Der Antikapitalist - Thorsten Polleit - E-Book

Der Antikapitalist E-Book

Thorsten Polleit

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Beschreibung

Mit Vernunft die Zukunft gestalten – dafür brauchen wir Kapitalismus, nicht Antikapitalismus Wie können die Menschen auf diesem Planeten dauerhaft friedvoll und produktiv zusammenleben? Was ist zu tun, damit Natur und Umwelt, die Schöpfung gewahrt bleiben? Auf welche Weise lässt sich die Freiheit des Individuums in der Weltgemeinschaft bewahren? Thorsten Polleits Lösungsvorschlag: Wir brauchen "echten Kapitalismus!" Wenn Sie diese Antwort überrascht oder gar empört, dann sollten Sie die Aufsätze in diesem Buch lesen! Sie entlarven die antikapitalistische Haltung, die viele Menschen heutzutage prägt, als ökonomisch ungerechtfertigt und unvernünftig. Thorsten Polleit zeigt, wie der Kapitalismus hilft, eine bessere Welt zu schaffen.

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Seitenzahl: 477

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THORSTEN POLLEIT

DER ANTIKAPITALIST

EIN WELTVERBESSERER, DER KEINER IST

THORSTEN POLLEIT

DER ANTIKAPITALIST

EIN WELTVERBESSERER, DER KEINER IST

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 2., durchgesehene Auflage 2020

© 2020 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Matthias Michel

Korrektorat: Astrid Treusch

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer, München

Umschlagabbildung: PRISMA ARCHIVO/Alamy Stock Photo; das Bild zeigt Lorenzo de’ Medici (1449–1492), genannt il Magnifico („der Prächtige“), gemalt von Giorgio Vasari (1511–1574).

Satz: ZeroSoft, Timisoara

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-396-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-731-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-732-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Für Ruth

Victoria H. A. E. Patricia S. E. T. Leopold A. C. F.

»Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und würd’ er in Ketten geboren.«

Friedrich Schiller

»Man kann die Idee des Sozialismus überwinden, man muß sie überwinden, wenn man die Welt nicht in Barbarei und Elend zurücksinken lassen will, man kann sie aber nicht achtlos beiseite schieben.«

Ludwig von Mises

»[I]f the bulk of the public were really convinced of the illegitimacy of the State, if it were convinced that the State is nothing more nor less than a bandit gang writ large, then the State would soon collapse to take on no more status or breadth of existence than another Mafia gang.«

Murray N. Rothbard

»Statt erfreulicher Visionen eines Endsieges der Vernunft über Magie und Ignoranz müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, daß die Normen und Ideale, die den Fortschritt der Erkenntnis erlauben, in jeder Generation gegen neue Feinde verteidigt werden müssen, die wie die Häupter der Hydra wiederkommen, sobald andere abgeschlagen sind, und die immer neue Begriffe, Reizworte und Slogans verwenden, um die ewigen Schwächen der Menschheit auszunutzen.«

Stanislav Andrenski

INHALT

Prolog: Einleitende Bemerkungen

Kapitel 1. Unverzichtbar für das Denken: Kritik der ökonomischen Erkenntnis

Kapitel 2. Dreh- und Angelpunkt des menschlichen Handels: das Eigentum

Kapitel 3. Ein fundamentales Psychogramm: die antikapitalistische Mentalität

Kapitel 4. Eine ernüchternde Wahrheit: was der Staat wirklich ist

Kapitel 5. Eine besorgniserregende Einsicht: der Staat wird immer größer

Kapitel 6. Was viele nicht wahrhaben wollen: die Soziale Marktwirtschaft ist eine Utopie

Kapitel 7. Die große Verwirrung: Kapitalismus-Kritik, die Sozialismus-Kritik ist

Kapitel 8. Chinas Aufstieg: ein Kapitalismus, der keiner ist, will die Welt erobern

Kapitel 9. Zeitloses Wissen über ein unverzichtbares Gut: die Natur und das Wesen des Geldes

Kapitel 10. Wie der Staat das Geld zerrüttet: eine kurze Geschichte des Goldgeldes

Kapitel 11. Die Währungsgeschichte der Deutschen: ein Trauerspiel in fünf Akten

Kapitel 12. Ein umstrittenes Phänomen: was es mit dem Zins auf sich hat

Kapitel 13. Wie unser Geldsystem funktioniert: Geldschaffen aus dem Nichts

Kapitel 14. Was wir über Boom und Bust wissen: die monetäre Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule

Kapitel 15. Eine Dystopie bahnt sich ihren Weg: der Drang zur Fiat-Weltwährung

Kapitel 16. Zentralbank-Marxismus: der Umsturz mit dem Geld

Kapitel 17. Die Lösung des Geldproblems: ein freier Markt für Geld

Kapitel 18. Dem Staatsgeldmonopol entkommen: Vorschläge zur Geldreform

Kapitel 19. Natürlich geht es ohne den Staat: ein freier Markt für Sicherheit

Kapitel 20. Aufruf zu einem neuen Methodenstreit: die Logik des Handelns

Epilog: Hoffnung Aufklärung

Anmerkungen

Literatur

Über den Autor

PROLOG:

EINLEITENDE BEMERKUNGEN

DERAntikapitalist tritt in verschiedenen Schattierungen auf. In der Extremform als Kommunist-Sozialist. Meist jedoch in abgeschwächter Form als einer, der den Kapitalismus nicht in Bausch und Bogen ablehnt. Einiges am Kapitalismus ist für ihn durchaus akzeptabel, aber eben nicht alles. Den Sozialismus will er zwar nicht in Vollendung realisiert sehen, kann ihm aber doch dies und das abgewinnen. Im Grunde wünscht sich der moderate Antikapitalist ein Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell, das das Gute von Kapitalismus und Sozialismus verbindet und deren jeweilige dunkle Seiten ausschaltet. Dazu ruft der Antikapitalist nach dem Staat, damit der den Kapitalismus »zähme« und »zivilisiere«; der Verhinderung des Sozialismus um jeden Preis gilt sein Hauptaugenmerk aber nicht.

Der Antikapitalist ist der Rivale, manchmal sogar der Erzfeind des Kapitalismus. Er hüllt alte sozialistische Ideen in neue Gewänder, preist sie als zukunftsträchtige Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepte an – mit denen, wie er sagt, die drängenden Probleme der Zeit gelöst werden können: Wirtschafts- und Finanzkrisen, Einkommens- und Vermögenungleichheit ebenso wie Umweltbelastung, Terrorismusbekämpfung und Epidemien. Der Antikapitalist verspricht, dass sich mit seinen Ideen eine bessere, gerechtere Welt schaffen lasse.

Welche Auswüchse eine solche antikapitalistische Gesinnung hat, zeigte sich zum Beispiel Anfang 2020, als die Coronavirus-Krise die westliche Welt erreichte. Um die Verbreitung des Virus zu verhindern, wurden quasi per Handstreich die Freiheitsrechte der Menschen in vielen Ländern der Welt außer Kraft gesetzt, wurde von den Regierungen ein »Stillstand« des öffentlichen Lebens und weiter Teile der Wirtschaft diktiert – obwohl geltendes Recht eine solche Selbstermächtigung der Regierenden nicht vorsieht. Dass das geschehen konnte und weite Teile der Bevölkerung nicht dagegen aufbegehrten, offenbart eine tiefsitzende antikapitalistische Haltung, eine quasi-sozialistische Weltsicht: dass nicht der freie Markt, die Eigenverantwortlichkeit der Individuen, sondern dass nur der Staat Notlagen beheben kann; und dass daher der Staat nach dem Motto »der Zweck rechtfertigt die Mittel« verfahren und Eigentums- und Freiheitsrechte zum Schutz des »Gemeinwohls« ausschalten darf.

Die Antikapitalisten folgen mitunter höchst unterschiedlichen Antrieben. So ist der naive Antikapitalist von der Vorstellung beseelt, dass der Staat Wirtschaft und Gesellschaft steuern müsse, damit es gerechter und glücklicher auf der Welt zugehe. Dem selbstsüchtigen Antikapitalisten geht es nicht um politische Ideale, sondern um eigene Vorteile: Er will sich mithilfe des Staates besserstellen, und wenn das auf Kosten anderer geht – in Form von Freiheitsentzug und Enteignung –, stört ihn das wenig. Der kaltblütige Antikapitalist hat den Umsturz im Sinn, er will die freie Gesellschaft in eine sozialistische überführen. Für ihn ist der naive Antikapitalist ein »nützlicher Idiot«, der selbstsüchtige Antikapitalist ein hilfreicher Zuarbeiter.

Die meisten Antikapitalisten zeichnen sich durch mangelndes ökonomisches Wissen aus, gepaart mit einem rigorosen, unduldsamen Eintreten für ihre Sache: Sie meinen, sie könnten ihren Mitmenschen einen »dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus weisen. Doch den gibt es nicht. Das hat Ludwig von Mises (1881–1973), der wohl bedeutendste Ökonom des 20. Jahrhunderts, ein für alle Mal bewiesen: Die Abkehr vom Kapitalismus, die Hinwendung zu antikapitalistischen und kollektivistischen-sozialistischen Politiken setzt vielmehr eine unheilvolle Dynamik in Gang, die die Freiheit der Menschen, die Grundlagen ihres Wohlstandes und damit auch ihre Existenz zerstört.

Der Antikapitalist ist meist auch Opfer zweier niederer Instinkte: Neid und Missgunst. Das Ressentiment, das sie in ihm erzeugen, richtet sich gegen Abstraktionen wie »Unternehmen«, »Kapital«, »Geld«, »Gewinn«, »Konsum« und so weiter. Dabei ist der Antikapitalist bemüht, seinen Standpunkt unter seinen Mitmenschen zu verbreiten, zu kultivieren, er möchte den Antikapitalismus zur herrschenden Meinung emporheben. Damit trägt er jedoch nicht zur Verbesserung des Gemeinwesens bei, sondern zu dessen Niedergang. Er bereitet letztlich dem Sozialismus den Boden, der aber nicht funktionieren kann, ja sogar Verarmung, Elend und Gewalt bringt, wie schon viele Episoden in der Menschheitsgeschichte es unmissverständlich gezeigt haben.

Die Gedanken, die in diesem Buch ausgebreitet werden, sollen die Irrtümer des Antikapitalisten (jedweder Schattierung und Motivation) aufzeigen und ihn mit handlungslogischem Denken zurück zur ökonomischen Vernunft führen. Dazu soll, erstens, das Zerrbild, das (unter tatkräftiger Hilfe des Antikapitalisten) vom Kapitalismus gezeichnet wird, zurückgewiesen und die ökonomischen und ethischen Qualitäten des Kapitalismus herausgearbeitet werden: dass der Kapitalismus die einzig dauerhaft durchführbare Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist; und dass er – anders als der Sozialismus und alle seine Unterformen – ethisch einwandfrei ist. Dabei soll auch ein gravierendes Missverständnis aufgedeckt werden. Es lautet: Der Kapitalismus sorge für Störungen in Wirtschaft und Gesellschaft – wie Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und Umweltprobleme –, und daher müsse er vom Staat gezähmt, eingehegt werden. Doch die Wahrheit ist eine andere: Das Zurückdrängen des Kapitalismus, sein Nichtvorhandensein in der Welt, und das Vordringen kollektivistischer-sozialistischer Ideen sind die Ursachen der beklagten Übelstände.

Zweitens: Der Staat, wie wir ihn heute kennen, ist nicht das, was viele Menschen in ihm sehen (wollen), und er leistet auch nicht das, was sie sich von ihm erhoffen. Denn der Staat ist (um eine positive Definition zu gebrauchen) der Monopolist für Recht und Sicherheit mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte in seinem Gebiet. In dieser Form ist er unvereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht, das jedem Individuum unveräußerlich zusteht. Die Folge: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) setzt Entwicklungen in Gang, die die freiheitliche Gesellschaft und damit auch den wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt torpedieren – eine Erkenntnis, die vermutlich die meisten Menschen nicht vor Augen haben.

Das vorliegende Buch umfasst 20 Kapitel; jedes ist in sich abgeschlossen und kann ohne Kenntnis der vorigen gelesen und verstanden werden. Den Auftakt macht die »Kritik der ökonomischen Erkenntnis« (Kapitel 1). Darin wird herausgearbeitet, wie und warum eine methodisch fehlgeleitete Sozial- und Wirtschaftswissenschaft in die Irre führt und dem Antikapitalismus den Boden bereitet.

Der »Dreh- und Anlagepunkt des menschlichen Handelns: das Eigentum« (Kapitel 2) arbeitet heraus, dass das Eigentum untrennbar mit dem menschlichen Dasein verbunden ist.

»Ein fundamentales Psychogramm: die antikapitalistische Mentalität« geht den Motiven auf den Grund, die viele Menschen gegen den Kapitalismus einnehmen, sie gegen ihn aufbringen (Kapitel 3).

In »Eine ernüchternde Wahrheit: was der Staat wirklich ist« (Kapitel 4) wird erklärt, warum der Staat nicht Probleme löst, sondern vielmehr Ursache vieler Probleme ist, die die Menschen heute plagen.

Es folgt »Eine besorgniserregende Einsicht: der Staat wird immer größer« (Kapitel 5) – eine Einsicht, die die Illusion beendet, man könne den Staat »zähmen«, sich seiner ungestraft bedienen.

In »Was viele nicht wahrhaben wollen: die Soziale Marktwirtschaft ist eine Utopie« (Kapitel 6) erwartet den Leser die ökonomische Entzauberung eines Mythos.

Das siebte Kapitel »Die große Verwirrung: Kapitalismus-Kritik, die Sozialismus-Kritik ist« räumt mit einem großen Missverständnis auf, dem viele Antikapitalisten unterliegen.

»Chinas Aufstieg: ein Kapitalismus, der keiner ist, will die Welt erobern« – so lautet die Überschrift über dem achten Kapitel. Es arbeitet eine zentrale Bedrohung für Freiheit und Wohlstand auf der Welt heraus.

»Zeitloses Wissen über ein unverzichtbares Gut: die Natur und das Wesen des Geldes« (Kapital 9) vermittelt grundlegende Erkenntnisse über das Geld in der Volkswirtschaft.

Wie der Staat auf langen, verschlungenen Wegen das Geld für seine Zwecke gekapert hat, wird in »Wie der Staat das Geld zerrüttet: eine kurze Geschichte des Goldgeldes« (Kapitel 10) erläutert.

»Die Währungsgeschichte der Deutschen: ein Trauerspiel in fünf Akten« (Kapitel 11) bietet einen Abriss und eine Interpretation des deutschen Geldes von der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bis heute.

Es gibt wohl kein ökonomisches Phänomen, das so kontrovers diskutiert wird wie der Zins. »Ein umstrittenes Phänomen: was es mit dem Zins auf sich hat« (Kapitel 12) soll Licht ins Dunkel der Zinsdebatte bringen.

Kurz und bündig wird in »Wie unser Geldsystem funktioniert: Geldschaffen aus dem Nichts« (Kapitel 13) dargelegt, wie heutzutage in antikapitalistischer Weise Geld produziert wird und welche Folgen das hat.

In »Was wir über Boom und Bust wissen: die monetäre Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule« (Kapitel 14) wird eine zeitlose monetäre Krisentheorie vorgestellt.

»Eine Dystopie bahnt sich ihren Weg: der Drang zur Fiat-Weltwährung« (Kapitel 15) erklärt, warum und wie ein Weltstaat mit Weltwährung geschaffen werden soll.

Dass das staatlich monopolisierte Geld nicht vereinbar ist mit einer freien Wirtschaft und Gesellschaft, arbeitet »Zentralbank-Marxismus: der Umsturz mit dem Geld« (Kapitel 16) heraus.

Der Ausweg aus der unheilvollen Entwicklung, die das staatlich monopolisierte Geld bringt, wird in »Die Lösung des Geldproblems: ein freier Markt für Geld« (Kapitel 17) aufgezeigt.

Wie das staatliche Monopolgeld beendet werden kann, wird in »Dem Zentralbankgeldmonopol entkommen: Vorschläge zur Geldreform« (Kapital 18) ausgebreitet.

In »Natürlich geht es ohne den Staat: ein freier Markt für Sicherheit« (Kapitel 19) wird skizziert, warum das Gut Sicherheit im freien Markt bereitgestellt werden sollte und wie das in der Praxis aussehen könnte.

In »Aufruf zu einem neuen Methodenstreit: die Logik des Handelns« (Kapitel 20) wird dargelegt, wie wichtig es ist zu verstehen, dass die Volkswirtschaftslehre keine Erfahrungs-, sondern eine a priori-Handlungswissenschaft ist.

Der Epilog lautet »Hoffnung Aufklärung«. Er fasst zusammen, dass das vernünftige, das logische Denken der Schlüssel zur Lösung der in dieser Schrift thematisierten Probleme ist – und hält damit eine optimistisch-realistische Botschaft bereit.

Das vorliegende Buch richtet sich an all diejenigen, die ihre antikapitalistische Haltung auf den Prüfstand stellen wollen, aber auch an alle, die ihre prokapitalistische Argumentation zu reflektieren und zu stärken wünschen – und die bislang in der »Hauptstrom«-Volkswirtschaftslehre vergeblich diese argumentative Auseinandersetzung und Darstellung gesucht haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nach der Lektüre des Buches zu dem Schluss gelangen, dass der Kapitalismus zu Unrecht geschmäht und zurückgewiesen wird; dass die vielen beklagten Missstände auf dieser Welt nicht durch den Kapitalismus verursacht sind, sondern dass sie vielmehr aus der Unterwanderung des Kapitalismus, seiner Nicht-Existenz rühren; und dass der »reine Kapitalismus« der richtige Weg ist, eine bessere Welt zu schaffen. Diese Einsichten sind überaus wichtig. Denn viele Menschen geben immer stärker Ideen und Politiken ihre Zustimmung, die an antikapitalistische Reflexe appellieren, die einen kollektivistischen-sozialistischen Ursprung haben.

Dieses Buch zu lesen erfordert keine besonderen ökonomischen Vorkenntnisse. Es ist mit dem Ziel verfasst worden, einfach und verständlich zu sein, um möglichst vielen interessierten Lesern das »Problem des Antikapitalismus« offenzulegen und seine Lösung voranzutreiben. Wie erwähnt, jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, lässt sich also einzeln für sich lesen. Dadurch bedingt lassen sich manche Wiederholungen, die zum Verständnis des jeweils behandelten Themas nötig sind, nicht vermeiden. Die Beiträge gehen teilweise auf bereits veröffentlichte Aufsätze und Vorträge zurück, die meisten sind eigens für dieses Buch umgearbeitet oder neu verfasst worden. Zu danken habe ich an dieser Stelle vielen Menschen, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht hätte entstehen können, die ich aber an dieser Stelle nicht alle nennen kann. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Dr. Ruth Polleit Riechert. Ihre Ermutigung, Unterstützung und Liebe haben dieses Buch möglich gemacht.

Thorsten Polleit

Königstein i. T., Juni 2020

KAPITEL 1

UNVERZICHTBAR FÜR DAS DENKEN:Kritik der ökonomischen Erkenntnis

»Der Fortschritt unserer Wissenschaft findet gegenwärtig sein Hemmnis in der Herrschaft irrthümlicher methodischer Grundsätze.«

Carl Menger

Aufforderung zur Kritik

Das Wort Kritik leitet sich ab von dem griechischen Wort krínein, was unterscheiden, trennen, vor Gericht stellen, mit vernünftigem Denken zu einem Urteil gelangen bedeutet. Für das Wort Erkenntnis gibt es keine einheitliche Definition. Ich definiere Erkenntnis hier und im Folgenden als eine gültige, eine wahre Aussage über die Realität. Die »Kritik der ökonomischen Erkenntnis« stellt also die Frage: Wie verlässlich, wie realitätsrelevant sind die Theorien der Ökonomen? Das ist eine überaus wichtige Frage – nicht nur für Ökonomen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Schließlich entfalten ökonomische Theorien (man kann auch von ökonomischen Ideen sprechen) Breitenwirkung, und natürlich entspringt auch der Antikapitalismus einer Idee.

Ganz in diesem Sinne schreibt zum Beispiel der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883–1946): »[T]he ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful than is commonly understood. Indeed the world is ruled by little else.«1 In den letzten Jahren sind die Theorien, die Ideen der (Mainstream-)Volkswirte verstärkt in die Kritik geraten, insbesondere im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Beispielsweise, so ist zu hören, hätten die Ökonomen die Krise nicht vorausgesehen, und bis heute gäbe es keine überzeugende Erklärung der Krisenursache(n); zudem verlieren sich die Ökonomen, so lautet eine andere Kritik, in abstrakten, über-mathematisierten Modellen, die kaum mehr einen Bezug zur wirklichen Welt haben.

Besonders kritisch hat sich der US-amerikanische Ökonom Paul Romer (*1955) geäußert. Im September 2016 veröffentlichte er den Aufsatz »The Trouble With Macroeconomics«.2 Romers Kritik schlug ein wie eine Bombe, in Fachkreisen, aber auch bei der Presse. Die Nachrichtenagentur Bloomberg titelte: »Blah Blah Blah: A Renowned Economist Sums Up the State of Macro«.3 Und schrieb weiter: »Paul Romer says he really hadn’t planned to trash macroeconomics as a math-obsessed pseudoscience. Or infuriate countless colleagues. It just sort of happened.«4

In seinem Beitrag parodiert Romer die Ausrichtung der modernen Makroökonomik in folgender Weise: »Assume A, assume B, … blah blah blah … and so we have proven that P is true.« Romer attestiert der Makroökonomik eine intellektuelle Regression in den letzten drei Jahrzehnten. Diese sei beispielsweise verursacht durch unreflektiertes Festhalten an dogmatischen Positionen; durch Setzen von obskuren Annahmen in hochmathematisierten Modellen; durch Ausblenden von mikroökonomischen Fundierungen in makroökonomischen Überlegungen; durch kritiklosen Umgang mit und falsche Loyalität gegenüber ausgewiesenen Autoritäten des Faches und durch anderes mehr.

Eine Frage der Methode

Was immer man Romers Kritik im Einzelnen entgegnen möchte, sie scheint mir aus mindestens zwei Gründen hilfreich zu sein. Sie lädt zur (selbst-)kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschungspraxis in der modernen Volkswirtschaftslehre ein. Und – besonders wichtig – sie ermuntert dazu, den kritischen Blick auf eine grundlegende Frage zu lenken. Diese lautet: Welche wissenschaftliche Methode ist in der Ökonomik angemessen, kann hier überzeugend vertreten werden?

Unter der wissenschaftlichen Methode ist das Vorgehen zu verstehen, um Erkenntnisse über ein Erkenntnisobjekt zu gewinnen. Die moderne Volkswirtschaftslehre bedient sich der wissenschaftlichen Methode, die in den Naturwissenschaften angewandt wird. Sie besteht im Kern darin, »Wenn-dann«- oder auch »Je-desto«-Hypothesen zu formulieren und deren Wahrheitsgehalt anhand von Beobachtungen zu überprüfen. Auf diese Weise sollen quantitative Gesetzmäßigkeiten gewonnen werden, etwa in dieser Form: »Wenn Faktor A um x Prozent steigt, verändert sich Faktor B um y Prozent.«

Die wichtige Frage lautet nun aber: Ist die naturwissenschaftliche Methode zur Wissensgewinnung auch in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften anwendbar? Ja, so meinen die Befürworter der sogenannten »Einheitswissenschaft«. Dazu zählen die Vertreter des Logischen Positivismus, des Wiener Kreises, die in den 1930er-Jahren für ein einheitliches Vorgehen in den Wissenschaften plädierten.5 Ihr Leitbild erreichte auch die Volkswirtschaftslehre, und zwar vor allem durch Milton Friedmans Aufsatz »The Methodology of Positive Economics« aus dem Jahr 1953. Diese Schrift trug wesentlich dazu bei, dass die naturwissenschaftliche Methode in der Volkswirtschaftslehre Fuß fassen konnte.

Auf dem Holzweg

Im Folgenden möchte ich das erkenntnistheoretische Fundament der naturwissenschaftlichen Methode offenlegen und kritisieren. Auf diese Weise will ich die heute weitverbreitete Auffassung hinterfragen, ob die Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode in der Volkswirtschaftslehre überhaupt begründet werden kann.

Die naturwissenschaftliche Methode baut auf drei erkenntnistheoretischen Elementen auf: Positivismus, Empirismus und Falsifikationismus. Der Positivismus lässt sich als Wissenschaftsdoktrin interpretieren. Er postuliert, dass die Wissenschaft auf das Positive, das Tatsächliche, das Messbare zu beschränken ist. Was nicht messbar ist, das Metaphysische etwa (also das, was die Sinneserfahrung übersteigt), ist wissenschaftlich nicht zugänglich, ist unwissenschaftlich.

Der Empirismus besagt zwei Dinge: Zum einen, dass die Quelle der Erkenntnis die Beobachtung ist, und dass zum anderen die Beobachtung auch die Prüfinstanz ist für die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Theorien. Der Falsifikationismus wird als Fortentwicklung des klassischen Empirismus betrachtet und ist eng verbunden mit dem Namen Karl Popper (1902–1994). Lassen Sie uns zunächst den kritischen Blick auf den Empirismus werfen, danach auf den Falsifikationismus beziehungsweise Kritischen Rationalismus.

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Der Empirismus leidet unter dem sogenannten Induktionsproblem.6 Was damit gemeint ist, kann ein Beispiel illustrieren. Im 18. Jahrhundert waren den Menschen nur weiße Schwäne bekannt. Man folgerte daraus, dass es nur weiße Schwäne gäbe. Doch dann wurden in Australien schwarze Schwäne entdeckt – und das Wissen, das bis dato gegolten hatte, erwies sich als falsch. Was dieses Beispiel zeigt (und auch logisch begründet werden kann7): Aus Einzelerfahrungen lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen (Allaussagen) ableiten.

Um es noch deutlicher zu machen: Nehmen wir an, Sie testen die Hypothese »Wenn die Geldmenge steigt, dann steigen die Güterpreise«. Sie finden heraus, dass die Hypothese durch die Datenlage gestützt wird. Ist sie dann verifiziert? Haben Sie eine Gesetzmäßigkeit erkannt? Die Antwort ist nein! Denn aus diesem Befund lässt sich nicht schlussfolgern, dass die Hypothese auch künftig, das heißt wenn neue Beobachtungen gemacht werden, gestützt wird. Sollten Sie hingegen beim Testen herausfinden, dass die Daten die Hypothese nicht stützen, so heißt das nicht, dass künftige Beobachtungsdaten die Hypothese nicht doch stützen könnten. Mit dem Empirismus lässt sich also keine verlässliche Wissenschaftserkenntnis bereitstellen, keine Regel- beziehungsweise Gesetzmäßigkeiten (in dem Sinne: wenn A, dann immer B) begründen.

Popper hilft nicht weiter

Doch wir wollen den Kopf nicht hängen lassen. Schließlich hat es eine Fortentwicklung gegeben: den Falsifikationismus. Der Falsifikationismus ist das Kernstück des Kritischen Rationalismus, wie er von Popper vertreten wird. Popper erkennt, dass der Induktionsschluss – der konstitutiv ist für den klassischen Empirismus – nicht gerechtfertigt werden kann. Es ist nicht möglich, so Popper, eine Hypothese zu verifizieren. Bestenfalls kann es gelingen, eine Hypothese nicht zu falsifizieren. Eine Hypothese gilt nach Popper so lange als »bewährt«, wie sie nicht durch Erfahrung widerlegt (also falsifiziert) worden ist.

Unsere Erkenntnis ist – und das ist die zentrale Position des Kritischen Rationalismus – immer nur hypothetisch wahr. Wir können ihr nur »bis auf Weiteres« vertrauen. Dass wir jemals zu nicht-hypothetischer Erkenntnis – zu einer zeitlosen Gewissheit oder: Wahrheit – gelangen könnten, ist eine vergebliche Hoffnung. Die Aufgabe des Wissenschaftlers ist es, seine Theorien (fortwährend) an der Erfahrung zu testen und, wenn sie sich nicht bewähren, durch bessere Theorien zu ersetzen. Auf diese Weise wird der Wissenschaftsfortschritt rational angeleitet, so Popper: Man gelangt zu besseren Theorien, indem schlechte Theorien aussortiert werden.

Der Kritische Rationalismus soll den Wettbewerb um die besseren Theorien fördern; er soll Immunisierungsstrategien, durch die sich die Theorien einer Wahrheitsprüfung entziehen könnten, verhindern; und er soll zum vorsichtigen Umgang mit der wissenschaftlichen Wahrheit anleiten. Stellen wir an dieser Stelle eine kritische Frage: Wie rechtfertigt der Kritische Rationalismus seine Postulate?

Dem Kritischen Rationalismus zufolge ist alle Erkenntnis nur hypothetisch wahr, die Existenz von nicht-hypothetisch wahrer Erkenntnis wird verneint. Was ist davon zu halten? Wenn ich sage, alle Erkenntnis ist nur hypothetisch wahr, so beansprucht diese Aussage nicht-hypothetisch wahr, also gültig, zu sein. Das ist ganz offensichtlich ein Selbstwiderspruch!

Damit stellt sich aber die Frage: Wie will der Kritische Rationalismus seine Postulate begründen? Wie will er begründen, dass Erkenntnisse nur aus Beobachtungen zu gewinnen sind und dass Beobachtungen auch die Prüfinstanz sind, an der der Wahrheitsgehalt von Theorien zu beurteilen ist? Auf empirischem Wege können diese Postulate nicht überzeugend begründet werden. Wie bereits gesagt: Durch Beobachtungen lässt sich keine gültige Allaussage begründen.

Der Kritische Rationalismus muss vielmehr auf nicht-hypothetisch wahre Erkenntnis zurückgreifen, will er seine Postulate begründen – auf genau solche Aussagen also, deren Existenz er verneint. Dass (auch) das ein Selbstwiderspruch ist, ist unmittelbar einsichtig.8 Nach Popper ist alle Erkenntnis nur hypothetisch wahr. Wenn man aber sagt: »Alle Erkenntnis ist nur hypothetisch wahr«, dann ist diese Aussage (i) entweder ein Selbstwiderspruch oder (ii) sie ist selbst nur hypothetisch wahr – und das würde erkenntnistheoretisch ins Nichts führen. Was aber ist von den folgenden Theorien zu halten?9 (1) Jeder freiwillige Tausch ist vorteilhaft für die am Tausch Teilnehmenden. Oder: (2) Der Grenznutzen der Gütereinheit nimmt mit steigendem Gütervorrat ab. Oder: (3) Ein Anstieg der Geldmenge in der Volkswirtschaft verringert die Kaufkraft der Geldeinheit (im Vergleich zur Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre). Die Theorien (1), (2) und (3) sind aus handlungslogischer Perspektive als unbestreitbar gültig einsehbar – nach Popper wäre ihr Wahrheitsgehalt jedoch nur hypothetisch wahr und fortwährend durch Testen zu überprüfen; und auch auf diesem Wege könnte ihr Wahrheitsgehalt nicht letztgültig festgestellt werden.

Und noch etwas soll hier kritisiert werden: Um Erfahrungen machen zu können, braucht man eine Theorie. Denn es gibt kein theorieloses, kein voraussetzungsloses Erfassen der menschlichen Realität. Die verwendeten Theorien mögen richtig oder falsch sein, das Erfahren ist aber stets theoriegebunden. Doch was ist die »richtige« Theorie? Der Kritische Rationalist muss antworten: Das wissen wir nicht! Wir können bestenfalls auf bewährte Theorien zurückgreifen, um Erfahrungen zu machen. Wenn sich aber die Auffassung darüber ändert, welche Theorie nun die »bewährte«, die »richtige« ist, erweisen sich auch alle Erfahrungen, die auf der bisher als bewährt angesehenen Theorie gemacht wurden, als Makulatur. Aber nicht nur diejenigen Theorien, deren Wahrheitsgehalt mittels Erfahrung untersucht werden soll, sind für den Kritischen Rationalismus bestenfalls hypothetisch wahr. Das Gleiche gilt auch für jene Theorien, die verwendet werden, um Beobachtungen zu machen, die als Prüfinstanz dienen.

Wie, so muss man sich fragen, soll auf einer solchen erkenntnistheoretischen Forschungsgrundlage – die de facto nihilistisch ist – etwas Sinnvolles erwachsen? Man wird hier vielleicht einwenden: In den Naturwissenschaften scheint diese Kritik nicht zuzutreffen. Man schaue nur einmal auf die naturwissenschaftlichen Wissensfortschritte in den letzten Jahrzehnten, die auf Basis des Kritischen Rationalismus erzielt wurden!

Dem würde ich entgegnen: Ja, der Wissenszuwachs in den Naturwissenschaften steht außer Frage. Das heißt aber nicht, dass die hier geäußerte Kritik unberechtigt wäre. Vermutlich gibt es in den Naturwissenschaften tatsächlich so etwas wie Regel- und Gesetzmäßigkeiten, die sich durch das Anwenden des Kritischen Rationalismus – trotz seiner erkenntnistheoretischen Defizite – aufspüren lassen. Es besteht an dieser Stelle vielmehr Anlass zu der Frage: Lässt sich der Kritische Rationalismus trotz seiner erkenntnistheoretischen Defizite ebenso unproblematisch in der Volkswirtschaftslehre anwenden?

Wirtschaftswissenschaft ist anders

Um diese Frage zu beantworten, führen wir uns zunächst vor Augen, dass das Erkenntnisobjekt in den Naturwissenschaften ein ganz anderes ist als in der Volkswirtschaftslehre.10 In der Naturwissenschaft haben wir es zum Beispiel mit Atomen, Steinen und Regenwürmern zu tun. Objekten also, die keine Ziele und keine Präferenzen haben, die keine Wahlakte treffen. In der Volkswirtschaftslehre geht es hingegen um den handelnden Menschen. Und der hat Präferenzen und Ziele, die er durch sein Handeln erreichen will, er wählt zwischen alternativen Handlungsmöglichkeiten.

Das ist eine wichtige Einsicht: Die Art des Erkenntnisobjektes erlaubt es in den Naturwissenschaften, konstante Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzuspüren. Im Bereich des menschlichen Handelns ist so etwas aber nicht möglich. Warum nicht? Die Antwort lautet: Der handelnde Mensch – der Präferenzen und Ziele hat und zwischen Handlungen wählt – ist lernfähig.11 Das heißt, die Wissenszustände, die seine Präferenz-, Ziel- und damit seine Handlungswahl bestimmen, verändern sich im Zeitablauf. Und die Lernfähigkeit des Menschen lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen.

Wer argumentiert, der Mensch sei nicht lernfähig, der begeht einen performativen Widerspruch: Er unterstellt, dass seine Zuhörer beziehungsweise Gesprächspartner den Inhalt seines Gesagten noch nicht wissen, dass sie also lernfähig sind – sonst würde er es ja nicht sagen.12 Und wer sagt: »Der Mensch kann lernen, dass er nicht lernen kann«, begeht einen offenen Widerspruch. Er setzt voraus, dass er irgendwann einmal gelernt hat, dass man nicht lernen kann – und attestiert damit ebenfalls Lernfähigkeit.

Wenn man die Lernfähigkeit aber nicht widerspruchsfrei verneinen kann, so bedeutet das, dass man menschliche Handlungen auch nicht systematisch erklären kann im Sinne einer quantitativen-konstanten Ursache-Wirkungsbeziehung (dass also das Auftreten von Impuls A immer und überall die Reaktion B hervorbringt). Behauptet man, dass es konstante Verhaltensparameter gibt – dass Menschen immer und überall auf einen konkreten Impuls in gleicher Weise reagieren –, dann impliziert das, dass man menschliches Handeln vorhersagen kann. Dadurch bestreitet man aber, dass der Mensch lernfähig ist – und das wäre, wie bereits erläutert, widersprüchlich und damit falsch. Es kann folglich aus logischen Gründen keine konstanten Verhaltensparameter im Bereich des menschlichen Handelns geben.13

Und noch eine weitere Überlegung spricht gegen die Anwendbarkeit der naturwissenschaftlichen Methode in der Volkswirtschaftslehre. In den Naturwissenschaften lassen sich Laborversuche durchführen. Unter ansonsten gleichen Bedingungen wird ein Faktor bei Konstanz aller anderen Faktoren verändert, und so lässt sich seine Wirkung auf den zu erklärenden Faktor erkunden. Derartige Versuche lassen sich prinzipiell in beliebiger Zahl wiederholen. Ein solches Vorgehen ist im Bereich des menschlichen Handelns nicht möglich. Wir hatten bereits gehört: Der handelnde Mensch ist lernfähig und damit sprichwörtlich von einem Zeitpunkt zum anderen quasi ein anderer, was seine Wissensstände betrifft.

Im Bereich des menschlichen Handelns lassen sich daher keine homogenen, miteinander vergleichbaren Beobachtungssätze gewinnen, wie es in naturwissenschaftlichen Experimenten möglich ist.14 An dieser Stelle lässt sich zusammenfassend sagen: Der Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode stehen schwergewichtige Bedenken, logische Einwände entgegen.

Das handlungslogische Denken

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche wissenschaftliche Methode ließe sich in der Volkswirtschaftslehre überzeugend vertreten? Das Erkenntnisobjekt der Volkswirtschaftslehre ist – das wurde bereits herausgestellt – der handelnde Mensch.15Über ihn wissen wir etwas, was wir widerspruchsfrei nicht verneinen können – nämlich dass der Mensch handelt.

Handeln heißt, abstrakt gesprochen, einen Zustand durch einen anderen, als vorteilhafter erachteten Zustand ersetzen. Der Satz »Der Mensch handelt« klingt zunächst trivial. Bei weiterem Nachdenken zeigt sich jedoch, dass dieser Satz nicht widerspruchsfrei verneint werden kann. Wer sagt »Der Mensch handelt nicht«, der handelt – und widerspricht damit dem Gesagten. Der Satz »Der Mensch handelt« ist apriorisch. Aus dem evidenten Satz »Der Mensch handelt« lassen sich auf logisch-deduktivem Wege weitere unbestreitbar gültige Aussagen (logische Handlungskategorien) ableiten.

Beispielsweise dass Menschen Ziele verfolgen; dass sie dazu Mittel einsetzen müssen; dass die Mittel-Ziel-Beziehung die Ursache-Wirkungsbeziehung (Kausalität) voraussetzt; dass der Mensch unter Knappheit handelt (schon allein deswegen, weil jedes Handeln Zeit erfordert); dass der Handelnde stets eine positive Zeitpräferenz hat; dass Handeln unter Unsicherheit stattfindet und anderes mehr. Sie werden nun vermutlich fragen: Was lässt sich mit all dem anfangen? Auf diese Frage will ich hier drei Antworten geben.

(1) Theorieprüfung. – Die logischen Handlungskategorien dienen als »Prüfkriterien«. Verstoßen ökonomische Theorien gegen die logischen Kategorien des menschlichen Handelns, sind berechtigte Zweifel an ihrer Richtigkeit anzumelden. Verkürzt gesprochen: Theorien, die nicht im Einklang mit den logischen Handlungskategorien stehen, sind als falsch einsehbar (und zwar ohne dass man die Theorien in der Praxis erst ausprobieren muss). Beispielsweise wäre eine ökonomische Theorie, die zeitloses menschliches Handeln annimmt, handlungslogisch unsinnig (und auch realitätsfern).16 Mit etwas mehr verbal-logischem Aufwand ließe sich beispielsweise die Theorie als unzutreffend zurückweisen, dass das Ausweiten der Geldmenge »neutral« ist (in Bezug auf die Verteilungsfolgen). Auf handlungslogischem Wege lässt sich zudem zeigen, dass der Sozialismus nicht funktionieren kann; oder dass die Ausgabe von ungedecktem Geld Wirtschaftsstörungen hervorbringt.

(2) Geschichtsdeutung. – Vergangene menschliche Handlungen, menschliche Geschichtsepisoden, müssen unter Zuhilfenahme von Theorien erfasst und gedeutet werden. Dafür sind in der Regel viele Erkenntnisbausteine erforderlich: beispielsweise die Physik, Biologie, Psychologie, aber natürlich auch die Erkenntnisse, die sich aus der Logik des menschlichen Handelns ableiten lassen. Die Deutung geschichtlicher Ereignisse bedarf so gesehen der Methode des Verstehens. Wer die Methode des Verstehens anwendet, muss darauf achten, dass die Deutung und die Erklärung des vergangenen menschlichen Handelns nicht im Widerspruch stehen mit den naturwissenschaftlichen Erfahrungen und den apriorischen Erkenntnissen, die sich aus der Logik des menschlichen Handelns gewinnen lassen.

(3) Folgeabschätzung. – Die Logik des menschlichen Handelns zeigt die qualitativen (nicht aber quantitativen) Folgen des Handelns auf. Sie kann allerdings nichts darüber sagen, wie künftig gehandelt wird. Wenn beispielsweise die Geldmenge in der Volkswirtschaft erhöht wird, so führt das notwendigerweise dazu, dass die Güterpreise höher ausfallen und die Kaufkraft des Geldes abnimmt – im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet wird. Ob aber die Geldmenge künftig erhöht wird – ob die Zentralbankräte und die Geschäftsbanken die Geldmenge tatsächlich ausweiten werden –, eine solche Prognose geht über die handlungslogische Erkenntnis hinaus.

Zu guter Letzt

Die bis hierher vorgetragenen Überlegungen haben ihren Ausgangspunkt in den erkenntnistheoretischen Problemen genommen, die aus der Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode in der Ökonomik erwachsen. Die erkenntnistheoretischen Probleme lösen sich jedoch auf, wenn die Volkswirtschaftslehre nicht als Erfahrungswissenschaft, sondern als apriorische Handlungswissenschaft konzeptualisiert wird – und das ist, wie hier aufgezeigt, mit logischen Mitteln, in widerspruchsfreier Weise, möglich. Als apriorische Handlungswissenschaft gewinnt die Volkswirtschaftslehre ihre Erkenntnisse erfahrungsunabhängig durch Rückgriff auf die Logik des menschlichen Handelns. Sie erzielt ihre Erkenntnis also nicht aus der Erfahrung, und sie überprüft den Wahrheitsgehalt ihrer Erkenntnis auch nicht mittels Erfahrung.

Die apriorische Handlungswissenschaft entfaltet die logischen Implikationen, die aus der nicht widerlegbaren Erkenntnis stammen, dass der Mensch handelt. Spricht man der Volkswirtschaftslehre apriorischen Charakter zu, hat das für ihr heutiges Selbstverständnis weitreichende Folgen. Wer die Volkswirtschaftslehre als apriorische Handlungswissenschaft konzeptualisiert, muss beispielsweise bestreiten, dass sich die Methode der Mathematik im Bereich des menschlichen Handelns sinnvoll anwenden lässt;17 und er wird auch so manche hochangesehene Theorie infrage stellen oder zurückweisen müssen. Wie lässt sich in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Theorie der Rationalen Erwartungen (TRE) beurteilen, wie sie von John F. Muth (1930–2005) im Jahr 1961 vorgelegt und vor allem von Robert Lucas Jr. (*1937) in der modernen Makroökonomik weiterentwickelt wurde?18

Die TRE besagt, dass die Marktakteure (i) Kenntnis über das Funktionieren der Volkswirtschaft haben; (ii) dass sie über alle relevanten Informationen verfügen, die das wirtschaftliche Geschehen bestimmen; und dass sie (iii) die Häufigkeitsverteilung der künftigen Ereignisse kennen, dass sie also keine systematischen Erwartungsfehler begehen, beziehungsweise dass der Erwartungswert des stochastischen Störterms (die Abweichung zwischen dem erwarteten Wert einer Variablen und dem sich tatsächlich einstellenden Wert der Variable) null ist. Doch so populär die TRE auch ist, aus handlungslogischer Sicht ist sie mehr als fragwürdig, und zwar aus (mindestens) drei Gründen: (1) Wenn man annimmt, dass die Handelnden die Häufigkeitsverteilung künftiger Ereignisse bereits heute kennen, so bedeutet das, dass sie bereits heute über eine umfassende Liste aller künftigen Handlungen verfügen. Sie müssten schon heute beispielsweise alle künftigen Nachfragewünsche, Technologien, Produzenten und Produkte kennen; und sie müssten heute wissen, wie die Nachfrager und Anbieter künftig handeln – sonst könnte man ja heute keinerlei Wissen über die relative Häufigkeitsverteilung künftiger Handlungsergebnisse haben. Doch solch eine Liste gibt es nicht, und es kann sie auch nicht geben. Denn gäbe es sie, wäre das künftige menschliche Handeln schon heute bekannt, und Handeln würde unmöglich – und das ist etwas, was sich nicht widerspruchsfrei denken lässt. (2) Selbst wenn man annimmt, dass man die Zukunft vorhersagen kann (und dabei einem Zufallsfehler mit Erwartungswert von null unterliegt), so würde das bedeuten, dass alle Handelnden den gleichen Wissensstand haben; ansonsten wäre ihr Erwartungsfehler nicht zufällig, sondern systematisch. Das Wissen ist jedoch nicht gleich verteilt zwischen den Handelnden – und allein schon der Versuch, diese Aussage zu verneinen, bezeugt die Richtigkeit dieser Aussage. (3) Die TRE unterstellt, dass die Handelnden nicht lernfähig sind – das folgt direkt aus der Annahme, man kenne die künftigen Handlungen schon heute. Doch das ist, wie weiter oben deutlich wurde, handlungslogisch falsch: Lernfähigkeit lässt sich aus logischen Gründen nicht verneinen. Kurzum: Die TRE ist auf Basis der Handlungslogik als inkonsistente Theorie zurückzuweisen.

Die inhaltliche Auseinandersetzung um die angemessene, die »richtige« wissenschaftliche Methode in der Volkswirtschaftslehre ist keine abstrakte akademische Fingerübung. Sie hat unmittelbare Bedeutung für die (politische Unabhängigkeit der) Forschungspraxis. Man denke nur einmal an den Fall, in dem eine politische Partei eine (für manche Ohren) wohlklingende Theorie vorlegt: »Wenn die Produktionsmittel verstaatlicht werden, dann steigt der Wohlstand für alle.« Ein Ökonom, der konsequent dem Kritischen Rationalismus folgt, kann keine prinzipiellen Bedenken gegen die »mögliche Richtigkeit« dieser – handlungslogisch als falsch einsehbaren – Theorie anmelden. Er muss vielmehr – will er nicht als »fortschrittsfeindlich«, als »starrsinnig« gelten – zustimmen, dass die Theorie in der Praxis ausprobiert wird, denn nur so lässt sich ihr Wahrheitsgehalt überprüfen.

Und je süßer die Verheißung zu sein scheint, die eine Theorie in Aussicht stellt, desto größer fällt natürlich auch der politische Druck aus, die Theorie in die Tat umzusetzen. Wohin das führt, lässt sich leicht absehen: Die Gesellschaft wird zum großangelegten Versuchslabor, gerät in den Würgegriff der Sozialplaner und politischen Eiferer, die mit der Freiheit des Individuums wenig oder gar nichts anfangen können.

Damit sind wir am Ende des ersten Kapitels angelangt. Es kann hoffentlich einen konstruktiven Beitrag leisten, indem die Kritik an der modernen Volkswirtschaftslehre aufgenommen und sie auf ihren fundamentalen Ursprung gelenkt wurde: auf die Frage nach der richtigen, nach der gut begründeten wissenschaftlichen Methode in der Volkswirtschaftslehre. Diese Frage verdient allergrößte Aufmerksamkeit. So erscheint es passend, mit einem Zitat von Carl Menger (1840–1921) zu schließen: »Der Fortschritt unserer Wissenschaft findet gegenwärtig sein Hemmnis in der Herrschaft irrthümlicher methodischer Grundsätze.«19

KAPITEL 2

DREH- UND ANGELPUNKT DES MENSCHLICHEN HANDELS:das Eigentum

»Wo man am meisten drauf erpicht, grad das bekommt man meistens nicht.«

Wilhelm Busch

Das, was sich nicht widerlegen lässt

Antikapitalisten stehen dem Eigentum skeptisch, relativierend oder auch feindselig gegenüber. Ist diese Position gut begründet? Für eine Antwort müssen wir uns zunächst Klarheit darüber verschaffen, wie sich Eigentum (im wirtschaftlichen Sinne) an Gütern erwerben lässt. In einer freien Marktwirtschaft geschieht das auf drei – und nur drei – nicht-aggressiven Wegen, und die sind: (1) Inlandnahme von bisher nicht anderweitig beanspruchten Naturressourcen (»Homesteading«), (2) Produktion, also die Erzeugung von Gütern durch eigener Hände Arbeit, und (3) freiwilliger Tausch (einschließlich Schenkungen). Im Gegensatz dazu steht die aggressive, die gewalttätige Aneignung von Eigentum: Menschen eignen sich Sachen an, indem sie Eigentumsrechte anderer verletzen wie zum Beispiel durch Raub, Unterschlagung, Veruntreuung, Erpressung und so weiter.

Das Eigentum – verstanden als das Eigentum am eigenen Körper (Selbsteigentum) und an den Gütern, die auf nicht-aggressivem Wege angeeignet wurden – ist keine von Menschen willkürlich in die Welt gesetzte Institution. Existenz und Notwendigkeit von Eigentum sind vielmehr (handlungs-)logisch fest begründet. Das Eigentum lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen. Eigentum zu verneinen oder gar aus der Welt verbannen zu wollen – wie es die Sozialisten, aber auch so mancher Antikapitalist es sich wünscht –, verursacht einen logischen Widerspruch und ist damit im wahrsten Sinne des Wortes falsch. Diese wichtige Einsicht verdient genauer begründet zu werden, und zwar mit der Logik des menschlichen Handelns.

Eine Kategorie des menschlichen Handelns

Mit der Logik des menschlichen Handelns ist nicht gemeint, dass Menschen sich immer und überall logisch verhalten. Vielmehr entfaltet die Logik des menschlichen Handelns die logischen Erkenntnisse, die sich aus dem Satz »Der Mensch handelt« ableiten lassen. Mit dem Satz »Der Mensch handelt« ist zunächst einmal ganz allgemein gemeint, dass der Handelnde einen Zustand durch einen anderen Zustand, den er als vergleichsweise vorteilhafter einstuft, ersetzt.

Der Satz »Der Mensch handelt« klingt zunächst recht trivial. Doch er ist – wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt – von besonderer erkenntnistheoretischer Qualität: Er lässt sich nicht vereinen, ohne dass man dadurch einen intellektuellen Widerspruch verursacht. Wer sagt »Der Mensch kann nicht handeln«, der handelt und setzt damit das, was er verneint, als gültig voraus. Wir haben es hier also mit einer wahren, einer apodiktischen Erkenntnis zu tun. Aus dem wahren Satz »Der Mensch handelt« lassen sich weitere wahre Erkenntnisse ableiten.

Handeln zielt auf das Erreichen von Zielen ab. Das lässt sich widerspruchsfrei nicht verneinen – denn das liefe auf ein zielorientiertes Handeln hinaus. Für das Erreichen von Zielen muss der Handelnde Mittel (Güter) einsetzen. Mittel sind notwendigerweise knapp (sonst wären sie keine Mittel, und man müsste sie nicht bewirtschaften). Zeit ist ein unverzichtbares Mittel, das der Handelnde einsetzen muss. Ein zeitloses Handeln lässt sich nicht denken, denn dann wären die Ziele sofort und unmittelbar erreicht, und der Handelnde könnte nicht handeln – aber das wäre ein logischer Widerspruch.

Weil Handeln stets den Einsatz von Zeit erfordert, wird der Handelnde eine frühere Erreichung seiner Ziele einer späteren Erreichung vorziehen. Darin kommt die Zeitpräferenz zum Ausdruck, und deren Manifestation ist der Urzins. Er besagt, dass ein gegenwärtig verfügbares Gut einem Gut (von gleicher Art und Güte und unter gleichen Bedingungen), das erst künftig erhältlich ist, vorgezogen wird. Zeitpräferenz und Urzins sind aus handlungslogischen Gründen immer und überall positiv, sie können nicht verschwinden, nicht auf null fallen oder gar negativ werden.

Handeln ist – und wer wollte das ernstlich anzweifeln – an Körperlichkeit gebunden: Um zu sprechen, muss man seine Stimmbänder in Schwingung versetzen; um von hier nach da zu gehen, muss man seine Beine bewegen; und um mathematische Aufgaben zu lösen, muss man sein Gehirn arbeiten lassen. Der Handelnde muss folglich seinen Körper einsetzen, um zu handeln (und er kann, wie wir schon gesehen haben, nicht nicht handeln). An dieser Stelle erwächst daher die Frage: Wem gehört denn der Körper des Handelnden hier auf Erden? Ihm selber? Und wenn ja, wie lässt sich das begründen?

Die Sache mit dema priori

Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) nannte Erkenntnis, die aus der Erfahrung stammt, a posteriori; und die Erkenntnis, die von allen Sinneseindrücken unabhängig ist, nannte er a priori. Kant zufolge zeichnet sich ein a priori beziehungsweise eine apriorische Aussage dadurch aus, dass sie strenge Notwendigkeit hat und eine uneingeschränkte Allgemeingültigkeit aufweist. Eine apriorische Aussage lässt sich nicht verneinen, ohne ihre Gültigkeit bereits zu unterstellen. Man kann einer apriorischen Aussage nicht widersprechen, ohne dadurch einen intellektuellen Irrtum, einen logischen Widerspruch zu verursachen. Bei allen aus Beobachtungen (Sinneseindrücken) abgeleiteten Aussagen lässt sich niemals ausschließen, dass sie sich, wenn weitere Beobachtungen gemacht werden, als falsch herausstellen. Alle durch Wahrnehmung zu verifizierenden Aussagen sind daher nicht notwendigerweise wahr. Aussagen sind dann notwendigerweise wahr, gelten dann a priori, wenn sie sich nicht durch Wahrnehmungen verifizieren oder falsifizieren lassen.20 Kant drückt das wie folgt aus: »Erfahrung lehrt uns zwar, daß etwas so oder so beschaffen sei, aber nicht, daß es nicht anders sein könne. Findet sich als erstlich ein Satz, der zugleich mit seiner Notwendigkeit gedacht wird, so ist er ein Urteil a priori […]. Wird also ein Urteil in strenger Allgemeinheit gedacht, d. i. so, daß gar keine Ausnahme als möglich verstattet wird, so ist es nicht von der Erfahrung abgeleitet, sondern schlechterdings a priori gültig.«21

Das a priori des Argumentierens

Diese wichtige Frage lässt sich mit Rückgriff auf das a priori des Argumentierens, das die Philosophen Karl-Otto Apel (1922–2017) und Jürgen Habermas (*1929) vorgelegt haben, beantworten. Der Begriff a priori steht für Aussagen, die Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit beanspruchen können, deren Gültigkeit man immer schon voraussetzen muss, wenn man sie verneinen will. Ein Argument ist eine Aussage, mit der der Wahrheitsgehalt von Aussagen geklärt wird. Man kann leicht einsehen, dass man nicht verneinen kann, dass man argumentiert. Wer sagt: »Man kann nicht argumentieren«, der argumentiert und widerspricht dem gerade Gesagten. Man kann also nicht argumentieren, dass man nicht argumentieren kann, ohne einen logischen Widerspruch zu verursachen. Also können wir hier vom a priori des Argumentierens sprechen.

Argumentieren setzt Eigentum am eigenen Körper voraus. Dieser Satz lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen. Der Versuch, ihn zu verneinen, erfordert den Einsatz des eigenen Körpers: um zu denken, sprechen, zu schreiben oder zu gestikulieren. Das Selbsteigentum ist folglich ein a priori: Man kann es nicht verneinen, ohne damit nicht schon seine Gültigkeit vorausgesetzt zu haben.

Doch nicht nur das: Das a priori des Argumentierens setzt nicht nur das Selbsteigentum am eigenen Körper voraus, sondern auch das Selbsteigentum desjenigen, mit dem man argumentiert. Jeder, der ein Argument vorbringt, will schließlich seinem Gegenüber etwas mitteilen, beispielsweise ihn von einer Meinung abbringen oder überzeugen oder ihm etwas beibringen, was er vorher noch nicht wusste. Wer argumentiert, der setzt körperliches Selbsteigentum der Person voraus, mit der er argumentiert – dass also sein Gegenüber die vorgebrachten Argumente annehmen, überdenken und auf sie reagieren kann –, sonst würde er nicht mit ihm argumentieren.

Eigentum an externen Gütern

Während das a priori des körperlichen Selbsteigentums damit erklärt ist, stellt sich noch die Frage: Wie lässt sich das Eigentum externer Güter begründen? Diese Frage ist überaus wichtig. Denn zum einen bedarf der menschliche Körper, wie ihn die Schöpfung geschaffen hat, externer Güter (zum Beispiel Speisen, Kleidung und Behausung), damit er erhalten bleibt, damit der Mensch überleben kann. Zum anderen gilt es zu überlegen, ob sich die externen Güter im Privateigentum oder Gemeineigentum befinden können.

Bei Konsumgütern ist der Fall klar: Konsumgüter können nur Privateigentum sein. Sie gehen mit dem Konsum unter. Selbst wenn ein Apfel vor dem Verzehr als Gemeineigentum angesehen wird und allen gehört, ändert sich das in dem Moment, in dem der genussfertige Apfel (als Ganzes oder zerteilt in einzelne Stücke) verspeist wird. Spätestens dann kann der Apfel (oder Teile von ihm) sich nicht mehr im Gemeineigentum befinden, sondern seine wirtschaftliche Nutzung kommt allein demjenigen zu, der ihn verzehrt.

Bei Produktionsgütern liegen die Dinge anders. Sie werden eingesetzt, um andere Produktionsgüter und/oder Konsumgüter zu erzeugen. Beispiel: Um eine Tasse Kaffee zu genießen, muss das Eigentum an der Kaffeeplantage, der Rösterei und der Porzellanmanufaktur, die zur Erzeugung des Getränks wie des Trinkgefäßes erforderlich sind, nicht notwendigerweise privat sein, es kann grundsätzlich auch Gemeineigentum sein. Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt, lautet: Was eignet sich besser, um den Kunden eine Tasse Kaffee von bester Qualität und niedrigstem Preis anbieten zu können: Privateigentum an den Produktionsmitteln oder Gemeineigentum an den Produktionsmitteln?

Die Antwort auf diese Frage liegt seit Langem vor: In einem freien Marktsystem (Kapitalismus) wird die Produktion fortwährend auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet. Die knappen Mittel werden hier bestmöglich eingesetzt, um die Nachfragewünsche zu bedienen. Der Gegenentwurf zur freien Marktwirtschaft, der Sozialismus, schneidet im Vergleich dazu denkbar schlecht ab. Denn der Sozialismus ist unmöglich, er lässt sich nicht durchführen. In aller Kürze lautet die Erklärung dafür wie folgt: Im Sozialismus gibt es kein Privateigentum. Daher lässt sich auf dem Markt auch nichts kaufen und verkaufen, und es gibt folglich auch keine Marktpreise für Güter. Ohne Marktpreise aber lässt sich keine Wirtschaftsrechnung betreiben. Man kann somit nicht wissen, was wann wo knapp ist und wie man knappe Mittel einzusetzen hat, um die gewünschten Güter und Dienste herzustellen. Ein Wirtschaften im eigentlichen Sinne ist im Sozialismus – in einer Gemeinschaft von Menschen, in der die Produktionsmittel vergesellschaftet sind – gar nicht durchführbar. Verelendung und Chaos und Gewalt sind daher keine Zufälligkeiten im Sozialismus – sie sind seine notwendigen Konsequenzen.

Über die Akzeptanz des Eigentums

Wir haben gesehen, dass das Eigentum keine willkürliche Einrichtung ist, sondern dass seine Existenz eine (handlungs-)logische Begründung vorweisen kann und damit richtig ist. Nun ist aber die Eigentumsverteilung, die man heute vorfindet, das Ergebnis zweier historischer Entwicklungsstränge. Zum einen gibt es Eigentum, das auf nicht-aggressivem Wege erworben wurde: durch Inbesitznahme Produktion und Tauschen (einschließlich des Schenkens). Zum anderen hat das bestehende Eigentum auch eine aggressive Ursache: Die Güter hat sich irgendwer irgendwann einmal durch Schwindel, Diebstahl, Erpressung, Veruntreuung, Raub und Mord angeeignet. Eigentum ist also entweder durch friedvolle Inbesitznahme oder Gewalt in die Welt gekommen.

Es bedarf keiner ausführlichen Darlegung, dass das Eigentum, das auf nicht-aggressivem Wege erworben wurde, rechtens ist; und dass das Eigentum, das auf aggressivem Wege erworben wurde, nicht rechtens sein kann. Daher kann es nicht überzeugen, wenn gesagt wird, man müsse die Eigentumsverteilung, die man vorfindet, so akzeptieren, wie man sie vorfindet, eben weil sie so ist, wie sie ist. Ob im konkreten Fall die bestehende Eigentumsverteilung gerechtfertigt ist oder nicht, lässt sich jedoch mit Vernunftgründen entscheiden. Dazu sind folgende Fälle zu unterscheiden:22

(a) Wenn wir zweifelsfrei wissen, dass das Eigentum an einer Sache auf nicht-aggressivem Wege zustande gekommen ist, dann ist derjenige, der das Eigentum an der Sache vorweisen kann, der rechtmäßige Eigentümer.

(b) Wenn wir nicht wissen, ob das Eigentum an einer Sache kriminellen Ursprungs ist oder nicht, wir aber auch keine Möglichkeit haben, herauszufinden, ob das Eigentum krimineller Natur ist oder nicht, ist derjenige, der das Eigentum an der Sache nachweisen kann, der legitime Eigentümer.

(c) Wenn wir wissen, dass das Eigentum an der Sache ursprünglich kriminell herbeigeführt wurde, wir aber das Opfer oder seine Erben nicht ausfindig machen können, dann ergeben sich zwei Unterfälle:

(c-1) Wenn der aktuelle Eigentümer nachweislichnicht der kriminelle Aggressor gegen das Eigentum war, dann ist er als quasi rechtmäßiger Ersteigentümer anzusehen.

(c-2) Wenn der gegenwärtige Eigentümer einer Sache der Verbrecher oder einer der Verbrecher ist, die die Sache gestohlen haben, dann ist es klar, dass ihnen das Eigentum an der Sache abzuerkennen ist. Das Eigentum fällt dann demjenigen zu, der sich das de facto freie Gut erstmalig auf nicht-aggressivem Wege aneignet.

(d) Wenn das Eigentum das Ergebnis einer Straftat ist und wenn das Opfer oder seine Erben ausfindig gemacht werden können, geht das Eigentum ohne Entschädigung des Straftäters oder seiner anderen Inhaber, die das Eigentum beanspruchen, an das Opfer oder seine Erben zurück.

Die voranstehenden Fallunterscheidungen sind rational begründet und auf das wirkliche Leben anwendbar: Sie ermöglichen es, die bestehenden Eigentumsverhältnisse mit Vernunftgründen (und nicht mit Willkürlichkeiten) zu rechtfertigen oder aber, wo es erforderlich ist, mit Vernunftgründen neu zu gestalten. Das bewahrt die Gemeinschaft vor großem Schaden – der dadurch entsteht, dass die bestehende Eigentumsordnung mit Beliebigkeit, mit Willkür zerschlagen wird – wie es die Sozialisten-Kommunisten es seit jeher und immer wieder von Neuem versuchen.

Eigentum, eine bestehende Eigentumsverteilung, hat nicht zuletzt eine friedenstiftende Wirkung. Sie erlaubt es, Konflikte zu verhindern (wenn die Menschen zwischen Mein und Dein unterscheiden), und, wo dennoch Konflikte auftreten, sie durch einheitliche Grundsätze zu lösen. So gesehen ist das Eigentum, ist der unbedingte Respekt vor dem Eigentum (soweit es auf nicht-aggressivem Wege erworben wurde) eine ethische Norm (also eine Verhaltensregel), die ein friedvolles und produktives Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft ermöglicht. Damit wird ersichtlich, dass ein gewaltsamer Umsturz der vorherrschenden Eigentumsverteilung, wie ihn die Sozialisten-Marxisten anstreben, nicht rechtens sein kann, dass er nicht nur zu Verarmung führen muss, sondern auch zu Unfrieden und Gewalt.

Öffentliches Eigentum

Eine weitere Frage ergibt sich an dieser Stelle: Wie kann öffentliches Eigentum oder Gemeineigentum entstehen? Auf nicht-aggressivem Wege – also unter Achtung des Privateigentums – ist das nur denkbar, wenn Eigentümer ihre Produktionsmittel der Gemeinschaft (nennen wir sie an dieser Stelle Staat) freiwillig übertragen im Zuge von Schenkungen. Das mag zwar hier und da vorkommen. Aber die Regel ist es nicht. In den sozialistischen Ländern wurde das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln – Land, Betriebe, Werkzeuge etc. – zweifelsohne mit Zwang und Gewalt herbeigeführt, durch Enteignung der Eigentümer.

Und selbst wenn der Staat Eigentümer von Produktionsmitteln geworden ist, indem er zum Beispiel Unternehmen gekauft hat, so war er dazu nur deswegen in der Lage, weil er Bürgern und/oder Unternehmern zuvor Steuergeld mit Zwang (das heißt Strafandrohung bei Nichtbefolgen des Befehls) abgepresst hat. Staatliche Ausgaben wurden und werden bis auf den heutigen Tag aus Mitteln bestritten, die der Staat sich zuvor gewaltsam verschafft hat: durch Aggression gegen die Eigentümer der Mittel. Zur Steuerfinanzierung zählt übrigens auch die Finanzierung durch Ausgabe von inflationärem Geld, wie es von der staatlichen Zentralbank praktiziert wird. Auch auf diese Weise gelangt der Staat an die Ressourcen seiner Untertanen.

In einem freien Markt kann der Staat nicht Eigentümer der Produktionsmittel – also von Land, Firmen, Maschinen und Straßen und Schienenwegen – sein oder es werden: Niemand, der nicht von allen guten Geistern verlassen ist, wird freiwillig dem Staat seine Produktionsmittel übereignen. Zum einen fällt die Güterversorgung bestmöglich aus, wenn sich die Produktionsmittel im Privatbesitz und nicht in den Händen des Staates befinden. Zum anderen würde derjenige, der seine Produktionsmittel dem Staat überlässt, seine eigenen Gewinnmöglichkeiten (die aus der Chance erwachsen, seinen Mitmenschen Produkte anbieten zu können, die diese aus freien Stücken nachzufragen wünschen) aus dem Fenster werfen.

Aus den gleichen Gründen wird daher auch niemand freiwillig bereit sein, sein Geld dem Staat zu geben. Wenn es ihm freisteht, wird er es zum Beispiel in Unternehmen investieren, die Produkte herstellen, die Absatz finden und damit den Nachfragern zugutekommen; und für den Kapitaleinsatz wird er dann mit Gewinn belohnt. Oder er wird sein Geld an eine gemeinnützige, karitative Organisation geben, bei der er versichert sein kann, dass das Geld auch dem gewünschten Zweck zukommt, und der er, wenn sie sich fehlverhält, seine Unterstützung wieder entziehen kann.

Öffentliches Eigentum kann folglich nur durch eine vorangegangene Verletzung der Rechte der (Ur-)Eigentümer in die Welt gekommen sein. Dass das aber nicht vereinbar ist mit dem a priori des Eigentums – also dem Eigentum eines jeden an seinem Körper und an den externen Gütern, die er sich auf nicht-aggressivem Wege beschafft hat –, ist nicht zu übersehen: Steuern sind nichts anderes als Diebstahl, durch den sich die Steuerempfänger besserstellen auf Kosten der Steuerzahler. Zwar versuchen Staaten und ihre Agenten ihr Bestes, diese Einsicht zu vertuschen. Jeder Versuch, Steuern vereinbar mit individueller Freiheit und Eigentumsrechten in Einklang zu bringen, herbeizureden, muss scheitern.

Schwächung der wirtschaftlichen Leistung

Was sind die Folgen der Besteuerung? Um diese Frage zu beantworten, nehmen wir an, der Staat erhebt eine Steuer auf Unternehmensgewinne. Das bedeutet, dass es für den Unternehmer nunmehr weniger lohnend wird, unternehmerisch tätig zu sein: Der Grenzertrag seiner Arbeit nimmt schließlich ab, und gleichzeitig steigt der Grenzertrag seiner Nichtarbeit (der Freizeit) an. Der Unternehmer spart und investiert daraufhin weniger, und die materielle Wohlfahrt der Volkswirtschaft sinkt (und zwar notwendigerweise im Vergleich zu einer Situation, in der der Unternehmer nicht besteuert wird).

Zudem wird es für Nichtproduzenten und Netto-Steuerempfänger billiger, auf produktive Tätigkeiten zu verzichten. Sie können nun ja erwarten, dass der Staat beziehungsweise die von ihnen gewählte Regierung ihnen von den Steuereinnahmen etwas abgibt, dass sie ihnen Geld gibt, ohne dass sie dafür eine (Markt-)Leistung erbringen müssen. Unter diesen Umständen muss es zu einem Ansteigen der Zeitpräferenz der Volkswirtschaft kommen: (1) Die Produzenten sparen und investieren weniger und konsumieren mehr als im Falle der Nichtbesteuerung; und (2) auch die Nichtproduzenten sparen und investieren weniger und konsumieren mehr. Die materielle Ausstattung der Volkswirtschaft fällt geringer aus, als sie ohne Besteuerung und Umverteilung ausfallen würde.

Zudem stellt sich natürlich auch eine Verschwendung knapper Ressourcen ein. Denn der Staat wird das eingenommene Geld zum Beispiel für Güter ausgeben, die nicht oder nicht in der politisch gewünschten Menge nachgefragt und angeboten werden – und zwar schlicht und einfach deswegen, weil die Menschen andere Dinge mit ihrem Geld zu kaufen wünschen. Dadurch werden letztlich knappe Ressourcen von den dringlichen in die weniger dringlichen Verwendungen umgelenkt und verschwendet. Oder der Staat zahlt das eingenommene Geld an bestimmte Bevölkerungsgruppen aus – und verschafft ihnen damit Einkommen, die sie im freien Markt nicht verdienen können oder wollen und die zulasten der Besteuerten gehen. Die Begünstigten werden dadurch angehalten, ihre Arbeitskraft solchen Tätigkeiten zu widmen, die aus Sicht der Nachfrager weniger, gar nicht dringlich oder gänzlich unerwünscht sind.

Ein weiteres Problem, das aus der Besteuerung erwächst, darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Der Besteuerte wird finanziell-wirtschaftlich geschwächt und der Staat gestärkt, und es werden auch diejenigen finanziell-wirtschaftlich gestärkt, die vom Staat begünstigt werden. Was aus dieser Konstellation erwächst, liegt auf der Hand: Die Besteuerung nimmt im Zeitablauf immer weiter zu, die Aggression gegen das Eigentum schreitet voran – und der Staat wird die Praxis der Besteuerung und Umverteilung mit seinen Gesetzen zum »Recht« erklären. Lassen wir an dieser Stelle den US-amerikanischen Rechtsphilosophen und Unternehmer Lysander Spooner (1808–1887) zu Wort kommen:

Aus diesem Grund sollte, wer immer sich nach Freiheit sehnt, die folgenden lebenswichtigen Tatsachen verstehen, als da wären:

1. Daß jeder, der sein Geld in die Hände einer (sogenannten) »Regierung« gibt, ihr ein Schwert aushändigt, das gegen ihn selbst gerichtet wird, um noch mehr Geld von ihm zu erpressen und ihn außerdem in Abhängigkeit ihrer Willkür zu halten.

2. Daß jene, die sein Geld ohne seine Einwilligung nehmen wollen, es in erster Linie zu seiner weiteren Beraubung und Versklavung verwenden werden, falls er sich anmaßt, sich in Zukunft ihren Forderungen zu widersetzen.

3. Daß es eine völlig absurde Annahme ist, irgendein Verband von Menschen würde jemandem ohne dessen Zustimmung sein Geld wegnehmen, um ihn, sagen wir, zu beschützen; denn warum sollten sie den Wunsch haben, ihn zu beschützen, wenn er selbst es nicht wünscht, daß sie es tun? Anzunehmen, sie würden dies tun, ist genauso absurd, als wenn man annehmen würde, sie würden sein Geld ohne seine Einwilligung nehmen, um damit für ihn Nahrung oder Kleidungsstücke zu kaufen, obwohl er das gar nicht will.

4. Wenn ein Mensch »Schutz« wünscht, ist er kompetent genug, um seine eigenen diesbezüglichen Übereinkünfte zu treffen; und niemand hat irgendeinen Anlass, ihn zu berauben, um ihn gegen seinen Willen zu »beschützen«.

5. Daß die einzige Sicherheit der Menschen für ihre politische Freiheit darin besteht, ihr Geld in ihrer eigenen Tasche zu behalten, bis sie die Sicherheiten haben, zu ihrer vollsten Zufriedenheit, dass es so verwendet wird, wie sie es wünschen, zu ihren Gunsten und nicht zu ihrem Schaden.

6. Daß keiner sogenannten »Regierung« vernünftigerweise auch nur für einen Augenblick vertraut oder vernünftigerweise angenommen werden kann, dass sie ehrliche Absichten im Auge hat, solange sie nicht gänzlich von freiwilliger Unterstützung abhängt.

Diese Fakten sind so lebenswichtig und selbsterklärend, dass es nicht vernünftigerweise angenommen werden kann, dass irgendjemand freiwillig sein Geld an die »Regierung« zahlt mit dem Ziel, Schutz zu gewährleisten, wenn er nicht zunächst einen ausdrücklichen und vollkommen freiwilligen Vertrag eingeht mit ihr zu diesem Zwecke.23

Schutz des Eigentums

Doch was ist mit dem Schutz vor Angriffen auf das Eigentum? Die Menschen sind bekanntlich nun einmal so, wie sie sind: Unter ihnen gibt leider immer wieder Personen, die (bewusst oder unbewusst) das Eigentum ihrer Mitmenschen missachten, die betrügen, stehlen, rauben, plündern und morden. In jedem Gemeinwesen stellt sich die Notwendigkeit, dass der Einzelne und sein Eigentum vor den aggressiven Übergriffen anderer geschützt werden müssen. Ohne einen wirksamen Schutz vor Eigentumsverletzungen – Eigentum verstanden als Eigentum am eigenen Körper und der Güter, die man auf nicht-aggressivem Wege erlangt – wäre ein friedvolles und produktives Zusammenleben der Menschen gar nicht möglich.

Jeder Mensch hat das unveräußerliche Recht, sich gegen Verletzung seiner Person und seines rechtmäßig erworbenen Eigentums zu schützen. Dies kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Man kann die Verteidigung seines Eigentums selber übernehmen; das wäre die Selbstverteidigung. Oder man kann den Schutz des Eigentums arbeitsteilig über den freien Markt organisieren, etwa indem Sicherheitsunternehmen bestellt werden, die den Auftrag bekommen, Leib und Leben vor Übergriffen zu schützen. Heutzutage beansprucht der Staat das Monopol für Sicherheit und Recht. Was davon zu halten ist, wird in Kapitel 4 besprochen, und in Kapitel 19 skizziere ich, wie ein freier Markt für Sicherheit vermutlich aussehen und funktionieren würde. Doch zuvor sollen uns die Gründe näher beschäftigen, die zu einer weit verbreiteten Ablehnung des Kapitalismus – zum Antikapitalismus – führen.