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Corinna wird von ihren Mitschülern aus der 3. Klasse beneidet. Ihr Vater ist Wildhüter und nimmt sie oft mit in die Berge. Die Sennen haben gesehen, dass der alte Steinbock lahmt? Wird es so schlimm sein, dass ihn der Wildhüter erschießen muss, weil er mit seiner Verletzung nicht überleben kann? Corinna darf den Vater bei der gefährlichen und anstrengenden Suche nach dem Alten begleiten und bangt um sein Leben. Wolf Spillner bereicherte diese schöne Geschichte mit wunderbaren Fotos. LESEPROBE: Vorsichtig und mit vorgestreckten Beinen rutscht der Wildhüter auf dem Hosenboden von Felsstück zu Felsstück am Steilhang hinunter. Corinna rutscht ihm nach. Dann schiebt sich der Vater bäuchlings über eine große, schräge Steintafel. Er winkt Corinna zu sich heran. »Da, sieh mal«, flüstert er. »Oh!« Mehr kann Corinna nicht herausbringen. Im Gras, auf einer steilen Felskanzel, liegen fünf junge Steinböcke. »Xaver, Bernhard, Hans und Toni», murmelt der Wildhüter. »Und der da in der Mitte, der mit dem Kullerbauch, das ist Fridolin!« Corinna kann nicht anders, sie muss leise lachen. »Wie der seinen Bauch reckt! Und wie er dem anderen noch den Rücken schubbert! Du, dem gefällt das«, wispert sie. Der Vater kneift ein Auge zu. Jetzt sieht er sehr vergnügt aus. »Das sind alles Böcke«, flüstert er Corinna ins Ohr. »Die Geißen sind jetzt mit ihren Kindern weiter oben am Berg. Da haben sie mehr Ruhe. Die jungen Böcke machen immer so viel Unsinn!« »Welchen Unsinn«, flüstert Corinna zurück. Da springt Fridolin auf, stakst an die Felskante und stupst Toni mit seinen kurzen, spitzen Hörnern ins Fell. Er will sich mit ihm knuffen. Aber der Toni mag nicht raufen, und die anderen Jungböcke mögen es wohl auch nicht. Der größere Bernhard steht auf und verschwindet hinter der Felsnase. Odilo geht zur Seite und kratzt sich die gelbe Winterwolle mit der Hornspitze vom Rücken. Der Wildhüter nickt Corinna zu, und sie kriechen behutsam um die Steinplatte herum. »Halt«, flüstert Corinna. Ihr Mund ist offen vor Staunen. Vor ihnen liegt ein mächtiger Steinbock mit riesigen Hörnern! Vor ihm steht Bernhard, hat die Hörner gesenkt und starrt ihn aus seinen honiggelben, geschlitzten Augen an. Seine Muskeln sind gespannt, seine Rückenhaare gesträubt. »Ist das der Alte?« Fast unhörbar haucht Corinna ihre Frage. Der Vater nickt. Der Alte liegt ruhig da. Er kaut langsam und bedächtig. Bernhard tritt zurück, senkt erneut die Hörner und stößt plötzlich vor. Da hebt sich der Alte mit leisem Knurren.
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Seitenzahl: 22
Veröffentlichungsjahr: 2015
Wolf Spillner
Der Alte vom Hammer
Eine Bilderbuchgeschichte aus den Bergen der Schweiz
ISBN 978-3-95655-330-1 (E-Book)
Die Druckausgabe erschien 1987 bei Der Kinderbuchverlag Berlin
Fotos: Wolf Spillner
© 2015 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
Am Abend, als Corinna zu Bett gehen soll, klingelt das Telefon.
»Wer mag so spät noch anläuten«, wundert sich die Mutter.
»Das ist gewiss mein Chef!« Vater Konrad, der Wildhüter, nimmt den Hörer ab.
»Grüazi«, sagt er, »ja, ja!« Er nickt und lauscht. Dann schüttelt er den Kopf, und die Falten in seinem braunen Gesicht werden tiefer. Er sieht bekümmert und traurig aus. »Ja«, sagt er noch einmal, »ich steig gleich morgen auf. Ich melde mich dann. Gute Nacht auch!« Er legt den Hörer zurück.
Es ist still in dem alten Haus zwischen den Bergen, und die Mutter und Corinna sehen den Vater fragend an.
»Morgen muss ich zum Hammer hinauf«, sagt er. »Die Steinböcke sind fortgezogen. Die Sennen wollen gesehen haben, dass der Alte lahm geht. Sicher gab es einen Steinschlag.
»Zu den Steinböcken?« Corinnas Augen leuchten. »Nimmst du mich wieder mit?«
Der Vater schüttelt den Kopf. »Morgen nicht. Ist zu schwer für dich. Das wird kein Spaziergang. Und vielleicht muss ich den Alten sogar schießen!«
»Nein, nur das nicht! Nimm mich mit, ich kann doch gut klettern!«
»Zu zweit seht ihr mehr«, steht die Mutter ihr bei.
»Na gut«, sagt der Vater endlich und geht noch mal aus dem Haus.
Am Morgen ist es kühl, aber ein blauer Sommerhimmel spannt sich über das Tal. Die Berge haben strahlende Kappen aus Schnee und Eis. Das Eis auf den Gipfeln ist hart und schwer. Es schiebt sich in dicken Gletscherzungen herab. Seit vielen Tausend Jahren schon. Sonne und Regen lecken an den Gletscherenden, und das Eis stöhnt und ächzt. Es spaltet in tiefe Risse auf, aus denen das Schmelzwasser tropft. Die Tropfen sammeln sich zu Bächen, die Bäche vereinen sich, reißen die Steine mit sich und zerreiben die Steine zu Grus. So schneidet das Wasser kleine und große Täler in die Berge.
»Das Wetter ist gut«, sagt der Vater, »und es bleibt auch so!« Er hat die Eisgipfel lange gemustert. Dann trägt er die Rucksäcke zum Auto, und er verstaut sein Gewehr. Die Mutter winkt ihnen nach, und schon rollen Corinna und Wildhüter Konrad auf der Asphaltstraße an den alten, hölzernen Viehställen vorüber, am Rotten entlang.