Schätze der Heimat - Wolf Spillner - E-Book
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Wolf Spillner

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Beschreibung

Wolf Spillner war eine wunderbare Doppelbegabung - er konnte mindestens ebenso gut schreiben wie fotografieren. Und beides konnte er ausgezeichnet. Eines seiner wichtigsten Themen waren die Schönheit und der Schutz der Natur. Spillner, der wegen seiner antimilitaristischen Grundhaltung als junger Mann 1955 aus der alten Bundesrepublik im Jahre der Wiederaufrüstung in die DDR wechselte, darf man ohne Übertreibung als einen frühen Grünen bezeichnen, als es diese hier eigentlich noch gar nicht gab. Mit dem Thema Natur und Schutz hat er sich in Wort und Bild(ern) immer wieder auseinandergesetzt und versucht, eine naturfreundliche und naturschützende Haltung den Kindern nahezubringen, in und mit denen nach einem schönen Wort von Heinrich Mann die Zukunft gerettet wird. Wie war es mit dem Naturschutz in der DDR bestellt? Eine Antwort darauf gibt dieser schöne Bild-Text-Band oder Text-Bild-Band – je nachdem man es betrachten möchte. Betrachten sollte man auf jeden Fall die wunderbaren Fotos des begeisterten Naturfotografen Spillner, für die er oft stundenlanges Warten auf sich genommen hatte. Und in jedem Falle des aufmerksamen Lesens wert sind die Beschreibungen der insgesamt 14 Naturschutzgebiete – aus jedem der damaligen 14 DDR-Bezirke war eines ausgewählt worden -, dessen Vergnügen schon bei den Überschriften wie „Tanzplatz der Kollerhähne“ oder „Hirschkäfer und Honig“ beginnt und sich in den ausführlich-kenntnisreichen Beschreibungen fortsetzt. Ein Beispiel gefällig? Hier ist es: Eine Insel der Großstadt Bezirk Schwerin: Das Naturschutzgebiet Kaninchenwerder Größe: 53 Hektar Im Text räumt der Autor mit einem Missverständnis in Bezug auf Kaninchenwerder auf: Nun sind Kaninchen weder auf der Insel Hiddensee noch auf diesem Werder wirklich heimisch. Vielmehr sind sie von Menschen eingebürgert worden. Auf dem trockenen, sandigen Hochland der Ostseeinsel fühlen sie sich bis heute wohl, auf der Insel im Schweriner See aber wird es ihnen niemals gefallen haben. Sie ist zu schwergründig und zu feucht. Wildkaninchen mögen es warm und trocken, denn sie stammen aus dem Mittelmeergebiet. Von dort sind sie im Mittelalter über Spanien auch nach Deutschland gebracht worden. Sie sollten dem Adel als Jagdwild dienen, und sie waren damals noch selten. Deshalb setzte man die teuren Tiere auf einer Insel aus. Da waren sie vor Feinden gut geschützt und konnten kaum entweichen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Impressum

Wolf Spillner

Schätze der Heimat

In Naturschutzgebieten entdeckt und fotografiert

ISBN 978-3-95655-346-2 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1986 bei Der Kinderbuchverlag Berlin

Fotos: Wolf Spillner

© 2015 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Tanzplatz der Kollerhähne

Bezirk Rostock: Das Naturschutzgebiet »Inseln Oie und Kirr«

Größe: 450 Hektar

Hochzeit im Salzrasen. Die auffälligen Austernfischer sind in allen Seevogelgebieten zu Hause

Es gibt Worte, die haben einen geheimnisvollen Klang. Mit ihnen verbinden unsere Gedanken etwas Besonderes, etwas Einmaliges und vielleicht auch sehr Fernes.

Was ist eine Insel? Sicher doch dieses: ein Stück Land, auf allen Seiten von Wasser umgeben und nicht durch Land mit anderem Land verbunden. Und eine Insel, mag sie groß sein oder klein, von viel oder wenig Wasser umspült, von süßem oder salzigem, zu ihr sollte auch keine Brücke führen. Eine Brücke nähme der Insel schon etwas von ihrem Geheimnis.

Rügen ist die größte Insel an unserer Küste. Zu ihr kommt man auf einem Damm und über eine breite Brücke. Mit der Eisenbahn oder mit dem Auto. Kaum ist zu spüren, dass man zu einer Insel fährt. Anders ist es mit dem Eiland Hiddensee. Dorthin kann man nur mit dem Schiff gelangen, und die Insel taucht über dem Wasser wie ein dünner Strich auf. Sie scheint sehr fern im Meer zu schwimmen.

Andere Inseln unserer Küste sind weniger bekannt und kaum als Inseln kenntlich. Keine Brücke führt zu ihnen, und kein Schiff fährt dorthin. Sie sind ohne Häuser und - bis auf eine kurze Zeit des Jahres - auch ohne Menschen. Das sind die Inseln der Vögel, zwischen der Wismarbucht im Westen und der Oderbucht im Osten unseres Landes. Diese Inseln sind meist recht klein. Sie heißen Walfisch oder Langenwerder, Libitz, Gänsewerder oder Heuwiese oder Beuchel, und sie sind unter Naturschutz gestellt. Mit ihnen sollen einmalig wertvolle Lebensgemeinschaften unserer Küste, Landschaft, Pflanzen und Tiere erhalten werden. Jede dieser kleinen Inseln gleicht einer Perle von unverwechselbarem Glanz in der Kette von Naturschutzgebieten, die den natürlichen Reichtum unserer Heimat bewahren helfen.

Das ist die Heimat der Kollerhähne, Strandläufer und Uferschnepfen, die Insel Großer Kirr

Wo sich das Fischland mit dem Haken der Halbinsel Zingst an der Küste ins Meer streckt, liegen dicht beieinander drei solcher Eilande im flachen Boddenwasser. Urlauber, die vom Binnenland über die Brücke zum Ostseestrand von Zingst oder Prerow fahren, rollen daran vorüber. Sie sehen nur ein ebenes, von Gräben und Tümpeln zerrissenes Wiesenland im Bodden unter sich. Das ist die westlichste und größte der Inseln, der Große Kirr. Möwen segeln darüber hin, Schilf wogt im seichten Wasser zwischen Brücke und Wiesengrün, auf dem schwarzbunte Jungrinder als lustige Tupfer erscheinen. Wie kleine Segelboote gleiten viele blendend weiße Höckerschwäne über das Wasser, und vielleicht erkennt man im Vorbeifahren sogar ein paar Vögel, die auf langen Beinen und mit langen Schnäbeln ihre Nahrung an den Schlickkanten und im Flachwasser heraufstochern. Kaum jemand nimmt sich aber Zeit, vor oder hinter der Brücke nach den seltsamen Langschnäbeln zu schauen. Ihretwegen vor allem sind die drei Inseln im Boddenwasser unter Naturschutz gestellt worden. Man darf die Inseln nicht betreten. Kleiner Kirr und Großer Kirr und die Barther Oie sind Inseln der Vögel und - Inseln der Rinder! Auch wenn es zunächst merkwürdig klingt, die schwarz-weißen Rinder - auf der Oie auch Schafe - sorgen dafür, dass viele sehr seltene Vogelarten dort leben und nisten können.

Schon seit vielen Jahrhunderten sind die Inseln im Bodden vom Menschen genutzt worden. Ihr Gesicht, ihr Pflanzenhaar ist durch Weidewirtschaft, durch den jährlichen Auftrieb von Vieh auf den Salzwiesenrasen, geprägt. In früheren Zeiten gab es ein paar Bauernhöfe auf den Inseln, deren Besitzer im oftmals aussichtslosen Kampf gegen die Unbilden der Natur, gegen Wasser und Sturm, mit Schafen, Jungrindern und Milchkühen ihr Auskommen suchten.

Heute weiden auf dem Salzrasen der nierenförmigen Insel Kirr, die etwa zwei Kilometer breit und vier Kilometer lang ist, bis zu tausend Jungrinder des Volkseigenen Gutes Zingst. Sie werden im Juni auf die Insel übergesetzt und grasen dort bis zum Herbst. Während dieser Zeit wachsen sie zu gesunden, leistungsstarken Tieren heran. Sie fressen und halten die Pflanzen kurz. So kann sich kein Schilf oder gar Busch- oder Baumwerk auf der Insel entwickeln. Die einmalige Salzbinsengesellschaft, die unter menschlichem Einfluss über Hunderte von Jahren entstanden ist, bleibt erhalten, mit Strand-Dreizack und Grasnelke. Solch eine Pflanzendecke auf flachen, ungestörten Inseln, in der Hunderte von Gräben und Tümpeln mit ihren Schlammufern einen reich gedeckten Tisch für die Stocherschnäbel bieten, ist bei Schnepfenvögeln wie bei Möwen und Seeschwalben zum Nestbau sehr beliebt. So sind die Inseln im Bodden, zwischen Land und Meer, zu einem besonders wertvollen Brutgebiet für Sumpf- und Wasservögel geworden. Nirgends sonst finden die Langschnäbel und die Enten solch gute Bedingungen.

Lange bevor die Jungrinder vom Zingster Ortsteil Müggenburg in einem breiten Transportkahn über das Wasser zur Insel gefahren werden, nehmen die Vögel von dem noch nassen Grasland Besitz. Sie kehren im März und April von ihren großen Reisen aus Südwesteuropa oder gar aus dem tropischen und südlichen Afrika zurück. Dann sind die Inseln noch braungrau fahl, und rauer Wind zerrt an den trockenen Grasresten des Vorjahres.

Im Winter sind die Boddengewässer häufig vereist. Die Inseln scheinen erstarrt zu sein. Ist der Winter milde, bleiben die Gewässer ringsum vom Herbst an ein Sammelplatz für Blessrallen und Enten und wilde Gänse. Seeadler, die aus dem Norden und Osten kommen, machen Jagd auf sie, und manchmal zieht auch der seltene Wanderfalk noch auf Beutefang über die Inseln. Das ist dann mit Sicherheit ein Gast aus Skandinavien, denn im Norden unserer Heimat sind die schnellen Jäger leider nicht mehr als Brutvögel zu Hause.

Im März tönen über den Bodden schon die ersten Fanfarenschreie der Kraniche, die auf dem Weg in ihre Brutgebiete nach Skandinavien und in die Sowjetunion sind. Zur gleichen Zeit etwa kehren auch die ersten Kiebitze zu den Inseln zurück. Schwarz-weiß wie wirbelnde Lappen wuchteln ihre Flügel sie über die nassen Wiesen. Sie landen an den Flutrinnen, den Riegen und Tümpeln, rufen ihr »Kiewitt, kiewitt« und besetzen schon bald paarweise ihre Brutreviere. Kiebitze sind auch in anderen Gebieten unseres Landes zu Hause, bis in die Mittelgebirge hinauf, wo es noch Feuchtwiesen oder große Weidegebiete gibt. Nirgends aber leben so viele Brutpaare dieser Vögel mit den langen Federhollen dicht zusammen wie auf den Inseln Kirr und Oie. Bereits im April bebrüten sie ihre tarnfarbenen, birnförmigen Eier, die in flachen, kunstlosen Nestmulden liegen. Dabei lösen sich Männchen und Weibchen alle paar Stunden ab.

Kein Kampfläuferhahn gleicht dem anderen

Brüten die Kiebitze unter dem scharfen Frühlingswind, dann kehren auch die Kampfläufer zurück. Sie sind die farbenprächtigsten Vögel der Inseln. Kollerhähne werden sie auch genannt, und ihr wissenschaftlicher Name »Philomachus pugnax« heißt so viel wie »Freund des Kampfes«. Sie sind nämlich nicht nur sehr farbschön, sondern haben auch ein seltsames Verhalten. Die Männchen werden etwa ein Drittel größer und schwerer als die amselgroßen Weibchen. Doch während diese schlichte braungraue Federn mit hellen Rändern tragen, sind die Männchen in jedem Frühjahr wie zu einer Maskerade oder zum Fasching in erstaunliche Prachtkleider gehüllt. Kein Kampfläuferhahn gleicht dem anderen! Sie tragen große, wallende Federkragen in Weiß oder Gelb, in Schwarz oder Violett, gepunktet oder gestreift, braun oder grau und dazu ganz anders gefärbte Kopffedern, die wie Perücken aussehen. Ihre roten Schnäbel stechen aus einer nackten, gelbwarzigen Gesichtshaut hervor. Diese bunte Pracht, die im Sommer wieder zum graubraunen Schlichtkleid, wie es die Weibchen tragen, vermausert wird, stellen die Männchen wirksam zur Schau, Jahr für Jahr und immer an denselben Plätzen. Sie balzen auf kleinen Erhebungen der Insel, auf der Krone eines alten Deiches, auf der Steilkante an einem Tümpel oder auf dem flachen Hügelland an der ehemaligen Hofstelle eines längst vergessenen Hauses. Dort tanzen und springen sie, die Kampfläuferhähne.

Auf den Balzplätzen zeigen sie ihre Kragen und Hauben

Jeder Kampfläufermann besitzt auf dem Tanzboden des Balzplatzes ein kleines Revier, auf dem er zuckend umherfegt, wild mit dem Schnabel nach anderen Hähnen stößt, den Kragen weit ausbreitet, dass der Wind die farbigen Federn flattern lässt. Er fährt mit blitzenden Flügeln springend empor, sobald ein Weibchen in der Nähe vorüberfliegt. Das sieht sehr kämpferisch aus, aber ernsthafte Kämpfe kommen nur selten vor. Die Turniere der mittelalterlichen Ritter, die bunt gewandet mit geschmückten Pferden aufeinander losstürmten, waren sicher viel gefährlicher. Das wilde, bunte Bild eines Kampfläuferbalzplatzes trügt. Nur wenn ein Hahn versehentlich auf dem Platz eines anderen landet, setzt es richtige Schnabelhiebe!

Kommt ein Weibchen auf den Tanzplatz der Kollerhähne, die springend und zuckend weithin im flachen Wiesenland zu sehen sind, sinkt die ganze Männchenpracht wie auf einen Schlag zusammen. In Zweier- und Dreiergruppen kauern die Hähne voreinander, die Schnäbel - wie in den Boden gesteckt - starr nach unten gerichtet. Die Weibchen sollen sich nicht bedroht fühlen. Sie wählen sich die Männchen aus, mit denen sie sich rasch verpaaren.

Einen ganzen Monat lang, vielleicht auch etwas länger, je nach Ankunft, Wetter und Wasserstand auf der Insel, tanzen und springen die Kampfhähne auf ihren Bühnen der Insel Kirr. Den Weibchen aber folgen sie nicht. Die müssen ihre Nester allein bauen, und sie brüten auch allein die vier Eier aus, die etwas kleiner als die sonst sehr ähnlichen Kiebitzeier sind. Sie werden in einem tiefnapfigen Nest unter einem Binsenbusch oder einer vorjährigen Welkgrasstaude verborgen. Nach einer Brutdauer von drei Wochen werden die Jungen von der Mutter allein über die Insel geführt. Junge Kampfläufer können nach dem Schlupf, sobald sie trocken geworden sind, laufen und selbstständig fressen. Sie sind, wie andere Schnepfenvögel auch, echte Nestflüchter.

Für alle Jungvögel der Inseln, die im Juni zu einer großen Vogelkinderstube werden, gibt es manche Gefahren, das Hochwasser, den Fuchs, der den Jägern entkommen ist, und vor allem die Möwen. Die Silbermöwen, die auf der Oie und am Westrand der Insel Kirr ihre großen Nester aus Tang und Trockengräsern bauen, haben scharfe Augen. Ihnen entgeht kein Vogelküken, und mag es noch so gute Tarnfarben haben, das allein durch den Salzwiesenrasen stolpert. In ihren mächtigen Schnäbeln verschwindet so mancher unbewachte Jungvogel und auch so manches Vogelei! Und auch ihre ähnlich gefärbten kleineren Verwandten, die Sturmmöwen, fressen gern Eier und Vogeljunge. Sie nisten in einer großen Kolonie auf der Insel Oie. Nur die schokoladenköpfigen Lachmöwen, die ebenfalls dort eine Kolonie von mehreren Tausend Paaren besitzen, vergreifen sich an den Nachkommen und Eiern der kleineren Schnepfenvögel nicht. Die schlimmsten Räuber sind die Silbermöwen!

Jahr für Jahr müssen die Vogelwärter, die abwechselnd auf der Insel Oie in einem winzigen Haus wohnen und von dort aus das Schutzgebiet der Inseln betreuen und beobachten, einen Teil des Silbermöwenbestandes fangen und schmerzlos töten, damit der Nachwuchs der seltenen, kleineren Vogelarten nicht gefährdet wird. Kampfläufer sind ja leider aus nahezu allen anderen Gebieten unserer Heimat als Brutvögel verschwunden. Die geschützten Inseln sind ihr letzter Lebensraum. Deshalb dürfen die Großmöwen dort nicht überhandnehmen, und jede Störung muss vermieden werden, damit die Eltern ihre noch kleinen Jungen nicht unbeaufsichtigt lassen. Solange ein Altvogel die Jungen führt und verteidigen kann, wagen sich die Möwen nicht heran!

Im Gras der Inseln bauen die starengroßen Alpenstrandläufer versteckt ihre Nester

Was für Kampfläufer gilt, trifft auch auf andere Vogelarten zu, die zu großen Kostbarkeiten unserer heimischen Tierwelt geworden sind. Der Alpenstrandläufer gehört dazu, der weitläufig mit den Kollerhähnen verwandt ist.

Es gibt sehr viele verschiedene Strandläuferarten. Ihre Heimat ist der hohe Norden Europas und Asiens. Nur im Herbst und im Frühjahr, auf dem Zug nach oder von Afrika, können sie an unseren Küsten und manchmal auch an den Flussufern im Binnenland beobachtet werden. Sie alle sehen sich ähnlich, und man muss schon ein Fachmann sein, um sie mittels ihrer Flügelzeichnung unterscheiden zu können. Alle haben sie ziemlich lange Beine und Schnäbel und sind so groß wie Sperlinge oder Stare. Auch auf den Boddeninseln sind sie während der Zugzeit häufig anzutreffen. Da rasten dann Sichel- und Küstenstrandläufer, Zwergstrandläufer, Meerstrandläufer und Alpenstrandläufer. Die letztere Art ist immer am häufigsten. Irgendwo in den weglosen Tundren Schwedens, Norwegens, Finnlands oder Sibiriens werden sie ihre Nester bauen.

Einige wenige Alpenstrandläufer, vierzig Paare vielleicht, brüten aber auch bei uns! Sie gehören einer speziellen Rasse an, die an geeigneten Plätzen der südlichen Ostseeküste nistet. Einige von ihnen haben in früheren Zeiten auch am großen See Müritz ihre Jungen aufgezogen. Jetzt aber sind allein die Inseln im Boddenwasser der letzte südwestliche Brutplatz dieser nordischen Vogelart.

Gleich vielen anderen schnepfenartigen Vögeln, die in der Nähe des Polarkreises zu Hause sind, haben auch unsere heimischen Alpenstrandläufer nur geringe Scheu vor dem Menschen. Auf der Insel Oie hat ein Vogelwart erlebt, dass ein Alpenstrandläufer sein Nest nicht verlassen wollte, als seine Jungen mit den leichten Aluminiumringen der Vogelwarte Hiddensee markiert werden sollten. Er setzte sich auf der Hand des Mannes über seine Jungen, um sie zu wärmen!

Die Vogelkundler erforschen auf den Inseln nicht nur das Verhalten, das tägliche Leben der bestandsbedrohten Vögel durch Beobachtungen mit starken Ferngläsern oder aus gut getarnten Verstecken. Sie müssen die Vögel auch zählen, die Nester unauffällig markieren und unter Kontrolle halten, um festzustellen, wie viele Paare der verschiedenen Arten nisten und wie hoch ihr Bruterfolg ist. Sie versuchen, möglichst viele Jungvögel zu beringen. Die wissenschaftliche Vogelberingung dient dazu, herauszufinden, wohin und auf welchen Wegen die heimischen Vögel in ihre Winterquartiere ziehen. In der DDR werden jährlich etwa dreihunderttausend Vögel vieler verschiedener Arten mit einem Ring, der eine Kenn-Nummer trägt, am Bein markiert. So werden nicht nur Jungvögel gekennzeichnet, die bei uns erbrütet wurden, sondern auch Durchzügler aus dem Norden und Osten werden im Herbst an geeigneten Stellen in speziellen Netzen gefangen, beringt und weiter auf die Reise geschickt.

Die Vogelberingung hat viele wichtige Erkenntnisse erbracht. So wissen wir, dass unsere Alpenstrandläufer sehr brutorttreu sind. Jahr für Jahr kehren sie wieder zu ihren Nistplätzen auf Oie und Kirr zurück. Auch die Seeschwalben, die mit den größeren Möwen verwandt sind, kommen meist regelmäßig zu ihren Brutplätzen. Nur die Brandseeschwalben, die schwarze Schnäbel mit einer gelben Spitze unter der schwarzen Kopfkappe tragen, übersiedeln manchmal - ohne erkennbaren Grund - in großen Gruppen von einer Insel zu einer anderen. Sie nisteten auf der Insel Oie, dann blieben sie wieder fort. Ihr Gesamtbestand ist jedoch von Jahr zu Jahr an unserer Küste nicht nur gleich geblieben, sondern sogar gestiegen. Das ist ein schöner Erfolg der strengen Schutzmaßnahmen, denn viele Jahre hindurch gab es keine Brandseeschwalben mehr als Brutvögel in unserem Bereich der Ostseeküste!

Auch die zauberhaft schönen Säbelschnäbler, die zwischen den rosafarbenen Salznelken auf Oie und Kirr ihre lehmfarbenen Eier bebrüten, sind erst vor zwei Dutzend Jahren bei uns heimisch geworden. Sie sind mehr in West- und Südeuropa zu Hause und sehen sehr exotisch aus. Zwar sind sie nicht so bunt wie die kämpfenden Kollerhähne, vielleicht aber noch schöner. Auf graublauen, sehr langen Beinen schreiten die schwarz-weißen Vögel wie taubengroße Störche durchs Flachwasser und über das Wiesengrün. Ihr Schnabel ist jedoch nicht rot und gerade wie ein Storchenschnabel, sondern dunkel und wie eine Schusternadel nach oben gebogen. Er gab ihnen den Namen, und mit diesem seltsamen Schnabel fischen die Vögel mit kleinen, seitlichen Schlenkerbewegungen winzige Krebstierchen und andere Nahrung aus dem Wasser. Manchmal schwimmen sie wie Möwen, trotz ihrer langen Beine.

Das Boddenwasser rund um die Inseln ist nicht sehr tief. Es erwärmt sich rasch und bietet allen Wat- und Schwimmvögeln reiche Nahrung. Eine Unzahl verschiedenster Kleinst- und Kleinlebewesen, von denen wiederum viele Fischarten leben, schwebt darin oder kriecht auf dem Boden. Das Wasser zieht sich in Flutrinnen bis weit in die Inseln hinein, Brackwasser, in dem sich die Lebewesen der Ostsee mit jenen der Süßgewässer vereinen. Dort, wo unter Wind und Sonne im Frühsommer die Tümpel austrocknen, bleibt Salz zurück, und in diesen Pfannen, den Röten, wachsen dann die Salzpflanzen, wie der Queller, die Schuppenmiere und die Strand-Sode.

Wasser bestimmt das Bild der Inseln. Es formt und verändert sie in Abhängigkeit von den Winden. Die Inseln sind sehr flach. Nur einen knappen halben Meter ragen sie über das Normalwasser. Lediglich der Kern der Barther Oie ist höher. Bläst der Wind anhaltend stark aus Nord oder Ost, strömt von der See, um den Haken der Hohen Düne bei Pramort dann an der Spitze der Insel Hiddensee, das Meerwasser über die Sandschwelle des Werderwattes in den Bodden. Das Wasser steigt unter dem Druck des Windes und überflutet rasch weite Teile der Inseln. Fast in jedem Jahr werden der Große und der Kleine Kirr und weite Teile der Oie für ein paar Tage überflutet. Dabei kann strahlend schönes Wetter sein, mit lachender Sonne und einem wolkenlos blauen Himmel! Aber solch eine Flut im späten Mai oder frühen Juni ist für die Vogelbrut eine tödliche Gefahr. Dann klagen über dem Wasser, das unmerklich in den Gräben und Riegen ansteigt, die Uferschnepfen und Brachvögel, die Rotschenkel und Strandläufer, die Austernfischer und all die anderen Vögel, deren Nester überschwemmt werden. Die großen Möwen machen leichte Beute. Sie sammeln die Eier ein!

Meist verläuft die Flut in wenigen Stunden oder Tagen wieder, und wenn die Brutzeit noch nicht weit fortgeschritten ist, legen die Vögel noch einmal Eier, bebrüten sie und ziehen ihre Jungen mit einiger Verspätung auf. Natürliche Verluste werden im Naturhaushalt ausgeglichen. Andere Verluste entstehen durch das Weidevieh, das Nester zertreten kann. Daher ist zwischen der Naturschutzbehörde und den landwirtschaftlichen Betrieben, die die Inseln nutzen, ein Vertrag geschlossen worden. Das Vieh wird erst dann auf die Inseln verschifft, wenn die meisten Vögel ihre Brut schon beendet haben. Jene Gebiete, in denen sehr seltene, später nistende Vögel ihre Nester haben, wie die Säbelschnäbler, werden vor den Jungrindern durch Elektrozäune geschützt. Auch das gehört zur Arbeit der Vogelwarte, die Jahr für Jahr das Naturschutzgebiet betreuen. Auf der Insel Oie achten sie darauf, dass nach Ende der Brutzeit die Schafe vor allem jene Gebiete beweiden, in denen der Pflanzenwuchs durch die starke Düngung mit Möwenkot zu üppig geworden ist. Die Inseln sollen möglichst vielen verschiedenen Strand- und Sumpfvogelarten gute Lebens- und Nistmöglichkeiten bieten. Sie sind keine Urlandschaft, sondern durch den Menschen geprägt und geformt. Deshalb müssen sie ständig überwacht und sorgsam gepflegt werden. Die Landwirtschaft mit ihren Tieren hilft dabei. Allerdings dürfen keine Gräben mehr gezogen und keine Deiche aufgeschüttet werden. Auch Häuser dürfen auf den Inseln nicht gebaut werden. Wohl aber haben die Vogelkundler spezielle Wohnräume geschaffen - künstliche Höhlen, in denen die bunten Brandgänse und die Mittelsäger nisten können. Viel wird getan, um die Vogelwelt reich zu erhalten und zu vermehren und die Pflanzengesellschaften nicht zu zerstören. Dazu gehört auch der weitgehende Verzicht, die Inseln zu düngen. Am wichtigsten aber ist Ruhe für die Vogelwelt. Deshalb dürfen die Inseln nicht besucht werden. Obwohl sie den Urlaubsstränden so nahe sind, dicht vor den Häusern von Zingst und nicht weit von der Stadt Barth gelegen, müssen sie für uns geheimnisvolle, ferne Inseln bleiben, über denen die Vögel rufen.

Das mag manchen Urlauber betrüben. Aber nur dieser strenge Schutz, der alle unnötigen Störungen unterbindet, macht es noch möglich, dass Jahr für Jahr seltene und bestandsbedrohte Vogelarten für uns alle erhalten bleiben, weil sie ihre Jungen aufziehen können. Naturfreunde mit offenen Augen werden sie an anderen Orten wieder treffen. Die Seeschwalben ziehen mit ihren Jungen zur Küste, um zu fischen.

Die Strandläufer trippeln am Spülsaum des Strandes, Uferschnepfen und Kampfläufer treffen wir auf dem Zug in vielen anderen Feuchtgebieten unserer Heimat, und der Flötenruf der Brachvögel, die auf Kirr und Oie genistet haben, klingt über die abgeernteten Sommerfelder. Die verbotenen Inseln schicken ihren Vogelreichtum auf die Reise.

Später im Sommer sind die Inseln dann Rast- und Mauserplätze für viele Hundert Graugänse. Zu ihnen gesellen sich im Herbst Tausende von Bless- und Saatgänsen. Dann sammeln sich auch große Schwanenscharen, Tausende von Blessrallen und unzählige Enten der verschiedensten Arten auf den nahrungsreichen Boddenwassern rings um die Inseln. Von den Feldern das Festlandes ziehen an den Abenden Tausende von Kranichen über die Inseln hinweg. Sie fallen im Werderwatt vor Pramort im Flachwasser ein, um zu schlafen. Das ist die Zeit, in der die Vogelstimmen weder bei Tag noch bei Nacht über den Inseln verstummen.

Von allen Langschnäbeln der Vogelinseln hat der Große Brachvogel die klangvollste Stimme

Eine Insel der Großstadt

Bezirk Schwerin: Das Naturschutzgebiet »Kaninchenwerder«

Größe: 53 Hektar

Am Schilfwald bauen die Haubentaucher ihre Schwimmnester

Manche Städte werden beneidet, weil sie sehr schön sind. Über Schönheit darf man verschiedene Ansichten haben und auch darüber, was eine Stadt eigentlich schön macht. Die Bauten, ihre Plätze und Straßen, auch Bäume und Parks gehören dazu, alte und neue Häuser, von klugen und fleißigen Menschen erdacht und errichtet. Die meisten schönen Städte sind alt. Sie haben gute und schlechte Zeiten erlebt, Frieden und Kriege, Feuersbrunst und Hungersnöte, und immer wieder haben Menschen weiter an ihnen gebaut, Neues dem Alten hinzugefügt. Doch die Schönheit einer Stadt wird nicht nur nach der gestaltenden Kraft ihrer Bewohner bemessen. Auch die Landschaft, in die Städte hineingewachsen sind, spielt für unser Empfinden eine sehr große Rolle.

Die Bezirksstadt Schwerin ist alt und jung zugleich, die jüngste Großstadt der DDR. Voll Stolz nennt sie sich »Stadt der sieben Seen«. Sie wird oft freundschaftlich beneidet, denn der Schweriner See, das zweitgrößte Binnengewässer unseres Landes, reicht bis ins Stadtinnere. Sechs andere, sehr unterschiedliche Seen umkränzen die Stadt, die sich mit ihrem Neubaugebiet Großer Dreesch bereits dem Südufer des Schweriner Innensees genähert hat. So ist Schwerin nicht nur die jüngste Großstadt, sondern auch eine Wasserstadt. Die Schiffe der Weißen Flotte gleiten an Segel- und Motorbooten vorüber, an Wassertretern und Kajaks, an vielen behäbigen Angelkähnen und den bunten Segeln der Surfbretter. Sie bringen Urlauber an den Strand von Zippendorf oder weit hinaus auf den Schweriner Außensee. Sie kreuzen den Ziegelsee mit seinen waldreichen Buchten und fahren über den Innensee zum Störkanal und durch die weite Wiesenlandschaft der Lewitz, in der Tausende schwarzbunter Rinder weiden, bis zum Fluss Elde.

Die Schiffe der Weißen Flotte laufen auch eine Insel an. Sie ist schon vom Schweriner Schloss aus zu sehen. Die Insel gehörte früher zum Schloss, genauer gesagt zum herzoglichen Hofe. Vom Herzog und seinem Hofe ist nur das Schloss in Schwerin geblieben, ein mächtiger Zuckerbäckerbau, in dem alle nur möglichen Baustile vereint sind. Rings von Wasser umgeben, entspricht es dem Bild eines Märchenschlosses. Die Schweriner lieben ihr Schloss. Es gehört ihnen, und die Insel im See, sie gehört ihnen auch und zur Stadt wie die Neubauten von Lankow oder vom Dreesch, wie der Fernsehturm und das Theater. Die Insel ist Teil der Stadt und eines der beliebtesten Ausflugsziele. Sie heißt Kaninchenwerder und ist ein Naturschutzgebiet. Kaninchen aber gibt es auf der Insel nicht!

Wenn ein Werder, also eine Insel, den Namen von Kaninchen trägt, sollten die hasenartigen Tiere dort wohl leben! Orts- und Flurnamen sind alt und geben meist sehr genaue Aussagen. Allerdings erwarten wir schon längst nicht mehr, dass in einer Wolfsschlucht tatsächlich noch Wölfe hausen oder in einem Bärengrund der Meister Petz nach Beeren sucht. Kaninchen hingegen können wir uns auf einer Insel vorstellen, und das Eiland Hiddensee an der Westküste von Rügen liefert den besten Beweis.

Nun sind Kaninchen weder auf der Insel Hiddensee noch auf diesem Werder wirklich heimisch. Vielmehr sind sie von Menschen eingebürgert worden. Auf dem trockenen, sandigen Hochland der Ostseeinsel fühlen sie sich bis heute wohl, auf der Insel im Schweriner See aber wird es ihnen niemals gefallen haben. Sie ist zu schwergründig und zu feucht. Wildkaninchen mögen es warm und trocken, denn sie stammen aus dem Mittelmeergebiet. Von dort sind sie im Mittelalter über Spanien auch nach Deutschland gebracht worden. Sie sollten dem Adel als Jagdwild dienen, und sie waren damals noch selten. Deshalb setzte man die teuren Tiere auf einer Insel aus. Da waren sie vor Feinden gut geschützt und konnten kaum entweichen.

Wann die ersten Kaninchen auf den Werder kamen, wissen wir nicht, wohl aber, dass die Insel im Jahre 1407 schon ihren Namen trug. Ein Teilungsvertrag zwischen den Herzogen König Albrecht und Johann von Mecklenburg aus diesem Jahr sagt: »... und das Kaninchenwerder, den Großen Schweriner See, den sollen beide Herren zusammen haben.«

Gut dreihundert Jahre später wurden noch einmal Kaninchen ausgesetzt und zu ihrem Schutz ein Jagdwärter auf die Insel bestellt. Zur selben Zeit veränderte sich das Gesicht der Insel stark. Der Werder war reich an guter Tonerde, die sich zu Mauerziegeln brennen ließ. Aus den etwa zwanzig Millionen Ziegelsteinen vom Kaninchenwerder wurden viele Häuser der Stadt Schwerin erbaut. Durch den Tonabbau bekam die Insel ihre heutige Oberfläche, und als der Ton vor einhundertfünfzig Jahren zur Neige ging, war der Kaninchenwerder ziemlich verwüstet. Sein Wald war längst in den Ziegelöfen verfeuert worden. Lediglich ein paar Buchen und Eichen hatte man geschont, weil sie im Herbst mit ihren Früchten für die Mast von Schafen, Ziegen und wenigen Kühen sorgten.