Der Alpdruck - Hans Fallada - E-Book

Der Alpdruck E-Book

Hans Fallada

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Beschreibung

Der Alpdruck ist ein Roman von Hans Fallada. Er ist eines seiner letzten Werke, wurde 1945/1946 geschrieben und 1947 (nach Falladas Tod) veröffentlicht.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Erster Teil. Der Sturz

Erstes Kapitel. Die eine Täuschung

Zweites Kapitel. Die andere Täuschung

Drittes Kapitel. Das verlassene Haus

Viertes Kapitel. Die Herren Nazis

Fünftes Kapitel. Die Ankunft in Berlin

Sechstes Kapitel. Die neue Last

Siebentes Kapitel. Trennung der Dolls

Zweiter Teil. Die Gesundung

Achtes Kapitel. Die selbständige Entlassung

Neuntes Kapitel. Robinson

Zehntes Kapitel. Robinson geht in die Welt

Elftes Kapitel. Anfang mit Streit

Zwölftes Kapitel. Die Genesung

Hans Fallada

Der Alpdruck

Roman

Zuerst erschienen: 1947

Vorwort

Der Verfasser dieses Romans ist keineswegs zufrieden mit dem, was er auf den folgenden Seiten schrieb, was der Leser jetzt gedruckt vor sich hat. Als er den Plan zu diesem Buch faßte, schwebte ihm vor, daß neben den Niederlagen des täglichen Lebens, den Depressionen, den Erkrankungen, der Mutlosigkeit – daß neben allen diesen Erscheinungen, die das Ende des schrecklichen Krieges unvermeidlich jedem Deutschen gebracht hat, auch Aufschwünge zu schildern sein würden. Taten hohen Mutes, Stunden voll Hoffnung – es war ihm nicht beschieden. Das Buch ist im wesentlichen ein Krankheitsbericht geblieben, die Geschichte jener Apathie, die den größeren und vor allem den anständigeren Teil des deutschen Volkes im April des Jahres 1945 befiel, von der sich viele heute noch nicht frei gemacht haben.

Daß er dies nicht ändern konnte, daß er nicht mehr Leichtigkeit und Heiterkeit in diesen Roman bringen konnte, liegt nicht allein an des Verfassers Art, die Dinge zu sehen, es liegt vor allem an der Gesamtlage des deutschen Volkes, die heute, fünfviertel Jahr nach Beendigung der Kampfhandlungen, noch immer düster ist.

Wenn der Roman der Öffentlichkeit trotz dieses Mangels übergeben wird, so darum, weil er vielleicht ein »document humain« ist, ein möglichst wahrheitsgetreuer Bericht dessen, was deutsche Menschen vom April 1945 bis in den Sommer hinein fühlten, litten, taten. Vielleicht wird man schon in naher Zeit die Lähmung nicht mehr begreifen, die so verhängnisvoll dies erste Jahr nach Kriegsende beeinflußte. Eine Krankheitsgeschichte also, kein Kunstwerk – verzeiht! (Auch der Verfasser konnte nicht aus seiner Haut, auch der Verfasser war »gelähmt«.)

Soeben ist von »wahrheitsgetreuem Bericht« gesprochen worden. Aber nichts von dem, was auf den folgenden Seiten erzählt wird, ist so geschehen, wie es hier berichtet ist. Ein Buch wie dieses kann schon aus räumlichen Gründen nicht alles sagen, was geschah; es mußte ständig eine Auswahl getroffen, es mußte erfunden werden, Berichtetes konnte in der berichteten Form nicht verwendet, sondern mußte abgewandelt werden. Daß das Ganze darum doch »wahr« sein kann, wird davon nicht berührt: alles hier Erzählte konnte so geschehen und ist doch ein Roman, also ein Gebilde der Phantasie.

Das gleiche ist von den eingeführten Personen zu sagen: so, wie sie hier geschildert sind, lebt keine außerhalb des Buches. Wie die Geschehnisse den Gesetzen des Erzählens folgen mußten, so auch die Personen. Manche sind erfunden, andere sind aus mehreren zusammengesetzt.

Es war nicht erfreulich, diesen Roman zu schreiben, aber das Buch schien dem Verfasser wichtig. Immer, zwischen Aufschwüngen und Niederlagen, blieb ihm wichtig, was innerlich und äußerlich nach Beendigung des Krieges erlebt wurde. Wie fast alle den Glauben verloren und endlich doch ein wenig Mut und Hoffnung wiederfanden – davon ist auf diesen Seiten zu lesen.

Berlin, August 1946

H. F.

Erster Teil. Der Sturz

Erstes Kapitel.Die eine Täuschung

Immer in diesen Nächten um den großen Zusammenbruch herum wurde Dr. Doll, wenn er wirklich einmal einschlief, von dem gleichen Angsttraum heimgesucht. Sie schliefen sehr wenig in diesen ersten Nächten, stets angstvoll irgendeine Bedrohung des Leibes oder der Seele erwartend. Längst war die Nacht gekommen – nach einem Tage voller Qual –, und noch immer saßen sie an den Fenstern und spähten auf die kleine Wiese, nach den Büschen, zu dem schmalen Zementfußweg hinaus, ob ein Feind käme, bis ihren schmerzenden Augen alles ineinanderfloß und sie nichts mehr sahen.

Oft fragte dann eines: »Wollen wir nicht doch lieber schlafen gehen?«

Aber meist antwortete niemand, sondern weiter saßen sie, starrten und fürchteten sich. Bis Dr. Doll dann plötzlich vom Schlaf wie von einem Räuber überfallen wurde, dessen große Hand sich erstickend über sein ganzes Gesicht legte. Oder es war auch wie dichtes Spinnengewebe, das mit der Atemluft in seine Kehle drang und sein Bewußtsein überwältigte. Ein Alpdruck ...

So eingeschlafen zu sein, war schon schlimm genug, aber solchem schlimmen Einschlafen folgte sofort der Angsttraum, immer der gleiche. Und zwar träumte Doll dies:

Er lag am Grunde eines ungeheuren Bombentrichters, auf dem Rücken, die Arme fest an die Seiten gepreßt, im nassen, gelben Lehm. Ohne den Kopf zu bewegen, konnte er die in den Trichter hinabgestürzten Baumstämme sehen, auch die Fassaden von Häusern mit den leeren Fensterhöhlen, hinter denen nichts mehr war. Manchmal quälte Doll die Befürchtung, diese Dinge könnten tiefer in den Bombentrichter und damit auf ihn stürzen, aber nie änderte eine dieser bedrohlichen Ruinen ihre Lage.

Noch quälte ihn der Gedanke, daß tausend Wasseradern und Quellen, Doll überschwemmend, seinen Mund ganz mit dem gelben Lehmbrei füllen würden. Dem war nicht zu entgehen, denn Doll wußte, er würde aus eigener Kraft nie aus diesem Trichtergrunde aufstehen können. Aber auch diese Befürchtung war grundlos, denn nie hörte er einen Laut von den Quellen und dem Rieseln der Wasseradern, wie es überhaupt totenstill war in dem riesigen Bombentrichter.

Dann war auch der dritte quälende Eindruck eine Täuschung: ungeheure Raben- und Krähenschwärme zogen ununterbrochen über den Himmel des Bombentrichters dahin; er fürchtete sich sehr, sie könnten ihr Opfer im Lehm erspähen. Aber nein, alles blieb weiter totenstill, es gab diese ungeheuren Vogelschwärme nur in Dolls Einbildung, er hätte wenigstens ihr Krächzen hören müssen.

Aber zwei andere Dinge waren keine Einbildung, von ihnen wußte er ganz genau. Das eine dieser Dinge war dies, daß endlich Friede geworden war. Keine Bombe zerriß mehr kreischend die Luft, kein Schuß fiel mehr; es war Friede, es war still geworden. Eine letzte ungeheure Explosion hatte ihn noch in den Grundlehm dieses Trichters hinabgerissen. Nicht allein lag er in diesem Abgrund. Obwohl er nie einen Laut hörte und nichts wie das Beschriebene sah, wußte er doch: mit ihm lag seine ganze Familie hier und das ganze deutsche Volk und überhaupt alle Völker Europas, alle ebenso hilf- und wehrlos wie er, alle von den gleichen Ängsten wie er gequält.

Aber immer, in all den endlosen qualvollen Traumstunden, da der am Tage tätige und energische Dr. Doll ausgelöscht und nur Angst in ihm war – aber immer in diesen mörderischen Schlafminuten sah er noch ein anderes. Und das, was er sah, war dies:

Am Rande des Trichters saßen schweigend und still und ohne eine Bewegung die Großen Drei. Noch im Traume nannte er sie nur mit diesem Namen, den der Krieg unauslöschlich in sein Hirn gebrannt hatte. Dazu fanden sich dann die Namen Churchill, Roosevelt und Stalin, obwohl ihn der Gedanke manchmal quälte, daß es da vor kurzem noch eine Veränderung gegeben habe.

Diese Großen Drei saßen dicht bei- oder doch nicht weit auseinander; sie saßen, wie sie eben aus ihrer Weltgegend gekommen waren, und starrten voll stummer Trauer in den ungeheuren Trichter hinab, auf dessen Grund Doll mit seiner Familie und das deutsche Volk und alle Völker Europas wehrlos und beschmutzt lagen. Und während sie so stumm und voller Trauer saßen und starrten, wußte Doll mit aller Bestimmtheit in seines Herzens tiefstem Grunde, daß die Großen Drei ununterbrochen darüber nachgrübelten, wie ihm, dem Doll, und mit ihm allen andern wieder aufzuhelfen und wie aus einer geschändeten wieder eine glückliche Welt aufzubauen sei. Ja, darüber grübelten sie ununterbrochen, die Großen Drei, während endlose Krähenschwärme über das befriedete Land heimzogen, von den Schlachtfeldern der Welt zu ihren alten Horsten, und während stille Quellen unhörbar rieselten, deren Wasser den gelben Lehmbrei seinem Munde immer gefährlicher nahebrachten.

Er aber, Doll, konnte gar nichts tun, mit den eng an seinen Leib gepreßten Armen mußte er stille liegen und warten, bis die traurig grübelnden Großen Drei zu einem Entschlusse gekommen waren. Dies war vielleicht das Allerquälendste in diesem Angsttraum für Doll, daß er, noch immer von vielen Gefahren bedroht, nichts tun konnte, sondern stille warten mußte, eine endlose, endlose Zeit! Die leeren Häuserfassaden konnten noch über ihn einbrechen, die leichenhungrigen Krähenschwärme den Wehrlosen entdecken, der gelbe Lehm seinen Mund füllen: er konnte gar nichts tun, nur warten, und vielleicht wurde es über diesem Warten für ihn und die Seinen, die er sehr liebte, zu spät ... Vielleicht gingen sie doch noch alle zugrunde!

Es dauerte eine sehr lange Zeit, bis die letzten Reste dieses quälenden Angsttraums Doll verließen; völlig frei wurde er erst von ihnen, als eine Wendung seines Lebens ihn zwang, das Grübeln aufzugeben und wieder ein tätiger Mensch zu sein. Aber noch viel länger dauerte es, bis Doll klar erkannte, daß dieser ganze, aus seinem Innern gespenstisch aufgetauchte Angsttraum ihn nur narrte und täuschte. So qualvoll dieser Traum auch war, Doll hatte an seine Wahrheit geglaubt.

Sehr lange dauerte es, bis er begriff, daß da niemand in der Welt war, bereit, ihm aus dem Dreck aufzuhelfen, in den er gestürzt war. Kein Mensch, nicht die Großen Drei, von seinen Landsleuten ganz zu schweigen, interessierte sich für Dr. Doll. Wenn er im Lehmbrei verkam, um so schlimmer für ihn, aber nur für ihn! Kein Herz auf der Welt wurde schwerer darum. Wenn er ernstlich den Wunsch hatte, noch einmal etwas zu arbeiten und darzustellen, so war es seine Sache allein, diese Apathie zu überwinden, aufzustehen, den Dreck von sich abzuklopfen und ans Werk zu gehen.

Aber von dieser Erkenntnis war Doll in jener Zeit noch sehr weit entfernt. Nachdem nun endlich Friede geworden war, meinte er noch lange, die ganze Welt warte nur darauf, ihm auf die Beine zu helfen.

Zweites Kapitel.Die andere Täuschung

Am Morgen dieses 26. April 1945 war Doll endlich einmal wieder in guter Stimmung erwacht. Nach Wochen und Monaten tatenlosen Wartens auf das Kriegsende schien der Augenblick der Befreiung nahe. Die Stadt Prenzlau war genommen, der Russe konnte jede Stunde kommen; am Vortage hatten schon Flieger über der Stadt gekreist, und es waren keine deutschen Flieger gewesen!

Die beste Kunde aber hatte Doll am späten Abend gehört: die SS war im Abrücken, der Volkssturm aufgelöst: die kleine Stadt würde nicht gegen die anziehenden Russen verteidigt werden! Damit war eine Bergeslast von seiner Seele genommen: seit Wochen hatte er nicht mehr sein Haus zu verlassen gewagt, um nur niemanden auf seine Person aufmerksam zu machen. Denn er war fest entschlossen gewesen, nicht im Volkssturm zu kämpfen.

Nun, nach diesen günstigen Nachrichten, konnte er sich wieder vor die Tür wagen, ohne Sorge um das Gerede der lieben Nachbarn, von denen ihm mindestens drei über Zaun und Hecke schauen konnten. Er trat also mit seiner jungen Frau in den herrlichen Frühlingstag hinaus. Die Sonne schien warm, und ihre Wärme tat – namentlich hier unten am Wasser – nur gut. Das Grün hatte noch die tausend leichten frohen Schattierungen des ersten Wachstums, und der Boden schien unter den Füßen vor drängender Fruchtbarkeit zu schwellen und zu schwanken.

Als Doll so mit seiner Frau behaglich vor dem Hause stand, fiel sein Blick auf zwei lange Staudenbeete, die rechts und links von dem schmalen, zementierten Wege, der zu seiner Tür führte, lagen. Auch auf diesen Staudenbeeten grünte es, ja, es blühte dort sogar schon ein wenig mit den ersten Traubenhyazinthen, Primeln und Anemonen. Aber dieser an sich erfreuliche Anblick war verdorben durch ein Gewirr von Drähten, die, teils abgerissen, teils an häßlichen Pflöcken festsitzend, das junge Wachstum durch Unordnung beleidigten und mit ihren hinterlistig hängenden Drahtenden sogar das Betreten des Zementfußweges gefährlich machten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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