Der Dressursitz - Anja Beran - E-Book

Der Dressursitz E-Book

Anja Beran

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Beschreibung

Richtig sitzen – Feiner reiten – Gesunder Pferderücken Aus Respekt und zum Wohle der Pferde verdient der Sitz größte Aufmerksamkeit. Die Harmonie mit dem Pferd und seine Motivation hängen stark von einem geschmeidigen und effektiven Sitz ab. Die vornehmste Aufgabe eines guten Sitzes ist es, das Pferd nicht zu stören! Anja Beran betrachtet den Sitz des Reiters aus unterschiedlichen Perspektiven − nur so kann es gelingen, den Sitz zu optimieren. Für einen guten Sitz reicht die reiterliche Herangehensweise allein nicht aus. Auch die physiotherapeutische Anleitung zur Haltungs- und Bewegungsschulung spielt eine Rolle, ebenso die Kontrolle der Atmung und der mentale Aspekt. In bildhafter Darstellung gibt die Autorin Tipps und Ratschläge, um dem Pferd harmonisch in seinen Bewegungen zu folgen und den Körper effektiv einzusetzen. Fundiert gibt sie Hilfestellung, um individuelle Schwächen beim Sitz zu verstehen und zu beheben.

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Seitenzahl: 274

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DER DRESSURSITZ

ANJA BERAN

DER DRESSURSITZ

Richtig sitzen · Feiner reiten Gesunder Pferderücken

UNTER MITWIRKUNG VON VERONIKA BROD

HAFTUNGSAUSSCHLUSS

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Copyright © 2015 by Crystal Verlag, Wentorf

Gestaltung und Satz: Eva Lakas, Berlin

Titelfoto: Maresa Mader

Fotos im Innenteil:

Maresa Mader, wenn nicht anders erwähnt

Zeichnungen im Innenteil:

Susanne Retsch-Amschler, Cornelia Koller

Lektorat: Alessandra Kreibaum

Druck: Westermann Druck Zwickau GmbH, Zwickau

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Germany

eISBN: 978-3-95847-001-9

INHALT

EINLEITUNG

VORAUSSETZUNGEN, UM GUT SITZEN ZU LERNEN

Ein hervorragend ausgebildetes Pferd

Ein kompetenter Reitpädagoge

Ein passender Sattel

Eine ruhige Atmosphäre

Eine passende Reitausrüstung

Longenunterricht

Theoretische Ausbildung

DER DRESSURSITZ AUS REITERLICHER BETRACHTUNGSWEISE

Körperliche Voraussetzungen, die das Reiten erleichtern

Ratschläge zum Einsatz des Körpers

Ratschläge, um dem Bewegungsfluss harmonisch folgen zu können

FORTGESCHRITTENE ASPEKTE − VOM GESCHMEIDIGEN SITZ ZUR EFFEKTIVEN EINWIRKUNG

Der Sitz als Kommunikationsmittel

Der Sitz im Schritt

Der Sitz im Trab

Der Sitz im Galopp

Das Reiten von Übergängen

Das Rückwärtsrichten

Der Sitz in den Seitengängen

Der Sitz in den Galoppwechseln

Der Sitz in der Piaffe

Der Sitz in der Passage

Der Sitz in den Galopppirouetten

Der Sitz im Spanischen Schritt

Sitzeinflüsse, um ein Pferd gerade zu richten

Das Halten der Gerte

Der Umgang mit den Sporen

Das Aufnehmen der Zügel

Der Umgang mit Kandare und Unterlegtrense

KLEINER EXKURS ZUR ATMUNG

MENTALE ASPEKTE

DER DRESSURSITZ AUS DER BETRACHTUNG EINER PHYSIOTHERAPEUTIN −Ratschläge zur aufrechten Haltung und zum einfühlsamen Sitz

Anatomische Grundlagen

Die aufrechte Haltung

Wie erreichen Sie die aufrechte Haltung?

Fehlhaltungen und Korrekturpunkte

Körperliche Voraussetzungen

Die ideale Sitzhaltung und Bewegung des Reiters zu Pferd – je nach Gangart

Die häufigsten Fehlhaltungen und ihre Folgen für Reiter und Pferd

Der Sattel

PRAKTISCHE ÜBUNGEN

Mobilität − Übungsbeispiele zur Dehnung verschiedener Muskeln

Übungsbeispiele für isolierte/selektive Bewegungen der Wirbelsäule

Übungsbeispiele zur Mobilisation/Dehnung der gesamten Wirbelsäule

Stabilität − Übungsbeispiele zur Kräftigung und Stabilisation

Ganzkörperspannungsübungen

Koordination

Wahrnehmung

RÄTSEL

SCHLUSSBETRACHTUNG

REGISTER

EINLEITUNG

„Das hauptsächlichste Mittel, das die sonst so verschiedenen Teile, Reiter und Pferd, zu einem Ganzen verbindet, dem Reiter die Beherrschung seines Tieres ermöglicht und dem Pferd erst die Haltung und den Gang verleiht, die es seinerseits zum Teile des Ganzen machen, ist der Sitz.“

(Gustav von Dreyhausen, in: Bertold Schirg, Die Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, Band 1, Olms Verlag, 1987, Seite 73)

Die vornehmste Aufgabe eines guten Sitzes ist es, das Pferd nicht zu stören. Ein unruhiger, asymmetrischer Sitz kann beim Pferd zu großem Unbehagen führen, sogar Schmerzen auslösen, und es schließlich in seinem gleichmäßigen, ungebundenen Bewegungsablauf behindern. Wird ein Pferd über längere Zeit von einem schlecht sitzenden Reiter geritten, kann das zu schlimmen Verspannungen führen und schließlich in gesundheitlichen Problemen gipfeln.

Hat der Reiter einen Sitz erarbeitet, der dem Pferd harmonisch in der Bewegung folgt, so ist die nächste Stufe, die es zu erklimmen gilt, die Effektivität der Einwirkung, um das Pferd formen zu können. Die Harmonie mit dem Pferd und die Motivation des Tieres hängen stark von einem geschmeidigen und effektiven Sitz ab.

Harmonisch und leicht kann die Hilfengebung nur werden, wenn der Sitz gut geschult ist. Anja Beran auf dem Lipizzanerhengst „Favory Toscana“.

Um dem Pferd zu helfen und es vor hart, schief oder zu schwer einsitzenden Reitern zu schützen, spielt der Sitz von jeher in meinem Unterricht eine große Rolle. Allerdings durfte ich im Lauf der Jahre erfahren, dass man mit bloßen „reiterlichen Kommandos und Tipps“ nicht sehr erfolgreich ist. Zumal immer mehr Leute Späteinsteiger sind und erst im fortgeschrittenen Alter mit dem Reiten beginnen. Der Zugang zum Sitz des Reiters ist allein aus reiterlicher Herangehensweise sehr schwer. Zwar kann man dem Schüler bereits viel besser helfen, wenn man sich eine bildhafte Sprache aneignet, aber ein erweitertes Wissen, außerhalb der reiterlichen Befähigung, ist von großem Nutzen. Meine Erfahrungen haben mich gelehrt, dass man idealerweise den Reiter aus vier verschiedenen Blickwinkeln betrachten sollte, um ihn effektiv verbessern zu können. Das sind folgende Bereiche:

1.die technische Anleitung und Hilfestellung durch einen Reitlehrer, um den Sitz zu schulen und das reiterliche Gefühl zu entwickeln,

2.eine physiotherapeutische Anleitung zur Haltungs- und Bewegungsschulung, um Körperwahrnehmung, Koordination, Stabilität und Mobilität zu verbessern,

3.die Kontrolle der Atmung, um einen gleichmäßigen Fluss der Atmung zu gewährleisten − auch bei der Konzentration auf andere Aspekte,

4.der mentale Aspekt, denn eine gute Reiterei beginnt im Kopf.

Nur wer den Sitz aus diversen Perspektiven untersucht, kann dem Reiter umfangreiche Hilfestellung ermöglichen. Neue Erkenntnisse über das gute Sitzen zu Pferde wird es nicht geben, aber manchmal ist es ein spezieller Tipp, eine bildhafte Darstellung, die uns hilft, unseren Körper anders einzusetzen. Aber auch das Erkennen der Ursache, warum wir es nicht schaffen, auf diese oder jene Weise zu sitzen, kann uns zu großen Fortschritten verhelfen – vielleicht haben die Korrekturen bisher nur am Symptom angesetzt?

Ein guter Sitz erfordert ständige Kontrolle und das permanente Streben nach Verbesserung. Anja Beran auf dem Lusitanohengst „Campeao“.

Defizite im Sitz sollten von uns Reitern nicht einfach hingenommen werden. Die Bereitschaft, täglich aufs Neue zu versuchen, den Sitz zu optimieren, sollte unser Anliegen sein. Denn je länger ich mit Pferden arbeite, umso klarer wird mir: Das Problem sitzt fast immer im Sattel!

Aus Respekt und zum Wohl der Pferde verdient der Sitz größte Aufmerksamkeit, denn wie bereits de la Croix festgestellt hat:

„Im Sitz liegt, bei Lichte besehen, alles. Er greift am Rücken des Pferdes an, ordnet oder schwächt daher das große Bindeglied zwischen Hinterhand und Vorhand, seine Wirkungen beruhen zumeist auf unumstößlichen Naturgesetzen, sind daher auch dem rohesten Pferde von selbst verständlich und sympathisch, sie lassen sich am unmerklichsten und nuanciertesten erteilen, sie sind endlich in jeder Lage, solange der Reiter den Sattel nicht überhaupt räumt, anwendbar … Sitzhilfen …“

(Bertold Schirg, Die Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, Band 1, Olms Verlag, 1987, Seite 92)

VORAUSSETZUNGEN,UM GUT SITZEN ZU LERNEN

Ein guter Sitz erfordert ständige Kontrolle und das permanente Streben nach Verbesserung. Anja Beran auf dem Lusitanohengst „Campeao“.

Wer von Pferden fasziniert ist und sich mit der hohen Kunst des Reitens vertraut machen möchte, steht zunächst vor der Frage, wie er am besten an die Sache herangehen soll. Nachfolgend habe ich die vielschichtigen Voraussetzungen − geordnet nach Prioritäten − aufgelistet und erläutert.

Ein hervorragend ausgebildetes Pferd

Für den jungen Reiter ist ein älteres, erfahrenes Pferd, das sehr gut gymnastiziert ist, die Grundvoraussetzung, um den korrekten Sitz zu erlernen. Nur ein Pferd, das gerade gerichtet ist, lässt den Reiter symmetrisch sitzen. Ein unverkrampfter, schwingender Pferderücken, der den Reiter zum Platznehmen „einlädt“, bildet die Basis der Elevenausbildung. Unter Schulpferd im ursprünglichen Sinn versteht man ein Pferd, das die Hohe Schule beherrscht. Ein solches kann man hervorragend einsetzen, um junge Reiter auszubilden, denn es wird weder triebig sein und die Energie des Zöglings beanspruchen, um es in Gang zu halten, noch wird es davonrennen und ihn nicht sitzen lassen. Die Anlehnung wird eine ruhige und stete sein, und so wird dem Reiter von Anfang an klar, wie vorsichtig er mit seiner Hand umgehen kann und muss, wenn er keine harten Reaktionen des Pferdes hervorrufen möchte. Der Begriff „Takt“ wird dem Eleven von Anfang an ganz unbewusst vom Pferd vermittelt. Auf jede korrekt gegebene Hilfe wird das Pferd positiv reagieren und dem Neuling im Sattel ein „Aha-Erlebnis“ bescheren. Dadurch werden die sich entwickelnde Technik und das Gefühl des Reiters direkt vom Pferd belohnt. Im Gegenzug wird das Pferd nicht oder ungewünscht reagieren, wenn die Hilfe falsch gegeben wird. Somit ist ein weit ausgebildetes Schulpferd der wichtigste „Reitlehrer“ für den jungen Reiter, denn es liefert prompte und eindeutige Reaktionen auf das Tun im Sattel. Es vermittelt dem Reiter ein außerordentliches Feingefühl.

Es gibt keinen besseren Lehrmeister als ein gut ausgebildetes Pferd. Jana Lacey-Krone auf dem Lusitanohengst „Ramzes“.

Lässt man den Eleven hin und wieder auf dem Schulpferd piaffieren, wird das Pferd ihm das korrekte Sitzgefühl vermitteln, wie es ein Reitlehrer vom Boden aus niemals in Worte fassen kann, denn die Piaffe setzt den Reiter hin, wie keine andere Lektion es vermag. Voraussetzung ist natürlich, dass ein solches Pferd regelmäßig von einem Ausbilder nachgeritten wird, um geschmeidig und fein zu bleiben. Ansonsten wird der Anfänger es bald abstumpfen und aus dem Gleichgewicht bringen, sodass der positive Effekt, den das Lehrpferd bietet, verloren geht. Gewarnt sei vor allen Pferden, die unzureichend ausgebildet sind und dem Nachwuchsreiter deshalb mehr schlechte Angewohnheiten beibringen, anstatt ihm zu helfen. Vor allem Pferde, die stumpf, triebig, auf der Vorhand und hart im Maul sind, können einen Anfänger stark verderben, weil er sich grobes Verhalten im Sattel aneignet und dieses mit der Zeit als „normal“ empfindet, während er seine Sensibilität, die die Reitkunst eigentlich schulen sollte, vollkommen verlieren wird.

Es genügt eben nicht, wie die landläufig verbreitete Meinung lautet, dass ein Pferd lediglich brav und gutmütig sein muss, um als Anfängerpferd tauglich zu sein. Ist es unzureichend gymnastiziert und deshalb steif, wird es den Reitschüler niemals geschmeidig sitzen lassen, denn es ist hart im Rücken und stößt den Eleven holprig umher. Am Schenkel wird es sich dumpf benehmen und auch auf Handfehler nicht reagieren. Solche schlecht oder unzureichend ausgebildeten Pferde haben oftmals resigniert und nehmen Fehler des Reiters einfach hin, ohne sie zu sanktionieren. Ein Lerneffekt ist auf ihnen folglich nicht möglich. Bei fehlender Ausbildung des Pferdes kann es sogar passieren, dass der Reitschüler eine Hilfe richtig gibt, das Pferd aber nicht reagiert, weil es die Hilfe gar nicht kennt – ein frustrierendes Erlebnis für Schüler, Pferd und auch den Reitlehrer, der in der Bahn steht.

Reitlehrer und Lehrpferd sollten im Team arbeiten, um dem Schüler die hohe Kunst des Reitens nahebringen zu können. Dazu gehört auch, dass der Ausbilder am Boden mit einer Touchiergerte die diversen Lektionen − zum Beispiel Piaffe und Passage − auslösen kann und der Debütant sich zunächst nur auf das Folgen der Bewegung und das Erfühlen der Lektion konzentrieren kann. Steht aber der Ausbilder einer Pferd-Reiter-Kombination gegenüber, in der beide nicht wissen, worum es geht, wird der Erfolg sich nur sehr schwer, wenn überhaupt, einstellen. Der Schüler hat noch keine Möglichkeit, mit dem Pferd in einer eindeutigen Sprache, der Hilfengebung, zu kommunizieren, denn er ist damit beschäftigt, sich überhaupt im Sattel zurechtzufinden und seinen Körper zu koordinieren, während es dem Pferd genauso geht. Es hat keine Chance, sein Gleichgewicht zu finden, weil es der Reiter ständig stört; außerdem hat es lediglich die Möglichkeit, sich aus den unkoordinierten Signalen, die vom Sattel aus gesendet werden, willkürlich „Hilfen“ auszusuchen, auf die es irgendwie, richtig oder falsch, reagieren wird. Eine höchst unbefriedigende Zukunftsperspektive für ein Pferd, das dann meist sehr bald als verritten, wenn nicht sogar als Problempferd gehandelt wird. Pferde ohne solide Grundausbildung reagieren auf unvermögende Reiter je nach ihrem Naturell; die einen stumpfen ab und resignieren, während andere mit mehr Temperament dazu neigen, sich zu wehren oder nervös werden, weil sie einfach nicht verstehen, was der Reiter von ihnen möchte. Der Leitsatz „Alter Reiter − junges Pferd und junger Reiter – altes Pferd“ hat unbedingt Gültigkeit und wird heutzutage viel zu wenig beachtet.

Ein weiterer großer Vorteil eines älteren, weit ausgebildeten Pferdes ist nicht nur die körperliche Eignung, sondern auch das psychische Gleichgewicht, in dem sich ein solches Pferd befinden sollte. Durch jahrelanges Training hat ein Hohe-Schule-Pferd einen Reifegrad erreicht, der sich in größtem Vertrauen zum Menschen und auch in Selbstbewusstsein ausdrückt. Daher wird ein solches Pferd den Reitanfänger nicht durch Scheuen, plötzliche Nervosität oder Davoneilen in Unruhe oder gar Angst versetzen, sondern es wird dem Eleven vielmehr ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe vermitteln. Genau das, was er benötigt, um sich auf das Erlernen eines guten Sitzes konzentrieren zu können.

Mein Rat daher an alle Interessierten, die das Reiten als Kunst erlernen möchten: Halten Sie zunächst Ausschau nach einem geeigneten Lehrpferd!

Denn bereits Gustav Steinbrecht hat geschrieben, dass das gut ausgebildete Schulpferd von unschätzbarem Wert ist, um dem Reiter den korrekten Sitz zu lehren, und dass man keinesfalls auf einem steifen, unrittigen Pferd seine ersten Erfahrungen machen darf. Er schreibt dazu Folgendes:

„… kann es doch kaum etwas Verkehrteres geben, als den Schüler auf einen abgetriebenen und struppierten, verbogenen und vertrackten Philister zu setzen, ihn auf dieser Karikatur eines Reitpferdes in die Form des sogenannten Normalsitzes hineinzuzwängen und nun zu verlangen, dass er sich bei dieser Art Leibesübung Begeisterung oder gar reiterliches Gefühl aneignen soll. Die alten Meister setzten ihre Schüler auf vollkommen durchgebildete Schulpferde, und zwar zunächst in den Pilaren, ohne Bügel und Zügel. Hier bedurfte es nur der Anweisung, sich unbefangen gerade, wie man gewachsen ist, hinzusetzen, das Gesäß ordentlich breit zu machen und dann die Beine natürlich herabhängen zu lassen, um den Schüler in der geordneten, taktmäßigen Bewegung der Piaffe bald so in Fühlung mit dem Pferde zu bringen …

So vorbereitet wurde der Schüler alsdann − und zwar ebenfalls auf einem Schulpferde − an die Longe genommen und lernte hier, wieder ohne Bügel und Zügel, dasselbe im Vorgehen, was er in den Pilaren auf der Stelle gelernt hatte, das weiche Anschmiegen an alle Bewegungen des Pferdes oder, mit anderen Worten, die BALANCE, worauf der gute und sichere Sitz weit mehr beruht als auf dem so hochgepriesenen festen Schluss. Bei solcher Ausbildung, bei der sich durch gelegentliche leichte Erinnerungen des Lehrers auch die schönen Formen des Sitzes ganz von selbst finden, gewann der Schüler von vorneherein Freude und Genuss am Reiten und begründete fürs ganze Leben das, was das Wichtigste fürs Reiten … ist, das FEINE REITERGEFÜHL.

Der junge Mann aber, der sich der Reitkunst fachgemäß widmen will, dürfte nicht anders erzogen werden. Wenn daher heutzutage die Klage allgemein laut wird, dass wir keine Bereiter mehr haben, denen man ohne größte Sorge ein junges Pferd anvertrauen kann, so ist dies nur die natürliche Folge davon, dass es keine akademischen Reitschulen mehr gibt, auf denen Schulpferde ausgebildet werden, die dann die wahren Lehrer des Reiteleven abgeben.“

(Gustav Steinbrecht, Gymnasium des Pferdes, 16. Auflage, Verlag Dr. Rudolf Georgi, 1995, Seite 3)

Dieser Absatz von Gustav Steinbrecht ist von großer Bedeutung, denn das Dilemma, das er beschreibt, erleben wir derzeit in starker Ausprägung. Es gibt heutzutage so viele Menschen, die vom Pferd und der Reiterei begeistert sind, denen es aber an einer gründlichen Unterweisung auf hervorragenden Lehrpferden mangelt. Nachlässigkeiten im Sitz führen momentan zu einer Verrohung in der Hilfengebung und gipfeln sogar in der Erfindung neuartiger Trainingsmethoden, die sich als vollkommen überflüssig erweisen würden, wenn man nur um die Durchgymnastizierung eines Pferdes nach klassischen Grundsätzen wüsste. Und das, obwohl die meisten Reiter heute nicht unter Leistungsdruck stehen und mit dem Pferd ihr Geld verdienen müssen, geschweige denn ihr Leben im Kampf vom Pferd abhängen würde, sondern es als gepflegte Liebhaberei betreiben. Zum Glück ist in jüngster Zeit eine Bewegung zu verspüren, die immer mehr Leute wieder an den klassischen Weg erinnert und dadurch sehr zum Wohl des Pferdes beiträgt.

Konzentriertes Arbeiten unter genauer Beobachtung: Vera Munderloh auf dem Lipizzanerhengst „Maestoso Stornella“.

Erinnert sei an dieser Stelle noch an den großen Reitmeister Egon von Neindorff, der gesagt hat:

„Für den Anfänger ist das beste Pferd gerade gut genug.“

(Bertold Schirg, Die Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, Band 1, Olms Verlag, 1987, Seite 87)

Viele Leser werden nun feststellen, dass es genau daran hapert – ein gut gerittenes Lehrpferd zur Verfügung zu haben. Zum einen sind solche Pferde sehr schwer zu finden, und wenn man ihnen begegnet, sind sie in der Regel unbezahlbar. Diese Problematik ist mir bestens bekannt und lässt mich oft verzweifeln. Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf die idealen Bedingungen verweisen, wie wir uns der Reitkunst am besten nähern können, und dazu gehört zweifelsfrei ein perfektes Schulpferd.

Ein kompetenter Reitpädagoge

Die Suche nach einem guten Reitlehrer ist ein aufwendiges Unterfangen, denn es gibt ihn leider nicht an jeder Ecke. Nehmen Sie sich daher Zeit und betreiben den Aufwand, auch in einem größeren Umkreis zu suchen. Bedenken Sie, dass wenige gute Reitstunden schneller zum Erfolg führen als viele schlechte. Fragen Sie ruhig, ob Sie bei einer Unterrichtsstunde zusehen dürfen, und prüfen Sie, wie viele gute Schüler der Ausbilder herausgebracht hat und welche Pferde er von Grund auf ausgebildet hat.

Nur so können Sie sicher sein, in kompetente Hände zu gelangen. Die Reiterei ist schließlich keine ungefährliche Betätigung und Sie vertrauen einem Lehrer letztlich auch Ihre Gesundheit beziehungsweise körperliche Unversehrtheit an.

Wie leichtfertig manchmal damit umgegangen wird, erschreckt mich immer wieder, und die beste Reitkappe nützt nichts, wenn das Pferd nicht erzogen ist und der Ritt von vornherein riskant erscheint.

Der Reitlehrer Ihrer Wahl sollte folglich ein erfahrener Ausbilder sein, der im Idealfall sogar das Pferd, auf dem Sie lernen, ausgebildet hat. Das Schulpferd und er müssen gut kooperieren, um Ihnen den Einstieg in die Reitkunst gelingen zu lassen, das heißt, das Lehrpferd sollte auf kleinste Hilfen des Ausbilders reagieren und beide sollten einander gut vertrauen. Der Einsteiger wünscht sich außerdem das Gefühl, dass der Reitlehrer das Pferd gut einschätzen und möglichst auch kontrollieren kann. Diese Erwartung sollte nicht enttäuscht werden, sonst kann es sein, dass der Neuling die Reiterei schnell wieder aufgibt, weil sich Angst ausbreitet und er das Gefühl hat, sich in eine unkontrollierbare Situation zu begeben. Ruhige Kompetenz und ein großes Maß an Einfühlungsvermögen sind weitere wünschenswerte Eigenschaften, die einen Reitlehrer auszeichnen, nur so kann dem Anfänger Vertrauen vermittelt werden. Neben psychologischem Geschick ist es vor allem sein Fachwissen, das dem Eleven Angst und Unbehagen nimmt.

Entscheidend ist außerdem, dass der Ausbilder dem jungen Reiter von Anfang an den nötigen Respekt vor dem Pferd nahebringt und ihn immer wieder darauf hinweist, warum es für das Pferd wichtig ist, dass man sich im Sattel auf diese oder jene Art bewegt und manches Handeln ein absolutes Tabu ist − beispielsweise sich an den Zügeln auszubalancieren.

Die Bedeutung des guten Benehmens im Sattel gegenüber der „ausgelieferten“ Kreatur sollte von der ersten Stunde an zum Unterrichtsinhalt gehören.

Nur so können Reiter herangebildet werden, die reflektieren und immer wieder hinterfragen und sich auf diese Weise stets verbessern werden. Vermeiden Sie daher, zu einem Ausbilder zu gehen, der abfällig über Ihr Lehrpferd spricht oder Sie sogar zu groben Handlungen im Sattel anstiften möchte. Der Ton und Umgang, der in einem Betrieb herrscht, wird Ihnen schnell Auskunft darüber geben, ob Sie an einem Ort sind, wo die Reitkunst gepflegt wird, oder ob ein eher niedriges Niveau und der Kommerz hier beheimatet sind. Herrscht Letzteres vor, wird man Ihnen dort weder einen geschmeidigen Sitz noch eine feine Hilfengebung vermitteln können.

Da der Reitlehrer anfänglich vor allem die Haltung des Schülers beeinflussen muss, ist ein ständiger Austausch zwischen ihm und einem Physiotherapeuten wünschenswert. Auf diese Weise erhält der Ausbilder Einblicke, wie die Bewegungsmechanismen des menschlichen Körpers funktionieren, und kann dem Schüler wertvolle Anleitungen geben. Als Reitlehrer wird man in der Ausbildung diesbezüglich leider nicht geschult und die Sitzkorrekturen beschränken sich deshalb meist auf bloße technische Kommandos, wie die Haltung aussehen soll, sind aber für den Schüler meist sehr schwer umzusetzen. Ein Blick über den berühmten Tellerrand, in ein anderes Fachgebiet, ist bei der Sitzschulung von sehr großem Nutzen. Hilfreich für den Schüler sind jene Korrekturen, die ihm die Möglichkeit geben, die Ursachen der Fehler zu beheben, anstatt sich an den Symptomen festzumachen. Jemand, der zum Beispiel stark im Hohlkreuz sitzt, kann zu wenig Bauchmuskulatur haben. An dieser Stelle sollte die Korrektur des Ausbilders ansetzen.

Generell ist es von großer Bedeutung, dass der Reitlehrer die Symmetrie des Schülers stets im Auge behält. Sind die Schultern auf einer Höhe, knickt er in der Taille ein oder hat er gar ein längeres Bein als das andere? Solche Fehler können das korrekte Sitzen auf dem Pferd extrem erschweren und sind außerdem für das Pferd belastend. Deshalb ist es wichtig, dass der Reitpädagoge bei Problemen dieser Art dem Schüler die negativen Folgen seines Sitzes für das Pferd erklärt und ihm zudem empfiehlt, einen Physiotherapeuten aufzusuchen. Dieser kann helfen, das körperliche Gleichgewicht und gegebenenfalls die Mobilität wiederherzustellen. Eine Kooperation dieser beiden Fachkräfte ist heutzutage gut möglich und sollte unbedingt genutzt werden.

Zu uns in den Stall kommt regelmäßig eine „nicht reitende“ Physiotherapeutin, um die Schüler auf dem Pferd zu beobachten. Auf diese Weise kann sie uns Reitlehrern wertvolle Hilfestellung leisten und sagen, wo die Sitzkorrekturen ansetzen sollen. Denn sie kann viel besser die körperlichen Ursachen der Probleme erkennen, während man als Reitlehrer oft lediglich auf die Symptome fixiert ist. Außerdem kann sie den Schülern geeignete Gymnastikübungen vermitteln, die sie zu Hause anwenden können, um ihre körperlichen Gegebenheiten zu verbessern.

Ein gleichmäßig aufliegender, gut im Schwerpunkt liegender Dressursattel bietet ideale Voraussetzungen, um den Reiter korrekt sitzen zu lassen.

Ein passender Sattel

Dem Sattel fällt eine wichtige Rolle zu, denn er ist die Schnittstelle zwischen Reiter und Pferderücken. Ist er dem Pferd unbehaglich, wird es sich im Rücken verspannen und uns nicht gut sitzen lassen. Fühlen wir uns in einem Sattel unwohl, eingezwängt oder gar schief, so werden wir nicht losgelassen sitzen können, was wiederum dazu führen wird, dass unser Pferd sich ebenfalls festhält. Ein guter Sattler sollte also stets Pferd und Reiter im Auge haben, um den idealen Ausgangspunkt für einen guten Sitz zu etablieren.

Da wir in diesem Buch über den klassischen Dressursitz sprechen, der die Basis für alle anderen Arten, auf dem Pferd zu sitzen, darstellt, ist es wichtig, einen geeigneten Dressursattel zu benützen. Ein bequemer Sattel wird unser Bestreben, die korrekte Haltung auf dem Pferd zu finden, deutlich erleichtern. Wie ein Tanzpartner sollte er uns eine sanfte, unaufdringliche Führung in die erstrebenswerte Haltung weisen. Dazu muss der Sattel einen korrekten Schwerpunkt haben und auch passend auf dem Pferderücken liegen. Alle Mühen, gerade zu sitzen, sind vergebens, wenn uns der Sattel nach vorn schiebt oder schräg nach hinten abrutschen lässt. Die seitliche Symmetrie muss ebenfalls sichergestellt sein, denn auf einem schiefen Sattel, der links und rechts nicht absolut gleichmäßig gepolstert ist, kann man nicht mittig sitzen. Selbstverständlich gibt es auch den Fall, dass es nicht am Sattel liegt, sondern unser Pferd ungleich bemuskelt ist und der Sattel deshalb schief liegt. Ein solches Pferd ist nicht gut ausgebildet und scheidet aus diesem Grund als Lehrpferd aus.

Der Sattel sollte außerdem den Körpermaßen des Reiters angepasst sein. Ein kleiner Reiter wird in einem großen Sattel herumrutschen und schwer die richtige Stelle finden, auf der er sitzen sollte, während ihn zu lange Sattelblätter behindern, mit dem Schenkel effektiv einwirken zu können. Andersherum wird ein großer, eher schwerer Reiter sich in einem kleinen Sattel eingezwängt und in der Hilfengebung beeinträchtigt fühlen.

Der Sattel muss also zum Pferd und Reiter passen und der Reiter muss sich darin wohlfühlen.

Dieser Sattel liegt nicht korrekt auf, der Schwerpunkt ist nach hinten verlagert. Der Reiter würde wie auf einer nach hinten abfälligen Rutschbahn sitzen und könnte unmöglich die Balance finden.

Dieser Sattel kippt nach vorn-unten. Für den Reiter ist es unmöglich, im Schwerpunkt zu sitzen.

Sättel, die sehr große Pauschen haben, werden von Anfängern oftmals bevorzugt, weil sie ein sicheres Gefühl vermitteln. Man sollte aber Abstand davon nehmen, denn der Sitz sollte nicht sicher und ruhig sein, weil man sich an einer Pausche „festklemmen“ kann, sondern der Sitz sollte sicher und ruhig sein, weil er im Gleichgewicht ist − und zwar ohne einengende Pausche. Eine kleine Pausche, die im Notfall Halt gewährt und die eine sanfte Führung des Schenkels anbietet, ist gut, während eine große dicke Pausche, die permanent mit dem Schenkel in Kontakt ist, einengt und außerdem die freie Beweglichkeit der Hüfte behindert. Viele Reiter klagen deshalb nach einer Unterrichtsstunde in einem solchen Sattel über Schmerzen in der Hüfte. Der Sattel sollte so konstruiert sein, dass er ein bequemes Sitzen „breit im Becken“ erlaubt, wodurch der Schenkel locker herabfällt, anstatt dem Reiter nur eine schmale Sitzfläche zu gewähren und die Oberschenkel anzupressen.

Die Steigbügelaufhängung spielt ebenfalls eine große Rolle; ist sie zu weit vorn angebracht, gerät der Reiter leicht in einen Stuhlsitz. Sitzt sie aber zu weit hinten, zieht es den Oberschenkel des Reiters zu sehr zurück und er wird in einen Spaltsitz fallen. Dasselbe passiert übrigens, wenn die Steigbügel falsch verschnallt werden. Sind sie zu kurz, ist das Bein des Reiters zu stark angewinkelt und die Muskulatur eher fest. Eine harte Wadenmuskulatur kann aber unser Pferd schnell stumpf am Schenkel machen. Zu kurze Steigbügel bringen uns in den Stuhlsitz, indem sie unser Gesäß zu weit zurück im Sattel bringen, die Knie rutschen nach vorn-oben, und ebenso liegt der Unterschenkel zu weit vorn. Dem Reiter wird es unmöglich, mit elastischer Wirbelsäule den Pferdebewegungen zu folgen, denn er tendiert bei dieser falschen Bügellänge zu einem runden Rücken.

Hingegen verursachen zu lange Steigbügel den sogenannten Spaltsitz. Dabei kippt das Reitergewicht vermehrt auf den Oberschenkel, weg vom Gesäß, und wird zu weit vorn im Sattel platziert. Die Fußspitzen müssen oft leicht nach unten gestreckt werden, um mit den Zehenspitzen nach den Bügeln hangeln zu können. Oftmals zieht diese Problematik ein Hohlkreuz nach sich, was wiederum das geschmeidige Mitgehen in der Bewegung verhindert, weil dadurch das Becken verriegelt wird. Die missliche Lage führt dazu, dass der Reiter sich stark versteifen wird, weil er merkt, dass er weder zum Sitzen noch zu irgendeiner Art von Einwirkung kommt. Abhilfe können hier nur kürzere Steigbügel und eine deutliche Gewichtsverlagerung in Richtung Gesäß verschaffen.

Ein vermeintlich kleines Problem birgt hinsichtlich Sitz und Haltung immer die Gefahr, dass es Folgeprobleme nach sich zieht und, einem Dominoeffekt gleich, eine ganze Fülle von Sitzfehlern heraufbeschwört.

Die korrekte Bügellänge lässt sich am besten herausfinden, wenn Sie auf dem Pferd sind und Ihre Beine locker nach unten hängen lassen – ein leichtes Anheben der Fußspitze sollte dann Ihren Fuß bequem im Bügel platzieren. Es darf sich nicht so anfühlen, als ob Sie ständig Ihr Bein ausstrecken müssten, um den Bügel halten zu können, aber auch nicht so, als ob Sie Ihr Knie nach oben schieben müssten, um den Bügel zu erreichen. Der Bügel darf Ihnen nicht das Fußgelenk steif machen oder gar verursachen, dass Sie fest auf den Bügel „drücken“. Dann ist er zu kurz. Ihr Fuß soll vielmehr locker im Bügel ruhen, sodass Sie eine leichte Unterstützung haben. Stellen Sie sich vor, jemand legt seine Hand unter Ihren Fuß, auf die Trittfläche des Bügels, und Sie versuchen, diese Hand nicht zu zerquetschen.

Longenstunden oder Dressurlektionen in einem Spring- oder Vielseitigkeitssattel sind nicht empfehlenswert, da Sitz und Schenkellage in diesen Sätteln sich sehr stark vom klassischen Dressursitz unterscheiden. Der junge Reiter würde sich dadurch den Einstieg in die Reitkunst unnötig schwer machen.

Ein zu kurzer Steigbügel schiebt das Knie nach vorn-oben, über den Sattel hinaus. Die Wadenmuskulatur gerät unter Spannung und wird hart, während der Reiter in den Stuhlsitz gerät.

Ein zu lang verschnallter Steigbügel bringt den Reiter auf die Zehenspitze und folglich in den Spaltsitz.

Mit einem locker herabhängenden Schenkel lässt sich die ideale Bügellänge gut ermitteln: Der Steigbügel sollte mit einem leichten Anheben der Fußspitze zu erreichen sein.

Die Steigbügelaufhängung spielt ebenfalls eine große Rolle; ist sie zu weit vorn angebracht, gerät der Reiter leicht in einen Stuhlsitz. Sitzt sie aber zu weit hinten, zieht es den Oberschenkel des Reiters zu sehr zurück und er wird in einen Spaltsitz fallen. Dasselbe passiert übrigens, wenn die Steigbügel falsch verschnallt werden. Sind sie zu kurz, ist das Bein des Reiters zu stark angewinkelt und die Muskulatur eher fest. Eine harte Wadenmuskulatur kann aber unser Pferd schnell stumpf am Schenkel machen. Zu kurze Steigbügel bringen uns in den Stuhlsitz, indem sie unser Gesäß zu weit zurück im Sattel bringen, die Knie rutschen nach vorn-oben, und ebenso liegt der Unterschenkel zu weit vorn. Dem Reiter wird es unmöglich, mit elastischer Wirbelsäule den Pferdebewegungen zu folgen, denn er tendiert bei dieser falschen Bügellänge zu einem runden Rücken.

Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Sättel mit einem soliden Baum den Reitern bessere Stabilität gewähren als Sättel ohne oder mit flexiblem Baum. Letztere machen gerade dem Einsteiger einen ruhigen Sitz unnötig schwer. Das Pferd erlebt die Fehler und Stöße des Reiters − ohne den in diesem Fall schützenden Baum − unmittelbar im Rücken.

Wenn ein Sattel gut auf dem Pferd liegt und zum Reiter passt, heißt es üben, üben und nochmals üben. Auch das wiederholte Verkaufen und Neukaufen eines Sattels, wie ich es oft erlebe, wird nicht dazu führen, dass der Reiter besser sitzen oder das Pferd besser gehen wird. Dieser Illusion sollte man nicht verfallen. Die Reitkunst ist die schwierigste Kunst überhaupt und bedarf jahrelangen intensiven Trainings, und zwar nicht nur zu Pferde, sondern auch auf dem Boden kann, ja muss ich sogar etwas für meine Körperhaltung und Koordination tun, um schließlich auf dem Pferd eine gute Figur abzugeben. Erkaufen kann man die Reitkunst nicht!

Eine ruhige Atmosphäre

Dieser Aspekt ist von ausschlaggebender Bedeutung, wenn man konzentriert lernen möchte. Der Anfänger ist während seiner ersten Reitlektionen körperlich und geistig so sehr gefordert, dass ihn Umwelteinflüsse stark beeinträchtigen würden. Er muss sich eine gewisse Technik aneignen und gleichzeitig fühlen lernen. Das erfordert ein ruhiges Umfeld. Kindergeschrei, Hundegebell und viele andere Pferde und Reiter drum herum können das Lernen erschweren oder sogar unmöglich werden lassen. Reitplätze neben Koppeln, auf denen Pferde herumtoben, tragen nicht zu einer ruhigen Lernatmosphäre bei, sondern es besteht vielmehr die Gefahr, dass sich das Reitpferd anstecken lässt und somit der Schüler unnötig verängstigt wird. Halten Sie also Ausschau nach einem Reitstall, möglichst mit einer Reithalle ausgestattet, in der Sie ungestört Unterricht erhalten können, am besten zu Zeiten, in denen nicht viel Betrieb auf der Anlage ist. Das Kreieren einer geeigneten Atmosphäre liegt auch immer am Betreiber oder Ausbilder der Reitanlage. Suchen Sie sich daher jemanden, der nicht ständig laut herumbrüllt und dadurch Hektik und Nervosität verbreitet, sondern bevorzugen Sie einen Ausbilder, der souverän und in sich ruhend den Betrieb führt. Ställe, in denen Höflichkeit, Respekt und bestimmte Regeln einen reibungslosen und vor allem sicheren Ablauf in der Reitbahn gewährleisten, gibt es leider nicht allzu oft.

Natürlich können auch Sie selbst etwas dazu beitragen, um die Reitstunde zu einem besonderen Erlebnis des intensiven Lernens und Fühlens, zu einer Zeit der Ruhe werden zu lassen: Lassen Sie unbedingt Ihr Handy im Auto, wenn Sie zur Reitstunde gehen. Eine Stunde Unerreichbarkeit muss möglich sein.

Planen Sie außerdem ausreichend Zeit ein und versuchen Sie, nicht abgehetzt zum Stall zu kommen. Wenn möglich sollte Ihre Ankunft schon eine Stunde vor Ihrem Termin sein, um sich in Ruhe noch andere Reiter ansehen zu können oder um den Kontakt mit Ihrem vierbeinigen Lehrmeister aufzunehmen.

Eine passende Reitausrüstung

Darüber wurde in unzähligen Büchern bereits sehr viel geschrieben, daher möchte ich nur in aller Kürze die mir wichtigen Punkte hinsichtlich der Ausrüstung des Reiters nennen. Geeignetes Schuhwerk, das in erster Linie Sicherheit geben muss, damit der Reiter nicht im Bügel hängen bleibt, ist eine Grundvoraussetzung für die erste Reitstunde. Zu Jodhpurhosen, die dem Reiter ein enges Gefühl zum Pferdeleib erlauben, sind Stiefeletten das passende Schuhwerk. Allerdings geben hohe Stiefelschäfte dem Anfänger viel mehr Halt und Sicherheit und machen ein ruhigeres Bein. Es ist am Anfang wesentlich schwieriger, den Schenkel in einer Jodhpurhose mit Stiefeletten ruhig zu halten als in einer Stiefelhose mit einem hohen Reitstiefel kombiniert.

Womit wir schon zur Reithose kommen: Es gibt unzählige Modelle, die aber allesamt den Vorteil gegenüber anderen Hosen haben, dass sie keine drückenden Nähte an ungeeigneten Stellen haben. Jeder, der einmal den breiten Abdruck einer Naht an der Oberschenkelinnenseite oder ein an der Innenseite offenes Knie nach einer Reitstunde aufzuweisen hatte, wird die Vorzüge einer Reithose schätzen lernen.

Reithosen mit Leder- oder neuerdings Kunstlederbesatz am Gesäß verbessern die Haftung im Sattel und vermitteln einen sicheren Sitz. Daher sind diese für Anfänger gut geeignet. Achten sollte man auf den Schnitt der Hose am Knie. Manchmal sind die Hosen hier sehr eng geschnitten und behindern beziehungsweise drücken, wenn man das Knie beugen möchte. Testen Sie daher bereits beim Kauf im Geschäft, ob Sie gut in die Hocke gehen und Ihr Bein anwinkeln können, ohne dass die Hose am Knie drückt.

Beim In-die-Hocke-Gehen merken Sie auch, ob sich der Hosenbund hinten wegstellt und die Reithose dafür vorn am Bund zu drücken beginnt − gerade bei Damenhosen leider ein häufiges Problem im Schnitt. Dieses Abstehen des Hosenbundes nach hinten verfälscht Ihre Rückenansicht und sieht außerdem nicht gut aus. Entweder Sie finden eine Hose, die besser passt, oder Sie sollten mit einem Gürtel das Wegstehen der Hose kaschieren.

Vermeiden Sie es, klimperndes Kleingeld oder rasselnde Schlüsselbunde bei sich zu haben. Die Geräusche irritieren Pferd und Reiter oft gleichermaßen und deshalb gehören diese Gegenstände nicht aufs Pferd.

Tücher und wallende Schals sollten Sie nicht tragen. Sie können aufgehen, rutschen im schlechtesten Fall unter Ihr Gesäß oder sogar unter den Sattel. Sensible Pferde können leicht erschrecken, wenn sie plötzlich einen wehenden Schal im Augenwinkel bemerken. Verletzungen oder Stürze können die Folge sein.