Der Cowboy & der Schreibtischhengst - S.C. Wynne - E-Book

Der Cowboy & der Schreibtischhengst E-Book

S.C. Wynne

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Beschreibung

Paul Smith mag seinen Taschenrechner lieber als Menschen. Menschen findet er anstrengend, im Gegensatz zu Zahlen, die ihn nie enttäuschen. Und so hat er den passenden Job im Kreditunternehmen seines Vaters. Nach einer schweren Krankheit verwandelt sich Pauls Vater allerdings plötzlich in einen mitfühlenden Wohltäter und Paul, dem jahrzehntelang rücksichtslose Geschäftspraktiken eingetrichtert wurden, ist von den neuen Ideen seines Vaters überhaupt nicht begeistert. Cort Callahan lebt und arbeitet auf der Ranch seines Großvaters. Als der mit den Zahlungen für ein Hypothekendarlehen in Rückstand gerät, beschließt Pauls Vater, den beiden Männern mit einer unorthodoxen Idee wieder aus den Schulden herauszuhelfen. Und so sind Paul und Cort auf einmal gezwungen, eng zusammenzuarbeiten. Aber was noch viel erstaunlicher ist – sie fühlen sich zueinander hingezogen. Allerdings vertraut Paul sein ganzes Leben lang nur Zahlen und Kalkulationen. Und egal, wie sehr er Cort will – wenn man die beiden grundverschiedenen Männer addiert, kommt dabei am Ende kein sinnvolles Ergebnis heraus.

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Seitenzahl: 352

Veröffentlichungsjahr: 2019

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S.C. Wynne

Der Cowboy und der Schreibtischhengst

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2018

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe:  The Cowboy and the Pencil Pusher

Übersetzung: Mia Rusch

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Tony – fotolia.com

© VG stockstudio – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-261-8

ISBN 978-3-96089-262-5 (epub)

Inhalt:

Paul Smith mag seinen Taschenrechner lieber als Menschen. Menschen findet er anstrengend, im Gegensatz zu Zahlen, die ihn nie enttäuschen. Und so hat er den passenden Job im Kreditunternehmen seines Vaters.

Nach einer schweren Krankheit verwandelt sich Pauls Vater allerdings plötzlich in einen mitfühlenden Wohltäter und Paul, dem jahrzehntelang rücksichtslose Geschäftspraktiken eingetrichtert wurden, ist von den neuen Ideen seines Vaters überhaupt nicht begeistert.

Cort Callahan lebt und arbeitet auf der Ranch seines Großvaters. Als der mit den Zahlungen für ein Hypothekendarlehen in Rückstand gerät, beschließt Pauls Vater, den beiden Männern mit einer unorthodoxen Idee wieder aus den Schulden herauszuhelfen.

Und so sind Paul und Cort auf einmal gezwungen, eng zusammenzuarbeiten. Aber was noch viel erstaunlicher ist – sie fühlen sich zueinander hingezogen.

Allerdings vertraut Paul sein ganzes Leben lang nur Zahlen und Kalkulationen. Und egal, wie sehr er Cort will – wenn man die beiden grundverschiedenen Männer addiert, kommt dabei am Ende kein sinnvolles Ergebnis heraus.

Kapitel Eins

„Oh, Scheiße“, fluchte ich. Ich war mitten in einen Haufen Pferdemist getreten. Und das mit meinen Stiefeletten von Louis Vuitton!

„Wortwörtlich“, schnaubte Benji.

Ich hob mein Bein und versuchte, den Dreck abzuschütteln. „Das ist eklig.“

„Was hast du dir dabei gedacht, die hier auf einer Ranch zu tragen?“ Benji schüttelte den Kopf. Sein breites Grinsen half nicht gerade dabei, meinen Unmut zu verringern.

„Das sind die einzigen Stiefel, die ich besitze“, sagte ich unwirsch. Dann streifte ich meinen Schuh am Kies ab und versuchte alles abzukratzen, was noch daran haftete. „Man sollte doch an einem Ort wie diesem Stiefel tragen.“

„Du hättest im Auto bleiben sollen.“ Benji verdrehte die Augen. „Ich habe dir ja gesagt, ich schaffe das schon.“ Er beäugte meinen wadenlangen Kaschmirmantel mit einem Schmunzeln. „Du siehst aus, als würdest du direkt von einem Fotoshooting für Herrenmode kommen.“

„Halt die Klappe.“

„Ich meine ja nur …“

„Du warst schon zweimal hier und es hat sich nichts zum Besseren verändert. Wenn ich will, dass etwas erledigt wird, muss ich es offensichtlich selbst tun“, knurrte ich, wirbelte herum und wollte weitergehen. Die Worte hatten kaum meine Lippen verlassen, als ich mit einem lauten ‚Uff‘ in jemanden hineinlief. Die Kraft des Zusammenstoßes ließ mich taumeln, sodass ich mit dem Gesicht voran einem Metallzaun entgegenstürzte, doch bevor ich dagegenprallen konnte, griff jemand nach mir. Kräftige Finger bohrten sich in meine bloße Haut und ich landete mit dem Gesicht voran an einer muskulösen Brust.  

„Huch, sind Sie okay?“ In der rauchigen Stimme, die direkt an mein Ohr murmelte, schwang eindeutig ein Südstaaten-Akzent mit.

Sprachlos hielt ich mich an dem ausgeprägten Bizeps desjenigen fest, der mich davor bewahrt hatte, gegen das Geländer zu krachen. Als ich nach oben sah, starrte ich in die klarsten blauen Augen, die ich je erblickt hatte. Sie erinnerten mich an den Perito-Moreno-Gletscher, den ich letztes Jahr im Urlaub in Argentinien gesehen hatte.

„Hab ich Ihnen wehgetan?“ Der Mann trug einen schwarzen Cowboy-Hut und starrte mich an, als wäre ich eine Porzellanpuppe, die von einem Bücherregal gefallen war. Seine Stimme war tief, maskulin, und ließ mich erschaudern. Nach seinen anfänglichen Fragen klopfte er mir höflich auf die Schulter. Dann blickte er mich ungerührt und schweigend an. Ich löste mich von ihm und räusperte mich peinlich berührt. „Mir geht‘s gut.“ Er starrte immer noch. „Danke.“

„Kein Problem.“

„Ich habe Sie nicht gesehen.“ Mit glühenden Wangen rückte ich mir die Krawatte zurecht. „Ich bin in etwas hineingetreten und das hat mich abgelenkt.“

Als er meine Stiefel anstarrte, schürzte er die Lippen. „Ach“, meinte er und runzelte die Stirn. „Die sind nicht gerade angemessen für eine Ranch.“

„Oh, Sie nicht auch noch“, sagte ich brüsk. „Ich versichere Ihnen, das sind Stiefel. Die Beschreibung im Katalog war ziemlich deutlich.“

Er hob eine Augenbraue.

Benji räusperte sich. „Hallo nochmal, Cort.“ Er gestikulierte in meine Richtung, als er den Cowboy ansprach. „Das ist Paul Smith. Ich habe Ihnen gesagt, dass er vielleicht irgendwann mitkommt, wissen Sie noch?“

„Howdy.“ Cort gab Benji die Hand und streckte sie dann mir entgegen.

Ich zögerte und hätte schwören können, dass seine Lippen zuckten.

„Ich beiße nicht“, sagte er sanft.

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Ich streckte ihm meine Hand entgegen. Er griff danach und hielt sie länger fest als erwartet, bevor er sie wieder losließ. Ich ignorierte das Flattern in meinem Magen, das seine Berührung hervorgerufen hatte.

Reiß dich zusammen. Jesus, du hast schon öfter gutaussehende Männer getroffen.

„Was ist heute los?“ Benji stand auf den Zehenspitzen und betrachtete das Meer von Menschen, die sich um die Zäune drängten. „Steigt hier eine Party?“

Cort musterte mich mit neugierigem Gesichtsausdruck, als er Benji antwortete. „Wir machen ein kleines Rodeo für die Angestellten und ihre Familien. Nur zum Spaß.“

„Klingt teuer.“ Ich hielt seinem Blick stand.

„Keine Ahnung. Ich bin nicht für die Finanzen verantwortlich“, sagte Cort.

„Ist Marty im Wohnwagen?“ fragte Benji beiläufig.

Corts Augen verhärteten sich. „Er fühlt sich heute nicht gut.“

Benji zögerte. „Oh, ähm …“ Sein flüchtiger Blick streifte mich. „Vielleicht sollten wir ein anderes Mal wiederkommen.“

Ich zog eine finstere Miene. „Blödsinn. Wie krank kann Marty sein, dass er nicht einige Minuten für uns übrig hat?“, fragte ich und musterte Cort, der die Lippen aufeinanderpresste.

„Mein Großvater ist kein junger Mann mehr. Gibt es etwas, mit dem ich Ihnen weiterhelfen kann?“

„Nicht, wenn Sie sich nicht um die Finanzen kümmern.“ Ich wandte mich Benji zu. „Du hast mit Marty gesprochen, richtig? Marty Callahan?“

„Ich hab’s versucht“, sagte Benji und musterte Cort mit gesenkten Brauen. „Aber er ist nie zu sprechen.“

Ich seufzte und begegnete Corts kühlem Blick. „Sehen Sie, ich weiß, dass das unangenehm ist, aber wir müssen mit Ihrem Großvater über eine wichtige geschäftliche Angelegenheit sprechen.“

„Was gibt es da zu bereden?“ Cort nahm seinen Hut ab und fuhr sich mit einem schroffen Lachen durch die dunklen Haare. „Die Zeiten sind hart, und wir tun unser Bestes.“ Er setzte den Hut entschlossen wieder auf.

„Ich dachte, Sie hätten mit den finanziellen Angelegenheiten nichts zu tun?“

„Habe ich auch nicht. Aber ich bin nicht blind. Ich kann am Gesicht meines Großvaters erkennen, dass er gestresst ist. Man muss kein Genie sein, um zwei und zwei zusammenzuzählen und auf die Idee zu kommen, dass es etwas mit der finanziellen Situation zu tun hat.“

Eine Staubwolke wehte vorbei. Ich hustete und wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. „Es muss doch einen zivilisierteren Ort geben, an dem wir uns unterhalten können?“

Cort zuckte mit den Schultern und nickte. „Mir nach.“ Er wandte sich um und ging mit langen Schritten voran. Ich musste mich beeilen, um mit ihm mitzuhalten. Wir kamen an einem Zelt vorbei, wo Familien rosa Zuckerwatte verschlangen und lachten, als hätten sie keinerlei Sorgen. Widerwillig musste ich ihre Fähigkeit bewundern, sich in diesem Moment zu verlieren und ihre wahrscheinlich trostlosen Leben zu vergessen. Herrgott nochmal, sie lebten am Arsch der Welt in Colorado! Was gab es denn da für einen Grund zur Freude?

Schließlich kamen wir zu einem Wohnwagen, der aussah, als hätte er seine besten Tage bereits hinter sich. Cort führte uns die klapprigen Stufen hinauf und dann ins Innere. Der kleine Raum roch nach altem Lack und Tabak. Es gab eine Metallspüle und einen Küchentisch mit orange-rot gestreiften Sitznischen am hinteren Ende. Auf der windschiefen Tischplatte befanden sich Papierstapel und ein Desktop-Computer. Cort gestikulierte in Richtung der schmuddeligen Bänke und ich schüttelte den Kopf.

„Ich stehe lieber.“ Argwöhnisch beäugte ich den Wohnwagen. Er sah aus wie die perfekte Kulisse für einen Horrorfilm. Es roch muffig und ich fragte mich unwillkürlich, ob vielleicht jemand eine Leiche in einem der Gepäckfächer versteckt hatte.

„Mein Großvater hat hier sein Büro.“ Cort wirkte nicht unbedingt viel begeisterter über den Ort als wir. „Er ist etwas festgefahren in seinen Gewohnheiten“

„Alte Menschen, was?“, fragte Benji mit einem Grinsen und verzog das Gesicht, als er die Unordnung betrachtete.

Cort blickte stirnrunzelnd auf die Papierstapel am Tisch. „Seine Buchführung ist nicht die beste.“

„Wussten Sie, dass Ihr Großvater mit den Zahlungen für sein Hypothekendarlehen im Rückstand ist?“

Cort zog seine dunklen Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. „Ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung ist, aber er redet nicht gerne über Geld.“

Ich räusperte mich. „Er ist fünf Monate im Rückstand.“

Cort knabberte an seiner Unterlippe. Eine Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet. „Ehrlich, ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass er krank ist. Ich kann ihm sagen, dass Sie vorbeigekommen seid, aber er kann keinen Besuch empfangen.“

„Oh, also schön, richten Sie ihm einfach aus, dass wir da waren“, meinte Benji fröhlich und drehte sich zur Tür.

„Warte“, sagte ich, blickte meinen Arbeitskollegen finster an und wandte mich wieder an Cort. „Wir verschwinden nicht einfach unverrichteter Dinge wieder. So funktioniert das nicht.“

Cort seufzte tief und hob die Schultern. „Aus einer leeren Kasse ist nichts zu holen.“

„Aber sicher doch. Sie können die Kasse zwangsversteigern lassen und sie dem Höchstbietenden verkaufen. So können Sie zumindest ein bisschen Geld wieder hereinholen.“

Cort zog eine finstere Miene. „Das ist eine arschige Aussage.“

Die Abscheu in seiner Stimme ließ meine Wangen heiß prickeln. „Wir sind ein Kreditunternehmen, keine Kirche.“

Er ließ seinen Blick über meinen teuren Mantel schweifen und schüttelte den Kopf. „Was weiß ein Städter schon über die Führung einer Ranch?“

„Nichts. Aber mit Zahlen kenne ich mich aus.“

Benji nickte. „Er ist ganz verrückt nach Zahlen.“

Cort wirkte unbeeindruckt. Er schien nicht zu verstehen, dass ich genauso wenig hier sein wollte, wie er mich hier haben wollte. Ich spähte aus dem Fenster. Draußen führte gerade ein junges Mädchen ihr Pferd vorbei und blieb stehen, da das Tier einen Haufen Pferdeäpfel neben den Wohnwagen setzte.

Jesus, bring mich aus diesem Höllenloch hier raus, bitte.

Ich atmete tief durch und begann mit meiner üblichen Leier. „Ihr Großvater hat einen Vorteil. Er hat den Kredit von meiner Familie bekommen, nicht von einer riesigen Firma. Wir mögen es eigentlich nicht so gerne, Leuten ihr Zuhause wegzunehmen. Es wäre uns lieber, wenn Sie einfach wieder beginnen könnten, zu zahlen.“ Ich fragte mich, ob er das Desinteresse in meiner Stimme hören konnte.

„Das wäre uns auch lieber“, sagte Cort leise.

Ich blickte hinunter zu meinen dreckigen Schuhen. „Es wäre schön, wenn wir die Sache so schnell wie möglich erledigen könnten.“ Ich würde es immer bevorzugen, irgendwo zu sein, wo nicht die Möglichkeit bestand, in Tierexkremente zu treten.

„Deine Schuhe nehmen wir auf der Rückfahrt zum Motel im Kofferraum mit“, sagte Benji und kicherte. „Ich kann sie sogar von hier aus riechen.“

Ich zog ein seidenes Taschentuch hervor und presste es an meine Nase. „Ich habe das dumpfe Gefühl, dass es hier immer so riecht.“ Als ich zur Tür ging, achtete ich darauf, dass mein Mantel gegen nichts streifte. „Sagen Sie Ihrem Großvater, er soll mich heute Abend oder morgen so früh wie möglich anrufen. Es wird kein gutes Ende nehmen, wenn er weiterhin versucht, uns auszuweichen.“

„Ich werd’s ihm sagen. Aber er kann ein sturer alter Esel sein.“ Cort folgte mir nach draußen, und als das Sonnenlicht auf sein Gesicht fiel, beeindruckte mich seine ungewöhnliche Augenfarbe erneut.

Ein seltener Anflug von Mitleid für Cort und seine Situation stieg in mir auf. Mein Vater war die meiste Zeit ein starrköpfiges Arschloch, und ich wusste, dass es nicht einfach war, zu so jemandem durchzudringen. „Überzeugen Sie Ihren Großvater, wenigstens mit uns zu reden. Wir haben ein Angebot für ihn, das seine Ranch vielleicht retten könnte. Aber wenn er weiterhin den Kopf in den Sand steckt, wird er sein Land verlieren, und alles, was er sich erarbeitet hat.“

„Sie meinen wirklich, dass Sie ihm helfen könnten?“ Cort hob eine Augenbraue und wirkte skeptisch.

„Ich glaube schon.“

Benji lehnte sich zu Cort hinüber. „Paul mag zwar nicht warmherzig und umgänglich sein, aber er ist gut in dem, was er tut“, erklärte er. „Wenn Sie ihren Großvater davon überzeugen, mit uns zu kooperieren, kann Paul seine Magie spielen lassen.“

„Ich werde mein Bestes geben“

Wir schüttelten uns die Hände. Wieder lösten das Gefühl seiner warmen Haut und der saubere, holzige Geruch seines Aftershaves ein Flattern in meinem Magen aus. Ich zog meine Hand schnell weg und steckte sie in die Tasche. Cort kniff die Augen zusammen, sagte aber nichts.

Ich sprach weiter, wenn auch nur, um mich von seinem Blick abzulenken. „Die Zeiten verändern sich. Es ist heutzutage schwer, mit einer Viehranch Profit zu machen, weil die Einkünfte nur von den Tieren abhängig sind. Wenn Ihr Großvater ein vernünftiger Mann ist, besteht Hoffnung, dass wir ihm dabei helfen können, wieder schwarze Zahlen zu schreiben.“

„Klingt gut.“

Ich zuckte zusammen, als ein als Rodeo-Clown verkleideter Teenager an mir vorbeihastete und dabei leicht mit mir zusammenstieß. Kopfschüttelnd verzog ich das Gesicht. „Jesus.“

„Keine Sorge. Er wird Ihnen nicht wehtun.“ Cort grinste.

„Was?“ Ich runzelte die Stirn und blickte in die Richtung, in die der Clown verschwunden war. „Nein. Ich habe keine Angst. Er ist in mich reingelaufen“, beschwerte ich mich und richtete mich mit geschwellter Brust auf.

„Sie müssen sich deshalb nicht schlecht fühlen. Viele Leute gruseln sich vor Rodeo-Clowns.“

Mein Gesicht wurde warm. „Sie machen wohl Witze. Ich bin in den Alpen Schi gefahren und auf Fidschi mit Haien geschwommen. Ich denke, ein Kind in Pluderhosen mit roter Pappnase kann ich schon aushalten.“

„Mhm.“ Er schürzte die Lippen.

„Ich habe keine Angst vor Clowns“, knurrte ich.

Corts Augen funkelten amüsiert. „Sicher. Was auch immer Sie sagen.“

„Vielleicht hast du Angst, er könnte dich mit einem Luftballontier erwürgen“, führte Benji den Spaß fort und erntete dafür einen bösen Blick von mir. „Oder auch nicht.“

Ich versuchte, meinen Ärger zu verbergen und wandte mich an Cort. „Bringen Sie Ihren Großvater dazu, mich anzurufen“, sagte ich und reichte ihm meine Visitenkarte. Er drehte sie für eine Sekunde zwischen den Fingern, bevor er sie in seine Jeanstasche steckte.

„Klar doch.“ Cort tippte sich an den Hut und sah aus, als würde er ein Lachen unterdrücken, als er sich abwandte. „Vielleicht gehen Sie durch den West-Eingang raus, statt den zu benutzen, durch den Sie gekommen sind. Der führt nämlich direkt am Clown-Zelt vorbei.“

Ich presste meine Lippen fest aufeinander und zog Benji hinter mir her, wobei ich Corts heiseres Glucksen ignorierte.

Kapitel Zwei

Marty rief mich am nächsten Tag früh am Morgen an. Er fühlte sich immer noch nicht gut genug für ein Treffen, willigte aber ein, mir seine Finanzunterlagen zur Verfügung zu stellen. Ich schickte Benji, um den Papierkram abzuholen. Nachdem ich Seiten um Seiten an Quittungen und Buchhaltungstabellen durchforstet hatte, brannten mir die Augen. Eine Sache ergab sich aus meinen stundenlangen Recherchen: Die Ranch war finanziell so ausgeblutet wie ein Hämophilie-Patient auf Blutverdünnern.

Als Benji einige Stunden später mit Kaffee in mein Motelzimmer zurückkehrte, hätte ich ihn küssen können. „Hey, Boss. Wie sieht’s aus?“, fragte er.

Ich nahm meine Lesebrille ab und griff nach dem Becher, den er mir anbot. „Diese Ranch verschlingt jeden Monat viel mehr, als sie einbringt“, sagte ich, rieb mir die Augen und lehnte mich in meinem Sessel zurück.

„Ist das nicht meistens das Problem?“

Ich nickte und schlürfte mein heißes Getränk. „Ich muss es irgendwie schaffen, ein Treffen mit Marty zu organisieren.“

„Er kann nicht für immer krank sein.“

Ich tippte leicht gegen meinen Becher und versuchte, mein weiteres Vorgehen zu planen. „Sie hätten alles Nötige, um die Sache zum Laufen zu bringen. Zur Hölle, sie haben sogar genug Land, um zu expandieren, wenn sie wollten.“

„Du meinst, wenn sie bei der Idee deines Vaters mitmachen würden, den Schuppen in eine Gästeranch zu verwandeln?“

„Richtig.“ Ich nickte in Richtung meines Computers. „Wenn man sich diese pathetischen Zahlen ansieht, glaube ich nicht, dass sie wirklich eine Wahl haben. Sie können entweder bei unserem Plan mitmachen oder die Ranch verlieren.“

„Cort ist ein echter Cowboy. Ich denke nicht, dass er mit deiner Idee glücklich sein wird“, sagte Benji und lehnte sich gegen den Tisch. „Kannst du ihn dir dabei vorstellen, wie er den ganzen Tag Greenhorns beim Wanderreiten begleitet?“

Ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen. Aber es war nicht mein Problem, wenn Cort nicht willens war, zu kooperieren. Marty war derjenige, den ich von meiner Idee überzeugen musste. „Der Alte muss mir nur zuhören, und die Sache ist geritzt.“

„Ich muss zugeben, in Texas hat es wunderbar funktioniert.“

„Genau. Und es könnte hier auch funktionieren, wenn Marty nicht zu stur ist, um auf die Stimme der Vernunft zu hören.“

Benji räusperte sich. „Ja, ähm … Ich habe nachgedacht. Wenn du mit diesen Leuten sprichst, musst du an deiner Herangehensweise arbeiten.“

Ich runzelte die Stirn. „Inwiefern?“

Benji schnitt eine Grimasse. „Du kommst kalt rüber. So, als würde es dich einen Scheiß interessieren“, sagte er.

Meine Wangen wurden warm und ich warf ihm einen strengen Blick zu. „Ich bin absolut respektvoll. Ich helfe Menschen dabei, ihre Grundstücke zu behalten.“

„Du hilfst deiner Familie dabei, dass ihre Investitionen profitabel bleiben.“

Wo lag denn dabei das Problem? „Ist etwas falsch daran, beides zu tun?“, grummelte ich.

„Nicht unbedingt. Ich meine ja nur, dir fehlt die Finesse. Die Leute würden sicher eher bei deinen Ideen mitmachen, wenn es so wirkt, als wären sie dir nicht egal.“

Ich verschränkte abwehrend die Arme. Eine Sache wusste ich ganz genau: Ich machte meinen Job gut. Und ich konnte es nicht gebrauchen, dass Benji mich verunsicherte. „Es geht um die Abwicklung eines Geschäfts. Warum sollte ich sie verhätscheln?“, fragte ich.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich will damit ja nur sagen, dass du versuchen könntest, etwas verständnisvoller zu wirken.“

„Ich habe aber kein Verständnis. Warum sollte ich? Eine große Bank hätte schon mit der  Zwangsvollstreckung begonnen“, sagte ich unnachgiebig.

„Du hättest schon mit der Zwangsvollstreckung begonnen, wenn dein Vater dich nicht davon abgehalten hätte.“

Ich lehnte mich zu ihm hinüber und sprach eindringlich. „Sie sind fünf Monate im Rückstand. Jede geistig gesunde Person, die Ahnung von finanziellen Dingen hat, würde sich das Grundstück zurückholen. Es hat einen hohen Vermögenswert. Mein Vater spinnt, weil er sich da zurückhält.“

„Schau mal.“ Er zeigte mit dem Finger auf mich und wirkte selbstgefällig. „Genau das wird sie abschrecken. Du solltest versuchen, sie auf deine Seite zu ziehen, und es dir nicht mit ihnen verscherzen, indem du ihnen das Gefühl gibst, dass sie ein Haufen Verlierer sind.“

Mit einem großen Schluck trank ich meinen Becher leer und warf ihn dann in den Mülleimer neben dem Tisch. „Giamonti Investments ist kein verdammter Wohltätigkeitsverein. Mein Vater scheint sich daran nicht zu erinnern.“ Knapp bevor ich zu dieser Reise aufgebrochen war, hatte ich einen heftigen Streit mit meinem Vater gehabt. Ich war nicht in der Stimmung gewesen, den langen Weg nach Bender, Colorado zu fliegen, um schon wieder den Babysitter für einen unzuverlässigen Menschen zu spielen, der seine Rechnungen nicht bezahlen konnte. „Diese Leute hätten sich gar nicht erst Geld leihen sollen“, knurrte ich.

Benji blickte mich finster an. „Paul, ich habe mir die Kreditpapiere angesehen, bevor wir hierhergekommen sind. Marty Callahan hat zwanzig Jahre lang rechtzeitig bezahlt. Du tust so, als hätte er einen Kredit aufgenommen, um das Geld für Stripper ausgegeben. Die Zeiten haben sich verändert und der arme Mann hat Probleme damit, den Kopf über Wasser zu halten. Sei doch kein Unmensch!“

Ich lachte sardonisch. „Kein Unmensch sein? Wirklich? Wenn ich Mitleid mit jedem hätte, der seine Schulden nicht bezahlen kann, würde ich auf der Straße sitzen. Dann hättest du auch keinen Job mehr, Mann!“

„Tja, also, es gibt wichtigere Dinge im Leben als Geld.“

Ich schnaubte. „Nicht, wenn du gerne genug zu essen und ein Dach über dem Kopf hast.“

Er verdrehte die Augen und ging zur Tür. „Ich kapiere nicht, weshalb du so bist. Dein Vater ist so locker.“

Ich wandte ihm den Rücken zu und schlichtete ein paar Dokumente. „Er ist anders, wenn man sein Sohn ist.“

„Wenn ich mir ansehe, in was für einem Haus du lebst und welches Auto du fährst, kann es wohl nicht allzu schrecklich sein, sein Kind zu sein“, sagte Benji und lachte abweisend.

„Ich arbeite für ihn, seit ich sechzehn bin. Er ist erst seit letztem Jahr so warmherzig und umgänglich wie jetzt.“ Ich warf ihm einen kühlen Blick über die Schulter zu. „Wenn du denkst, dass ich ein kaltherziges Arschloch bin – er ist der Grund dafür.“

„Na ja, das mit dem Prostatakrebs hat ihm Angst gemacht. Ich schätze, das kann einen Mann verändern.“ Er zögerte. „Und nur um das klarzustellen, ich habe nicht gesagt, dass du ein Arschloch bist.“

Nein, aber du hast es dir gedacht.

Ich klappte meinen Laptop zu und schaltete die Schreibtischlampe ab. „Er hat mir eingetrichtert, keinen Finger breit nachzugeben. Verdammt, mir gegenüber hat er auch niemals nachgegeben. Und jetzt soll ich mich auf einmal für die Leute interessieren, die für mich nie etwas anderes waren als Zahlen auf einem Kreditdokument?“

Benji seufzte. „Ja. Ich kapiere schon. Du bist nicht derjenige, der fast gestorben wäre. Seine Offenbarung ergibt für dich keinen Sinn.“

„Nein, tut sie nicht“, sagte ich. Mir war beigebracht worden, die Welt mittels Zahlen und Nettowert zu betrachten. Auf einmal hatte mein Vater Gott gefunden und von mir wurde erwartet, mich ihm anzuschließen. „Es ist nicht so, als würde ich gegen ihn rebellieren. Auch wenn ich ihm nicht zustimme – ich bin hier und mache, was er mir aufgetragen hat.“

„Ich weiß.“

„Aber mein Vater geht die Sache nicht logisch an. Wenn Marty seinem Plan zustimmt, müssen wir Geld in diesen Schuppen investieren, um ihn auf Vordermann zu bringen.“

„Das hast du in Texas gemacht, und es hat die Ausgaben für die Kreditsanierung mehr als wieder reingeholt.“

„Hoffentlich läuft es bei diesem Projekt auch so glatt.“ Ich hatte bei dem Texas-Projekt ein riesiges Desaster erwartet. So war es nicht gekommen, doch das hieß nicht, dass das bei diesem Projekt auch so sein würde.

Benji lachte. „Dein Vater hat gesagt, er habe einen Traum, was diese Ranch angeht. So wie bei dem Schuppen in Texas.“

Ich schüttelte den Kopf. „Er und seine Träume.“

„Natürlich kannte ich deinen Vater vor seiner großen Veränderung nicht. Aber der Mann, der er heute ist, der Mann, der mich angestellt hat … er wirkt wie ein anständiger Mensch, der sich wirklich um Leute kümmert.“

„Ich schätze schon.“ Ich wartete immer noch darauf, dass mein alter Herr sich wieder in den gierigen Sklaventreiber zurückverwandeln würde, der mich aufgezogen hatte. Mit der neuen Version meines Vaters kam ich nicht zurecht. Wir hatten überhaupt nichts gemeinsam. Ständig stritten wir uns, weil ich immer noch versuchte, den Job zu machen, für den er mich seit meiner Teenagerzeit vorbereitet hatte.

„Vielleicht wird diese neue Art, Geschäfte zu machen, dir guttun.“ Benji musterte seinen Kaffeebecher mit großem Interesse.

„Wie das?“

„Du lernst vielleicht, Leute als Menschen zu sehen, nicht als Kalkulationstabellen.“ Endlich sah er auf.

Ich erwiderte seinen Blick. „Und das wäre weswegen hilfreich?“, fragte ich und runzelte die Stirn.

Seine Wangen nahmen eine gesunde rosa Farbe an. „Vielleicht könntest du jemanden treffen.“

„Jemanden treffen? Du meinst in romantischer Hinsicht?“ Ich musterte ihn, als hätte er mir einen Schluck Gift angeboten.

Er nickte und seine Wangen wurden noch röter. „In der ganzen Zeit, die ich nun schon für diese Firma arbeite, warst du Single.“

„Und was ist dein Punkt?“

„Wenn du dich mal etwas öffnen würdest und aufhören würdest, Menschen als mathematische Gleichungen zu betrachten, könntest du vielleicht eher eine Verbindung mit anderen herstellen.“ Zumindest hatte er den Anstand, peinlich berührt zu wirken, als er meinem Blick auswich.

„Und warum geht dich das etwas an?“

Er zuckte mit den Schultern. „Du wirkst einsam.“

„Tue ich das?“, fragte ich und lachte. „Ich weiß nicht, warum du das denkst. Ich habe null Interesse daran, einen Freund zu haben. Wenn ich etwas unternehmen will, das mir Spaß macht, muss ich niemandem Bescheid sagen. Das liebe ich. Wenn ich spontan nach Frankreich fliegen will, kann ich das machen.“

„Sicher. Ganz allein.“

„Vertrau mir, für mich ist das etwas Gutes. Ich will keine Kinder. Ich will keinen Hund. Ich brauche nichts von all dem und trotzdem denken Leute wie du, dass ich es wollen sollte.“

Benji hielt die Hände in einer kapitulierenden Geste von sich gestreckt. „Schön. Entschuldige, dass ich es angesprochen habe. Ganz offensichtlich bist du perfekt so, wie du bist.“

„Ich weiß nicht, warum es für Leute wie dich so unmöglich zu verstehen ist, dass ich alleine glücklich bin.“

„Leute wie ich?“

Ich wackelte mit dem Finger in seine Richtung. „Gefühlsduselige Typen wie du.“

„Ahhh. Richtig. Gefühlsduselig.“

„Zahlen sind klar definiert und perfekt. Es gibt keine Raterei, wenn es um Mathematik und Beträge geht. Das liebe ich an meinem Job. Aber jetzt versucht mein Vater, da Barmherzigkeit mit reinzubringen. Wenn du mich fragst, passt das nicht gut zusammen. Mit der Sache in Texas hat er Glück gehabt. Vielleicht wird er auch hier Glück haben. Aber irgendwann werden diese Gefühle zu emotionalem Chaos führen und alles kaputtmachen. Wenn ich du wäre, würde ich darauf achten, mein Pensionskonto ordentlich aufzupolstern. Du solltest eine Menge Erspartes haben Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese ganze Gefühlsduselei Giamonti Investments in den verdammten Ruin treiben wird.“

Kapitel Drei

Man konnte Marty sein Alter ansehen. Tiefe Furchen auf seinen sonnengebräunten Wangen und um seine stechend grauen Augen ließen vermuten, dass er ein hartes Leben gehabt hatte. Ich war froh, dass er endlich zugestimmt hatte, mich im ‚Biscuits and Bacon‘-Café in der Stadt zu treffen. Das Lokal war offensichtlich beliebt, denn es war vollgestopft und laut. Das Geklapper von Geschirr und Besteck erfüllte den Raum, Menschen lachten und unterhielten sich lauthals miteinander. Das Café hatte einen gewissen kitschigen Charme. Statt Tischen gab es Wagenräder, auf denen Glasplatten lagen, und die Kellnerinnen trugen rot-weiß karierte Kleider, die an Tischtücher erinnerten.

Cort war mitgekommen. Er wirkte entspannt, als er sich in seiner Sitznische zurücklehnte. Sein Hemd passte zu seinen Augen, und er lächelte, als ich auf ihn zukam. „Ich würde ja aufstehen, aber es hat zehn Minuten gebraucht, meine Beine unter diesen Tisch zu quetschen“, sagte er. Tatsächlich waren seine Beine eng an das Glas gepresst.

„Leute stehen selten Habtacht, wenn ich einen Raum betrete. Machen Sie sich keine Gedanken. “ Ich begegnete Martys misstrauischen Blick, als ich ihm die Hand entgegenstreckte.

„Mr. Callahan. Es ist nett, Sie endlich zu treffen.“

„Howdy“, sagte Marty leise.

Ich setzte mich neben Cort, weil auf Martys Seite nicht genug Platz war. Doch ich achtete darauf, mit meinem Bein nicht an seines anzustoßen. In seiner Nähe zu sein, hatte anscheinend einen seltsamen Effekt auf mich. Obwohl ich ihn nicht berührte, begann mein Puls zu rasen und ich bemerkte, dass mein Magen aufgeregt flatterte.

Ich legte die Aktenmappe, die ich mitgebracht hatte, auf den Tisch. Als die Kellnerin erschien, bestellte Cort ein großes Frühstück und Marty entschied sich für eine Portion Pfannkuchen. Ich hingegen war ungewöhnlich nervös, also bestellte nur schwarzen Kaffee. Solche Meetings hatte ich schon Millionen Mal gehabt, aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich durcheinander.

„Schauen Sie, ich weiß, dass ich mit den Zahlungen im Rückstand bin. Aber ich bin mir sicher, die Dinge werden sich bald zum Guten wenden, und dann werde ich alles begleichen“, sagte Marty und rührte Sahne in seinen Kaffee.

Ich biss mir auf die Unterlippe und trommelte mit den Fingern auf meine Tasse. „Leider können wir nicht einfach so weitermachen wie bisher.“

Cort sagte nichts, rutschte aber unruhig hin und her.

Martys Wangen wurden unter der Sonnenbräune blass. „Was soll das heißen?“, fragte er.

Ich fühlte mich kurzatmig. Was war los mit mir? „Also, das ist ein Grund, weswegen ich mich mit Ihnen treffen wollte“, hob ich an und räusperte mich. Vielleicht hätte ich lieber koffeinfreien Kaffee bestellen sollen, so schnell, wie mein Puls raste. „Ich habe ein Angebot. Einer der Vorteile dabei, dass wir eine familiengeführte Bank sind, ist folgender: Wir können Dinge versuchen, die für ein großes Unternehmen ungewöhnlich wären. Was ich vorschlagen werde, ist etwas, das wir bei einer anderen Ranch gemacht haben. Sie war im Prinzip noch schlechter dran als Ihre.“

„Ich bin fast ein halbes Jahr im Rückstand. Mit dem armen Schwein, das noch schlechter dran ist, habe ich Mitleid“, sagte Marty schroff und warf Cort einen Seitenblick zu.

Cort berührte den Ärmel des älteren Mannes. „Es wird wieder besser werden.“

Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht sofort mit der Sprache herauszuplatzen. Ich war kein Fan von hohlen Phrasen, und es würde sich nichts verändern, wenn Marty nicht zu drastischen Maßnahmen griff. „Ich denke nicht, dass sich alles auf magische Weise zum Besseren wenden wird.“

„Das meinte ich nicht.“ Cort runzelte die Stirn.

Ich drehte mich zu ihm. „Haben Sie irgendeine Art Plan für Ihren Großvater? Haben Sie irgendetwas im Sinn, das ihm aus den massiven Schulden heraushilft, unter denen er langsam begraben wird?", fragte ich scharf. „Denn wenn nicht, verschwenden Sie Ihren Atem mit leeren Worten.“

Cort richtete sich auf und hob die Brauen. „Verstehe ich das richtig – Sie glauben nicht daran, jemandem den Rücken zu stärken, dem es nicht gutgeht?“

„Märchen sind etwas für kleine Mädchen mit Zöpfen.“

Seine Lippen zuckten. „Ich blase ihm keinen Zucker in den Arsch, falls es das ist, was Sie stört. Die Dinge werden sich zum Besseren wenden, auf die eine oder andere Art. Entweder wir schaffen es, den Rückstand der Zahlungen zu begleichen. Oder wir verlieren das Grundstück und der riesige Stress, der ihn zerfrisst wird – puff– verschwinden. Egal wie, die Dinge werden sich bessern.“

„Oh, entschuldigen Sie“, knurrte ich. „Ich wusste nicht, dass eine Zwangsvollstreckung für Sie eine Besserung bedeutet.“

Cort überraschte mich, als er plötzlich grinste. Es war ein hübsches Grinsen, das sein ganzes Gesicht erstrahlen ließ.

„Sie sind ganz schön angriffslustig für einen Städter, nicht? Sie sind auf Streit aus, oder?“

Hitze stahl sich auf meine Wangen, doch ich sagte nichts, weil die Kellnerin das Essen brachte. Ich schlürfte meinen Kaffee, während die beiden Platz für die Teller machten, auf denen sich das Essen türmte. Es roch wirklich großartig und mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte seit dem Mittagessen gestern nichts mehr zu mir genommen.

Marty goss dickflüssigen Ahornsirup über seine Pfannkuchen. „Wie lautet dieses Angebot, das Sie für mich haben?“ Er sah auf und sein Blick war skeptisch.

Cort zerteilte zwar konzentriert sein Steak und die Eier, doch ich konnte sehen, dass er trotzdem zuhörte.

Ich räusperte mich. „Es wird vielleicht etwas an den Haaren herbeigezogen erscheinen, aber lassen Sie mich ausreden. Wie ich vorhin gesagt habe, wir haben das schon einmal gemacht, und für die Familie laufen die Dinge jetzt zu tausend Prozent besser.“

„Tausend Prozent? Wow, das ist eine Menge.“ Cort kaute langsam. Schalk blitzte in seinen Augen.

Ärger prickelte in meinem Nacken. Ich öffnete die Mappe, die ich mitgebracht hatte, und blätterte durch die Dokumente. „Soweit ich das erkennen kann, übersteigen Ihre Ausgaben die Einnahmen jeden Monat um fünftausend Dollar. Und das, obwohl Sie das Hypothekendarlehen nicht zurückzahlen.“

Marty sah mich verständnislos an und mir wurde klar, dass er keine Ahnung gehabt hatte, wieviel er tatsächlich jeden Monat verlor. „Okay“, sagte er.

Ich lachte. „Also, das ist nicht nachhaltig.“

Er rieb sich den Kopf. „Da wäre ich auch draufgekommen, Junge. Ich werde bald einen Schlaganfall kriegen durch all den Stress, wenn jeder ständig Geld von mir will.“

Cort kicherte, als er sich gebratene Eier und Kartoffelpuffer auf die Gabel lud.

„Ich muss schon sagen, es wirkt, als wäre das für Sie überhaupt keine große Sache.“

„Ist das so?“, fragte Marty perplex. „Das ist eine große Sache, Junge. Sie reden davon, mich aus meinem Zuhause zu werfen. Aber wenn Sie denken, dass ich in Tränen ausbrechen werde und Sie um Mitleid anflehe – das ist nicht mein Stil“, sagte er.

Widerwillig musste ich ihm Bewunderung zollen. Ich konnte es nicht leiden, wenn Leute in sich zusammenfielen und mich anflehten, sie in Ruhe zu lassen. Wie ich gestern zu Benji gesagt hatte, ich war nicht wirklich bösartig. Aber ich betrachtete die Dinge gerne klar und nüchtern. Man hatte mir einen gewissen Geldbetrag versprochen, doch dieser war nicht bezahlt worden. Nun nahm ich mir, was als Pfand im Vertrag vereinbart worden war.

„Sie sind gefasster als die meisten Leute“, sagte ich.

Cort sah mich an. „Sie wirken nicht wie die Art Mann, der sich von Emotionen beeinflussen lässt.“

„Nein. Der bin ich tatsächlich nicht.“

Marty ließ seine Gabel sinken und lehnte sich zu mir herüber. „Was ist dieses Angebot, das Sie haben?“

Ich schluckte angestrengt. Die nervöse Anspannung von vorhin begann nun wieder, in meinem Magen zu flattern. „Wie ich sagte, wir hatten großen Erfolg mit einer Ranch in Texas, wo wir genau dasselbe gemacht haben“, wiederholte ich und sortierte die Papiere. „Es sieht so aus, als wären Ihre Kosten pro Kuh um vieles höher als Ihre Einnahmen pro Kuh. Aus irgendeinem Grund ist das aus dem Gleichgewicht geraten und Sie verlieren Geld, statt Profit mit Ihrem Vieh zu machen.“

Marty zog eine Grimasse und nickte. „Letztes Jahr sind unüblich viele Kälber gestorben.“

„Ja, das ist, weil wir Viehbestand in schlechter Qualität von den ‚Brave Brothers‘ gekauft haben, in der Absicht, Kosten zu verringern.“ Cort schüttelte den Kopf und schob den Teller von sich. „Ich habe dir gesagt, dass er ein Mistkerl ist und wir keine Geschäfte mit ihm machen sollten“, sagte er an seinen Großvater gewandt.

Marty spähte zu mir herüber. Seine Wangen waren rot. „Ich habe versucht, Geld zu sparen.“

„Bei so etwas sollte man nicht sparen“, sagte Cort unwirsch.

„Ja.“ Marty seufzte tief. „Jetzt weiß ich das.“

Ich war beeindruckt davon, dass anscheinend keiner von beiden persönlich nahm, was der andere gesagt hatte. „All das mal beiseitegelassen, Sie verlieren eimerweise Geld.“ Ich hielt Cort eine Tabelle hin.

Cort winkte ab. „Ich kümmere mich nur um die körperliche Arbeit“ Er seufzte, rutschte unruhig herum und ächzte. „Jesus, ich fühle mich wie eine menschliche Brezel“, murrte er. Sein Bein stieß kurz gegen meines.

Etwas wie ein Stromschlag durchfuhr mich, als sein Knie meinen Oberschenkel berührte. Es war mir peinlich, dass ich zusammenzuckte, als hätte man mich mit einem Viehtreiber traktiert. Ich räusperte mich und ignorierte den neugierigen Blick, den Cort mir zuwarf. „Wie ich sagte, Sie verlieren Geld und das müssen wir so schnell wie möglich ändern.“

„Wie? Haben Sie vielleicht einen Flaschengeist, der Wünsche erfüllt?“ Marty verschränkte die Hände auf der Tischplatte und sah aus, als würde er beten.

„Viele Ranches in der Umgebung haben Probleme. Hauptsächlich kleinere Ranches wie Ihre, bei den größeren ist es nicht so schlimm. Wenn Sie überleben wollen, müssen Sie ein wenig über den Tellerrand hinausblicken.“

Ich spähte aus dem Fenster, auf die schneebedeckten Gipfel der Berge, die die kleine Stadt Bender umgaben. „Einen Vorteil haben Sie – es ist wunderschön hier … Ich meine, wenn man diese Sache mit der rauen Natur mag.“ So sehr ich es auch hasste, in dieser Stadt festzustecken, ich musste zugeben, dass sie pittoresk war mit den glitzernden Bächen und dem endlosen blauen Himmel.

„Und wie hilft uns diese Schönheit?“, fragte Cort mit gerunzelter Stirn.

„Leuten aus der Stadt wird es hier gefallen“, sagte ich leise.

Cort schnaubte. „Sie sind aus der Stadt und ich würde Geld darauf verwetten, dass Sie es nicht mögen.“

„Ich bin durch und durch ein Städter und nicht auf der Suche nach einem Cowboy-Abenteuer. Viele Leute aber schon.“ Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück. „Und sie sind willens, viel zu zahlen, um in den Genuss von gebackenen Bohnen unter den Sternen zu kommen.“

Mit einem überraschten Geräusch drehte Cort sich zu mir. „Heilige Scheiße. Ich glaube ich weiß, was Sie vorhaben.“

Ich begegnete seinem scharfen Blick und hob das Kinn.

„Was? Sag’s mir.“ Marty starrte Cort an.

Cort hob eine Augenbraue. „Gästeranch?“, fragte er.

Ich nickte und Martys Gesicht verzog sich schockiert. „Gästeranch?“ Er klang, als hätte ich vorgeschlagen, dass er ein Teehaus eröffnen sollte, in dem er die Gäste im geblümten Kimono bedienen musste.

„Keine Chance.“ Corts Stimme war hart. „Sie können das, was mein Großvater sich aufgebaut hat, nicht in etwas Lächerliches verwandeln.“

Hitze kroch meinen Nacken empor, als unsere Blicke sich trafen. „Dann werden Sie die Ranch verlieren.“

Zum ersten Mal, seit ich ihm begegnet war, wirkte Cort wütend. Sein Mund wurde schmal und er kniff die Augen zusammen. „Bullshit.“

„Es gibt keinen konventionellen Weg, die Ranch noch zu retten“. Es nervte mich, dass meine Stimme leicht zitterte. Aber es war schwierig, die Nerven zu behalten, wenn Cort so aussah, als würde er mir gerne das Herz aus der Brust reißen.

Cort lehnte sich zu mir, nah genug, sodass ich einen dunklen Ring um seine hellblaue Iris erkennen konnte. „Das können Sie sich in den Arsch schieben.“

Ich schluckte. „Es ist Martys Entscheidung. Nicht Ihre.“

Marty setzte sich aufrecht hin und richtete das Wort an Cort. „Du hast eine so klare Meinung dazu?“

Cort nickte kurz.

Marty zuckte mit den Schultern. „Nun ja Paul", begann er. „In diesem Fall muss ich Ihnen leider ebenfalls sagen, dass Sie sich Ihren Vorschlag in den Arsch schieben können.“

Kapitel Vier

Es war nicht das erste Mal, dass jemand das zu mir gesagt hatte und ich bezweifelte auch, dass es das letzte Mal sein würde. Aber dass Cort nahegelegt hatte, meinen Vorschlag dorthin zu stecken, wo die Sonne nie hinschien, traf mich mehr als üblich. Das nahm ich persönlich. 

„Veränderungen sind angsteinflößend. Ich verstehe das.“ Ich wechselte sofort in den Business-Modus, damit ich mich wieder auf die vor mir liegende Aufgabe konzentrieren konnte.

„Wir haben keine Angst“, sagte Cort schroff. „Wir sind entsetzt.“

Ich lachte. Es ging einfach nicht anders. Ihre Gesichtsausdrücke waren unbezahlbar. „Die Sorte von Gästeranch, die wir vorschlagen würden, wäre eine mit richtigem Viehtreiben und so. Nicht so eine mädchenhaft-aufgetakelte Gästeranch.“

„Es gibt keine andere Sorte.“ Cort schüttelte den Kopf, die Lippen verächtlich verzogen

Ich klappte meine Mappe auf und zog ein Foto von der Ranch in Texas heraus. „Es sieht doch immer noch aus wie eine Ranch, oder? Es gibt keine Blumenkästen, kein Ponyreiten. Es ist genau dasselbe. Nur können dort Leute aus der Stadt ein richtiges Viehtreiben miterleben oder auf einem Pferd reiten. Sie passen sich Ihrer Umwelt an, nicht andersrum. Ich kann Ihnen noch mehr Bilder zeigen, auf meinem Computer im Motel, wenn Sie interessiert sind.“

„Bin ich nicht“, sagte Cort.

Meine Wangen erwärmten sich. „Sie lehnen etwas ab, was Sie gar nicht verstehen.“

Cort zog seine dunklen Augenbrauen zusammen. „Ich habe schon Lassos geschwungen und bin geritten, seit ich fünf Jahre alt bin. Vertrauen Sie mir, eine Gästeranch kann einfach nur aufgetakelt sein.“

Seine Einstellung ging mir auf die Nerven. Ich wandte mich an Marty. „Vielleicht sind Sie ja vernünftiger“, sagte ich. „Wollen Sie Ihre Ranch verlieren?“

Marty musterte Cort. „Wenn das Ihre Idee ist, werde ich meine Ranch so oder so verlieren.“ Er seufzte. „Ich beende das lieber wie ein Mann, statt mich zur Lachnummer zu machen.“

„Wenn Sie aufhören würden, so stur zu sein, wären Sie derjenige, der lacht – weil Sie so viel Geld scheffeln.“

„Es gibt da etwas, das nennt sich Stolz“, sagte Cort und rümpfte die Nase. „Vielleicht sind Sie nicht stolz auf Ihre Arbeit, wir aber schon.“

Ich zog eine finstere Miene. „Eine Sache, in der ich gut bin, ist mein Job. Sie müssen nicht so persönlich werden.“

Cort zuckte mit den Schultern. „Na schön.“

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich, als hätte ich einen riesigen Sieg errungen. Ich zog ein Kärtchen mit einer Telefonnummer aus meiner Tasche. „Das ist die Nummer von Frank Stone. Er ist der Besitzer der Double Horn-Ranch in Texas, wo wir den anderen Umbau gemacht haben. Sie sollten mit ihm sprechen. Wenn jemand Ihre Bedenken versteht, dann er.“

„War er verärgert, als Sie das Thema zum ersten Mal angeschnitten haben?“ Cort beobachtete mich und knabberte an seiner Unterlippe.

„Sehr“, sagte ich unumwunden. „Er ist komplett ausgeflippt.“

Marty lachte. „Ich weiß Ihre Ehrlichkeit zu schätzen.“

„Ich habe ja keinen Grund, zu lügen. Wenn Sie mit ihm reden, wird er Ihnen ohnehin alles erzählen.“

„Wie genau machen Sie damit Geld?“, fragte Marty.

„Wir strukturieren den Kredit um und addieren die Kosten für den Umbau dazu. Der Kredit wird also verlängert. Die Kreditsumme ist größer, aber Sie werden uns wieder bezahlen können. Außerdem verlangen wir nach zwei Jahren einen kleinen Prozentsatz Ihrer Einnahmen. Bis dahin sollten Sie wieder auf den Beinen sein.“

„Hmm.“ Marty kratzte seinen angegrauten Bart.

„Wir wissen doch alle ganz genau, dass Sie nie im Leben so ein Angebot von irgendeinem anderen Kreditgeber bekommen würden.“ Ich hielt Martys Blick stand.

Cort klopfte mit seinen Fingern rhythmisch auf den Tisch, und dann nahm er das Kärtchen von mir. „Es würde mich interessieren, was dieser Frank zu sagen hat.“

Das waren gute Neuigkeiten. Ich hatte das Gefühl, dass es einfach sein würde, Marty zu überzeugen, wenn ich Cort auf meiner Seite hatte. „Gut. Rufen Sie ihn an.“ Ich warf einen Zehn-Dollar-Schein für meinen Kaffee auf den Tisch und rutschte aus meiner Sitznische. „Ich melde mich morgen.“

„Bleiben Sie in der Stadt?“, fragte Cort leise.

Ich steckte meine Geldbörse in die hintere Hosentasche. „So gerne ich auch abhauen würde, ich kann nicht weg, bis die Sache geklärt ist. Auf welche Weise auch immer.“

„Anweisung von oben?“, fragte Marty.

„Ganz genau. Rufen Sie Frank wenn möglich noch heute an. Wir brauchen Ihre Antwort bis morgen Abend.“

„Also schön.“ Marty nickte.

Cort musterte mich neugierig. „Wenn wir Ihrem kleinen Plan nicht zustimmen, werden Sie Marty dann wirklich die Ranch wegnehmen, ohne dass es Ihnen etwas ausmacht?“

„Marty hat einen Vertrag unterzeichnet. Wenn er seinen Teil der Abmachung nicht erfüllt – warum bin ich dann der Böse, weil ich meinen Anspruch geltend mache?“

Cort zuckte mit den Schultern. „Manchen Männern würde es etwas ausmachen, den Traum eines anderen Mannes zu zerstören.“

Ich verlagerte mein Gewicht ungeduldig auf das andere Bein. „Träume verändern sich, und manchmal muss man sie begraben. Die Realität ist das, was zählt. Verträge sind Realität.“

Cort kniff die Augen zusammen. „Das ist ganz schön gefühlskalt.“

Ich wich seinem verurteilenden Blick aus. „Ich habe nie gesagt, dass ich eine Zwangsvollstreckung genießen würde. Aber es macht mich nicht zum Bösewicht, wenn ich meinen Job mache und mit dem Ablauf fortfahre.“