Der böhmische Gefreite - Manfred Koch-Hillebrecht - E-Book

Der böhmische Gefreite E-Book

Manfred Koch-Hillebrecht

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Beschreibung

Mit Hitler muss man sich neu beschäftigen. Die bisher als verlässlich geltenden Quellen stimmen nicht. Die Deutung aus dem Ödipus-Komplex ist vermutlich falsch. Hitlers Vater hatte keine Nilpferdpeitsche und hat seinen Sohn nicht misshandelt. Möglicherweise war er besonders mild wegen Hitlers Monorchie. Diese ist von einem Landsberger Lokalhistoriker in den Papieren der Festungsanstalt entdeckt worden. Wenn sie stimmt würde dies ein neues Hitlerbild geben. Hitlers zweireihige Anzüge sind seine den Unterbauch beschützende Handhaltung würden durch seine körperliche Behinderung erklärt, die er immer im Kopf hatte, die er aber stets verbergen wollte. Hitlers Ärzte bestreiten die Monorchie. Möglicherweise aus Gründen der Schweigepflicht, möglicherweise konnten sie seinen Unterleib nie untersuchen. Ein schwerer Schlag für die Forschung waren die Fälschungen des jüdischen Arztes Dr. Bloch, der den Brustkrebs von Hitlers Mutter behandelte. Bloch behauptete, Hitlers Verhältnis zu seiner Mutter sei so eng gewesen, dass er bis zu seinem Tode sein Bett neben das ihre in die Küche gestellt habe. Allerdings ist die Küche so klein, dass nicht einmal ein Bett hineinpasst. Eine völlige Legende ist Hitlers ferne Geliebte in Linz, die er angeblich in seiner Wiener Zeit angeschmachtet habe. Die Frau gab es nicht. Auch deswegen müssen wir uns mehr mit Hitler befassen, weil er die Person war, die seine Zeit geprägt hat. Es geht da dem Zeithistoriker sowie dem australischen Bergsteiger Hillary, der als Grund für die Besteigung des Mount Everest angab: "Because it is there". Für den Zeithistoriker ist die Persönlichkeit Hitlers der Mount Everest, an dem er nicht vorbeikommt.

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Manfred Koch-Hillebrecht

Der böhmische Gefreite

Deutscher Reichskanzler mit Migrationshintergrund. Charakterskizze eines psychisch Belasteten.

Band 1: Das Ungeheuer aus dem Waldviertel

© 2020 Manfred Koch-Hillebrecht

2. verbesserte Auflage

Umschlag, Illustration: Grafik - Elena Rothmüller, Titelbild - Jessica Bronauer

Lektorat, Korrektorat: Text.Lektorat

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7482-0411-4

Hardcover:

978-3-7482-0412-1

e-Book:

978-3-7482-0413-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Widmung

Im Andenken an Agnes Düngfelder

1946 Bayreuth – 2016 St. Johann in Tirol

Die Legende ist gar nicht so schlecht, es ist das Kriegsbild, das der Gefreite Hitler 1917 in Frankreich gemalt hat. Es unterscheidet sich von den gängigen Kriegsbildern aus dem Ersten Weltkrieg, die tapfere Soldaten beim Angriff zeigen oder Detonationen von Geschossen mit Toten und Verwundeten. Hitler beschreibt nicht das Bild der Frontlinie, sondern die Situation des etwas zurückgezogenen Regimentsstabs. Hier war die Situation weniger gefährlich, aber Artilleriegeschosse schlugen von Zeit zu Zeit ein. Hitler gelingt es, die etwas entrückte Kriegsatmosphäre festzuhalten. Das verlassene Fahrrad, das an einer von Granaten beschädigten Mauer steht, lässt den Betrachter nicht ganz kalt. Hitler war kein so schlechter Künstler, wie ihn seine Gegner zuschreiben. Schulabbrecher und durchgefallener Bewerber bei der Wiener Akademie, was sagt das schon? Um Hitler zu erklären, müssen wir erkennen, dass dieser eigentümliche Mensch ungewöhnliche Begabungen und Fähigkeiten hatte. Wenn man so will, zeigt das Bild ohne menschliche Figuren schon den kalten Blick Hitlers, seine mangelnde Empathie, die ihn in seinem späteren Leben zu den schrecklichsten Verbrechen befähigte.

Der Autor

Der Autor ist eine Randperson der Zeitgeschichte, er beriet drei deutsche Bundeskanzler im Wahlkampf, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt. Für diese Dienste wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Des Autors erstes Hitler-Buch ist im Siedler Verlag erschienen, wurde in drei Sprachen übersetzt und gilt heute noch als wichtiger Beitrag zur Persönlichkeit des Diktators. Weitere Angaben über den Autor finden sich bei Wikipedia.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil 1 – Das Ungeheuer aus dem Waldviertel

Konstitution, Charakter und Vorurteile

Vitalität und Resilienz

Die robusten Waldviertler

Charaktereigenschaften

Hitler war zoophil

Geschichte der Sodomie

Sodomie und Völkermord

Hitler had only one ball

Hitlers emotionale Begabung

Begeisterung und Optimismus

Tritt gefasst, deutsches Volk und

vorwärts marsch!

Feiern

Kitsch und Schmäh

Die bipolare Erkrankung

Untermenschen

Hitlers Erweckungserlebnis

Das verwundete Monster

Vorbild Amerika

Die ultimative Rache

Ganz normale Männer

Fehlende Stress-Resistenz

Die Macht der Oper

Skulptur

Musik

Teil 2 – Hitler als Immigrant

Immer Ärger mit den Deutschen (Piefkes)

Adolf Hitler Ostmarksohn

Der Österreicher

Hitlers Namen

Umstrittene Namen der Nazis

Nuts

Vorurteile

Die jüdische Weltherrschaft

Vorsehung

Adolfs Schutzengel

Die Chimäre des Angriffs

Das feige Bürgertum

Fatale Stereotypen

Die künstlerische Begabung

Die Hakenkreuzfahne

Bitte recht freundlich!

Keine Heimat

Gescheiterte Immigration

Migration

Küss die Hand

Psychohistorie der Emigration

Hoher Torwall 7, II

Clown und Verbrecher

Hitler und das Heer

Hitler als Militär

Piefke-Saga

Hitler war kein Eskimo

Die Falle der Rhetorik

Zwei Österreicher

Charisma?

Hitlers zweifelnde Elite

Königgrätz und die Folgen

Ein Immigrantenschicksal

Epilog

Die Deutschen werden klüger

Der Flynn-Effekt

Vom bösen Buben zum braven Schüler

Öffnung

Umdenken

Bereits veröffentlichte Bücher

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Hitlerbiografen müssen wichtige Teile ihrer Werke umschreiben. Die Quellen stimmen nicht. Die Befragungen der amerikanischen Psychiater über Hitlers Leben bei seinen Schwestern zeigen ein suggeriertes Ergebnis. Hitlers Biografie ist durch den Ödipuskomplex nicht zu erklären. Hitlers Schwestern waren froh, durch die ihnen suggerierten Auslassungen ihre Befrager zufriedengestellt zu haben. Sie wurden fortan in Ruhe gelassen. Nur der jüngeren Paula platzte einmal der Kragen, als sie feststellte, es wäre besser gewesen, ihr Vater hätte ihren älteren Bruder öfter versohlt. Hitler selbst machte sich über die Geschichten lustig. Sein Bericht über die Schläge des Vaters hat mit der Realität nichts zu tun, die Zahl hat einen musiktheoretischen Hintergrund wie der Klaviervirtuose Pilgrim feststellte. Der Ödipuskomplex als Erklärungsgrundlage für Hitlers Leben ist heute fast völlig verschwunden. Nicht nur die Beziehung zum Vater, sondern auch die zur Mutter muss neu bewertet werden. Sie war nicht so eng wie der Arzt seiner Mutter beschrieb. Es ist keine Rede davon, dass Hitler ein zweites Bett neben dem seiner Mutter in die Küche stellte. Der enge Raum bot nicht einmal Platz für ein Bett. Der jüdische Arzt Dr. Bloch fügte seine Darstellung des engen Verhältnisses zwischen Hitler und seiner Mutter auf Betreiben der Nazibehörden, seinen Memoiren an. Der jüdische Arzt hoffte dadurch unbehelligt ausreisen zu können. Hitlers Verhältnis zu seiner ungebildeten Mutter dürfte nicht sehr eng gewesen sein.

Hitler hatte, als er mit seinem Freund Kubicek nach Wien zog, keine Linzer Freundin, die er von ferne verehrte. Auch dies ist eine reine Erfindung.

Ein Landsberger Historiker hat die Einlieferungs-papiere Hitlers zur Festung Landsberg ausgegraben, in denen der aufnehmende Arzt eine körperliche Besonderheit festgestellt hatte. Auf engem Raum und abgekürzt bescheinigt er dem dazugekommenen Häftling Monorchismus. Die Hitlerbiografik wird sich entscheiden müssen, ob sie dieser Eintragung folgt. Es macht einen Unterschied, ob sie einen Diktator mit einem oder zwei Hoden beschreibt.

Der Monorchismus Hitlers kommt nur an einer Stelle vor, Hitlers Ärzte bestätigen ihn nicht. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sie den Diktator nicht genau untersuchen konnten, oder dass sie glaubten, dieses intime Detail falle unter die ärztliche Schweigepflicht. Der Hitler mit nur einem Hoden verbarg seinen Unterleib. Er trug nur doppelreihige Anzüge und Uniformen und hielt seine Hände auffällig oft schützend vor seine Intimsphäre. Der deutsche Volksmund witzelte: Der Führer schützt den letzten Arbeitslosen. Das Verhältnis zu seinem Vater könnte durch Hitlers Behinderung milde gestaltet worden sein. Dann wären Hitlers Andeutungen über den prügelnden Vater der Versuch seine körperliche Behinderung zu verbergen.

Man wird Hitler neu beleuchten müssen. Die Ansicht, er sei eine Null gewesen bevor er nach Deutschland kam, ist kaum richtig. Schon in Wien fiel er durch körperliche Höchstleistungen auf. Er lief zu Fuß stundenlang in die Oper, hörte sich dort im Stehparkett eine Wagner-Oper an, die schon für sitzende Zuschauer als Anstrengung empfunden wird, dann aber lief der junge Mann die weite Strecke vom Opernhaus zu seinem Männerwohnheim zurück.

Will man eine Charakteristik Hitlers festhalten, so ist sein Verhalten beim Zahnarzt außergewöhnlich. Obwohl er schlechte Zähne hatte und öfter behandelt werden musste, lehnte er jede Betäubungsspritze ab. Er war der Überzeugung, ein deutscher Mann müsse diesen geringen Schmerz aushalten. Bei einem schmerzhaften Eingriff am Ohr nach dem Stauffenberg-Attentat lehnte er ebenfalls jede Betäubung ab. Kurzum, Hitler fiel aufgrund seines Temperaments schon aus dem Rahmen, als er in Deutschland noch kein Amt besaß.

Man wird an ihm nicht so ohne Weiteres vorbeikommen können. Als man den neuseeländischen Bergsteiger Hillary fragte, warum er sich die Mühen antue, den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest zu besteigen, antwortete er: Because it is there.

Hitler nimmt eine ähnlich herausragende Stellung in der Zeitgeschichte seines Jahrhunderts ein. Man kann an ihm nicht vorbei. Der Zeitgeschichtler, der sich mit Hitler beschäftigt, muss sich hierfür nicht entschuldigen. Im Gegenteil, diejenigen, die Hitler auf die leichte Schulter nehmen, werden der Geschichte nicht gerecht. Hitler hatte keinen ansprechenden sympathischen Charakter, aber das macht ihn nicht weniger interessant. Schon nach seinen ersten Morden in der Röhm-Affäre, waren Hitler die Hände gebunden. Er konnte nun nicht mehr zurück. Wäre er schon vorher gestürzt worden, hätte man ihn umgebracht oder er wäre in einem Gefängnis, vielleicht auch in einer psychiatrischen Anstalt verschwunden. Hitler war ein Getriebener, der sich auf das Vabanquespiel einlassen musste. Seine riskanten Politmanöver waren seine Überlebensstrategie. Am 1. März 1922 erwog die Bayerische Regierung, Hitler als lästigen Ausländer abzuschieben. Hitler übernachtete aus Sicherheitsgründen einige Tage bei seinem Leibwächter Ulrich Graf in der Zenettistraße 27/3 (Sandner 2016).

Nach seinem gescheiterten Putsch fürchtete Hitler nach Österreich abgeschoben zu werden. Als letzten Anker überlegte er sich, eine deutsche Staatsbürgerin zu heiraten. Die Auserwählte war Erna Hanfstaengl, die bereitgewesen wäre, die Ehe einzugehen. Als Hitler nach einem Gespräch mit dem bayrischen Ministerpräsidenten davon überzeugt war, dass eine Ausweisung nicht akut war, dementierte er alle Heiratsgerüchte. Später behauptete er, seine Braut sei Deutschland.

Hitler lebte in dem Nachbarland, in das er emigriert war, halblegal. Bei seinen Wirtsleuten in der Schleißheimerstraße hatte er sich als staatenlos gemeldet. Die Aufnahme ins bayrische Heer erschlich er sich.

Nach seinem Putsch hatte er Redeverbot und wurde von der Polizei beobachtet. Seine Versuche, die deutsche Staatsangehörigkeit auf billige Weise zu erwerben, scheiterten zunächst. Hitler blieb ein Außenseiter und er kultivierte diese Rolle während seiner ganzen Zeit in Deutschland bis zu seinem Tode.

Außenseiter war er auch auf sexuellem Gebiet, weder sexuelle Kontakte mit Frauen, noch mit Männern konnten ihm nachgewiesen werden. Bisher ist niemand auf die Idee gekommen, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass Hitler zoophil war. Seine erotische Potenz galt seinen Hunden.

Einen sodomitischen Massenmörder gab es in der deutschen Kriminalgeschichte schon einmal. Der Tübinger Psychiater Robert Gaupp untersuchte den Hauptschullehrer Wagner, der viele Morde begangen hatte. Bei Wagner und Hitler ist nicht nur die sodomitische Veranlagung gemeinsam, sondern auch die damit zusammenhängende überwertige Idee. Für Hitler waren die Juden weniger wert als Tiere und er glaubte, der Menschheit einen Dienst zu erweisen, wenn er sie tötete.

Nach seiner Haftentlassung aus Landsberg besuchte er Berchtesgaden und lernte die siebzehn Jahre jüngere, hübsche Mitzi Reiter kennen. Hitler ging sehr geschickt vor und gewann ihr Herz, sah sie aber selten und schickte ihr Postkarten von seinen Wahlkampfreisen. Er wollte die junge Frau nicht heiraten, aber es gefiel ihm, ab und zu in ihrer Gesellschaft einige Zeit zu verbringen. Von Sex war keine Rede, Mitzi Reiter behauptete später, Hitler habe ihr einmal im Auto einen Kuss gegeben.

In gewisser Weise war Mitzi Reiter eine Vorgängerin von Eva Braun, der sie im Typ und in der Figur auffallend glich. Als man Hitler klarmachte, dass er möglicherweise wegen Verkehrs mit einer Minderjährigen vor Gericht gestellt werden könnte, brach er das Verhältnis mit Mitzi Reiter sofort ab, weil er die Ausweisung aus Bayern fürchtete.

Schon im Krieg wollte der Österreicher, der im bayrischen Heer diente, naturalisiert werden. Er nahm während der ersten drei Jahre an der Front keinen Urlaub, weil er glaubte, durch eine genügend lange Zeit beim Regiment, würde er sein Ziel erreichen. Als er verwundet wurde und nach Beelitz ins Lazarett sollte, flehte er den Regimentsadjutanten an, er wolle bei seinem Regiment bleiben – was bisher als emotionale Bindung an seine Kameraden gedeutet wurde.

Hitler wurde allerdings als Österreicher aus dem Heer entlassen. Seiner Naturalisierung stand später entgegen, dass er illegal (als Gestellungsflüchtling) nach Bayern eingereist war und sich als staatenlos gemeldet hatte. Auch sein Eintreten ins bayrische Heer war wohl nicht regelkonform. Die Angabe in seinem Buch, er sei durch ein genehmigtes Immediatgesuch beim bayrischen König aufgenommen worden, war eine dreiste Lüge, die selbst gutgläubige Historiker nicht akzeptieren.

Hitler war schon in zweiter Generation Immigrant. Sein Vater wanderte nach Wien aus, zu einem Zeitpunkt, als die Bevölkerung der großen Städte rasch zunahm. Viele der Zugezogenen fassten Fuß und fühlten sich als Städter. Alois Schicklgruber hingegen machte seine Karriere im Zolldienst; dies hatte zur Folge, dass er nicht in Wien blieb, sondern immer wieder in die Provinz versetzt wurde.

Der junge Hitler hatte unter den ständigen Wohnungswechseln zu leiden; bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr zog die Familie zehn Mal um.

Als er 1919 aus dem Krieg zurückkam, hatte er in München weder eine Wohnung noch Bekannte, die ihn aufnahmen. Der Immigrant fand in Deutschland keinen Heimatort. In seinem Ferienhaus auf dem Obersalzberg wollte er nicht unter einheimischen Berchtesgadenern leben. Er kaufte das Gelände auf und ließ die ansässigen Bauern aussiedeln.

Sein deutscher Sehnsuchtsort war keine Stadt, sondern die Volksgemeinschaft, zu der er sich als Deutsch-Österreicher zugehörig fühlte.

Eine NSDAP war schon um 1903 in Österreich entstanden, sie „hatte besonders deutschsprachige angestellte Mittelschichten und Verkehrsbedienstete angesprochen und durch eine forciert deutsch-nationale Politik auch sozial zu vertreten versucht …“ "Diese österreichische Erfindung sprang 1919 auf München über und zog Hitler in ihren Bann" (Botz 2005).

Mit den Deutschen wollte er die Welt erobern. Als dies misslang, sollten sie untergehen.

Seinen Altersruhesitz wollte Hitler in Österreich errichten; er wollte nach Linz ziehen, wollte der Stadt seine große Gemäldesammlung vermachen, auch sein Grabmonument sollte dort entstehen.

Doch dazu kam es nicht, der Österreicher starb in Deutschland. Hitler beendete sein Leben durch Selbstmord in Berlin. Sein erster Biograf, Alan Bullock, bemerkte, es gäbe auf der ganzen Welt kein einziges Hitler-Denkmal. Si monumentumqueriscircumspice!

Als die österreichische Politik in der Nachkriegszeit Beethoven zum Österreicher und Hitler zum Deutschen erklärte, platzte dem deutschen Kanzler Konrad Adenauer der Kragen. Er wollte Hitlers sterbliche Überreste, wären sie noch auffindbar, nach Österreich zurückschicken (Stieg 2005).

Der Österreicher Hitler traf bei den Deutschen auf große Vorbehalte. Hindenburg nannte ihn den böhmischen Gefreiten, der allenfalls zum Postminister tauge.

Populär wurde er, als er die Arbeitslosigkeit beseitigte und den Deutschen Frieden versprach. Mit dem Kriegsbeginn sank seine Popularität. Nach dem Sieg über Frankreich schnellte sie auch deswegen in die Höhe, weil die Deutschen glaubten, nunmehr sei der Krieg vorbei.

Hitler starb einen erbärmlichen Tod, als er von der Roten Armee eingekreist seinen Berliner Bunker nicht mehr verlassen konnte. Die Wehrmacht folgte seinen Befehlen nicht mehr, die Soldaten versuchten mit allen Mitteln der Gefangenschaft durch die Rote Armee zu entgehen und sich den Amerikanern zu ergeben. Göring, der zweite Mann im Staat, der sich in den Südteil des geteilten Reiches zurückgezogen hatte, wollte dort das Kommando übernehmen. Himmler, der getreue Heinrich, verhandelte hinter dem Rücken des Führers mit den Alliierten. Im Führerbunker ging es drunter und drüber, die hierhin Geflüchteten tranken die Alkoholbestände aus, bevor sie der Roten Armee in die Hände fielen.

Viele Hitler Biografen lassen an ihrem Helden meist kein gutes Haar und angesichts der schrecklichen Verbrechen dieses Unmenschen, ist dies verständlich. Ganz richtig ist es nicht. Hitler ist das Opfer des Halo-Effektes, einer sozialpsychologischen Verzerrung der Wahrnehmung („Halo“ ist im englischen der Mondhof, der den tatsächlichen Mond optisch vergrößert). Wer für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich ist, den schwärzt man auch dort an, wo dies nicht nötig ist. Im Gegenteil. Hitlers schreckliche Charakterzüge werden erst dann richtig erkannt, wenn man sie eingebettet sieht in weit normalere Verhaltensweisen.

Von Empathie die Biografen gegenüber ihren Helden normalerweise empfinden, keine Spur. Hitler wurde nicht als Mensch betrachtet, sondern als Unmensch, als Unperson. Ein Zerrbild beherrscht die Literatur über Hitler. Der deutsche Diktator wurde als ein Mensch von abgrundtiefer persönlicher Lächerlichkeit, ja Verächtlichkeit hingestellt. „Er war unbedeutend, kleinlich, ungebildet, gleichwohl auf abstoßende Weise rechthaberisch“ (Syring 1994).

Die Dämonisierung Hitlers verhinderte ein näheres Eingehen auf seine Psychologie. Einige Autoren gingen so weit, Hitler nicht als einen Politiker anzusehen, sondern ausschließlich als einen Verbrecher. Er gehöre eigentlich nicht in eine Reihe mit Metternich, Bismarck, Napoleon oder Churchill, sondern sei ein Geistesverwandter der großen Massenmörder. Sein Name sollte neben Jack the Ripper oder dem deutschen Massenmörder Hamann stehen. Volker Elias Pilgrim nennt Hitler einen Serienkiller, der durch eine fehlgelaufene Hypnose in Pasewalk zum unersättlichen Verbrecher wurde.

Gewisse Übereinstimmungen mit den Kriminellen bestehen. Hitler benutzte das Drohstarren mit dem amerikanische Gangsterbosse ihre Komplizen einschüchterten. Bei manchen Gangsterbossen wurde die Wirkung des Auges durch eine minimale Verzögerung des Lidschlages unterstrichen. Die anderen Gangster hatten vor dem Blick ihres Bosses Angst. Hitler setzte seinen Blick in kritischen Situationen immer wieder ein (Näheres bei M. Koch-Hillebrecht, Homo Hitler, 1999, Kapitel Eidetik).

Am ehesten sind Übereinstimmungen zwischen Hitler und den Serienmördern von Prostituierten zu finden. Diese kranken Gehirne wollten durch ihre vielen Morde die Welt moralisch verbessern, indem sie ein gefährliches Laster bekämpften. Hitlers Prostituierte, die er aus der Gesellschaft verbannen wollte, waren die Juden. Aber er bekämpfte auch die Prostitution. Kurz nach seiner Ernennung zum Reichskanzler führte er nicht nur seine wenig erfolgreiche Aktion „kauft nicht bei Juden ein“, sondern er verbot auch die Bordelle in Deutschland. Hier wurde er ebenfalls von der Realität eingeholt. Das Verbot fiel bald und das Dritte Reich war der größte Bordellbetreiber in Europa. Selbst in Konzentrationslagern gab es Bordelle. Die dort beschäftigten Damen saßen sonntags neben den SS-Wachen, wenn die Lagerkapelle ihr Konzert gab.

Der Geburtsname seines Vaters, Schicklgruber, für den er nicht verantwortlich war, wurde ihm vorgehalten. Churchill sprach vom Corporal Schicklgruber, wenn er seinen Kriegsgegner herabsetzen wollte. Hitler wusste allerdings vermutlich, dass seinem Vater der Name Hitler nicht zustand.

Zu den geläufigen Herabsetzungen gehört, Hitler als Schulabbrecher zu kennzeichnen und als Durchgefallenen bei der Aufnahmeprüfung der Wiener Kunstakademie. Beides sagt nicht all zu viel.

Fast in allen Biografien ist von einem prügelnden Vater die Rede, der dem Alkoholismus verfallen war. Aber Alois Hitler war ein fürsorglicher Vater, der in Leonding ein Haus erwarb, ganz in der Nähe von Hitlers Schule, damit sein Sohn keinen allzu langen Schulweg hatte. Hitlers Mutter wird als ehrgeizig bezeichnet, Adolfs ehrgeizige Ziele seien der Delegation durch die Mutter entsprungen. Der gesellschaftliche Ehrgeiz der waldviertler Bauerntochter, die in die Stadt geheiratet hatte, durfte sich allerdings in Grenzen gehalten haben. Als ihr Ehemann starb, bestand sie darauf, dass ihr Sohn weiterhin die Realschule besuchte, weil sie den Wunsch des Vaters erfüllen wollte, seinem Sohn ebenfalls die Beamtenkarriere zu eröffnen. Weit darüber hinaus dürften die Bestrebungen der Klara Hitler nicht gegangen sein. In manchen Biografien wird Hitlers schlechter Geruch beanstandet. Die von seinem Leibarzt verordneten Pillen (Kösters Antigaspillen), die Hitler regelmäßig einnahm, hatten offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg. Ein Massenmörder mit Mundgeruch ist allerdings nicht schlimmer als ein wohlriechender Massenmörder!

Hitlers Verhältnis zu Hunden wird gerügt, er habe die Tiere so dressiert, dass sie völlige Unterwürfigkeit zeigten. Es scheint aber so, dass er einigen Hunden Sympathie entgegengebracht hat.

Verständlich sind die ästhetischen Einwände gegen Hitler, die Joachim Fest vorbringt. Hitler war kein schöner Mann, er war nicht besonders groß und er hatte eine fleischige, hässliche Nase. Den idealen Figuren von Arno Breker, die er vor seiner Reichskanzlei aufstellen ließ, glich er überhaupt nicht. Dem Schönheitsideal des nordischen Ariers entsprach seine Erscheinung in gar keiner Weise.

Reiner Zitelmann und Enrico Syring entwarfen allerdings ein anderes Hitlerbild. Sie konnten zeigen, dass Hitlers Ideensystem, so wie es sich in seinen Reden und Schriften darstellte, durchaus einen einigermaßen logischen, systematischen Charakter besaß. Hitler war auf sozialem Gebiet durchaus fortschrittlich, er führte den bezahlten Urlaub ein, der jedem Beschäftigten zustand. Er widmete den 1. Mai als Feiertag der Arbeit, dachte über einen Mindestlohn nach. Der höchstbezahlte Manager in der Wirtschaft sollte nicht mehr als das 10-fache des einfachen Arbeiters verdienen. Das Regime kümmerte sich um bessere Konditionen an den Arbeitsplätzen, baute Kreuzfahrtschiffe und Autobahnen, auf denen die Volksgenossen mit dem KDF-Wagen fahren konnten, der nicht mehr als tausend Reichsmark kosten sollte. Kritiker sehen allerdings in diesen sozialen Verbesserungen nichts anderes als Hitlers Bestreben die Arbeiter zu größeren Anstrengungen bei der Produktion von Rüstungsgütern anzuspornen.

Bei all diesen Betrachtungen geriet jedoch der eigentliche Mensch Hitler und seine Psychologie in den Hintergrund. Er blieb bis heute das große Rätsel. Dieses Buch versucht zur Lösung etwas beizutragen. Einmal, indem es Hitlers vornehmstes Charakteristikum herausstellt, sein nicht zu zügelndes Temperament. Er war alles andere als ein fauler, trotteliger Österreicher. Er spielte mit seinem Temperament alle Gegner aus. Die zweite Facette, die Hitlers Erfolg und sein katastrophales Scheitern bis zu einem gewissen Grad erklärt, ist sein Migrationshintergrund. Auf diesen gehen wir etwas genauer ein, da bisher Hitlers Beteuerung geglaubt wurde, er sei ein echter Deutscher.

Thomas Weber hat die Militärzeit Hitlers anhand der Quellen genau untersucht. Er fand heraus, dass Hitler die meiste Zeit nicht im Schlamm der vordersten Gräben gelegen hatte, sondern komfortabler als Meldegänger zwischen dem Regimentsstab und den Bataillonsstäben unterwegs war. Aber ganz ungefährlich war dieser Dienst nicht, Hitler wurde zweimal verwundet und in der Heimat in den Lazaretten von Beelitz und Pasewalk behandelt.

Die etwas bessere Verwendung in den vier Kriegsjahren, die Hitler verschwieg, wirft nicht unbedingt ein schlechtes Licht auf seinen Charakter. Es ist wahrscheinlich, dass der ungeübte Kunststudent durch die vierjährige Kriegserfahrung seelisch geschädigt wurde, obwohl er die Zeit nicht im Schlamm der vordersten Gräben zubringen musste.

Die neuere Literatur versucht, dem Halo-Effekt zu entgehen. Longerich beschreibt einen sehr effizienten Politiker, der während seiner Herrschaft die Zügel in der Hand gehalten hat und alles was ihm wichtig war, bis in die kleinsten Einzelheiten kontrollierte. Ein neues Hitlerbild entwirft Wolfgang Pytha: Der Diktator habe auch als Politiker und Feldherr seine künstlerische Begabung einsetzen können.

Ein überaus positives Bild des jungen Hitler zeichnet Dirk Bavendamm. Hitler ist für ihn nicht der intellektuell beschränkte Schulabbrecher, sondern ein junger Mann, der sich im Selbststudium fast die gesamte romantische und klassische Literatur angeeignet habe. In seiner Linzer Zeit habe sich Hitler Bücher aus mehreren Bibliotheken ausgeliehen, sei Mitglied kultureller Vereine gewesen und habe im Opernhaus nicht nur Wagner, sondern auch andere klassische Werke begierig aufgenommen.

Bavendamm tritt der Meinung entgegen, dass Hitler sein Weltbild der völkisch-rassistischen Trivialliteratur der Traktate des 19.und 20. Jahrhunderts empfangen habe. Der junge Hitler sei ein kenntnisreicher Autodidakt gewesen, der nicht nur alle Wagner-Opern bis in alle Einzelheiten auswendig konnte. Man muss allerdings hinzufügen, dass Hitler auch das warnende Beispiel für die Fehlinterpretationen ist, denen ein Autodidakt ohne eine vernünftige Anleitung verfällt.

Am überzeugendsten ist die Revision der Geschichtsschreibung über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges von Joachim Paschen. (Paschen 2019): „Alle bisherige Geschichtsschreibung über die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges ist die Wiederholung des Urteils von Nürnberg über die deutschen Hauptkriegsverbrecher. Nachdem Richter die Rolle von Historikern übernommen hatten, übernahmen anschließend Historiker die Rolle von Richtern. Ein Menschenalter nach den weltbewegenden Ereignissen scheint es an der Zeit, den hochmütigen Richterstuhl zu verlassen und sich den Begebenheiten in ihrer ganzen Vielfalt zuzuwenden.“

Teil 1 – Das Ungeheuer aus dem Waldviertel

Konstitution, Charakter und Vorurteile

Vitalität und Resilienz

Ein wichtiger menschlicher Persönlichkeitszug ist die Vitalität, die Durchsetzungsfähigkeit, die allgemeine Zähigkeit in der Verfolgung von Zielen. Wem es gelingt, ganz Europa zu erobern, der muss eine außergewöhnliche Vitalität besitzen. Hitler, Bauernenkel aus dem Waldviertel besaß eine ungewöhnliche Vitalität, eine wichtige Grundlage seiner Erfolge.

Die deutsche Psychologie der Hitler-Zeit betonte die Wichtigkeit des Antriebes für die menschliche Persönlichkeit. Neben der Introversion und der Extraversion galt dieses Persönlichkeitsmerkmal als grundlegend. Hans Thomae war der Überzeugung, dass sich die Menschen durch ihre Antriebsstruktur so unterscheiden, wie Geräte mit starker und schwacher Batterie. In der Umgebung Hitlers waren ähnliche Denkmodelle verbreitet. Reichspressechef Otto Dietrich bewunderte Hitlers außergewöhnliches Temperament (Dietrich, Adolf Hitler, Die Jahre des Untergangs 2018). Joachim Fest erkannte Hitlers Vitalität als eine der Grundlagen seines erstaunlichen Erfolges. Hitler war das Energiezentrum nicht nur Deutschlands, sondern kurze Zeit auch Europas.

In den meisten Hitlerbiografien ist vom starken Willen des Diktators die Rede. Die Psychologie kann mit dieser Erklärung wenig anfangen. Im Gegensatz zur Intelligenz lässt sich der Wille des Menschen in empirischen Untersuchungen kaum messen. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob Stalin, Hitler oder Churchill einen stärkeren Willen gehabt hätten. Es ist erstaunlich, dass Hitler besonders gern mit zwei Schlüsselwörtern aus dem Vater Unser erklärt wird „Dein Wille geschehe“, „Und vergib uns unsere Schuld“. Für eine theologische, moralische und juristische Aufarbeitung mögen diese Begriffe nützlich sein. Für ein Psychogramm Hitlers sind sie es nicht. Wille und Schuld sind die zentralen Wörter, die auf das Verhältnis des jüdisch-christlichen Vatergotts zum einzelnen Menschen anspielen. Das menschliche Verhalten, so wie es der Psychologe untersucht, wird damit kaum getroffen.

Hitler gilt als Langschläfer und Bohemien. Tatsächlich hatte er während seiner deutschen Zeit ein schier unerschöpfliches Pensum von Begegnungen, Auftritten, Reden und Reisen, die die Vitalität eines Durchschnittsmenschen überfordert hätten. Schon sein Jugendfreund Gustl Kubicek staunte über Hitlers Vitalität. „Er konnte stundenlang gehen, ohne zu ermüden. Die weitere Umgebung von Linz haben wir kreuz und quer durchwandert“ (Kubizek 2002).

In Wien lief Hitler von seinem Männerheim eine Stunde zur Hofoper, stand dort stundenlang im Stehparkett und lief wieder eine Stunde in die Brigittenau zurück. Eine Strapaze, die Ihresgleichen sucht.

Im Wahlkampf 1932 benutzte Hitler ein Flugzeug und sprach oft an drei bis vier Orten jeden Tag. Diese Leistung ist ohne eine ganz außergewöhnliche Vitalität nicht möglich. Geradezu übermenschlich war Hitlers Leistung im Stichwahlkampf um die Präsidentschaft gegen Hindenburg. Am Samstag den 23.07. benutzte er nicht nur das Flugzeug, sondern fuhr weitere Orte mit dem Auto an. Von 14: 30 Uhr bis 14: 50 Uhr redete er auf der Schießwiese von Zittau. Nach 16: 15 Uhr hielt er eine Rede auf einem Sportplatz bei Bautzen, nach 18: 00 Uhr eine Rede im Sportpalast in Dresden, danach sprach er auf dem Messegelände vor 40.000 Teilnehmern in Leipzig. Von 21: 10 Uhr bis 21: 30 Uhr hielt er eine Rede in Rosslau auf einer Wiesenfläche am linken Muldeufer.

Hitler sprach vermutlich in allen Reden einen ähnlichen Text, sodass er sich nicht jedes Mal vorbereiten musste. Den Text hatte er der öffentlichen und der veröffentlichten rechten Meinung in seiner Soldatenzeit nach dem Krieg entnommen. Originell waren diese Texte nicht; sie kamen auch deswegen beim Publikum gut an, weil er die Klischees seiner Rechten Zuhörer bediente. Der Einfluss der Hitlerreden auf das tatsächliche Wahlverhalten war gering; in den Orten, in denen er aufgetreten war, gab es nicht mehr Naziwähler als in den Orten, die er nicht besucht hatte.

Nicht nur zum Kriegführen brauchte Hitler eine ganz ungewöhnliche Vitalität, sondern auch der Holocaust ist nach der Ansicht von Martin Broszat (der Staat Hitlers) ein Ausdruck des überbordenden Temperaments Hitlers. Dieses brauchte immer neue Höhepunkte. Die Judenverfolgung wurde von Jahr zu Jahr gesteigert; der letzte nicht mehr zu überbietende Höhepunkt war dann schließlich der Holocaust. Hitlers Temperament kannte keine Grenzen.

Als Hitlers Vitalität in der zweiten Kriegshälfte nachließ, hatte dies abträgliche Folgen. Nur der vitale Hitler war erfolgreich. Die Spritzen des Dr. Morell sollten seiner Vitalität aufhelfen. Die Rolle des Leibarztes Hitlers ist umstritten. Manche halten ihn für einen Scharlatan, der Hitler mit seinen Vitaminspritzen Hitler abhängig machte. Andere halten ihn für einen gar nicht so schlechten Praktiker; sie weisen darauf hin, dass es ein Wunder war, wie ein schon so von Krankheit und Verfall gezeichneter Mensch sich an der Macht halten konnte. Morell hätte ihm dabei wesentlich geholfen.

Die robusten Waldviertler

Die Waldviertler sind ein robuster Menschenschlag. Sie konnten ihre klimatisch wenig begünstigte Heimat nur besiedeln, indem sie Rückschläge überwanden. Hitler, der sich als Braunauer stilisierte, war in dieser Beziehung ein echter Waldviertler. Er hasste den Schnee und sehnte sich nach dem Frühling. Seine seelische Resilienz überwand auch die schlimmsten Schicksalsschläge. Seine Abweisung durch die Wiener Akademie kompensierte er mit dem Malen von architektonischen Ansichtskarten, die er an Touristen verkaufen ließ und so sein Leben fristete.

Seine Übersiedlung nach München war eine große Enttäuschung, es ging ihm dort nicht besser als in Wien. Doch es gelang Hitler zu überleben, Quartier und Verpflegung waren einigermaßen gesichert. Bei der Bayrischen Armee riskierte er sogar sein Leben für diese beruhigende Existenzsicherung.

Der nächste Schicksalsschlag war seine Entlassung aus dem Bayrischen Militär. Wieder kompensierte er diese Gefährdung durch einen Rückgriff auf seine Begabung. Er wurde als Propagandaredner eingesetzt und hatte großen Erfolg. So wie er in Wien sein Zeichentalent zu seinem Lebensunterhalt einsetzte, so nutzte er in München sein Redetalent. Die bemerkenswerteste operotrope Bewältigung einer Niederlage gelang Hitler in seiner Landsberger Haft. Zunächst wollte er sich das Leben nehmen und trat in einen Hungerstreik. Doch dann besann er sich auf seine Fähigkeiten und schrieb ein Buch, obwohl er dazu eigentlich nicht in der Lage war. Doch dieses Buch wurde schließlich ein Weltbestseller.

Den schweren Rückschlägen und Beleidigungen in seiner ersten Zeit als Politiker begegnete er, wie Longerich dokumentierte, mit bemerkenswertem politischem Geschick.

Die Niederlage in der Luftschlacht um England wollte er mit einem schnellen Sieg über die Sowjetunion kompensieren.

Als sich im ersten Winter vor Moskau die Katastrophe abzeichnete, ließ sich Hitler überhaupt nicht beirren. Im nächsten Sommer stieß er bis in den Kaukasus und bis nach Stalingrad vor. Auch die fürchterliche Niederlage bei Stalingrad überwand er seelisch ohne große Schwierigkeiten. Im nächsten Sommer probierte er es von Neuem und er riskierte bei Kursk die größte Panzerschlacht der Weltgeschichte. Sie brachte keinen Sieg, aber Hitler war immer noch nicht entmutigt; als letztes kratzte er alle Menschen und alles Gerät zusammen und probierte die Ardennenoffensive, die total misslang. Bis an seine letzten Tage gab Hitler die Hoffnung nicht auf, doch noch zu siegen. Der Tod Roosevelts wurde von ihm als eine Parallele zum Mirakel Preußens gedeutet. Erst als die Granaten der angreifenden Roten Armee auf dem Dach seines Bunkers einschlugen, sah der waldviertler Bauernsohn seine endgültige Niederlage ein. Er nahm sich zusammen mit seiner frisch getrauten Ehefrau Eva Braun das Leben.

Wie Kurt Lewin in seinen motivations-psychologischen Untersuchungen gezeigt hat, reagieren Menschen auf Misserfolge damit, dass sie ihre Ziele tiefer stecken. Hitler fiel hierbei ganz aus dem Rahmen, er war ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Auch die schwersten Niederlagen bewegten ihn nicht dazu, seine Ziele einzuschränken. Das endgültige Ziel, dass er anstrebte, war die Welteroberung. Wenn er als entlassener Soldat in einem fremden Land zum Reichskanzler aufsteigen konnte, dann konnte er auch als Reichskanzler des Deutschen Reiches die Welt erobern.

Sein bäuerlicher Instinkt zwang ihn zu regelmäßigen Ruhepausen, die er auf dem Obersalzberg einlegte.

Kein Wunder, dass man diesem Menschen zunächst nicht allzu viel zutraute. Er machte keine besonders eindrucksvolle Figur, war eher klein und hob sich unvorteilhaft von dem imposanten Präsidenten Hindenburg und den anderen Offiziellen ab, die in der Politik während der Weimarer Zeit in der Öffentlichkeit zu sehen war. Die wenigen führenden Nazis, die mit Hitler an die Macht kamen, hatten kaum das Aussehen von nordischen Menschen. Der Propagandaminister Goebbels litt unter einem Klumpfuß, das Volk verspottete ihn als Schrumpfgermanen. Heinrich Himmler, der spätere Judenmörder, war eine brillentragende kümmerliche Figur. Allein der korpulente und drogenabhängige Göring fand die Gunst des deutschen Publikums.

Übersehen wurden die körperlichen Strapazen, denen sich Hitler aussetzte. Seine Reden waren körperliche Höchstleistung. „Zwischen diesen bescheidenen schmalen Schultern hatte der Mann eine ungeheure Lunge“ (Weber 2016).

Seinen Wahlkampf 1932 absolvierte Hitler im Flugzeug. „Hitler über Deutschland“ stand auf den Wahlplakaten. In acht Tagen sprach Hitler in 25 verschiedenen Städten. Hitler war kaum ein arbeitsscheuer Diktator; allein die vielen Paraden und militärischen Auftritte, zu denen er immer pünktlich erschien, wie seine Adjutanten bestätigten waren sehr anstrengend. Hitler schonte sich nicht. Während des Röhm-Putsches fuhr er mit dem SS-Greifkommando im Morgengrauen zum Hotel Hanselbauer in Bad Wiessee und weckte den SA-Führer Röhm mit einem Kratzen an dessen Schlafzimmertür und dem Satz „Röhm du bist verhaftet“.

Beim Marsch auf die Feldherrnhalle ging Hitler in der ersten Reihe, wurde zu Boden gerissen und kugelte sich den Arm aus. Schon aus seiner Wiener Zeit werden beachtliche körperliche Anstrengungen berichtet. Sie werden hier mehrmals angesprochen, da sie in den Hitler-Biografien nicht angemessen berücksichtigt werden. Er hörte sich des Öfteren Wagner Opern im Stehparkett an. Vorher und Nachher musste er von seinem Männerheim in der Brigittenau bis zur Oper zu Fuß laufen.

Charaktereigenschaften

Außer seiner ungewöhnlichen Vitalität brachte Hitler Charaktereigenschaften mit nach Deutschland, österreichische Importe, die sich kaum geändert haben. Seine sexuelle Orientierung war anders als dies Goebbels verkündete; Hitler war kein „normaler deutscher“ Mann. Er interessierte sich mehr für Hunde als für Frauen. Er hatte auch mit Hunden längeren Umgang und genoss die körperliche Nähe. Gegenüber Frauen blieb er immer distanziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg interviewten die angloamerikanischen Journalisten alle Personen, die näheren Kontakt mit Hitler hatten. Die Tochter des Schneidermeisters Popp, bei dem Hitler vor dem Ersten Weltkrieg zur Untermiete gewohnt hatte, wurde gefragt, ob Hitler Frauen mit in sein Zimmer genommen habe. Die junge Frau antwortete: „Frauen nicht, aber Bücher “

Hitler war keine Schönheit. Er war mittelgroß. Er war weit davon entfernt, dem arischen blonden Ideal zu entsprechen, dem die Nazis huldigten. Der deutsche Rasseforscher Günther ordnete ihn als dinarischen Typ ein.