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Die Strategie für hormonelle Balance, gesundes Gewicht und mentale Stärke
Unerklärliche Gewichtszunahme, Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Entzündungsherde im Körper – ist das Stresshormon Cortisol aus der Balance geraten, hat das spürbare Folgen für Gesundheit und Lebensqualität. Vor allem Frauen sind häufig betroffen, zu oft bleibt die Ursache unerkannt.
Marina Wright, Gesundheitscoach und Ernährungsberaterin (@marinawrightwellness), spezialisiert auf hormonelle Gesundheit, vermittelt alles, was man über Hormonbalance wissen muss. Was löst die oft verwirrenden Symptome aus, wie wirkt sich chronischer Stress auf den Körper aus und welche Gewohnheiten helfen, die Hormone ins Gleichgewicht zu bringen?
Mit ihrem fünfstufigen Ernährungs- und Lebensstilprogramm kommen die Hormone ins Gleichgewicht, das Körperbewusstsein wird gestärkt, der zirkadiane Rhythmus reguliert und es entstehen neue Routinen, die langfristig vor den Auswirkungen von chronischem Stress schützen.
Der Cortisol-Effekt bietet:
- Selbsttest zur Einschätzung der eigenen Symptome
- neuestes Wissen darüber, wie und wo sich Stress im Körper auswirkt
- stressreduzierende Rezepte und umfassende Ernährungsempfehlungen
- leicht umsetzbare tägliche Gewohnheiten, die den Körper beruhigen und ins Gleichgewicht bringen
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 421
Veröffentlichungsjahr: 2025
Unerklärliche Gewichtszunahme, Brain Fog, Ängste, Schlaflosigkeit, Erschöpfung – das können die klaren Alarm-Signale für eine Störung des Stresshormons Cortisol sein. Vor allem Frauen sind oft betroffen, ohne sich dieses Problems bewusst zu sein, das ihre Lebensqualität stark einschränken kann. Marina Wright, Gesundheitscoach und Ernährungsberaterin, spezialisiert auf hormonelle Gesundheit, bietet einen aufschlussreichen Selbsttest, alle wichtigen Informationen und führt in 5 Schritten zurück zu Ausgeglichenheit und Lebensqualität. Was triggert die Nebennieren, wie reguliert man sein Nervensystem und welche Rolle spielt der Blutzucker? Sie erklärt anschaulich, was die oft verwirrenden Symptome auslöst, wie chronischer Stress sich auf den Körper auswirkt und welche Gewohnheiten helfen können, die Hormone ins Gleichgewicht zu bringen. In einfachen Schritten zu einem neuen Leben, das den Körper auf Dauer resilient gegen Stress macht.
Marina Wright
Runter mit den Stresshormonen in 5 einfachen Schritten
Schluss mit Bauchfett, Erschöpfung, Schlafstörungen
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Strerath-Bolz
Wilhelm Heyne Verlag München
Die Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »The Cortisol Reset Plan« bei VERMILION, einem Imprint von EBURY. EBURY ist Teil der Verlagsgruppe Penguin Random House
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Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
© Marina Wright 2025
Illustrationen: Vyki Hendy
Der Wilhelm Heyne Verlag, München ist ein Verlag der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)
www.heyne.de
Alle Rechte vorbehalten.
Übersetzung: Ulrike Strerath-Bolz
Redaktion: Jürgen Bolz
Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch gmbh
Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-33057-6V001
Für meine Mutter – tapfer, freundlich und für immer in meinem Herzen
Einleitung
Teil 1 Die Geist-Körper-Verbindung
Kapitel 1 Wie unser Nervensystem funktioniert
Kapitel 2 Vier Arten von Stressauslösern
Kapitel 3 Mit dem Cortisol-Reset-Plan zu mehr Wohlbefinden
Teil 2 Der Cortisol-Reset-Plan
Kapitel 4 Schritt 1: Ernähren Sie sich nährstoffreich
Kapitel 5 Schritt 2: Bringen Sie Ihren Blutzucker ins Gleichgewicht
Kapitel 6 Schritt 3: Regulieren Sie Ihren zirkadianen Rhythmus
Kapitel 7 Schritt 4: Bewegung für die Gesundheit von Geist und Körper
Kapitel 8 Schritt 5: Entwickeln Sie psychische Resilienz und fördern Sie Ihr Wohlbefinden
Teil 3 Die Rezepte
Frühstück
Mittagessen
Abendessen
Snacks
Rezepte, die den Darm heilen
Weitergehen – Ihr Leben nach dem Cortisol-Reset-Plan
Anhang
Anhang A Cortisoltests für zu Hause
Anhang B Toxinbelastungen senken
Anhang C Adaptogene und andere pflanzliche Helfer
Dank
Anmerkungen
Register
Über die Autorin
Ich fürchte mich nicht vor Stürmen, denn ich lerne, mein Schiff zu segeln.
Louisa May Alcott
Wenn der Titel dieses Buchs Sie anspricht, befinden Sie sich wahrscheinlich auf einer Reise hin zu dem, was ich als den Zustand »optimaler Gesundheit« bezeichne: hin zu einem starken Körper und einem ruhigen Geist. Zu einem Körper, in dem zu leben sich gut anfühlt: schmerzfrei, beweglich, mit gesundem Gewicht und ausreichend Energie, damit Sie ein aktives Leben genießen können. Und zu einem Geist, der widerstandsfähig und friedvoll ist, frei von der Last chronischer Angst, ratternder Gedanken oder emotionaler Schmerzen. Einem Geist, der es Ihnen möglich macht, jeden Tag mit Zuversicht und einem Gefühl von Kontrolle anzugehen.
Das klingt vielleicht zu schön, um wahr zu sein, doch tief in Ihrem Inneren spüren Sie schon, dass ein solcher Zustand nicht nur erreichbar ist, sondern dass Sie ein Recht darauf besitzen! Sie spüren das, weil in Ihnen eine angeborene Weisheit schlummert, eine natürliche Fähigkeit, zu heilen und zu gedeihen. Und doch fühlen Sie sich vielleicht, wie so viele von uns, überfordert und entmutigt. Möglicherweise fragen Sie sich auch voller Unsicherheit, wie Sie auf Ihr inneres Potenzial zugreifen können.
Allen Ihren Bemühungen zum Trotz sind die Symptome immer noch da: Angstzustände, chronische Erschöpfung, chronische Schmerzen, Störungen des hormonellen Gleichgewichts, Autoimmunkrankheiten, Gewichtszunahme, Nebel im Gehirn, Verdauungsprobleme wie z. B. ein Reizdarmsyndrom. Oder auch »nur« einfach das Gefühl, dass irgendetwas nach wie vor nicht stimmt.
Gut möglich, dass Sie schon fast alles probiert haben, von konventionellen Methoden – Arztbesuche, Gesprächstherapie, Medikamente und der allgemeine Rat, sich besser zu ernähren und mehr zu bewegen – bis hin zu eher »alternativen« Ansätzen wie Naturheilkunde, Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel, Detox-Programme, Akupunktur und so weiter. Es kann auch gut sein, dass diese Dinge Ihnen vorübergehend Linderung verschafft haben, doch wahrscheinlich haben sie nicht die dauerhafte Heilung oder den Zustand optimaler Gesundheit und größtmöglichen Wohlbefindens gebracht, nach dem Sie sich sehnen.
Ich weiß genau, wie Sie sich fühlen, weil ich es selbst erlebt habe. Ich habe den körperlichen und emotionalen Schmerz empfunden, der Sie vielleicht zur Verzweiflung treibt und den Sie so gern loswerden wollen.
Als ich Mitte zwanzig war, gleich nachdem ich mein Jurastudium an einer spanischen Universität beendet hatte, zog ich nach London, wo ein spannender Job in einem Unternehmen auf mich wartete. Dort lernte ich meinen Partner kennen, den ich später heiratete, versammelte einen großen Freundeskreis um mich und erkundete an den Wochenenden die Stadt. Ich tauchte förmlich ein in die neue Umgebung und die neuen Erfahrungen. Nach außen hin wirkte ich wahrscheinlich wie der Inbegriff von Erfolg, Gesundheit, Ausgeglichenheit. Doch unter der Oberfläche war ich alles andere als gesund oder glücklich.
Während meiner Arbeitspausen saß ich oft heulend auf der Bürotoilette, weil mich der Druck in meinem Job komplett überforderte. Ich entwickelte eine höchst komplizierte Beziehung zu Essen und Sport, weil ich ständig versuchte, eine Körperform zu erlangen, von der ich annahm, dass man mich damit mehr mochte und akzeptierte. Außerdem litt ich zu dieser Zeit unter dem Verlust meiner Mutter, die nach einem langen, traumatischen Kampf gegen den Krebs verstorben war – einem Kampf, der bereits begonnen hatte, als ich noch ein Kind war. Ich machte mir ständig Sorgen über die Zukunft oder grübelte über die Vergangenheit und setzte mich selbst unter Leistungsdruck, weil ich fest davon überzeugt war, dass ich mir nicht genug Mühe gab – sonst wäre es mir ja nicht so schlecht gegangen. Tief in meinem Inneren glaubte ich, ich sei vollkommen kaputt.
Meine Ängste wurden mit der Zeit immer schlimmer, sodass ich im Alltag nicht mehr gut zurechtkam und selbst in vollkommen normalen und sicheren Situationen Panikattacken bekam – zum Beispiel in der Londoner U-Bahn, während einer geschäftlichen Besprechung oder auch nachts, wenn ich versuchte einzuschlafen. Wer jemals Panikattacken gehabt hat, weiß, wie furchteinflößend und belastend sie sein können und wie sie das Leben immer mehr einengen, weil man ja alles zu vermeiden sucht, was sie auslösen könnte.
Kurz gesagt: Mein Geist war alles andere als ruhig. Und mein Körper, der vor meinem Umzug nach London immer sehr stark und gesund gewesen war? Meine körperliche Gesundheit schwächelte ebenfalls, ohne dass ich verstand, woher das kam. Es begann mit Hautausschlägen und Akne, doch dann wurde es immer schlimmer, und die Symptome häuften sich: ständige Blähungen, Verdauungsstörungen, Erschöpfung und Zyklusstörungen, bis meine Periode monatelang ausblieb. Zahlreiche Arztbesuche führten zu ebenso zahlreichen Verschreibungen von Medikamenten: Antibiotika gegen meine Haut- und Darmprobleme, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) gegen die Ängste, die Antibabypille, um meinen Zyklus zu stabilisieren. Diese Maßnahmen linderten auch tatsächlich die Symptome, brachten sie aber nie ganz zum Verschwinden.
Einige Jahre später, als mein Mann und ich versuchten, ein Kind zu bekommen, wurde ich mit einem langwierigen Kampf gegen Unfruchtbarkeit konfrontiert, der irgendwann in eine Kinderwunschbehandlung mündete. Zu meinem Glück ging alles gut, und ich brachte einen wunderschönen kleinen Sohn zur Welt. Doch schon wenige Tage nach seiner Geburt versank ich ohne jede Vorwarnung in den Abgründen einer postpartalen Depression.
Meine Ängste wuchsen ins Unermessliche, während ich mit der überwältigenden Verantwortung kämpfte, die die Versorgung eines Neugeborenen mit sich bringt. Zu dieser Zeit waren wir gerade nach New York City gezogen, und mein Mann – der einen anstrengenden Job mit langen Arbeitszeiten und häufigen Geschäftsreisen hatte – musste mich oft in unserer winzigen Wohnung allein lassen. Und dies in einem der heißesten Sommer, die die Stadt seit Jahren erlebt hatte.
Tag für Tag saß ich mutterseelenallein in dieser Wohnung, wo mich wenigstens die Klimaanlage vor der Hitze rettete. Ich fühlte mich allein und ohne Unterstützung, aber was noch viel schlimmer war: Ich fühlte mich vollkommen unfähig und litt unter Schuldgefühlen. Ich war zu hundert Prozent überzeugt, dass mit mir etwas absolut nicht stimmte und dass ich es nicht verdient hatte, glücklich zu sein. Rückblickend kann ich erkennen, dass ich zu diesem Zeitpunkt ganz unten angekommen war.
In meiner Not versuchte ich, meinen Frauenarzt zu erreichen, doch der rief mich nicht zurück, sondern hinterlegte in seiner Praxis am Empfang lediglich ein Rezept für das starke Psychopharmakon Xanax. Die Tabletten sollte ich, so seine Empfehlung, nehmen, wenn die Angstzustände kamen. Als ich sechs Wochen nach der Geburt zum turnusmäßigen Check-up kam, führte er alle notwendigen körperlichen Untersuchungen durch, fragte aber mit keinem Wort nach meinen Ängsten, meinem psychischen Zustand oder meiner mentalen Gesundheit.
Trotz all dieser Herausforderungen habe ich noch Glück gehabt. Denn als ich irgendwann ganz unten war, erwies sich das als Katalysator für eine tiefgreifende Veränderung. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich einen Moment der Offenbarung erlebte oder eine »dunkle Nacht der Seele« durchschritt, die mich erleuchtete und über Nacht alles veränderte, doch tatsächlich dauerte es viel länger.
Die ersten Monate nach der Geburt meines Sohnes waren davon geprägt, dass ich mich um meinen Körper kümmerte und einige sehr einfache Gewohnheiten entwickelte, die mit der Versorgung eines Neugeborenen gut zusammenpassten. Kleine Routinen, die mir das Gefühl vermittelten, die Kontrolle über mein Leben wiederzuerlangen. Und mit jedem Tag fühlte ich mich körperlich und mental etwas besser.
In den Monaten und Jahren, die dann folgten, kam die wirkliche Veränderung. Ich verließ die Geschäftswelt und begann die Verbindung zwischen Geist und Körper zu studieren. Dazu erkundete ich Fachrichtungen wie Ernährungswissenschaft, Psychologie, Biologie und Neurowissenschaften. Indem ich begriff, wie das Nervensystem unsere Stressreaktion und unsere allgemeine Gesundheit beeinflusst, fand ich einen Schlüssel zur Heilung. Ich erkundete die innige Verbindung zwischen mentalem und körperlichem Wohlbefinden und kam allmählich zu einem neuen Ansatz in Sachen Ernährung und Lebensstil. Dieser Ansatz bewirkte irgendwann eine echte Veränderung, wie sie zu Beginn meiner Heilungsreise gar nicht vorstellbar gewesen war.
Mein Zyklus stabilisierte sich, meine hartnäckigen Darmprobleme gingen langsam zurück, meine Haut wurde rein, ich konnte mühelos ein- und durchschlafen, und meine Panikattacken traten immer seltener auf, bis sie irgendwann ganz aufhörten. Auch die Obsession für Ernährung und Sport verschwand, weil ich eine gesunde Ernährungsweise entwickelte, die mich zufrieden machte und mir half, mein optimales Gewicht mühelos zu erreichen. Nachdem mein zweiter Sohn geboren war, konnte ich die ersten Monate mit ihm genießen – ohne die verstörenden Symptome einer Wochenbettdepression. Und ich entwickelte ein ganz neues Gefühl der Ruhe und Zuversicht in meiner Rolle als Mutter.
Mit meiner eigenen Praxis als funktionell-diagnostische Ernährungsberaterin und Gesundheitscoach und später auch mit meinen Online-Programmen kann ich heute auch anderen Frauen helfen, die unter ähnlichen Symptomen leiden. Durch eine Kombination aus jahrelanger klinischer Praxis und persönlicher Erfahrung habe ich jene schrittweise Methode erarbeitet, die diesem Buch zugrunde liegt. Dem Buch, das Sie jetzt in Händen halten.
Meine eigene Geschichte und meine eigenen Herausforderungen, ebenso wie die Geschichten meiner Klientinnen und Klienten, haben mir einige entscheidende Lehren erteilt, von denen ich hoffe, dass sie Ihnen auf Ihrem eigenen Weg hin zu mehr Gesundheit und Lebenskraft helfen werden:
Sie sind nicht kaputt. Ihr Körper will heil werden und hat eine natürliche Fähigkeit zur Heilung, die Sie in Gang setzen, indem Sie die kraftvolle Verbindung zwischen Geist und Körper nutzen.Sie halten auf Ihrer Reise das Steuer selbst in der Hand. Für Ihr Wohlbefinden ist niemand verantwortlich außer Ihnen selbst. Das klingt bedrohlich, ist aber eigentlich sehr befreiend und ermächtigend, denn tatsächlich besitzen Sie die Kraft, alles zu verändern. Das heißt nicht, dass Sie alles allein schaffen müssen: Ärztinnen und Ärzte sowie auch andere Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind, aber auch Ihre Familie und Ihre Freunde sind an Ihrer Seite, um Sie anzuleiten und zu unterstützen. Doch letztlich sind Sie es, die Ihre Heilung in die Hand nehmen müssen.Kleine Routinen mögen Ihnen unbedeutend vorkommen, doch sie bringen bemerkenswerte Ergebnisse hervor, wenn Sie sich dauerhaft daran halten.Dieses Buch ist Ihr Ratgeber, wenn Sie mithilfe der Geist-Körper-Verbindung zu dauerhafter Gesundheit gelangen wollen. Es kann Ihnen helfen, Ihr Leben mit der Energie anzupacken, auf die Sie ein Anrecht haben. Es liefert Ihnen jede Menge praktischer Werkzeuge, hilft Ihnen, die Verbindung zu Ihrem Körper wiederzufinden, Ihr Gehirn neu auszurichten und die Widerstandsfähigkeit zu entwickeln, die Sie für Ihr Wohlbefinden brauchen.
Es kann Ihnen helfen wenn Sie …
… mit hartnäckigen oder wiederkehrenden Symptomen wie Erschöpfung, Schlafstörungen, Gewichtszunahme, Nebel im Gehirn, Prämenstruelles Syndrom (PMS), hormonelle Störungen, chronische Schmerzen, Autoimmunkrankheiten oder Verdauungsstörungen wie z. B. Reizdarm konfrontiert sind.… unter Stimmungsschwankungen, Angstzuständen oder Depressionen leiden oder ganz einfach das Gefühl haben, nicht mehr Sie selbst zu sein.… unter Stress stehen und den Verdacht haben, dass das Stresshormon Cortisol für Ihre Symptome mitverantwortlich sein könnte.… schon versucht haben, gegen diese Symptome anzugehen, aber keine dauerhafte Linderung erfahren haben.… sich eine schrittweise Anleitung mit einfachen, handhabbaren Werkzeugen wünschen, die Ihnen helfen, nicht nur heil zu werden, sondern optimale Gesundheit zu erlangen, mit einem starken Körper und einem ruhigen Geist.Konkret besteht dieses Buch aus drei Teilen:
Teil 1 – Die Geist-Körper-Verbindung erforscht zunächst das »Warum« und das »Wie«. Es beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wobei ich mich bemüht habe, die nützlichen und notwendigen Informationen so darzustellen, dass sie leicht verständlich sind. Wenn Sie nämlich verstehen, was passiert und warum Ihr Körper und Ihr Geist das tun, was sie tun, entwickeln Sie wesentlich mehr Mitgefühl mit sich selbst, und das neu erworbene Wissen sorgt dafür, dass Sie die fünf Schritte des Cortisol-Reset-Plans viel effektiver anwenden können. Ich verspreche Ihnen, dass Sie jede Menge Aha-Momente erleben werden.
Außerdem finden Sie in diesem Teil zwei Fragebögen, die Ihnen helfen sollen, einzuschätzen, wo Sie im Moment stehen, und Ihnen eine Ausgangsbasis für die Verfolgung Ihrer Fortschritte während der nächsten Wochen geben können.
Teil 2 – Der Cortisol-Reset-Plan: In diesem Teil stelle ich Ihnen ein aus fünf Schritten bestehendes Konzept vor, das Ihnen hilft, Ihre Stressresilienz aufzubauen, Ihre Symptome aufzulösen und einen Zustand optimaler Gesundheit zu erreichen. Jenen Zustand, von dem schon die Rede war: ein starker Körper und ein ruhiger Geist. Die fünf Schritte sind:
Ernähren Sie sich nährstoffreich.Gleichen Sie Ihren Blutzucker aus.Regulieren Sie Ihren zirkadianen Rhythmus.Bewegen Sie sich ausreichend, um Geist und Körper gesund zu erhalten.Bauen Sie psychische Resilienz und Wohlbefinden auf.Die Schritte bauen aufeinander auf und sollen Ihnen helfen, das Fassungsvermögen Ihres »Stress-Eimers« zu erhöhen, und zwar durch folgende Maßnahmen:
Abbau körperlicher Stressauslöser, die oft unbemerkt bleiben, aber den Organismus überfordern, z. B. übermäßige Schwankungen des Blutzuckerspiegels oder chronische Entzündungen.Abbau »falsch wahrgenommener« Stressauslöser, indem wir dafür sorgen, dass Ihr Gehirn Signale aus der Umgebung und aus dem Inneren Ihres Körpers richtig interpretiert.Verbesserung der Geist-Körper-Verbindung über das Nervensystem, und zwar durch somatische (körperbasierte) Übungen wie Körperwahrnehmung, achtsame Bewegung und Atemtechniken, die emotionale und körperliche Reaktionen regulieren helfen.Aufbau adaptiverer Reaktionen Ihres Gehirns auf Stress.Aufbau der Reserven und Energielevel Ihres Stoffwechsels mit dem Ziel, die Fähigkeit des Körpers zum Umgang mit Stressauslösern zu verbessern und mit der Zeit die gesamte Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.Teil 3 – Rezepte für den Cortisol-Reset: In diesem Teil finden Sie verschiedene Ideen für Frühstück, Mittagessen, Zwischenmahlzeiten und Abendessen, dazu einige Rezepte zur Heilung des Darms. Alle diese Vorschläge sind so angelegt, dass Sie das bisher Gelernte ganz leicht in die Praxis umsetzen können, z. B. die Entwicklung einer nährstoffreichen Ernährung und einen besseren Ausgleich des Blutzuckerspiegels. Tatsächlich basieren alle Rezepte auf den Erkenntnissen, die ich in Teil 1 und 2 des Buchs vorstelle, und verwandeln sie in einfache, leicht zuzubereitende Mahlzeiten.
Am Ende des Buchs finden Sie einen Anhang mit ergänzenden Hinweisen und Empfehlungen für Ihren Weg zur Heilung, darunter Tests, die Sie zu Hause durchführen können, einfache Möglichkeiten, Ihre Schadstoffbelastung zu senken, und Informationen über Adaptogene (natürliche Substanzen aus Pflanzen, die Ihre Widerstandskraft gegen Stress erhöhen können) und andere hilfreiche Nährstoffe.
Dieses Buch beruht zwar auf wissenschaftlicher Forschung, stellt aber definitiv keine wissenschaftliche Arbeit dar. Es soll eine leicht zugängliche Lektüre sein, angefüllt mit praktischen Empfehlungen, die Sie sofort umsetzen können. Ich rate Ihnen dazu, Teil 1 zuerst zu lesen, um die Verbindung von Geist und Körper besser zu verstehen, und sich dann jeweils ein bis zwei Wochen lang auf einen einzelnen Schritt aus Teil 2 zu konzentrieren, bevor Sie sich dem nächsten Schritt zuwenden. Möglicherweise fällt Ihnen die Übernahme des einen oder anderen Schritts leichter, weil Sie bereits damit vertraut sind – dann gehen Sie einfach schneller weiter. Bei anderen Schritten könnten Sie länger brauchen, oder Sie befinden sich zwischendurch in einer besonders anstrengenden Lebensphase, sodass alles etwas langsamer geht. Das ist absolut in Ordnung, passen Sie Ihr Tempo gern an Ihren persönlichen Stil an. Es geht schließlich um Ihre Gesundheit.
Wenn Sie die Gewohnheiten, die mit jedem Schritt verbunden sind, allmählich in Ihr Leben integrieren und konsequent praktizieren, werden Sie langfristig einen größeren Nutzen davon haben, als wenn Sie sich mit zu vielen Veränderungen auf einmal überfordern. Damit Sie Ihre Fortschritte verfolgen und für sich selbst dokumentieren können, gibt es eine Checkliste mit den wichtigsten Gewohnheiten. Sobald diese Gewohnheiten sich ganz natürlich anfühlen und fast automatisch ablaufen, können Sie voller Zuversicht den nächsten Schritt angehen.
Außerdem empfehle ich Ihnen, am Ende jedes Schritts die Fragebögen aus Teil 1 wieder zur Hand zu nehmen. So können Sie Ihre Fortschritte gut reflektieren und Veränderungen leichter bemerken, sei es auf körperlicher, mentaler oder emotionaler Ebene.
Ich hoffe sehr, dass dieses Buch eine Hilfe für Sie sein wird, die Sie immer wieder zurate ziehen, wenn Sie auf Ihrem persönlichen Weg zu dauerhafter Gesundheit und Wohlbefinden Unterstützung brauchen.
Fangen wir an!
Wir leiden häufiger in unserer Vorstellung als in der Realität.
Seneca
Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie sich auf dieses erste Kapitel eingelassen haben. Ich weiß, wie groß die Versuchung ist, sofort auf den Cortisol-Reset-Plan in Teil 2 zuzugreifen, doch wie ich schon sagte: Wenn Sie sich zunächst theoretisch mit der Geist-Körper-Verbindung beschäftigen, wird Ihnen die Integration der fünf Schritte aus Teil 2 viel leichter fallen, und sie wird auch effektiver sein. Tatsächlich beginnt eine langfristige Heilung damit, dass Sie Ihr Nervensystem kennenlernen, denn so stellen Sie die Verbindung zwischen Ihrem Geist (Ihre Gedanken und Emotionen sowie Ihr Wissen) und Ihrem Körper (darunter entscheidende physiologische Prozesse wie der hormonelle Regelkreis, Verdauung, Immunreaktionen, Herzfrequenz, Stoffwechsel, Atmung, Muskelbewegungen und so weiter) her. Genau aus diesem Grund spielt das Nervensystem eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit Ihrer mentalen und körperlichen Gesundheit.
Wenn Sie Ihr Nervensystem besser verstehen wollen, sollten Sie immer daran denken, was die Hauptmotivation für sein Wirken ist: Es sorgt für Ihre Sicherheit.
Sie können sich Ihr Nervensystem als eine Kombination aus zwei Subsystemen vorstellen: dem zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und dem peripheren Nervensystem (das Netzwerk der Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark). Das Ganze ist im Prinzip ein Überwachungssystem, das ständig Informationen sendet und sammelt, um die Frage zu beantworten: »Ist das sicher?«
Das zentrale Nervensystem (ZNS) stellt die verarbeitende und bestimmende Instanz dar, während das periphere Nervensystem (PNS) das ZNS mit dem übrigen Körper verbindet und Nachrichten in beide Richtungen aussendet. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: der Sensorik (Informationen der Sinneswahrnehmungen werden vom Körper ans Gehirn gesandt) und der Motorik (Signale werden vom Gehirn zum Körper gesandt, um willkürliche Bewegungen zu steuern).
Der sensorische Bereich vermittelt Informationen aus dem Körper an das Gehirn und hilft dem Gehirn zu verstehen, was in der Umgebung und im Inneren des Körpers passiert. Diese Informationen sammelt er durchExterozeption mithilfe der Sinneswahrnehmungen Sehen, Riechen, Schmecken, Hören und Tasten, um die äußere Welt zu erkunden.Interozeption, also die Wahrnehmung innerer Signale (Hunger, Durst, Körpertemperatur, Schmerz, Entzündungen, Blutzuckerspiegel oder Stuhl- bzw. Harndrang).Propriozeption sowie vestibuläre Informationen über die Position des Körpers, Bewegung und Gleichgewicht, sodass Ihr Gehirn weiß, wo im Raum Sie sich befinden und wie Sie sich bewegen.Der motorische Bereich transportiert Befehle des Gehirns zum Körper und sagt Muskeln, Organen und Drüsen, was sie zu tun haben. Dieser Bereich hat im Wesentlichen zwei Zweige:Das somatische motorische System kontrolliert willkürliche Bewegungen, z. B. wenn Sie etwas aufheben, gehen oder lächeln.Das autonome Nervensystem (ANS) kontrolliert unwillkürliche Funktionen, über die Sie nicht bewusst nachdenken, z. B. Herzschlag, Verdauung und Blutdruck. Das ANS spaltet sich wiederum in zwei Teile auf: Das sympathische Nervensystem aktiviert die Kampf- oder-Flucht-Reaktion, die ein entscheidender Teil der allgemeinen Stressreaktion des Körpers ist und Sie dafür bereit macht, schnell auf wahrgenommene Bedrohungen zu reagieren. Das parasympathische Nervensystem fördert die »Ausruhen und Verdauen«-Reaktion, es hilft dem Körper, sich zu entspannen.Nimmt das Gehirn nun irgendeine dieser Informationen (Inputs) als bedrohlich wahr, so löst es Reaktionen des motorischen Systems aus. Die Reaktionen können willkürlich sein (Sie bewegen sich weg von der Gefahr), aber auch unwillkürlich bzw. automatisch. Solche unwillkürlichen Reaktionen werden vom autonomen Nervensystem (ANS) gesteuert, und zu ihnen gehört auch die Stressreaktion, die wir gleich genauer besprechen werden. Diese Reaktionen (Outputs) sind Zustandsveränderungen, die dem Körper helfen, sich auf die wahrgenommene Bedrohung einzustellen. Und das Ganze dient dem Zweck, Ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Inputs (äußere und innere Signale) → Interpretation der Signale durch das Gehirn → Outputs (Reaktionen mit dem Ziel der Anpassung)
Wenn man das so liest, klingt es, als wäre unser Nervensystem unser bester Verbündeter. Und auf vielerlei Weise stimmt das auch. Sein wichtigstes Ziel ist es schließlich, Sie am Leben zu erhalten! Doch manchmal kann es auch zur Last werden, vor allem dann, wenn es hyperaktiv oder übermäßig wachsam wird oder wenn die Botschaften, die das Gehirn erreichen, unklar sind oder falsch interpretiert werden. Das kann nämlich dazu führen, dass es überall Bedrohungen sieht und die Stressreaktion immer und immer wieder aktiviert. Diese Fehlregulation wirkt sich negativ auf unseren Geist und unseren Körper aus und bewirkt eine Überbeanspruchung, die zu einem Verschleiß des Körpers führt. Dieser Verschleiß wird zunehmend größer, wenn wir wiederholtem oder chronischem Stress ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang spricht man von »allostatischer Last« oder »allostatischer Belastung«; wir werden diesen Punkt gleich noch eingehender betrachten.[1]
Doch warum entsteht eine solche Fehlregulation des Nervensystems? Unser Nervensystem funktioniert im Prinzip immer noch so wie bei unseren Vorfahren vor Hunderttausenden von Jahren. Doch die Anzahl und der Charakter der Bedrohungen, denen wir heute ausgesetzt sind, unterscheiden sich ganz erheblich von denen unserer Vorfahren. Unser Körper ist darauf ausgelegt, mit gelegentlich auftretenden Gefahrensituationen umzugehen. Heute jedoch werden wir stündlich mit einer überwältigenden Menge moderner Stressauslöser bombardiert: Arbeitsdruck, Kreditbelastungen, Straßenverkehr, Informationsflut (überfordernde Nachrichten, wütende Leute in den sozialen Medien), Umweltschadstoffe, hochverarbeitete Lebensmittel, Schlafmangel und vieles andere mehr. Unser Nervensystem ist für eine ganz andere, einfacher strukturierte Welt gebaut als die, in der die meisten Menschen heute leben. Und es hat große Mühe, diese modernen Stressauslöser von Gefahren zu unterscheiden, die tatsächlich lebensbedrohend sind.
Ihr Nervensystem ist für eine andere Welt gebaut, in der das ständige Chaos moderner Stressauslöser noch nicht existierte.
Wenn Sie an Stress denken, kommen Ihnen wahrscheinlich die üblichen Verdächtigen in den Sinn: Druck bei der Arbeit, Verlust eines geliebten Menschen, Beziehungsprobleme oder Geldsorgen. Doch Stress ist viel breiter angelegt, und ein großer Teil davon spielt sich im Verborgenen ab, unterhalb Ihrer bewussten Wahrnehmung.
Stress tritt bei frischgebackenen Eltern auf, die zu wenig Schlaf bekommen, bei einer Büroangestellten, die auf eine wichtige Deadline hinarbeitet, bei einem Brautpaar kurz vor der Hochzeit, bei einer gesundheitsbewussten Person, die zum Eisbaden geht, bei einem Mann, der hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nimmt, bei einer Frau, die einer sehr restriktiven Ernährungsform folgt, bei Teenagern vor dem ersten Date, bei Marathonläuferinnen, bei Pendlern im täglichen Stau und bei Menschen, die eine Infektion auskurieren müssen.
Stress zeigt sich in vielerlei Weise, er ist ein selbstverständlicher Teil des menschlichen Lebens. Wir können ihn nicht vermeiden, und tatsächlich sind gewisse Stressauslöser sogar gut für uns, weil sie uns helfen, zu wachsen, uns anzupassen, Widerstandskraft aufzubauen oder unsere Gesundheit zu fördern (z. B. Sport, Kälte, Fasten oder mental herausfordernde Aktivitäten wie das Erlernen neuer Fertigkeiten). Doch es gibt auch Stressauslöser, die physiologische, verhaltensmäßige, emotionale und kognitive Veränderungen bewirken, die ihrerseits zu körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen führen können.
Stressauslöser können »gut« oder »schädlich« sein, je nachdem, wie viel Kontrolle wir haben und welche Ressourcen (Energie) und Fähigkeiten (Widerstandskraft) wir besitzen, um mit ihnen fertigzuwerden.[2] Von Energie und Widerstandskraft wird in diesem Buch noch viel die Rede sein, denn sie sind die Schlüsselfaktoren, wenn es um Ihre Heilung geht.
Alle Beispiele, die ich gerade genannt habe, betreffen unterschiedliche Ereignisse oder Stressauslöser, doch die körperlichen Veränderungen, mit denen wir darauf reagieren, sind immer dieselben. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Stressreaktion. Was die Stressauslöser angeht, so spielt es nicht einmal eine Rolle, ob es sich um ein »gutes« (Hochzeit, Date, Beförderung) oder »schädliches« (Krankheit, Streit, Deadline) Ereignis handelt. Die Stärke der Bedrohung bestimmt allerdings die Stärke der Reaktion.
Übrigens ist Stress nicht nur ein Problem, das uns Menschen angeht. Er ist eine universelle Erfahrung, die auch Tiere und Pflanzen betrifft. Das ist auch kein Wunder, denn die Anforderungen des Überlebens betreffen ja alle Lebewesen. Ein Tier kann Stress erleben, wenn es einem Fressfeind gegenübersteht, eine Pflanze kann durch Faktoren wie extremes Wetter oder Nährstoffmangel in Stress geraten. Wir Menschen unterscheiden uns allerdings von Tieren und Pflanzen insofern, als nur wir in der Lage sind, Stressauslöser wahrzunehmen und vorauszuberechnen, die gar nicht real, sondern nur in unserer Vorstellung, »in unserem Kopf«, existieren. Diese subjektive Ebene von Stress macht die menschliche Erfahrung deutlich komplexer.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Denken Sie an Situationen, in denen Ihre Lieben unterwegs sind und Sie sie bitten, anzurufen, wenn sie angekommen sind. Und dann vergehen Stunden, ohne dass Sie etwas hören. Irgendwann fängt Ihr Gehirn an, Vorahnungen zu entwickeln, zu grübeln und sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Das tut es, weil es Ungewissheit hasst, doch genau indem es das tut, bereitet es Ihren Körper auf eine Bedrohung vor, die ausschließlich in Ihrer Vorstellung existiert. Später, wenn Ihre Lieben endlich anrufen, stellt sich heraus, dass der Akku des Telefons leer war, und dann sind Sie erleichtert und fühlen sich gleichzeitig ein bisschen albern, weil Sie sich unnötig Sorgen gemacht haben. Das Narrativ, das Sie erschaffen haben, war ein Produkt Ihrer Fantasie, aber Ihr Körper hat reagiert, als wäre es zu hundert Prozent real. Wahrscheinlich ist der menschliche Geist der stärkste Faktor für unnötige Stressreaktionen überhaupt.
Wir sprechen im nächsten Kapitel noch ausführlich über Stressauslöser, aber grundsätzlich können sie in zwei Gruppen eingeteilt werden:
Wahrgenommene (psychologische) Stressauslöser: Sie können real sein, doch wie wir gesehen haben, können sie auch lediglich in der Vorstellung existieren. Jede und jeder Einzelne von uns nimmt sie unterschiedlich wahr, abhängig von früheren Erfahrungen, genetischen Anlagen und aktuellem Stresslevel. Sie sind ihrem Charakter nach psychisch und emotional und wohl besonders schädlich für unsere langfristige Gesundheit. Beispiele dafür sind Beziehungsprobleme, Geldsorgen, beruflicher Druck, unbearbeitete Kindheitstraumata und Arbeitsplatzsorgen. Soziopolitische Stressauslöser wie Diskriminierung oder Ungleichheit spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle.Körperliche Stressauslöser: Hier handelt es sich um echte lebensbedrohliche Situationen, die wir uns nicht »einbilden« können. Gemeint sind Faktoren wie Schlafmangel, chronische Entzündungen, Nährstoffmangel, körperliche Verletzungen, dauerhafter Kontakt mit Umweltschadstoffen, chronische Krankheiten, ständige körperliche Überbeanspruchung, starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels und vieles mehr.Die Art, wie wir auf Stimuli reagieren, wird von unserer genetischen Disposition, früheren Erfahrungen, Kindheitstraumata und unserer aktuellen körperlichen und mentalen Gesundheit beeinflusst.
Sobald Ihr Gehirn eine (reale oder vorgestellte) Bedrohung identifiziert, löst es die Stressreaktion aus, damit Sie sich an die Situation anpassen, mit der Bedrohung umgehen oder ihr entgegentreten.
Menschen und überhaupt alle Lebewesen müssen, um gesund zu bleiben, ein stabiles inneres Umfeld aufrechterhalten, in dem die Körperzellen leben und überleben können.[3] Das heißt: Faktoren wie Körpertemperatur, pH-Wert, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt im Blut sowie Blutzucker- und Hormonspiegel müssen in einem relativ schmalen Bereich gehalten werden. Dieses stabile Gleichgewicht nennt man »Homöostase«. Doch dieser Zustand wird ununterbrochen von inneren und äußeren Faktoren bedroht: den sogenannten Stressoren oder Stressauslösern.
Sobald dies passiert, aktiviert der Körper eine Reihe von Anpassungsreaktionen, um die Homöostase wiederherzustellen. Dies sind die allostatischen Reaktionen – wir kommen später noch detailliert zu diesem Punkt. Im Moment wollen wir uns auf eine besonders wichtige allostatische Reaktion konzentrieren: die Stressreaktion.
Die Stressreaktion umfasst das ANS (das System, das unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzschlag, Blutdruck und Verdauung steuert) und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), das System also, das eine Verbindung zwischen Gehirn und Nebennieren herstellt, damit das »Stresshormon« Cortisol ausgeschüttet wird. Das ANS hat, wie schon gesehen, zwei Äste: das sympathische Nervensystem (SNS), das die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiviert, und das parasympathische Nervensystem (PNS), das dem Körper hilft, auszuruhen und das Erlebte zu verarbeiten, sobald die Bedrohung vorüber ist. Diese beiden Systeme schalten Ihre Reaktion auf einen Stressauslöser also ein und aus.
Schauen wir uns ein Szenario an, bei dem wir den Körper und die Stressreaktion live beobachten können. Stellen Sie sich vor, Sie wandern durch einen Wald, und plötzlich glauben Sie, einen Bären zwischen den Bäumen zu bemerken. Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, nachdem Sie die Bedrohung durch das Raubtier bemerkt haben, bis die erste Phase der Stressreaktion (die sogenannte kurzfristige Stressreaktion) einsetzt: Adrenalin und Noradrenalin werden von den Nebennieren freigesetzt. Diese hormonellen Botenstoffe fluten das Gehirn und das periphere Gewebe, lösen die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus und bereiten Sie auf sofortiges Handeln vor. Ihr Puls, Ihr Blutdruck und Ihre Atemfrequenz steigen, um mehr Sauerstoff in die Muskeln und das Gehirn zu transportieren – alles, damit Sie weglaufen oder sich eine andere Möglichkeit ausdenken können, dem Bären zu entkommen. Außerdem wird Glukose ins Blut ausgeschüttet, um Sie mit zusätzlicher Energie zu versorgen. Alles, damit Sie für Ihre mögliche Reaktion auf den Stressauslöser gut gerüstet sind.
Verschwindet die Bedrohung nicht (Sie schauen genauer hin, es ist tatsächlich ein Bär), bleibt der Stressauslöser also bestehen, dann wird in der zweiten Phase der Stressreaktion die HPA-Achse aktiviert, die innerhalb von Minuten nach der unmittelbaren Kampf-oder-Flucht-Reaktion den Alarmzustand des Körpers aufrechterhält. Damit wird die sogenannte langfristige Stressreaktion eingeleitet, und Cortisol wird ausgeschüttet, das dem Körper hilft, die Stressreaktion länger aufrechtzuerhalten. Cortisol hat viele Wechselwirkungen mit Adrenalin und Noradrenalin, vor allem in Bezug auf das gemeinsame Ziel, den Energielevel zu steigern, indem Glukose, Fette und Aminosäuren mobilisiert werden. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Wirkung des Cortisols wesentlich länger anhält: Adrenalin wirkt nur ein paar Sekunden, Cortisol mehrere Minuten oder sogar Stunden.
Während all dies geschieht, können Sie verschiedene Dinge in Ihrem Körper beobachten. Vielleicht stellen Sie fest, dass Ihr Herz rast und dass Sie schnell und flach atmen. Ihre Muskeln sind angespannt, Ihre Hände feucht. Sie haben ein flaues Gefühl im Magen, Ihr Mund wird trocken.
Alle diese Empfindungen sind Ihnen ganz sicher vertraut, obwohl Sie wahrscheinlich noch nie vor einem Bären davonlaufen mussten. Der Grund dafür ist, dass die beschriebene Stressreaktion bei jeder Bedrohung abläuft, die Ihr Gehirn wahrnimmt, ganz egal, ob es sich um ein wildes Tier handelt, um einen Wutanfall Ihres Kleinkindes im Supermarkt oder um das Lampenfieber vor einem öffentlichen Auftritt.
Sobald der Bär weg ist und Sie in Sicherheit sind, übernimmt das parasympathische Nervensystem (PNS), beruhigt die Lage und bringt Ihren Körper allmählich zurück in den Normalzustand. Der Puls wird langsamer, der Blutdruck sinkt, und der Körper kommt wieder ins Gleichgewicht.
Tatsächlich ist diese Fähigkeit des Körpers, sich zu erholen und in die Homöostase zurückzukehren, sobald die Bedrohung vorüber ist, genauso wichtig wie die Stressreaktion, mit deren Hilfe wir uns inneren und äußeren Herausforderungen stellen können. Wird die Stressreaktion immer wieder oder dauerhaft aktiviert, ohne dass es Erholungsphasen gibt, dann verändert sie ihren Charakter und wird maladaptiv, das heißt, sie verhindert die Anpassung an bedrohliche Situationen. Mit der Zeit kommt es dann auch zu gesundheitlichen Störungen (mit denen wir uns später auch noch beschäftigen werden).
Dies ist das Paradox der Stressreaktion: Die Reaktion selbst kann unter Umständen mehr Schaden anrichten als die Stressauslöser, vor denen sie uns schützen soll.
Achtung: Die Wirksamkeit der Stressreaktion hängt nicht nur davon ab, wie gut sich der Körper an Herausforderungen anpasst, sondern auch davon, wie schnell er sein Gleichgewicht wiederherstellt. Im Sinne einer langfristigen Widerstandsfähigkeit und Gesundheit ist es unerlässlich, dass die beiden Prozesse ausbalanciert sind.
Um zu verstehen, wie eine langfristige Stressbelastung zu negativen Auswirkungen auf unsere körperliche und mentale Gesundheit führen kann, wenden wir das Modell der allostatischen Belastung an, das Anfang der Neunzigerjahre von dem Neurophysiologen Bruce McEwen und dem Psychologen Eliot Stellar entwickelt wurde.[4]
Der Begriff »Allostase« bezieht sich auf die Fähigkeit des Körpers, seine verschiedenen Systeme so anzupassen und zu verändern, dass sie oberhalb oder unterhalb des normalen homöostatischen Bereichs arbeiten, um sich an einen Stressauslöser anzupassen. Wie wir schon gesehen haben, steigt ja der Cortisolspiegel im Zuge der Stressreaktion über den normalen Level an, um dem Körper zu helfen, mit einem Stressauslöser fertigzuwerden.
Kurzfristig gesehen ist die Allostase adaptiv – sie hilft bei der Anpassung. Doch wenn es zu häufig zu bedrohlichen Situationen kommt oder wenn die Stressreaktion aktiv bleibt, obwohl sie nicht mehr gebraucht wird, dann können die wichtigsten Mitspieler der Allostase – z. B. Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin, Stoffwechselhormone und Zytokine (Proteine, die das Immunsystem kontrollieren) – einen Verschleiß im Körper hervorrufen. Diesen Verschleiß nennt man »allostatische Belastung«.[5]
Der Begriff »allostatische Belastung« bezieht sich auf die Belastung, die sich ansammelt, wenn chronischer und akuter Stress auf den Körper einwirken. Man bringt diese Belastung in Verbindung mit Störungen der körperlichen und mentalen Gesundheit. Wir wissen noch nicht genau, auf welche Weise Stress zu gesundheitlichen Problemen führt, doch man vermutet eine Kombination aus den langfristigen Auswirkungen, wenn die eben genannten wichtigen Mitspieler ständig ausgeschüttet werden, dem Energieverbrauch für das Aufrechterhalten der chronisch aktivierten Stressreaktion[6] und Veränderungen der Plastizität des Gehirns.[7]
Lassen Sie uns das Thema Energieverbrauch etwas genauer betrachten. Ihr Körper verfügt nicht über unbegrenzte Ressourcen, seine Energiereserven sind begrenzt wie ein Budget, das gut eingeteilt werden muss, um verschiedene Anforderungen zu erfüllen. Wenn wir unsere Reserven erschöpfen, indem wir zu viel Energie für allostatische Prozesse aufbringen, dann muss der Körper die Energie an irgendeiner anderen Stelle abziehen. Der Switch von der Allostase zur allostatischen Belastung passiert, wenn der Körper so viel Energie für das Stressmanagement aufwendet, dass er für andere wichtige Funktionen nicht mehr genug Kraft übrig hat – z. B. für Wachstum, Erhaltung und Reparaturen, alles Dinge, die wichtig sind für dauerhafte Gesundheit und Langlebigkeit.[8] Verständlicherweise unterbricht der Körper energieaufwendige Funktionen wie das Immunsystem, Verdauung, Wundheilung, Abtransport von Abfallstoffen, Reproduktion oder DNA-Reparaturen, um genug Energie fürs unmittelbare Überleben aufzubringen. Doch wenn diese Situation länger anhält, führt der Mangel an Energie und Ressourcen für Wachstum, Erhaltung und Reparaturvorgänge zu Abbauprozessen und Schäden an Zellen, Geweben und Organen – und damit auf die Dauer zur Entstehung und zum Fortschreiten von Krankheiten. Letztlich ist es wie bei einem Bankkonto, das man ständig überzieht.
Achtung: Allostatische Belastung entsteht, wenn die Anforderungen durch alltägliche (emotionale und physische) Stressauslöser die ausgleichenden Fähigkeiten einer Person übersteigen. In diesem Fall verschiebt sich die Allostase vom adaptiven in den maladaptiven Bereich. Der Grund dafür liegt in einer Überdosierung wichtiger allostatischer Mitspieler (z. B. Cortisol) und in der Verschiebung von Ressourcen weg von langfristigen gesundheitlichen Funktionen hin zum kurzfristigen Überleben.
Forschungsergebnisse zeigen eine klare Verbindung zwischen allostatischer Belastung und negativen gesundheitlichen Folgen. Eine systematische Untersuchung von 267 Einzelstudien konnte nachweisen, dass allostatische Belastung mit den folgenden gesundheitlichen Problemen verbunden ist:[9]
BluthochdruckHerz-Kreislauf-ErkrankungenDiabetesChronische ErschöpfungFibromyalgieChronische MigräneFruchtbarkeitsstörungenParodontoseKrebserkrankungenVerschlechterung bestimmter körperlicher Gesundheitsmarker, darunter höhere Entzündungswerte, höherer BMI, erhöhter Cholesterinspiegel, verringerte Knochendichte und NährstoffmängelNeurologische Probleme, darunter auch Verschlechterung der kognitiven FunktionStörungen der mentalen Gesundheit, darunter Depressionen, Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und psychotische StörungenDie Überblicksstudie erwähnt auch, dass hohe allostatische Belastungen mit gesundheitsschädlichen Lebensgewohnheiten wie Schlaf- und Bewegungsmangel, ungesunder Ernährung, Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit sowie Rauchen verbunden sind. Diese Faktoren schaden dem Körper zusätzlich und erhöhen die allostatische Belastung weiter. Stress ist auch eng verbunden mit Darmproblemen wie Reizdarm, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Reflux (gastroösophageale Refluxkrankheit).[10]
Homöostase (normal) → Allostase (Adaption an Stressauslöser) → Allostatische Belastung (gescheiterte Anpassung an Stressauslöser) → Allostatische Überlastung (gesundheitliche Störungen)
Wahrscheinlich sehen Sie jetzt schon, warum es kurzsichtig sein kann, die Symptome isoliert anzugehen, egal, ob es sich um Erschöpfung, Gewichtszunahme, Angstzustände, Schlafstörungen, Autoimmunkrankheiten, Verdauungsprobleme oder Störungen des hormonellen Gleichgewichts handelt. Alle diese Symptome sind nur Ergebnisse bzw. Manifestationen eines größeren Problems, das sich seit Jahren aufbaut.
Wahre Heilung packt das Problem an der Wurzel, nämlich an der Geist-Körper-Verbindung. Es geht darum, Ihre Widerstandskraft zu stärken, anders gesagt: Ihre Fähigkeit, mit alltäglichen Stressauslösern emotionaler und körperlicher Art umzugehen. Und genau dabei sollen Ihnen die fünf Schritte des Cortisol-Reset-Plans helfen. Sobald diese Stärkung gelingt, kommen Sie von der allostatischen Belastung zurück zur adaptiven Allostase und Homöostase, und Sie können die Symptome von chronischem Stress eliminieren, egal, wie sie sich manifestieren. Und indem Sie die Ihnen zur Verfügung stehende Energie dann wieder für Wachstum, Erhaltung und Reparaturen nutzen, senken Sie auch Ihr Risiko für Krankheiten und vorzeitige Alterung.
Betrachten wir nun einen der Schlüsselfaktoren der Allostase, das Hormon Cortisol – schließlich lesen Sie dieses Buch, um mehr über diesen Stoff zu erfahren. Wir wollen herausfinden, was Cortisol ist, was es tut und warum es eine Doppelrolle spielt, indem es den Körper schützt, ihm aber auch schaden kann.
Cortisol ist ein Hormon aus der Gruppe der sogenannten Glucocorticoide und wird von den Nebennieren gebildet. Wir haben schon gesehen, dass Cortisol, zusammen mit Adrenalin und Noradrenalin, dafür sorgt, dass dem Körper jene Ressourcen zur Verfügung stehen, die er braucht, um wirksam mit einer Bedrohung oder einem Stressauslöser umzugehen. Im Wesentlichen tun diese drei Stoffe das, indem sie die Energieversorgung hochfahren (Glukose und Fettsäuren werden ins Blut ausgeschüttet) und die Immunzellen wie auch die Zytokinproduktion regulieren. Doch Cortisol erfüllt noch viele weitere wichtige Funktionen, die mit der Stressreaktion gar nichts zu tun haben: Es reguliert den Blutdruck, das Gleichgewicht der Elektrolyte (Mineralstoffe wie Natrium und Kalium, die den Flüssigkeitshaushalt, die Signalfunktion der Nerven und die Muskeln unterstützen), den Stoffwechsel, das Immunsystem und vieles mehr. Aller schlechten Presse zum Trotz: Wir brauchen Cortisol – nur die Menge muss stimmen.
Wenn wir die Wirkung von Cortisol besser verstehen wollen, ist es nützlich zu wissen, dass der Körper dieses Hormon auf zweierlei Weise produziert: nach einem festen täglichen Muster und ad hoc als Reaktion auf Stress. Was das tägliche Muster angeht, so befindet sich der Cortisolspiegel bei gesunden Menschen beim Aufwachen auf seinem Höchststand und sinkt dann über den Tag hinweg stetig ab. In der Nacht ist der Spiegel am niedrigsten.
Morgens: Der Cortisolspiegel steigt normalerweise in den frühen Morgenstunden an und erreicht kurz nach dem Erwachen seinen Höchststand, typischerweise zwischen 6 und 9 Uhr morgens. Wir sprechen hier von der Cortisolaufwachreaktion (CAR), die uns mit ausreichend Energie für den Beginn des Tages versorgt.Tagsüber: Über den Tag hinweg sinkt der Cortisolspiegel allmählich ab, kann aber (als Reaktion auf Stress) wieder ansteigen, um die Homöostase aufrechtzuerhalten.Abends: Der Cortisolspiegel sinkt weiterhin ab und erreicht seinen Tiefststand während der Nacht. Das ist wichtig, damit Melatonin ausgeschüttet werden kann, das den Körper auf den Schlaf vorbereitet.Dieses Muster wiederholt sich alle 24 Stunden, im Einklang mit der inneren Uhr des Körpers. Wir sprechen hier auch vom »zirkadianen Rhythmus«. Das ist auch der Grund, warum ausreichend Sonnenlicht und eine Regulierung des zirkadianen Rhythmus von so entscheidender Bedeutung für eine optimale Cortisolproduktion sind. Wir werden das später in Schritt 3 (Regulierung des zirkadianen Rhythmus) noch genauer betrachten.
Zusätzlich zum festen täglichen Rhythmus wird Cortisol wie gesagt auch ad hoc ausgeschüttet, wenn es darum geht, auf Bedrohungen und Stressauslöser zu reagieren. Werden diese Stressauslöser allerdings chronisch oder wirken dauerhaft auf uns ein, dann ist der Cortisolspiegel zu jeder Tageszeit erhöht. Und wenn das einige Zeit lang so bleibt, passt sich der Körper allmählich an, um sich vor den Schäden zu schützen, die entstehen können, wenn dieses mächtige Hormon längere Zeit erhöht ist. Eine solche Anpassungsreaktion ist eine Senkung der Cortisolsensibilität, eine andere die Veränderung der Feedbackschleifen, die die Ausschüttung von Cortisol steuern. Alles mit dem Ziel, die schädliche Wirkung von zu viel Cortisol abzupuffern. Mit der Zeit können jedoch genau diese Anpassungen zu einer Fehlfunktion der HPA-Achse führen, sodass die Cortisolproduktion komplett gestört wird. Das Ergebnis sind dann verschiedene cortisolbedingte Symptome.[11]
So kann es sein, dass der Cortisolspiegel den ganzen Tag erhöht ist, sodass Sie sich überdreht und gereizt fühlen, ständig von einer Aufgabe zur anderen hetzen und nachts nicht mehr zur Ruhe kommen. In der Folge kann es zu Anpassungen der HPA-Achse kommen, durch die die Cortisolausschüttung zu bestimmten Zeiten höher oder auch niedriger ist. Dann fühlen Sie sich am späten Abend energiegeladen, zu einer Zeit also, in der Sie eigentlich schläfrig sein sollten. Oder Sie wachen erschöpft und kraftlos auf. Schließlich kann die Fehlregulation so weit gehen, dass der Körper nur noch gedämpft auf Cortisol reagiert und/oder dass der Cortisolspiegel extrem niedrig ist. Mit der Folge, dass Sie sich chronisch erschöpft fühlen und unfähig, mit neuen Stressauslösern umzugehen.
Eine dauerhafte Fehlregulation der HPA-Achse steht in Verbindung mit zahlreichen Gesundheitsproblemen, von Burn-out-Symptomen über emotionale oder körperliche Erschöpfung und kognitive Probleme bis hin zu körperlichen Gesundheitsstörungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Fettleibigkeit, aber auch mentalen Gesundheitsproblemen wie Depressionen oder Angststörungen.[12]
Erhöhte Cortisolspiegel stehen in Verbindung mit Osteoporose, Bluthochdruck, Diabetes, Infektanfälligkeit und Depressionen.[13]
Niedrige Cortisolspiegel stehen dagegen in Verbindung mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom, chronischen Schmerzen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Depressionen und Schwierigkeiten, mit körperlichen und emotionalen Stressauslösern umzugehen.[14] Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass Cortisol eine entscheidende Rolle bei der Regulation von Energiezufuhr, Entzündungs- und Immunreaktionen spielt.
Sie fragen sich vielleicht, ob man eine stressbedingte Fehlregulation der HPA-Achse testen kann. Tatsächlich kann man die Ausschüttung von Cortisol und einem Hormon namens Dehydroepiandrosteron (DHEA) testen. DHEA wird ebenfalls von den Nebennieren produziert, und die Balance von Cortisol und DHEA ist wichtig für die Gesundheit der Nebennieren. Ein solcher Test wird in der klassischen Medizin aber nicht routinemäßig durchgeführt, sondern kommt nur dann zum Einsatz, wenn der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, z. B. die Addison-Krankheit oder das Cushing-Syndrom (mehr dazu später). In der funktionellen Medizin werden solche Tests aber durchgeführt, und es gibt auch die Möglichkeit, den Test zu Hause selbstständig durchzuführen. Einige Hinweise dazu finden sich in Anhang A. Ich muss aber gleich dazusagen, dass solche Tests teuer und auch nicht überall verfügbar sind.
In Kapitel 3 stelle ich deshalb zwei Fragebögen vor, die Ihnen helfen können, Ihre Symptome besser einzuschätzen und herauszufinden, ob Ihr Cortisolspiegel eher erhöht ist (ein Hinweis auf chronischen Stress im Frühstadium) oder zu niedrig (ein Hinweis auf chronischen Stress, der schon länger anhält und mit einer Fehlfunktion der HPA-Achse verbunden ist). Diese Fragebögen sind nicht so präzise wie Labortests, doch ich habe festgestellt, dass sie meinen Klienten durchaus nützlich sind. Deshalb glaube ich, dass Sie auch Ihnen wertvolle Einsichten liefern können. Denn wenn Sie wissen, ob Ihr Cortisolspiegel erhöht oder zu niedrig ist, können Sie unter den Empfehlungen in Teil 2 (Fünf Schritte) diejenigen ansteuern, die für Sie sozusagen maßgeschneidert sind.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass eine stressbedingte Fehlfunktion der HPA-Achse nicht dasselbe ist wie die seltenen Krankheiten Cushing-Syndrom (erhöhter Cortisolspiegel) und Addison-Krankheit (zu niedriger Cortisolspiegel). Das Cushing-Syndrom tritt auf, wenn ein gutartiger Tumor der Hypophyse, ein sogenanntes Hypophysenadenom, für eine vermehrte Ausschüttung des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) sorgt. Das hat die Folge, dass die Nebennieren zu viel Cortisol produzieren. Beim Cushing-Syndrom kann das überschüssige Cortisol sowohl von außen als auch von innen kommen, also z. B. durch die Einnahme cortisonhaltiger Medikamente oder durch einen Tumor der Hypophyse bzw. der Nebennieren. Bei der Addison-Krankheit (auch bekannt als »primäre Nebenniereninsuffizienz«) sind die Nebennieren nicht in der Lage, ausreichend Cortisol zu bilden. Diese Krankheit kann verschiedene Ursachen haben, heutzutage ist sie meistens durch Autoimmunreaktionen begründet. Beide Krankheiten treten relativ selten auf, sind aber so ernste Störungen, dass sie eine lebenslange ärztliche Behandlung erfordern.
Ich hoffe, inzwischen verstehen Sie gut, was Ihr Nervensystem alles tut, um Sie zu schützen und am Leben zu erhalten, und wie Ihr Gehirn ständig den Input seiner inneren und äußeren Umgebung abcheckt, um Sie auf mögliche Bedrohungen und die entsprechende Reaktion vorzubereiten. Sie haben auch gesehen, welche Veränderungen Ihr Körper vornimmt (Allostase), wenn er eine Bedrohung identifiziert, sei sie nun real oder nur in der Vorstellung existent – die Stressreaktion. Und Sie wissen, dass diese allostatischen Veränderungen wunderbar funktionieren, wenn es um akute, kurzfristige Stressauslöser geht, aber durchaus schädlich sein können, wenn sie ständig nötig werden. Dann führen sie zu einer allostatischen Belastung – einer Belastung, die der Stress Körper und Geist auferlegt und die zu körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen führen kann. Löst sich der Stress nicht auf, dann nimmt der Körper weitere Anpassungen vor, die eine Fehlregulation verschiedener Systeme zur Folge haben können.
Sie sind noch da? Schön! Im nächsten Kapitel tauchen wir tief in die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber ein, was in Ihrem Körper passiert. Dann geht es mit den Fragebögen und mit dem schrittweisen Plan weiter, der Sie darin unterstützen kann, die Auswirkungen von chronischem Stress zurückzufahren.
In der Mitte der Schwierigkeit liegt die Möglichkeit.
Albert Einstein
Im ersten Kapitel haben wir gesehen, dass Stressauslöser grob in zwei Gruppen eingeteilt werden können: wahrgenommene (psychische) und körperliche Stressauslöser. Jetzt wollen wir einen Schritt weitergehen.
In seinem Buch The Role of Stress and the HPA Axis in Chronic Disease Management teilt Thomas Guilliams, PhD, die zahlreichen internen und externen Bedrohungen für die HPA-Achse in vier Hauptkategorien ein:[15]
Empfundener Stress (emotional und psychisch)Störungen des zirkadianen RhythmusSchwankungen des Blutzuckerspiegels (glykämische Fehlregulation)Entzündungen (Entzündungssignale)Eines der wichtigsten Ziele des Cortisol-Reset-Plans besteht darin, jede dieser Kategorien anzusprechen und zu begrenzen, sodass Sie aufhören können, begrenzte Ressourcen für den Umgang mit unnötigen Bedrohungen zu verwenden. Indem wir unnötige Bedrohungen reduzieren, hört die Verschwendung von Ressourcen auf, und Sie können Ihre Energiereserven, Ihr »Budget« sozusagen, aufsparen. Das macht es Ihnen möglich, in Ihrem Alltag normal zu funktionieren, und Ihrem Körper bleibt genug Energie, um den Organismus zu erhalten und zu reparieren. Außerdem gelingt es Ihnen so, die Stressreaktionwenn nötig zu managen, um die Homöostase aufrechtzuerhalten, und dies, ohne in maladaptive Zustände zu geraten. Das Ergebnis: Ihre Zellen, Organe und Systeme funktionieren optimal, und letztlich bauen Sie genau die Widerstandskraft auf, die Sie brauchen, um gesund zu leben und sowohl vorzeitiger Alterung als auch Krankheiten vorzubeugen.
Es kann nicht unser Ziel sein, sämtlichen Stress zu eliminieren. Vielmehr geht es darum, unnötigen Stress zu eliminieren, sodass Sie Ihre Energiereserven aufbauen können und widerstandsfähiger werden.
Schauen wir uns also die vier Kategorien genauer an.
Wie wir gesehen haben, ist empfundener Stress die »traditionelle« Form von Stress, die wir am stärksten spüren. Er wird durch psychische oder emotionale Stressauslöser verursacht, die antizipatorisch sind und sowohl real als auch eingebildet sein können. Gemeint sind hier Dinge wie Sorgen, Ängste, Grübeleien, Furcht, Panik, Hoffnungslosigkeit und Kontrollverlust.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie müssen gleich eine Präsentation vor fünfzehn Kolleginnen und Kollegen halten. Ihr Gehirn schätzt die Situation ein und vergleicht sie mit früheren Erfahrungen, um eine mögliche Bedrohung vorhersagen zu können. Sollten Sie in Ihrer Kindheit nie ein Problem damit gehabt haben, vor anderen Leuten zu sprechen, dann ist diese Situation für Sie nicht bedrohlich. Doch wenn Sie als Kind ausgelacht wurden, weil Sie in einer solchen Situation ins Stottern gerieten, dann assoziiert Ihr Gehirn ähnliche Situationen (und eben auch die aktuelle Präsentation) mit dem Gefühl von Peinlichkeit und Versagen, das Sie damals empfunden haben. Und schon betrachtet es die heutige Präsentation als Bedrohung. Die Folge: Ihr Puls beschleunigt sich, Sie atmen flacher, Sie schwitzen und wollen am liebsten davonlaufen (Kampf oder Flucht). Kurz: Ihr Geist hat die Stressreaktion ausgelöst.
Doch gibt es hier tatsächlich eine Bedrohungslage? Möglich ist das, aber es besteht durchaus eine gute Chance, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen reife Erwachsene sind, die Sie nicht auslachen und sich auch sonst nicht über Sie lustig machen, wenn Sie während einer Präsentation einmal ins Stottern geraten. Mit anderen Worten: In diesem Fall war die Aktivierung der HPA-Achse und der Stressreaktion vermutlich reine »Verschwendung«, weil sich die Bedrohung niemals materialisiert hat.
Unglücklicherweise spielen psychische Stressauslöser eine (wenn nicht die) Hauptrolle bei der Entstehung von chronischem Stress und einer Fehlregulierung der Cortisolausschüttung. Wir Menschen verfügen nun mal über hoch entwickelte kognitive Fähigkeiten und sind sehr gut darin, uns unglaublich detailreich potenzielle Zukunftsszenarien vorzustellen – und das heißt auch: Worst-Case-Szenarien. Das tun wir, weil unser Gehirn Unsicherheit vermeiden will und alles tut, um ein gewisses Gefühl von Kontrolle zu bewahren. Da es gern »wissen« will, was passiert, bereitet es uns oft auf den schlimmstmöglichen Fall vor. Doch unser Körper reagiert leider auf derartige Szenarien in unserem Kopf genauso wie auf das, was in der Realität passiert. Die Sorge, einen Zug womöglich zu verpassen, macht genauso viel Stress wie das tatsächliche Ereignis.
Empfundene Stressauslöser stehen oft in Verbindung mit sozialer Interaktion, aber auch mit Geldsorgen, Arbeit, Phobien aller Art, Informationsüberlastung und unbearbeiteten Traumata. Jede und jeder von uns reagiert unterschiedlich auf diese Stressauslöser, weil die Reaktion unseres Gehirns von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, darunter frühere Erfahrungen (vor allem während der Kindheit), Traumata, die genetische Disposition, das Gleichgewicht von Neurotransmittern im Gehirn (also von Botenstoffen, die Stimmung, kognitive Fähigkeiten und Stressreaktionen steuern), der generelle Stresslevel und die Wahrnehmung eines bestimmten Stressauslösers als mehr oder weniger »kontrollierbar«.[16]
Schauen wir uns nun an, wie Trauma und chronischer Stress
