsächlich mit Tom.

Sie erschrak innerlich, ihr Herz schlug rasend schnell. Sie wollte im Laden nicht durch eine Szene auffallen, so zwang sie sich zu einem Lächeln und fragte die Frau mit Blick auf das Foto: »Ihr Mann?«

»Ja, bald. Noch ist es mein Verlobter«, verkündete die werdende Mutter mit erkennbarem Stolz und rieb sich mit einer Hand die Wölbung vor sich, »wenn unsere Kleine da ist, wird geheiratet.«

In Céline tat sich ein schwarzes Loch auf.

Und Zweifel. Vielleicht hatte sie sich versehen und es war nur jemand, der Tom verblüffend ähnlichsah. Um dies auszuschließen, sprach sie ihren Gedanken direkt aus und bemühte sich, so beiläufig wie möglich zu klingen: »Ist das nicht Tom Berghausen? Der vom Autohaus?«

Die Frau strahlte, sah auf das Foto, drückte das Handy dann an ihr Herz. »Ja, genau. Das ist er.«

Seit diesem Tag war Céline wieder Single und dem Leben unendlich dankbar für diese Begegnung mit der Wahrheit.

Klack-Klack. Der Nachbar von gegenüber ging zur Arbeit und ließ die Haustüre lauter ins Schloss fallen, als es nötig gewesen wäre; er machte es zuverlässig jeden Werktag so. Für Céline war es das finale Zeichen, ihre Beine aus dem Bett zu schwingen.

Sie schaltete das Radio ein. »So wake me up when it´s all over …« dudelte es aufmunternd. Ein fröhlicher Song half ihr auch an diesem Morgen, in die Gänge zu kommen. Sie liebte diesen Sender, denn er spielte Musik für gute Laune, und die brauchte sie zur frühen Stunde, besonders nach Nächten wie der vergangenen.

In der Küche hing der goldene Duft frischen Kaffees, den die Maschine dank der Zeitschaltautomatik pünktlich aufgebrüht hatte.

Céline setzte sich an den Küchentisch, nahm einen Schluck, hielt die Tasse mit den Händen umfasst, spürte, wie die Wärme sich von dort aus den Weg durch ihren Körper nahm.

Als Kind hatte sie das mit ihrem Kakao gemacht, den ihre Mutter wie niemand sonst für sie zubereitet hatte. Von der Omi hatte sie den Tipp bekommen, etwas Sahne einzurühren. Er war so köstlich und hatte Céline ein noch stärkeres Gefühl von Geborgenheit und Fürsorge gegeben, an das sie sich noch heute erinnerte, wann immer sie einen Kakao trank.

Es wurde immer später hell. Eine Jahreszeit, die sie überhaupt nicht mochte. Die Tage wurden kürzer, was sich auch an ihrer Motivation bemerkbar machte. Die schwand mit aufkommender Dunkelheit.

Letztlich jedoch war dies für sie eine Zeit der Trauer. Eine Trauer, die ständig in ihr war, die nie vergehen würde. Sie hatte sich gut im Griff, war imstande, Traurigkeit nur dann zuzulassen, wenn sie allein war; denn sie war im Grunde ein fröhlicher Mensch, lachte gerne, tanzte gerne.

Dieser Tag damals, als der Anruf ihrer Mutter kam, mit dem sie ihrer Tochter die furchtbare Nachricht mitteilte, hatte Céline verändert. Zunächst war sie in eine depressive Zeit gefallen. Ihre Mutter hatte ihr da herausgeholfen. Sie wusste, wie sehr Vater und Tochter verbunden gewesen waren. Sie konnte Céline zurück ins Leben holen und bei ihr bewirken, das Studium fortzusetzen, dessen Zweck Céline zunächst nicht mehr sah. Ihr Vater hatte komplexe Gebäude konstruiert; sie würde es als Tochter in Ehren halten und sein Wirken in den Innenräumen fortsetzen. So hatte er es sich gewünscht, was ihr Anreiz genug bot. Später auf dem Friedhof hatte sie das Gefühl gehabt, er habe zu ihr gesprochen und ihr Mut gemacht, ihr berufliches Ziel weiter zu verfolgen.

Claire hatte genauso gelitten, war womöglich aufgrund ihres Alters, das sie Céline vier Jahre voraushatte, und ihrer eigenen Familie, die sich zu dieser Zeit gerade mit Anouk vergrößert hatte, schon etwas erwachsener gewesen.

Céline sah zum Fenster hinaus, wo sich der Nebel allmählich auflöste und die Dächer freilegte. Die Schritte der beiden Kinder der Familie über ihr drangen durch die Decke. Sie mussten gleich zur Schule, waren schon bestens aktiv.

Zum Büro war es nicht weit. Vier Minuten bis zur Bushaltestelle, fünfzehn Minuten Fahrt plus drei Minuten Fußweg.

Heute wollte Céline an dem frischen Auftrag arbeiten. Der große Aufenthaltsraum im neuen Anbau des Krankenhauses sollte nach ihren und Ellas Plänen ausgestattet werden. Eine große Ehre für die beiden jungen Frauen, die vor gut zwei Jahren nach intensiver Berufspraxis ihren Wunsch von Selbstständigkeit verwirklicht hatten. Beide hatten ihr Diplom in Ingenieurtechnik und Design.

Ella und sie brauchten unbedingt solche Aufträge. Nach außen durfte es nicht so aussehen, dass sie händeringend nach Großaufträgen suchten; man hätte sie für blutige Anfänger halten können, was sie inzwischen definitiv nicht mehr waren.

Obwohl Ellas Eltern die Miete für das Büro in der guten Lage nicht zu hoch angesetzt hatten, musste sie entrichtet werden, genauso wie das Geld für die Einrichtung und laufende Kosten.

Es war eindeutig der Unterstützung von Ellas Eltern zu danken, sich diesen Traum erfüllen zu können.

Dafür musste Céline jetzt fit werden.

Also erstmal Kaffee austrinken – Dusche – zweiter Kaffee – und ab zum Bus.

Der dritte Kaffee des Tages erwartete sie bereits auf ihrem gläsernen Schreibtisch mit der formschönen Unterkonstruktion aus Stahl, dessen Design nach ihren eigenen und Ellas Entwürfen zweifach für das Büro angefertigt worden war. Es passte hervorragend zur minimalistischen Einrichtung des Raumes, der dennoch alles hatte, um aller Professionalität gerecht zu werden und kreativ arbeiten zu können.

Vor jedem der beiden Tische standen je zwei ebenfalls selbst entworfene dunkelblaue Gästestühle. Auf einem saß Ella, pustete auf ihren Kaffee und nippte kurz daran. »Na du? Du siehst nicht erholt aus für einen Montagmorgen.«

Céline zog ihren Mantel aus, hängte ihn an die Garderobe in der Ecke, nahm dann auf ihrem mit hochwertigem weißem Kunstleder bezogenen Bürostuhl Platz. Der dezente Mandelduft ihres Duschgels breitete sich um sie herum aus.

Ella hatte damals auf Lederbezug bestanden, doch Céline hatte sie überzeugen können, möglichst keine tierischen Produkte zu verwenden. Das sei nicht mehr zeitgemäß, hatte sie argumentiert.

Céline seufzte. »Du auch `na du´. Und: Ja, stimmt. Hab wieder miserabel geschlafen. Und ich bin später wieder aufgewacht, weil das Handy der Nachbarn über mir vibrierte, danach lag ich noch lange wach. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll.«

»Wieso hörst du, wenn bei den Nachbarn ein Handy vibriert?« Ella bewohnte eine Dachwohnung im Haus ihrer Eltern und erreichte das Büro über zwei Treppen. Von ihren Eltern, die unter ihr wohnten, drangen keine störenden Geräusche zu ihr nach oben.

Céline war froh, ihre Wohnung damals gefunden zu haben. Sie lag gut, war optimal geschnitten, nur die Privatsphäre war aufgrund der baulichen Gegebenheiten dürftig. Zum Glück hörte sie gerne Musik, daher hatte sie fast ständig welche im Hintergrund, auch wenn sie ihrem liebsten Hobby, dem Lesen, nachging. Inzwischen konnte sie das Hören ihrer Lieblingsklänge und das gleichzeitig Gelesene perfekt auseinanderhalten, ohne dass etwas davon zu kurz kam. Musik empfand sie nicht als störend; plötzliche unerwünschte Geräusche der Nachbarn hingegen schon.

»Frag mich was Leichteres. Die Decken und Wände sind dünn wie Pappe. Ich hab schon oft auf mein Handy geguckt, nachdem ich dieses Moop-Moop hörte, und dann war es gar nicht meins. Ich glaube, die haben das Ding auf dem Boden liegen, dass sich die Vibration so auf meine Wände überträgt.«

»So ein Irrsinn.«

»Du sagst es. Ich höre viel zu viel, was ich gar nicht hören will. Aber solange ich da wohne, kann ich es nicht ändern. Wenn es hier mal richtig läuft, werde ich mir eine andere Bleibe suchen oder eine nach meinen Wünschen bauen.« Céline nahm einen großen Schluck ihres Kaffees. »Mmh, das tut gut.«

»Hast du es schon mal mit Einschlafmusik versucht? Oder träumst du zumindest etwas Schönes, sofern du mal zum Schlafen kommst? Das könnte dein Schlaferlebnis retten«, hoffte Ella.

»Ich liebe Musik, aber nicht, wenn ich schlafen will. Und ich träume ja, aber es bleibt meistens nichts hängen. Immerhin weiß ich, dass es letzte Nacht wieder Blödsinn war.« Célines Gesichtsausdruck wechselte ins Nachdenkliche. »Manchmal träume ich von meinem Papa. Irgendwann danach führt es mich zum Friedhof. Ich denke immer, vielleicht will er mir was sagen, was ich an seinem Grab dann hören kann. Verrückt, oder?«

Ella schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, wieso? Es gibt dieses Übersinnliche. Also, ich glaube daran. Und, wie war das dann auf dem Friedhof? Hast du schon mal was …«

»… gehört? Nicht direkt, aber so Gedankenblitze sind mir da schon gekommen, wo ich hinterher dachte, er hat sie mir geschickt.«

»Ach, cool. Ich hätte deinen Papa gerne mal kennengelernt. Wie lange ist das nun her?« Ella leerte ihre Tasse und holte mit vorfreudigem Lächeln eine Tüte Weingummis aus ihrer Jackentasche hervor, die sie auf den Tisch legte und Céline damit für einen Moment den Hauch eines zufriedenen Lächelns auf die Lippen zauberte.

»Ach, wie lieb, danke. Nächste Woche werden es acht Jahre. Halte mich für verrückt, aber immer, wenn ich so einen riesigen Laster sehe, könnte ich heulen. Ich vermisse ihn so sehr.« Auch nun machten sich Tränen wieder startbereit bei diesen Gedanken. In diesem Moment war durch das gekippte Fenster das Geräusch eines vorbeifahrenden Motorrades zu hören. »Merde. Das passt ja …« Schnell zupfte Céline ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und tupfte sich die Augenwinkel, lächelte dann wieder. »Der fuhr zufällig im falschen Moment vorbei.«

Ella nickte mitleidig. »Ich habe mal gehört, dass es keine Zufälle gibt. Dass du gerade jetzt, wo der Motorradfahrer vorbeifuhr, an deinen Vater dachtest, hat vielleicht was zu bedeuten. Hast du eine Idee?«

Céline schüttelte den Kopf. »Ich dachte erst an ihn, dann kam das Motorrad.«

»Oder so rum, ist doch egal. Ich bin sicher, es bedeutet was. Vielleicht hat dein Vater dir so einen Gruß geschickt? Hat deine Mutter solche Träume auch?«

»Keine Ahnung. Darüber reden wir nicht. Sie vermisst ihn genauso, aber sie verdrängt das alles, zumindest in meiner Gegenwart.« Sie atmete kurz durch. »Dieser Tag hat uns alle verändert. Sie ist ein fröhlicher Mensch, aber nicht mehr so wie vorher. Und genauso geht es mir auch. Dieses Ereignis ist einfach immer präsent, dagegen kann ich gar nichts tun.«

»Vielleicht bräuchtest du eine Therapie, hast du darüber schon mal nachgedacht? Du musst das auch mal abschalten können. Ändern kannst du es sowieso nicht mehr.«

Céline überlegte. »Ich weiß. Nein, ich brauche keine Therapie. Ich habe mir gesagt, dass ich alle Erinnerungen an ihn wachhalte, indem ich jeden Tag so oft es geht an ihn denke. Dabei denke ich an schöne Erlebnisse, nicht an diese schlimme Sache. Aber es überschattet halt alles, eben weil es nicht zu ändern ist. Verstehst du?«

Ella nickte, dann fuhr Céline fort: »Es gäbe noch so viel, was ich ihm sagen will, deshalb rede ich so gerne auf dem Friedhof mit ihm. Ich habe das Gefühl, dass er mir da besonders nah ist.«

Ella lächelte mitfühlend. »Das ist er bestimmt.«

Das Telefon beendete diese Unterhaltung mit einem harmonischen Klingelton. Céline griff zum Hörer. »Schmid und Morel, Innenraumdesign, Céline Morel am Apparat, guten Morgen.«

Kapitel 3

Dass das Frühstück als wichtigste Mahlzeit des Tages galt, war bekannt. Falls es nicht stimmen sollte, war es doch eine unantastbare Tradition in der Gemser-Familie, zumindest diese frühe Essenszeit möglichst gemeinsam zu verbringen.

Doktor Johannes Friedrich Graf von Gemser war gerade vom Kaminzimmer aus, wo er kurz die Schlagzeilen der Zeitung überflogen hatte, ins Speisezimmer gekommen. Er warf einen schnellen Blick auf seine goldene Taschenuhr, nahm dann auf dem schweren Lehnstuhl an der Kopfseite des barocken Esstisches Platz. Johannes wirkte wegen seiner imposanten Erscheinung, die sein dichter, grauer Bart mit der Nickelbrille komplettierte, so, wie man sich den Chef eines großen Unternehmens vorstellte, daher gebührte dieser Platz ihm. Die andere Seite wurde von seinen Eltern belegt, die er vorhin schon begrüßt hatte.

Er war der Chef, doch hätte man glauben können, dass seine Mutter, Liliane Edeltraud Gräfin von Gemser, ihrem Verhalten nach an der Spitze des Pharmakonzerns thronte. Ihre gerade Haltung, die sie mit silbern glänzendem Haupt veredelte, ließ sie erhaben wie eine Majestät wirken. So erwartete sie auch von ihrer Familie wahrgenommen zu werden. Ihr von einem hochgepriesenen Künstler gemaltes Porträt, das mit den Vorfahren der Ahnengalerie die Seiten der prunkvollen Treppe zum Obergeschoss zierte, ließ keine andere Deutung zu. Sie legte großen Wert darauf, alles Wichtige aus der Firma zu erfahren, besonders, seit ihr Angetrauter, Doktor Hubertus Friedrich Graf von Gemser, sein Amt nach einem Herzinfarkt vor drei Jahren an seinen Sohn Johannes abgeben musste. Dessen zwei Schwestern, Emilie und Amalie, wurden anteilig an der Firma beteiligt. Sie wohnten mit ihren Familien fern der Heimat: Emilie in Kanada, Amalie hatte es in den Süden Spaniens verschlagen.

Ein ebenso hochwertiges Portrait von Hubertus hing wirkungsvoll neben den anderen. Sein strenger Blick zeigte deutlich seine Gesinnung. Er war ein alter Mann, der in seiner Jugend noch Zucht und Ordnung gelernt und dies nach bestem Willen an die Firma und ebenso an seine Familie weitergegeben hatte. Es war wichtig, einem festen Leitfaden zu folgen; das galt für ihn im Leben wie auch im Unternehmen.

Eine Bedienstete mit langem Zopf schenkte Kaffee in die Tassen des Services, das einst von Hand mit einem traditionellen italienischen Muster bemalt worden war.

»Guten Morgen, liebe Familie«, ließ Johannes wie an jedem Tagesbeginn mit sonorer Stimme verlauten, »die mal wieder nicht vollständig ist.« Er sah mit fragendem Blick zu Samuel.

»Guten Morgen, Papa«, sagte er, ohne eine weitere Frage seines Vaters abzuwarten. Dabei betonte er in der Anrede seines Vaters die zweite Silbe, wie man es in gehobenen Kreisen eben tat. Das machte er auch, wenn er seine Mutter ansprach. »Evelyn fühlt sich heute nicht wohl und lässt sich entschuldigen.«

»Das tut mir leid, mein Sohn. Es ist doch alles in Ordnung mit dem Kind?« Johannes´ Sorge war echt. Nach den weiblichen Zwillingen sollte nun bald ein Sohn das Licht der Welt erblicken und somit die weitere Existenz der Firma sichern.

»Ja, ja, sicher. Evelyn plagt nur wieder etwas Kopfweh. Es wird Vollmond.«

Johannes nickte verständnisvoll, sah dann zu seiner Frau. »Ich nehme an, unser Maler und Anstreicher bekommt wieder seinen Allerwertesten nicht aus dem Bett?«

Carmen warf ihm nur mit hochgezogenen Brauen einen schiefen Blick zu und half ihren Enkelinnen beim Belegen der Brötchen.

Liliane war in dieser Sache mit ihrem Sohn einer Meinung. Unmöglich, wie sich Joris verhielt. Ihr wäre es recht, ihn zu enterben. Das jedoch ließ Hubertus nicht zu. Er war sein Enkel genau wie die anderen. Zum Glück war Samuel da; er leitete die Firma ganz vorbildlich in seinem Sinne und zur vollsten Zufriedenheit seiner Familie.

Nach einer weiteren Bediensteten mit einem Dutt, die eine Schale mit Rührei auf das Sideboard platzierte, erreichte auch der jüngste Spross der Familie mit federndem Gang den Frühstückstisch.

»Ah, Freya, mein Mädchen.« Johannes streckte einen Arm nach ihr aus, die ihn kurz umarmte. Er mochte sie kaum ansehen mit ihrer schwarzen Kleidung, die sie seit Jahren ständig trug, und jetzt auch noch dieses wie ein Hundehalsband anmutende Schmuckstück mit den silbernen Spitzen, von ihrem Haar ganz zu schweigen, das drei Monate in Pink geleuchtet hatte und nun blau wie ein wolkenloser Himmel glänzte. Immerhin hatte sie den Plan geäußert, nach dem Abitur ein Pharmaziestudium belegen und danach in die Firma einsteigen zu wollen. Bis dahin, hoffte er, würde sie ihr äußeres Erscheinungsbild schon wieder in eine standesgemäße Richtung verändert haben. Wenigstens legte sie ihr außergewöhnliches Schmuckwerk ab, wenn sie ihr Praktikum absolvierte, das noch eine Woche dauern sollte.

»Morgen, Paps, Mom, Omi, Opi, Sam, Eva, Ava. Joris nicht da?«, schoss es wie aus einer Pistole aus ihrem Mund. Sie sah zum leeren Stuhl.

»Kannst du noch immer nicht in ganzen Sätzen sprechen?« Ihr Vater maßregelte sie fast täglich deswegen. »Hast du Angst, dir ginge die Luft aus?«

»Aber Paps, du hast mich doch auch so verstanden«, sagte sie extra langsam und frech lächelnd, schickte ihm anschließend einen Kuss durch die Luft. Sie war nicht der Typ für dieses eitle Getue, das in ihrer Familie herrschte. Dafür liebte sie es umso mehr, mit ihrer eigenen Art herauszustechen. Joris war auch anders, daher mochte sie ihn etwas lieber als Samuel, obwohl auch der ein toller Bruder war. Joris zweigte beruflich in eine andere Richtung ab, was ihr gefiel. Genau wie seine Gemälde, wenngleich sie nicht viel von Malerei verstand.

Johannes antwortete ihr nicht. Seine Tochter war eben noch ein halbes Kind, da waren diese Flausen in einem normalen Rahmen. Seine Enkelinnen waren mit ihren vier Jahren vorbildlich in dem, was die Satzbildung anging und auch hinsichtlich der Tischmanieren. Sie aßen ihr Frühstück und folgten schweigend dem familiären Geschehen.

Er wandte sich Samuel zu und begann, mit ihm über das aktuelle Tagesgeschäft zu sprechen. »Die Sitzung findet wie geplant statt?«

Samuel nickte. »Natürlich, Papa. Elf Uhr.«

»Gut. Wann ist mit den präklinischen Tests zu rechnen? Weißt du schon was?«

»Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Es wird noch etwas dauern, aber sie werden alsbald in Angriff genommen.« Er sah in die Runde seiner anwesenden Angehörigen, während sein Hirn auf Hochtouren arbeitete. Denn das, was er seiner Familie nun zu wissen gab, war nur die halbe Wahrheit. Vielleicht sogar nur dreißig Prozent. Eher zwanzig. »Es laufen die ersten Personentests. Dabei sind bislang nur Doktor Durand und ich beteiligt«, er lächelte kurz in Freyas Richtung und vermied es, die durchgeführten Tierversuche zu erwähnen. »Am nächsten Morgen haben wir unseren Schlaf analysiert. Es war alles wie gewünscht und noch besser als erwartet. Ich habe besser geschlafen als ein Baby.« Er lachte und die Familienmitglieder stimmten mit ein.

»Woher willst du wissen, wie gut oder schlecht ein Baby schläft?«, fragte Freya kauend.

Samuel, der erst vor einem Jahr zur Entwicklung und Wirkung von Schlafmitteln promoviert hatte, sah sie an und überlegte kurz. »Nun, Schwesterlein, vielleicht kann es ja sein, dass ich mich an meine eigene Phase dieses Lebens erinnern kann? So gut wie mit Dormeria habe ich noch niemals im Leben geschlafen.«

»Du bist ein Spinner, Sam«, kommentierte sie.

»Keineswegs. Im Gegensatz zu dir und Joris schwärmt unsere Mama manchmal davon, welch ruhiges Baby ich gewesen bin.« Samuel lächelte Carmen kurz an.

»Vielleicht sollte ich das auch mal testen, Samuel«, schlug Hubertus vor, »wegen meiner Einschlafstörungen, wie du weißt, und es wäre wohl auch gut, als Tester meines Alters meinen Beitrag zu leisten.«

»Großpapa, das ist lieb gemeint,« Samuel schenkte Hubertus ein warmherziges Lächeln, »aber da müssen noch andere Tests gemacht werden, bevor wir dich ins Boot ziehen. Du nimmst schon genug Medikamente. Wegen der Wechselwirkungen kann ich noch nicht so viel sagen, das müssen wir erst noch genauer prüfen. Aber wenn es so weit ist, bist du der Erste, der in Frage kommt.« Dann wandte er sich wieder den anderen zu, richtete seine Worte auch an seine Schwester, die in ihrem derzeitigen Praktikum etwas lernen sollte. Sie war gegen Tierversuche und hatte alles versucht, Sam dazu zu bewegen, davon Abstand zu nehmen und an künstlich hergestellten menschlichen Zellkulturen zu testen. Dies wurde zum Teil so gemacht; vom anderen Teil wusste sie nichts. Nach diesem Erfolg hatte Freya sich entschieden, später einmal in die Firma einsteigen zu wollen, was sie bei weiteren Tierversuchen bedingungslos vermieden hätte. Dass auf diese Weise nicht die kognitive Wirkung getestet werden konnte, wusste Freya. Sie ging davon aus, dass es eben mehr menschliche Tests geben musste. Samuel hatte ihr dazu ein paar Sachverhalte vorenthalten, was er für richtig hielt. »Wir werden noch einige Dinge klären müssen. Erst dann können wir in die erste Testphase der klinischen Studien gehen. Es wird noch Zeit nötig sein, bis wir das CTD fertig haben.«

»Was ist das?«, fragte Freya. Ihr Interesse war nicht gespielt und sie wusste, dass Sam es positiv bewertete, wenn sie viel nachfragte.

»Das ist das Zulassungsdokument, das die Behörden absegnen müssen, erst dann kann es auf den Markt. Davor muss aber noch viel erledigt werden. Der Prozess ist immer sehr langwierig und muss hieb- und stichfest sein.«

Freya nickte. »Okay«, sagte sie und biss in ihr mit Schoko-Nuss-Creme bestrichenes Croissant.

Hubertus sagte nichts, verfolgte jedoch akribisch alles, was die Firma betraf. Zu gerne hätte er wieder mitgearbeitet, doch der Arzt hatte es ihm verboten. Über den Fortgang der Arbeiten ließ er sich zusammen mit Liliane allabendlich von Samuel und Johannes informieren. Den Rest seines Alltags füllte er mit Lesen und dem Schachspiel gegen den Computer. Er mochte zwar altersgemäß zum alten Eisen gehören, doch seine grauen Zellen sollten so lange wie möglich funktionieren, das hatte er sich geschworen.

»Dass eine Schlaftablette benommen macht, ist normal«, informierte Samuel seine Familie weiter über den aktuellen Stand seiner Arbeit, um alles so gewöhnlich wie nötig erscheinen zu lassen. »Schwindel kann auftreten, muss aber nicht, auch das ist normal. Weil die Leute aber sehr schnell müde werden und einschlafen, kriegen sie von alldem nichts mit. Das Beste aber ist: Wir sind die, die Melatonin, Diphenhydramin und Doxylamin in einer neuartigen Wirkstoffkombination mit einem genialen, noch nie dagewesenen Wirkstoffbeschleuniger einsetzen. Die Tablette wird zerkaut, schmeckt recht angenehm nach Zitrone - was uns nebenbei auch Monate gekostet hat - umgeht damit den umständlichen Weg über den Magen-Darm-Trakt. Der Wirkstoff kann so direkt über die Mundschleimhaut in den Blutkreislauf gelangen. Auch das, was im Magen ankommt, wird sofort weitergeleitet, wo es hinsoll. Der Patient gleitet innerhalb kürzester Zeit in einen erholsamen Schlaf. Es dauert knapp fünf, maximal sieben Minuten. Dormeria wird dank dieser neuartigen Technologie der Renner werden. Das ist eine medizinische Revolution.«

»Nun, wenn ich auf den leeren Stuhl dort sehe, frage ich mich, ob dein Bruder auch unter den Testern war und vielleicht etwas zu viel eingenommen hat«, lachte Johannes in seiner unverwechselbar ironischen Art.

Alle, außer Freya, fielen in sein Lachen ein. Sie fand diese Bemerkung nicht amüsant. »Paps, du bist ungerecht. Echt jetzt. Joris ist Künstler. Er arbeitet nachts, weil er Ruhe dazu braucht.«

Liliane klopfte mit den Fingern auf den Tisch. »Wenn das Ruhe ist, in aller Herrgottsfrühe in die Welt hinauszuschreien, für welch ein Genie er sich hält, dann kann ich dem nicht zustimmen. Damit hat er meine Nachtruhe jedenfalls jäh unterbrochen. Das werde ich diesem Tunichtgut auch noch mitteilen. Hat das sonst niemand gehört? Es war laut genug, dass man es bis nach Paris hätte hören können.«

»Lass gut sein, Mutter«, sagte Johannes. Auch sein Vater stimmte dem zu, indem er nickte und die Hand seiner Frau tätschelte.

Johannes lächelte seiner Mutter zu. »Es nützt nichts, sich seinetwegen die Laune zu verderben. Lasst uns über etwas anderes reden.« Er räusperte sich kurz, tupfte sich mit einer Serviette, die das blau-weiß-goldene Gemser Wappen trug, den Mund ab. »Ich finde, wir sollten die herbstliche Zeit, die wir aktuell haben, mit der Renovierung des Gästeflügels … beflügeln.« Er lachte. »Gerade jetzt sollten wir damit beginnen, bevor die Arbeitslust der Unternehmen durch die Feiertage lahmgelegt wird. Ich habe mich bereits informiert. Es gibt seit einiger Zeit ein Büro für Innenarchitektur in Gemserau. Wenn der ausgezeichnete Ruf, den ich vernommen habe, berechtigt ist, dann ist der Name völlig egal, den habe ich gerade tatsächlich vergessen. Aber die Referenzen sind erstklassig. Falls ihr einverstanden seid, werde ich dorthin Kontakt aufnehmen. Was sagt ihr?«

Kapitel 4

Von draußen klopfte heftiger Regen an die Scheiben. Ein inspiratives Geräusch für Céline, die sich dann besonders gut konzentrieren konnte.

Ihre Kollegin Ella Schmid blätterte gedankenversunken in der Mappe mit den Bodenmustern, stand auf, um Céline etwas zu zeigen. »Schau mal, dieser Honigton hier, der würde doch gut in den Konzertraum passen, meinst du nicht?«

Céline war gleich begeistert. »Oh ja, der ist schön. Nicht zu dunkel, nicht zu hell, sehr elegant, das passt perfekt. Hast du geguckt, ob der den Auflagen entspricht und nicht zu viel schluckt?«

»Ja, hab ich, der ist von dieser Firma aus Bayern, wie hieß die noch … Dingsmeyer …, die ist spezialisiert auf Böden dieser Art. Klangerprobt, du weißt schon.«

»Ah ja, ich weiß, wen du meinst.« Célines Handy sendete eine Melodie aus Marimba-Tönen aus ihrer Handtasche. Sie griff hinein.

»Gut, dann nehme ich den mal.« Ella ging an ihren Arbeitsplatz zurück, startete am Laptop das Einrichtungsprogramm für die Halle und suchte für den Boden nach der honiggelben Farbe.

Währenddessen sprach Céline mit ihrer Schwester, die sie zum Geburtstag ihrer Tochter Anouk einlud, deren Patin Céline war. »Unglaublich, meine Nichte wird schon acht«, verkündete sie nach Beenden des Gesprächs.

Ella sah kurz auf. »Ja, die Zeit läuft besonders schnell, wenn wir sie an Kindern messen.«

»Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie geboren wurde, kurz bevor mein Papa starb. Ist fast so, als hätte er seinen Platz für sie hergegeben.«

Ella nickte. »Klar, diese seltsamen Zusammenfälle passieren öfter mal.«

»Ach, nee …« Céline seufzte und griff sich an den Kopf.

»Was ist?«

Célines Mimik glich dem Zustand, als sei sie in einen Hundehaufen getreten. »Jetzt fällt mir gerade mein Traum ein von letzter Nacht… wegen Anouk. Ich habe Tom geheiratet.«

Ella lachte ein ersticktes Lachen. »Na, herzlichen Glückwunsch. Was hat Anouk damit zu tun?«

»Sie hat Blumen gestreut.« Céline suchte nach den Bildern ihres Traums, beobachtete durch das Fenster die Menschen draußen. »Wie komme ich bloß auf so einen Mist?« Sie musste selbst lachen. »Er wollte mir den Ring anstecken und ich habe die Hand weggezogen. Aber am Ende war es dann doch passiert. Und als Standesbeamtin stand da unsere Reinigungsfee. Ich habe sie genau erkannt.«

»Da hast du aber alles zusammengeschmissen. Gut, dass Frau Loeven nicht weiß, was sie so in deinen Träumen treibt.«

»Oh ja, das wär´s ja noch … Ella, sag jetzt bitte nicht, dass auch das etwas zu bedeuten hat. Wegen deiner Zufälle, die es nicht gibt, meine ich. Das würde ich auf keinen Fall akzeptieren.«

»Na ja, man sagt ja, dass Träumen was mit dem Unterbewusstsein zu tun hat. Aber schon komisch, dass er noch immer bei dir herumspukt nach der Zeit. Wenn du mich fragst, solltest du diesen Blödsinn mit einem neuen Abenteuer aus dem Weg fegen. Vielleicht doch mit meinem Bruder, na?«

Céline streckte ihr die Zunge heraus und dachte an Manuel, der mit seinem dunklen zerzausten Haarschnitt das perfekte männliche Gegenstück zu Manuela – wie sie richtig hieß - war, mit dem weiteren Unterschied, dass er eine Brille trug und sie ihre Haare blondierte, dazu ihren Mund bevorzugt knallrot betonte. »Bäh, brauchst gar nicht immer drauf rumzureiten. Ja, er sieht gut aus, aber durch sein Schmetterlingsverhalten kommt er für mich nicht in Frage. Ich bin für Treue, das weißt du doch. Abenteurer sind nichts für mich.«

Ella hob beschwichtigend ihre Hände. »Ich wollte es ja nur nochmal erwähnt haben. Er hält große Stücke auf dich. Er findet dich nämlich total heiß.« Sie nahm ihr Handy in die Hand. »Soll ich ihn doch mal anrufen?«

Céline schreckte auf. »He, lass das sein. Warum sprichst du mit ihm über mich?«

»Tu ich ja nicht, er hat angefangen.« Ihr Blick wurde plötzlich etwas frivol. »Soll ich dir verraten, was er gesagt hat?«

Céline wandte sich ihrem Laptop zu. »Das interessiert mich nicht.«

Es vergingen drei Sekunden, in denen es mäuschenstill war. Dann atmete Céline einmal tief ein und aus und sah auf. »Okay, was hat er gesagt?«

Ella schürzte kurz die Lippen, lächelte dann siegessicher. »Am Samstag haben wir doch den Geburtstag unseres Vaters gefeiert, Manuel nahm mich zur Seite und sagte – Achtung, ich zitiere ihn wörtlich – also, er sagte: „Gestern war ich mit Paul in der Sauna. Da musste ich plötzlich an deine Kollegin denken und hab mir vorgestellt, dass sie mir gegenübersitzt. Das gefiel mir so gut, dass ich es mir zu Hause mit Gedanken an sie besorgt habe.“ Ich sagte: „Hey, bist du verknallt in sie?“ Und er sagte: „Keine Ahnung, ich finde sie nur total heiß.“ Ich sagte: „Soll ich euch verkuppeln?“ Und er meinte …«

»Hör auf, Ella!«, unterbrach Céline sie aufgebracht, »wieso erzählt er dir, dass er an mich denkt, während er …?« Sie verzog ihr Gesicht.

»Ja, Hammer, oder? Du hast echt einen feurigen Eindruck bei ihm hinterlassen.«

Céline erinnerte sich an das Jubiläum zum zweijährigen Bürobestehens vor drei Wochen, das sie mit ein paar Gästen gefeiert hatten, inklusive Ellas Eltern, die schließlich dazu beigetragen hatten, ihrem Lieblingsjob nachzugehen. Frau Loeven war dabei und auch Manuel, der sich extra zwei Stunden freigenommen hatte. Als Außendienstmitarbeiter einer Firma für Hard- und Software war das für ihn einfach gewesen. Natürlich hatte Céline sich schick gekleidet, aber so, dass ein Mann bei ihrem Anblick auf solch verwegene Gedanken gekommen wäre, fand sie ihr Outfit auch rückblickend nicht. Sie hatte den königsblauen Pulli mit den weiten Ärmeln zum selbstgenähten kurzen schwarzen Rock gewählt, dazu blickdichte schwarze Strümpfe und schwarze, halbhohe Stiefeletten. Höhere Absätze trug sie nie. Gut, es war figurbetont gewesen, und jetzt erinnerte sie sich mit anderen Augen an die paar Minuten, in denen sie mit Manuel gesprochen hatte. Er war mit seinem Champagnerglas zu ihr gekommen, hatte ihr gratuliert.

Ja, er hatte diesen bestimmten Blick gehabt, und wenn sie nun unter dem gerade Erfahrenen an diese Situation dachte, hatte er in diesem Moment einen „Mit dir würde ich gerne mal in die Kiste“-Gedanken. Es hatte sie nicht gewundert, weil Ella ihr oft genug erzählt hatte, wie gerne er sich von seinen Trieben treiben ließ und dem weiter keine Beachtung geschenkt. »Euer Erfolg wird nicht zuletzt dadurch begründet sein, dass du mit deinen wunderschönen Augen den besten Blick dafür hast, wie ein Raum am beeindruckendsten wirken kann«, hatte er dann gesagt. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt und sich für das Kompliment bedankt, aber nie im Traum hätte sie daran gedacht, dass hinter dieser Bemerkung ein solcher Gedanke steckte.

»Dass er dir sowas erzählt«, wunderte sie sich.

»Manuel und ich sind nicht nur Geschwister, sondern auch allerbeste Freunde. Wir erzählen uns so ziemlich alles. Ich sage ihm ja auch, was ich von meinen Abenteurern so halte, und je nachdem, wie mein Urteil ausfällt, kann er sein Repertoire verbessern. Und ich erfahre von ihm so manches Geheimnis, wie Männer so ticken, was mir wiederum entgegenkommt. So einfach ist das. Bist du jetzt echt so schockiert?«

Es konnte daran liegen, dass Céline seit der letzten Trennung nicht über eine neue Beziehung nachgedacht hatte. Die Erholung von Tom generell sowie die Verarbeitung des Auffliegens seines Doppellebens hatte einige Zeit in Anspruch genommen. Sie war nicht so, nach Beendigung der einen Sache gleich in eine neue hineinzuschlittern. Nach Tom fand sie die Zeit mit sich allein viel angenehmer und hatte alle Gedanken zu einer eventuellen neuen Liebe ausgeschaltet.

Mit Tom war sie auf die falsche Spur geraten, ohne es sich bewusst zu sein, denn sie hatte ihn geliebt. Sie wusste ja, dass er täglich mit Kunden und Kundinnen zu tun hatte, die natürlich auch mal sehr hübsch sein konnten. Da sie sich seiner Liebe sicher fühlte, verbannte sie, von ihrer eigenen Liebe zu ihm blind, aufkommende Eifersucht.

Ihre Großmutter hatte ihr nach dem Ende gesagt, dass die Liebe wieder in ihr Leben kommt, wenn sie nicht danach sucht, dass dies erst dann passiert, wenn die Zeit dafür reif ist, und alles von Gott gesteuert wird, dem man nicht in die Karten schauen kann.

Mit noch nicht einmal dreißig Jahren akzeptierte Céline diese Sache und beschloss, Gott zu vertrauen. Er hatte ja immer die beste Sicht auf ihr Leben und sah, was sie daraus machte. Nur einen Grund, warum er ihren Vater so früh und auf solch grausame Art zu sich beordert hatte, konnte sie nicht ausmachen.

Gott würde ihr schon zur richtigen Zeit ein Zeichen senden, bestenfalls den richtigen Mann fürs Leben gleich mit dazu. Und wenn nicht, hoffte sie, dass dieses Zeichen hör- und sichtbar genug war, dass sie es auch bemerken konnte.

Bis dahin blieb sie geduldig. Geduld war zum Glück eine von Célines Stärken, und es gelang ihr in diesem Fall, dass sie einfach nicht mehr darüber nachdachte. »Ich weiß nicht … solange er so über andere Frauen redet, mag es okay sein, aber ausgerechnet über mich, das fühlt sich schon komisch an. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich glaube nicht, dass ich ihm nochmal gegenüberstehen möchte.«

»Ich wollte es ja für mich behalten, aber du hast mich ja so genötigt, es dir zu sagen.« Belustigt zwinkerte sie Céline mit einem Auge zu. »Sieh es einfach als Kompliment, all das zu haben, was ein Mann für interessant hält. Das ist doch schön, oder?« Ella war kein Kind von Traurigkeit, das war bekannt. Sie war großer Fan einer Beziehungsapp und suchte mehrmals im Monat dort nach einem neuen Liebhaber.

Céline riss die Weingummitüte auf und steckte sich ein rotes in den Mund. »Als Kompliment? Na ja, also, ehrlich gesagt wäre es mir lieber, dass man mich nicht auf mein Äußeres reduziert, wenn man mich schon für interessant hält. Aber dein Bruder ist halt so ein Typ, und deswegen nicht so der, den ich bevorzugen würde.«

»Was denn? Sei doch nicht so naiv. Du bist eben ein hübsches Mädel, die Optik ist nun mal das Erste, was einem auffällt, wenn man sich begegnet. Und dass Männer da bei hübschen Frauen an das Eine denken, ist auch kein Geheimnis, gerade bei einer Ausstrahlung wie du sie hast, mit deinen Kulleraugen, das weißt du schon, gell?«

Ja, das wusste Céline. Nur auf eine Weise wie jetzt war das noch nie an sie herangetreten. Sie legte immer schon viel Wert auf ihre äußere Erscheinung, hatte ihre Haare ordentlich gesteckt und ein wenig Make-up aufgelegt. Besser, das Thema zu wechseln. »Wie war denn dein Wochenende, du hast noch gar nichts erzählt. Sag nicht, der Typ hat sich nicht mehr gemeldet, wie der vom letzten Mal?«

Ella lächelte überlegend, schwelgte in Erinnerungen, wie es schien. »Doch, er hat sich gemeldet und war Freitagabend da. Mick war optisch ein Hammertyp, groß, dunkelhaarig, breite Schultern, sportlich … aber ganz ehrlich, von Sex hatte er kaum `ne Ahnung.«

»Was? Wie denn das?« Céline hielt ihr die Tüte entgegen, doch Ella schüttelte den Kopf.

»Später. Also, erstmal hat er fast dauernd gequasselt und das überwiegend von sich und seinem alten Käfer, den er restauriert, schon sehr selbstverliebt. Und als es dann zur Sache gehen sollte, war er total passiv. Ich dachte zuerst, vielleicht wartet er ja ab, wie ich denn so drauf bin. Ich hab auch angefangen, aber er wusste absolut nicht mit mir umzugehen. Der war plötzlich wie ein kleiner naiver Junge, hat sich fast schon geziert.«

Céline lachte ungläubig.

»Wirklich. Sich selbst schien er gut zu kennen, aber was mich angeht, wusste er nichts, hatte keine Ahnung, ob und wie er mich befummeln sollte, was mich dann schon stutzig gemacht hat. Und nach längerem Nachhaken hat er dann zugegeben, dass er tatsächlich noch nicht oft echten Sex hatte.«

Céline machte große Augen. »Hä? Wie alt war der denn? Siebzehn?«

»Hätte man glauben können. Zweiunddreißig. Sah aus, als würde er jeden Tag eine andere abschleppen und dann sowas. Ich war sein erstes Date nach fünf Jahren. Natürlich hab ich nachgefragt, wie das sein kann und dann sagte er, dass er ein wenig Angst hat vor Frauen, erst recht vor Beziehungen und sich deswegen sehr zurückhält. Seine Gefühle lebt er zumeist mit sich und Pornofilmen aus. Ich hab dann das Date für beendet erklärt und ihn gehen lassen. Das hatte keinen Zweck.« Ella hob kurz ihre Schultern.

»Das war dann eine echte Mogelpackung«, lachte Céline.

»Das trifft es auf den Punkt. Für nächsten Samstag hab ich aber schon eine andere Verabredung getroffen. Auch recht hübsch, er heißt Max. Ich zeig ihn dir.« Sie nahm ihr Smartphone aus der Tasche, tippte darauf herum und zeigte Céline ein paar Fotos. »Der sieht schon vielversprechend aus, oder?«

Céline zog ihre Brauen hoch. »Oha, optisch ein echtes Prachtstück. Hoffentlich wird das nicht wieder so ein Reinfall.«

»Ich glaub nicht. Der Chat mit ihm war ganz anders. Er schrieb, dass ich das perfekte Leckerchen sei, auf das er kaum warten kann … du verstehst? Leckerchen?« Sie lächelte frivol und ließ ihre Zunge mehrmals hervorschnellen.

Céline schürzte ihre Lippen. »Oh la la, das klingt heiß. Was für Fotos hast du denn von dir da reingestellt? Etwa …?« Ihr Kopf hüpfte hin und her.

»Quatsch, so was mach ich doch nicht. Das soll man sich schon live ansehen, deshalb treff ich ihn ja. Und jetzt will ich doch was Süßes.« Sie griff in die Weingummitüte und holte gleich vier heraus, die sie sich auf einmal in den Mund stopfte und genießend zu Kauen begann.

»Hast du eigentlich so gar keine Bedenken, dich mit Fremden zu treffen, ich meine, für so intime Dinge?«

Ella schüttelte den Kopf. »Hm hm. Ich guck mir schon an, mit wem ich mich da treffe, und dann sind wir vorsichtig in jeder Hinsicht. Ich kann dir gerne ein Coaching geben.«

»Nee, lass mal.« Céline lachte und musste auf einmal an ihre Omi denken, die sich zum Glück bester Gesundheit erfreute, bis auf diese Magengeschichte, die dieses Blatt hoffentlich nicht wenden würde. Die Zeit bis zum Ergebnis der Untersuchung war schwer auszuhalten, daher dachte sie so oft wie möglich daran und betete darum, ihre Großmutter gesund zu erhalten. Besonders hier war Gottvertrauen wichtig.

Das Telefon meldete sich. »Was denn, etwa schon wieder ein Auftrag?« scherzte Céline und lächelte ungläubig.

Ella lachte. »Die Leute müssen zum Jahresende noch eben ihre Überschüsse verprassen, hat steuerliche Gründe, das weißt du doch.« Dann lauschte sie neugierig dem Gespräch, das ihre Freundin führte.

Céline machte währenddessen einen erfreulichen Gesichtsausdruck, zog öfter die Brauen hoch und nickte Ella vielversprechend zu, machte sich Notizen. »Ja, das passt sehr gut, das machen wir so. Bis dann, Herr Graf … Dankeschön, Ihnen auch.« Sie legte auf. »Ella, du glaubst nicht, wer das war.«

»Herr Graf? Sagt mir nichts.«

Céline sah für drei Sekunden auf ihren Schreibtisch, dann verwundert zu ihrer Freundin, als könne sie es selbst nicht glauben, welche Anfrage sie soeben erhalten hatte. »Er heißt nicht Graf, sondern ist einer. Genau der von der Gemser-Pharma. Ob wir Interesse hätten, einen ganzen Flügel auszustatten, zehn Zimmer, zwei Bäder, plus Flur. Was sagst du dazu?«

»Wow! Mega! Und ob wir Interesse haben, das gibt fett Kohle … aber es trifft ja keinen Armen.« Ella klatschte vor Begeisterung in die Hände.

»Ja, echt. Das können wir gut gebrauchen. Ich hoffe, dass es machbar ist. Ich habe einen Termin für morgen um zehn gemacht, ist das okay?«

»Ach, da musst du leider allein hin, da ist doch mein Zahnarzttermin, mein Nussbeißer- Erlebnis, du weißt doch.« Sie zeigte auf ihre rechte Wange. »Wenn ich den verschiebe, muss ich vier Wochen warten. Du machst mindestens zweitausend Fotos und Videos und dann sehen wir uns das zusammen an, ja?«

»Klar, Chefin«, lachte Céline und legte die Finger wie ein Offizier an ihre Stirn. »Pardon, den Termin hatte ich gerade gar nicht mehr auf dem Schirm. Der Graf hat morgen nur dieses Zeitfenster und möchte die Sache so schnell wie möglich bearbeitet haben. Das wird unser bisher größte Auftrag … sofern wir ihn kriegen.«

Kapitel 5

Im Konzern arbeiteten mittlerweile fast vierhundert Mitarbeiter. Er war durchstrukturiert bis ins kleinste Detail, vom ersten Brainstorming über Labore und Produktion bis zur Medienpräsenz und Fernsehwerbung.

Freya hatte großen Respekt vor Samuel, der die Fähigkeit besaß, das alles unter einen Hut zu bekommen, sowie ihrem Vater, der nach dessen Vater und Großvater all das auf die Beine gestellt hatte. Die Firma hatte eine lange Tradition.

Obwohl sie recht gerne lernte, war Freya das Praktikum lieber als Unterricht. Mit Samuel, der ihre Betreuungsperson war, verstand sie sich gut, doch Joris wäre ihr dennoch lieber gewesen. Leider hatte sie nicht ganz so eine künstlerische Ader wie er – sie würde auch gerne Künstlerin sein. Da die Firma viel mehr Geld einbrachte als Joris´ Bilder, wollte sie sich stattdessen für die Vorgehensweisen der Medikamentenentwicklung begeistern. Soweit die Theorie.