Der Druide von Mistle End 1: Angriff der Dämonen - Benedict Mirow - E-Book

Der Druide von Mistle End 1: Angriff der Dämonen E-Book

Benedict Mirow

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Beschreibung

Komm zurück in die magische Welt von Mistle End! Im letzten Band der "Chroniken von Mistle End" hat Cedrik endlich das Geheimnis seiner Druidenkräfte gelüftet und ist nun "Der Druide von Mistle End". Dieser Band lässt sich unabhängig von den Vorgängerbänden lesen. 

Erst vor wenigen Wochen haben Cedrik und seine Freunde Mistle End vor dem sicheren Untergang bewahrt. Nun entpuppt sich ein harmloser Ausflug nach Edinburgh als gefährliche Mission. Der junge Druide, dessen Gaben weiter gewachsen sind, rettet Blumenelfen vor einem Dämon. Als Cedric ihn in die Tunnel der Stadt verfolgt, stößt er auf eine unterirdische Welt, in der der Distelorden mithilfe der Schattendruiden die Vernichtung der magischen Welt plant. Cedrik, Emily und Elliot rufen ihre Freunde zu Hilfe und stellen sich mutig den dunklen Kräften entgegen.

Ein phantastisches Kinderbuch über einen jungen Druiden und die magischen Kräfte der Natur. Die besonders hochwertige Ausstattung lädt zum Verschenken ein.

Weitere fesselnde Abenteuer in der magischen Welt von Mistle End: 

  • Die Chroniken von Mistle End 1: Der Greif erwacht
  • Die Chroniken von Mistle End 2: Die Jagd beginnt
  • Die Chroniken von Mistle End 3: Der Untergang droht

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Das Buch

Cedrik fluchte und spornte das Einhorn an. Er galoppierte auf den Krieger in der dunklen Rüstung zu, der nun seine Axt durch die Luft schleuderte. Die Waffe flog wirbelnd eine weite Kurve und zerschmetterte Elliots Lichtkugel in Tausende Stücke. Sofort kehrte die Winterdämmerung auf das Schlachtfeld zurück und der Draugh lachte triumphierend, als die Axt in seine ausgestreckte Hand zurückkehrte.

Erst vor wenigen Wochen haben Cedrik und seine Freunde Mistle End vor dem sicheren Untergang bewahrt. Und nun entpuppt sich ein harmloser Ausflug nach Edinburgh als gefährliches Abenteuer. Was mit der verzweifelten Suche nach entführten Elfen beginnt, führt den jungen Druiden und seine Freunde in eine unterirdische Welt, in der dunkle Mächte einen finsteren Plan schmieden. Zwar sind Cedriks Kräfte weiter gewachsen, doch kann er sich diesen Dämonen wirklich in den Weg stellen? Als ein Ereignis, das so widernatürlich scheint, dass es eigentlich nicht sein dürfte, die Ordnung der Welt auf den Kopf stellt, müssen Cedrik, Emily und Elliot beweisen, wie viel Mut und Tapferkeit in ihnen stecken.

Der Autor

© Emily Binding

Benedict Mirow wurde 1974 in München geboren. Der Ethnologe und Regisseur schreibt und produziert seit vielen Jahren Dokumentarfilme und erstellt Filmporträts über Künstler der internationalen Kunst- und Kulturszene. Nach Zeiten in Afrika und Wien lebt und arbeitet Benedict Mirow nun mit seiner Tochter und zwei Katzen in München und schreibt phantastische Romane für Kinder.

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

Für Kapitän James Hook, den stilvollsten Piraten derWelt, und seine Freundin, die tanzende Tigerin

STERNENSPLITTER

»Ich fasse es nicht!«, rief Elliot und strahlte Cedrik mit glühenden Backen an. Die Beine von sich gestreckt saß er im Schnee und schüttelte ungläubig den Kopf. »Es schmeckt nach Gummibärchen-Toast!«

Cedrik musste lachen, als Emily irgendetwas von »meinen Bruder in der Wiege mit einem Trollbaby vertauscht« murmelte und leicht angestrengt die Augen rollte.

»Und es verändert sich!« Elliot schien völlig verzückt. »Jetzt schmeckt es nach Karamellpudding mit Himbeerkrokant!«

»Kommst du endlich?«, mahnte Emily und schien furchtbar genervt. »Wir haben es eilig, oder nicht?«

Elliot wuschelte sich lachend durch die blonden Locken. »Was hast du denn? Wenn wir mit dem Besen fliegen, sind wir doch im Handumdrehen bei der Kapelle.«

Emily stöhnte. »Ach, du willst also mitten unter den ganzen Leuten hier auf deinen Besen steigen und den großen Hexenmeister markieren?« Sie zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter, wo gerade ein Junge und ein Mädchen aufgeregt plappernd einen Schlitten durch den Schnee die Gasse entlangzogen.

»Was hast du eigentlich?«, erwiderte Elliot trotzig und ließ sich wieder in den Schnee fallen. »Ich dachte immer, du magst Sternensplitter!« Feine Flocken rieselten vom Himmel und legten sich auf seinen Mantel. »Beim Thor, ich glaube, jetzt hat es den Geschmack von einem karamelläugigen Bröselmonster!« Er machte glucksende Geräusche.

Neugierig beäugte Cedrik die kleinen Süßigkeiten in seiner Hand. Eigentlich sahen sie ganz normal aus. Wie zerbrochene Lutschbonbons, rosa, aber klar wie Bernstein. Von den golden wirkenden Blasen, die sich in ihrem Inneren auf und ab zu bewegen schienen, einmal abgesehen. Als sie die Werkstatt ihres Gastgebers verlassen hatten, hatte ihnen Galahad, der Grinsende, die Süßigkeit angeboten. Elliot hatte sofort zugegriffen und Cedrik war bei der Auswahl Elliots Beispiel gefolgt. Wenn es um Essen ging, war auf das Urteil seines Freundes stets Verlass.

Genervt hielt Emily ihrem Bruder den Besen hin. »Nun komm schon, Bruderherz. Wir müssen los!«

Der seufzte noch einmal übertrieben glücklich und zog sich umständlich am Holzstiel nach oben.

Vorsichtig wickelte Cedrik eines seiner beiden Bonbons aus der rot glänzenden Verpackung. Neugierig steckte er sich den klebrigen Sternensplitter in den Mund – und konnte schlagartig verstehen, warum sein Freund so reagiert hatte. Er stöhnte leise. Das Bonbon schmeckte wahrlich göttlich! Bei ihm hatte die Süßigkeit einen zarten Karamellgeschmack, mit einer Prise Salz und einem Hauch von gebrannten Mandeln.

»Wie?! Wirfst du dich jetzt auch auf den Boden wie ein Schneestrampler?«, fragte Emily und beäugte ihn misstrauisch. Die Gestaltwandlerin hatte nur ein paar winzige Honigtropfen aus der Schale gepickt und sie sofort in ihrer Manteltasche verschwinden lassen.

Cedrik kaute noch immer, langsam, damit ihm keine der ständig wechselnden Geschmacksrichtungen entgehen konnte. Er wollte Emily etwas antworten, musste dann aber lachen, als er das selige Grinsen seines Freundes sah. Er verschluckte sich und erst als ihm Elliot heftig auf den Rücken klopfte, fing er sich wieder. »Emily, argh, es tut mir leid. Die Sternensplitter sind wirklich ...«

»Papperlapapp! Sternensplitter sind die Irrlichter unter den Süßigkeiten! Machen dir vor, sie wären dein Lieblingsgeschmack, dabei ist es nur ein Trick! Das hat mit echter Küchenkunst nichts zu tun, das ist nicht mal richtige Magie!«, unterbrach ihn das Mädchen und stapfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Los jetzt endlich! Lasst uns aufbrechen, sonst kommen wir zu spät!«

»Warte!« Cedrik wischte sich keuchend Lachtränen von den Wangen und hielt seiner Freundin das letzte seiner Bonbons hin. »Probiere einfach mal! Wenn es dir schmeckt, gibst du mir deine Honigtropfen. Und wenn nicht, habe ich eben Pech gehabt. Abgemacht?« Er grinste schelmisch.

Als Emily zögerte, sprang Elliot vor und griff gierig nach dem Bonbon in Cedriks Hand, doch seine Schwester war schneller. Rasch steckte sie sich die Süßigkeit in den Mund. Dann riss sie die Augen auf und erstarrte. »Oh!«, sagte sie und kaute langsam und konzentriert. Und noch einmal, nur etwas leiser. »Ooooh!«

»Was hast du denn?«, fragte Elliot amüsiert. »Kann es etwa sein, dass dir die Sternensplitter ...«

»Es schmeckt nach Weihnachtsäpfeln mit Marzipan und Zimt«, hauchte Emily verträumt. »Die Sternensplitter sind wirklich ...« Ihre Stimme brach und sie musste schlucken, sichtlich beeindruckt.

»Natürlich sind die der Hammer. Glaubst du mir jetzt endlich?!«, sagte Elliot grinsend. Dann, mit Spott in der Stimme, fügte er hinzu: »Was bist du nur für eine komische Schwester!«

»Das ist nicht fair!«, rief Emily mit geröteten Backen. »Ich liebe Sternensplitter, das weißt du genau! Aber ich hab die Honigtropfen für Mister Elderling ausgesucht! Er liebt die kleinen Perlen und er wirkte die letzten Tage so unglücklich.«

Elliot spitzte die Lippen. »Oh!«, sagte er, nun selbst ganz rot im Gesicht, und ziemlich kleinlaut.

Cedrik sah das Mädchen beeindruckt an. Mr Elderling, Schmetterlingsmann und Bibliothekar ihres Dorfes, war der Grund für ihren Besuch hier, in der großen Stadt. Der nur handtellergroße Bücherelf hatte sie gebeten, ihm dabei zu helfen, ein wertvolles Pflanzenbuch, ein Herbarium, für die Bibliothek der Hexen abzuholen. So waren sie aus Mistle End in den Bergen hierher an die Küste gekommen, der zarte Bücherelf in einer hölzernen Schachtel, die Elliot in seiner Umhängetasche getragen hatte, sicher verstaut. Auch Cedrik war aufgefallen, dass es ihm seit ihrer Ankunft in der schottischen Hauptstadt nicht gut gegangen war, aber er hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Er lächelte Emily anerkennend zu. Irgendwie schaffte sie es immer wieder, auch die nicht zu vergessen, an die so oft keiner dachte. »Das ist lieb von dir«, sagte er leise und war froh, dass sie seinen Sternensplitter probiert hatte.

»Ja.« Elliot nickte ernst. »Cedrik hat recht. Das ist es wirklich.«

Emily strahlte, glücklich und vielleicht auch ein klein wenig stolz. Verlegen winkte sie ab. »Los jetzt! Sonst kommen wir zu spät!«

Sie stapften fröhlich durch die Gassen der schneebedeckten Altstadt. Die eng stehenden Häuser mit ihren gotischen Giebeln und verwinkelten Erkern wirkten in der Dämmerung und nach vielen Jahrhunderten Feuchtigkeit fast schwarz. Aus schmalen Fenstern warfen flackernde Kerzen ihr goldenes Licht auf den nächtlich-blau schimmernden Schnee und irgendwo in der Ferne hörten sie Kinderlachen, Schlittenglöckchen und das Wiehern von einem Pferd.

»Wie hat Galahad das gemacht?«, murmelte Emily nachdenklich. »Nicht mal Papa bekommt solche Sternensplitter hin!«

Cedrik musste schmunzeln. Der Vater der beiden Geschwister, ebenfalls ein Hexer wie alle in der Familie, betrieb Goldens Süßes & Saures, die einzige Bäckerei von Mistle End. Er liebte die kleine Backstube, wo nichts schien, wie es sein sollte. Glitzernde Kolibris aus kandierten Rosenblättern schwirrten durch den Verkaufsraum. Die Auslagen waren voller Kristallteller und funkelnder Silberschalen, in denen sich schnaubende Schokoladenbären, pralle Pralinenkäfer und kleine krokantaugige Keksmonster tummelten. Und das war ganz wörtlich zu nehmen, denn in der Bäckerei von Mistle End waren die köstlichen Leckereien lebendig. Cedrik hatte einmal ein weißes Schokoladeneinhorn über die Ladentheke traben sehen. Und einen Baum mit einer Rinde aus Nussnugat, dessen Blätter aus Pistazienmarzipan sich in einem magischen Wind wiegten. Darunter hatte ein stolzer Fuchs gesessen, ganz aus Karamell und geröstetem Sesam geformt, der sanft seinen buschigen Schwanz um die Pfoten gelegt hatte.

Die Zauberbäckerei von Emilys und Elliots Vater war einer der magischsten Orte, die sich Cedrik überhaupt vorstellen konnte.

Deshalb konnte er gut verstehen, warum sich Emily so wunderte. Er selbst hatte bestimmt noch nie etwas Besseres gegessen als diese Sternensplitter. Dabei war Galahad Golden, Groß-Groß-Groß-Onkel fünften Grades der beiden Geschwister, nicht einmal Bäcker, sondern ein Alchemist. Für ihn war die Herstellung der magischen Süßigkeit ein Spaß. Eine Spielerei des Hexers, der in seiner alchemistischen Werkstatt eigentlich Zaubertränke und -elixiere entwickelte. Oder es zumindest versuchte.

Obwohl sie schon vor zwei Tagen in das Speicherzimmer am Ramsay Garden Nr. 18 gezogen waren, hatten sie den Mann mit den tausend Spitznamen bisher kaum zu Gesicht bekommen. Tatsächlich befand er sich die meiste Zeit in den Kellergewölben seines stattlichen Hauses, zwischen allerlei seltsam tickenden Apparaturen aus Messing und Holz, umrahmt von Glasaufbauten mit blubbernden Flüssigkeiten, wo er den uralten, magischen Kessel bewachen musste, wie er ihnen augenzwinkernd versicherte. Denn obwohl er als offizieller Hofalchemist dafür verantwortlich war, den Hexenzirkel von Edinburgh mit magischen Artefakten aller Art zu versorgen, galt die eigentliche Leidenschaft des leicht verrückt wirkenden Zauberers dem Streben seiner Vorfahren: der Herstellung von Gold!

Emily und Elliot hatten Cedrik von ihrem Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater 23. Grades erzählt, der versucht hatte, mithilfe von Hexenmagie das edle Metall herzustellen. Er hatte damals auch nicht vor dem Einsatz dunkler Magie zurückgeschreckt, die schon zu seiner Zeit verpönt und heute komplett verboten war. Zumindest unter den Hexen von Mistle End. Doch auch wenn es ihm wohl nicht vollständig gelungen war, müssen die Ergebnisse doch gut genug gewesen sein, um gierige Menschen damit zu täuschen. Weshalb er letzten Endes dieses Haus im Schatten der Königsburg hatte kaufen können und nun noch immer irgendwo in den weit verzweigten Kellern von Ramsay Garden Nr. 18 Berge des falschen Goldes vermutet wurden. Entdeckt wurde freilich bisher keines, aber Cedrik und seine Freunde hatten sich fest vorgenommen, während ihrer Zeit in der Stadt gründlich danach zu suchen.

Dass also die Sternensplitter eines Alchemisten wie Galahad besser schmeckten als die ihres Vaters, schien Emily nicht zu Unrecht zu wundern.

Sie schlug sich mit der Faust in die offene Handfläche. »Ich bin mir sicher, dass Galahad einen Schmelzende-Sehnsucht-Zauber in den Kessel geworfen hat«, rief sie mit blitzenden Augen. »Raffiniert! Sehr raffiniert!«

Elliot kicherte. »Wenn dem so ist, war das eine hervorragende Idee!«

Sie waren schon ein ganzes Stück durch die belebten Gassen der Altstadt gelaufen, als Elliot ihn und Emily am Ärmel packte und sie in eine enge, von hohen Ziegelsteinmauern eingefasste Sackgasse zog. Hier war nichts außer einem Haufen alter Holzfässer und Schnee. Allein der Mond warf sein kaltes Licht auf die drei Freunde.

»Was meint ihr? Ist doch prima hier, oder?«, wollte Elliot ungeduldig wissen.

Emily sah sich aufmerksam um. »Du hast recht«, sagte sie und zwinkerte Cedrik gut gelaunt zu. »Halt dich gut an meinem Bruder fest, Druide! Ich werde nicht auf euch warten!«

Sie begann sich um ihre eigene Achse zu drehen, erst langsam, dann immer schneller. Ein Wirbel aus Haaren, Stoff, und Federn, dann, ein leises PLOPP! und ein hellbrauner Falke schoss kreischend in die Nacht. Emily war eine Hexe, wie ihr Bruder, aber als Gestaltwandlerin konnte sie sich in fast jedes Tier verwandeln. Und Cedrik wusste, dass der schnelle Jäger der Lüfte eine ihrer Lieblingsgestalten war. Sie liebte das Fliegen, wie ihr Bruder. Doch während sie sich einfach in einen Falken verwandelte, benötigte dieser dafür einen fliegenden Untersatz. Eine Schneeschaufel, einen Besen, einen Spaten, Hauptsache, es hatte einen Stiel, auf dem er reiten konnte.

Elliot, der jüngste Hexenmeister in der Geschichte von Mistle End, wie er sich selbst gern nannte, hatte sich seinen Besen bereits zwischen die Beine geklemmt und sah Cedrik fröhlich an. »Kommst du?«

Cedrik zögerte keine Sekunde. Er sprang hinten auf den Besen und klammerte sich an Elliot fest. Auf ein Zeichen des jungen Hexers stießen sie sich gemeinsam ab und Elliot riss sie auf dem hölzernen Reisigbesen fast senkrecht nach oben, hoch in den nächtlichen Himmel über Edinburgh. Er lehnte sich wieder nach vorn, beschleunigte den Besen und schon rasten sie so knapp über die alten Häuser, dass der Schnee auf den Dächern aufwirbelte. Sie umkurvten geschickt rauchende Schornsteine, brausten durch einen Schwarm aufgeschreckter Tauben und flogen über die verwinkelten Gassen der Altstadt im Schatten der Burg. Sie flogen schnell, erreichten die Vororte und waren bald raus aus der Stadt. Der Fahrtwind pfiff ihnen eiskalt um die Ohren, und der Mond ließ die Wolken, aus denen immer wieder zarte Schneeflocken rieselten, weiß aufleuchten. Seitlich von ihnen, in weiter Ferne, glaubte Cedrik die Gipfel der Highlands zu erahnen.

Er spürte eine Berührung an der Wange und zuckte zusammen. Als er den kleinen Falken entdeckte, der sich elegant und mit Leichtigkeit im vollen Flug vor sie setzte, musste er lächeln. Emilys Glück, mit schnellem Flügelschlag durch die Nacht zu jagen, schien ihm fast greifbar.

Er lachte. »Ist schon toll, wie Emily da so durch die Na... AAAAH!«

DER WIRBELNDE SCHATTEN

Der riesenhafte Schatten war so urplötzlich aus der Dunkelheit vor ihnen aufgetaucht, dass nur Elliots blitzschnelles Reaktionsvermögen und ein verflucht riskantes Flugmanöver sie davor bewahrt hatten, mit der unheimlichen Erscheinung zusammenzustoßen. Cedrik sah die ledrige Haut riesiger Schwingen und rot glühende Augen, die sich direkt in seine Seele zu brennen schienen.

»Wo kam der denn auf einmal her?«, brüllte Elliot erschrocken. »Und was bei den Göttern war d...«

»Über uns!«, rief Cedrik mit sich überschlagender Stimme.

Der schwarze Schatten war in der Winternacht kaum zu erkennen und Cedrik spürte mehr, als er sah, wie sich das Wesen von oben auf sie fallen ließ. »Er greift an!«

Im Sturzflug stieß das unheimliche Wesen auf sie hinunter. Ein schwarzer, wirbelnder Schatten, aus dem sich nur für einen kurzen Moment scharfe Klauen herauszuschälen schienen. Die Bestie schrie und Cedrik riss Elliot einem Instinkt folgend ruckartig nach hinten. Der Besen bremste schlagartig ab, sie kippten zur Seite und das Ungeheuer griff mit seinen ausgesteckten Krallen ins Leere. Und endlich erkannte Cedrik, wer, nein ... was sie da angriff.

»Elliot, das ist ein Schattendruide! Ein Maighstir Sgaìl!«

Diese Wesen waren halb Nebel, halb geflügelter Tod. Wirbelndes Schwarz und nahezu unverwundbar. Jeder Pfeil, jeder Zauber ging einfach durch sie hindurch. Wie durch Luft. Wie durch einen Schatten. Einst Druiden wie Cedrik, hatten sich die Maighstir Sgaìl, trunken von ihrer eigenen Macht und Stärke, der falschen Seite verschrieben. Sie wollten keinen Frieden. Die Schattendruiden wollten die Welt in Dunkelheit und Furcht stürzen. Deswegen hatten sie sich damals mit den Dornhexen verbündet und Mistle End angegriffen.

»Was?!«, rief Elliot entsetzt. »Was hat der denn hier zu suchen?!«

Hinter Cedriks Stirn explodierte der Schmerz. Diesmal hatte er den Angriff nicht kommen sehen. Der schreckliche Jäger hatte sich von hinten auf sie gestürzt und mit seiner Kralle eine blutige Wunde in seine rechte Schulter gerissen.

»AAAH!« Cedrik schrie. »Er hat mich erwischt ... AAA-AH!!«

Cedrik, der kaum atmen konnte, ohne aufzustöhnen, spürte, wie Elliot nach hinten griff und ihn an seinem Parka zu fassen bekam. Sein Freund zog ihn dicht zu sich heran und brüllte »LÒCHRAN!«. Aus dem Nichts erschien neben ihnen in der Luft eine silbern schillernde Zauberkugel, die sie sofort in einen tröstenden, hellen Schein hüllte. Obwohl Elliot seit dem Angriff das Tempo deutlich erhöht hatte, blieb der Lichtzauber immer in ihrer Nähe und raste neben ihnen durch die Nacht.

Das magische Licht der Kugel war keine Bedrohung für die Ungeheuer, aber es machte sie sichtbar. Und was da über ihnen Gestalt annahm, war Cedrik nur allzu gut vertraut. Er kannte sie seit ihrem Besuch in Callanish, dem heiligen Ort der Druiden. Sie sahen kaum aus wie Menschen, mit grauer, faltiger Haut, mit Hörnern an den Schläfen, blutunterlaufenen Augen und riesigen Fledermausflügeln. Er flog nun wieder über ihnen, aber hielt Abstand. Schien zu zögern. Fauchend und geifernd fletschte der Maighstir Sgaìl seine Zähne. Sein beschuppter Schwanz peitschte durch die Luft, die klauenartigen Hände hielt er gierig nach ihnen ausgestreckt.

Wo bist du? Wir brauchen dich!, rief er in seinem Kopf. Er wusste, sie würde ihn hören. Sie würde ihnen helfen können. Wenn sie nur nicht zu weit entfernt war!

Cedrik hoffte, dass das magische Licht ihren Angreifer lange genug auf Abstand halten würde. Denn auch wenn es für den Schattendruiden keine direkte Gefahr darstellte, so machte es ihn doch verwundbar. Cedrik hatte selbst mehr als einmal erlebt, dass – waren die Schattendruiden erst einmal in ihrer wahren Gestalt – sie auch besiegt werden konnten.

»Kannst du ... kannst du ihn nicht mit einer Feuerlanze ... angreifen?«, presste Cedrik mühsam hervor. Er hielt die Augen geschlossen und versuchte gleichzeitig, sich mit dem unverletzten Arm an seinen Freund zu klammern, um nicht vom Besen zu fallen.

»Nein!«, rief Elliot durch den Sturm. »Das geht ... nicht ... ich kann nicht durch den Sturm fliegen und dabei ... einen Kampfzauber schleudern!«

Cedrik presste die Lippen aufeinander. Wo bleibst du? Skye?

Die Wunde an seiner Schulter pochte wie verrückt.

»Wir müssen runter!«, brüllte Elliot. »Am Boden kann ich ihn vielleicht ...«

Eine heftige Böe warf sie fast vom Besen. Der Maighstir Sgaìl schlug sofort zu. Oder versuchte es zumindest, denn zu ihrem Glück war der geflügelte Schattenjäger nicht so schnell wie der Besen und so streifte er Elliot nur an der Seite. Nicht schwer, jedoch stark genug, um sie ins Strudeln zu bringen. Elliot schrie und Cedrik bekam Panik, als aus dem Schwarz der Nacht ein Baumwipfel vor ihnen auftauchte und sie direkt darauf zurasten. Es gelang seinem Freund erst in letzter Minute, den Besen wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Verdammt!«, schrie Elliot und die Furcht in seiner Stimme war schrecklich anzuhören. »Da vorne ist Emily! Sie versucht sicher den Maighstir Sgaìl anzugreifen!« Cedrik, der sich an den Rücken seines Freundes presste, spürte, wie Elliot heftig den Kopf schüttelte. »Das darf sie nicht! Gegen das Monster hat sie keine Chance! Das ist viel zu gefährlich!«

Cedrik sah mühsam nach vorne und war erleichtert, als er feststellte, dass Elliot sich irrte.

Der Greifvogel, der da durch die Nacht auf sie zugestürmt kam, war viel zu groß für einen Falken. Der im Licht der Zauberkugel golden schimmernde Adler fing sich mit gespreitzten Schwingen erst kurz vor ihnen ab und setzte sich mit rauschenden Flügeln zwischen sie und den Maighstir Sgaìl.

Skye! Endlich!, seufzte Cedrik erleichtert in seinem Kopf.

Baumjunge, du bist verletzt!, hörte er die raue Stimme seines Adlerweibchens. Seit er sie vor den Tierkämpfen im Devils Elbow gerettet hatte, war sie ihm nicht mehr von der Seite gewichen. Sie hatte ihn gelehrt, was es für einen Druiden bedeutete, ein Seelentier zu haben.

Der Maighstir Sgaìl, er hat mich verletzt! Wir müssen landen, erst dann kann ich mich heilen. Lenk ihn ab, greif ihn an. Egal, aber tu irgendetwas! Du musst uns helfen, Skye!

Skyes Antwort war ein wütender, kraftvoller Adlerschrei. Sie rollte sich über ihre Seite und wechselte so geschickt ihre Flugrichtung. Er konnte ihren Zorn spüren, als sie mit vorgestreckten Krallen auf das Schattenwesen zuflog. Normalerweise hätte ein Adler, so groß er auch sein mochte, keine Chance gegen ein Ungeheuer wie dieses gehabt, nur war Skye kein gewöhnlicher Adler. Cedrik wusste nicht genau, ob durch die Verbindung mit ihm oder durch ihren Aufenthalt bei den Druiden von Callanish, Skye trug eine Kraft in sich, mit der sie dem Maighstir Sgaìl ebenbürtig war. Ein goldener Schimmer umfing sie und als sie mit voller Wucht gegen den Angreifer stieß, war es Cedrik, als fühlte er den Zusammenprall der beiden Mächte wie eine kurze Erschütterung der magischen Welt. Der Kampf zwischen den beiden fliegenden Kriegern schien den nächtlichen Himmel zu erhellen.

Cedrik lief ein eiskalter Schauer über den Rücken und er spürte, wie er immer schwächer wurde. Erschöpft wandte er sich an Elliot. »Bring uns runter. Beeil dich, Elliot!«

»Aber der Schattendruide! Wenn wir zu langsam werden, greift er uns bestimmt an!«, erwiderte Elliot gehetzt.

»Skye kümmert sich ... er wird uns heute nicht mehr gefährlich. Bitte! Du musst landen ... ich kann mich nicht mehr lange halten.«

Cedrik wurde schwindelig und er schwor sich zornig, endlich irgendwie einen Weg zu finden, auf die Kraft der Erde zuzugreifen, auch wenn er keinen Kontakt zum Boden hatte.

Irgendwo hinter ihnen hörte er den triumphierenden Schrei eines Adlers. Skye musste den Maighstir Sgaìl irgendwie erwischt haben.

»Dort ist es«, rief Elliot über seine Schulter und zeigte nach unten. Tatsächlich zeichnete sich dort, inmitten der in der Dunkelheit bläulich schimmernden Schneelandschaft eine Kapelle ab. Elliot ging in den Sinkflug über und zog eine schnelle Schleife um das über und über mit Ornamenten und kunstvollen Steinmetzarbeiten übersäte Gebäude. Eine niedrige Mauer umfasste die Kapelle, Bäume auf der einen Seite, ein steiler Abhang auf der anderen begrenzten das kleine Plateau.

Der junge Hexenmeister landete den Besen sanft auf dem verschneiten Vorplatz.

Cedrik ließ sich zu Boden fallen, rollte sich auf die Seite und grub stöhnend seine Hand in den eisigen Schnee. Seine Schulter brannte teuflisch. Aber als er endlich das Gras und die Erde unter seinen Fingern spürte, wusste er, dass alles gut werden würde. Es gehörte zu den besonderen Gaben eines Druiden, dass er – stand er im Kontakt mit der Erde – nicht nur Pflanzen und Tiere um einen Gefallen bitten konnte. Es war ihm auch möglich, von der Erde selbst Hilfe zu erbitten. Golden und wärmend floss ihre Kraft in allem, was lebte. In jeder Pflanze, in jedem Tier, in jedem Wesen, das unter den Himmeln wuchs und gedieh. Das Leben speiste sich aus der Erde selbst, so viel hatte er schon verstanden. Und diese Energie war es auch, die in ihn strömte und von der er nun zehrte. Der Schmerz ließ fast sofort nach und er konnte fühlen, wie sich die Wunde schloss. Seine Muskeln dehnten sich, er holte tief Luft und schloss für einen kurzen Moment erleichtert die Augen.

Emily, die sich noch im Flug mit einem leisen PLOPP! zurück in ihre menschliche Gestalt verwandelt hatte, landete neben ihnen in einer eleganten Superhelden-Pose. Das eine Knie angewinkelt, stützte sie sich mit einer Hand ab, während sie die andere von sich streckte. Sofort richtete sie sich wieder auf und starrte in den Himmel, so als wollte sie sich überzeugen, dass der Schatten ihnen auch bestimmt nicht nachgeflogen kam.

»Geht es dir gut?«, fragte sie Cedrik und ihre Stimme klang seltsam belegt.

Der nickte langsam. »Ja, ich denke schon.«

Sie drehte sich zu ihm um und stampfte aufgebracht mit dem Fuß auf. Ihre Augen schienen zu glitzern. »Als ich gesehen hab, wie euch der Maighstir Sgaìl angegriffen hat, bin ich sofort zurückgeflogen, aber er hat mich nicht einmal wahrgenommen!«

»Wie verrückt war das denn?«, grummelte Elliot. »Was macht ein Maighstir Sgaìl mitten in der Stadt? Denkt ihr, der ist uns aus den Highlands gefolgt?«

»Glaubst du wirklich?«, erwiderte Emily betroffen. »Aber das wäre schrecklich!«

»Nein. Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen«, erwiderte Cedrik nachdenklich. »Als wir fast mit ihm zusammengestoßen sind, wirkte er genauso überrascht wie wir. Findet ihr nicht?«

»Cedrik hat recht. Der hat nicht mit uns gerechnet. Das war Zufall.« Sie wirkte völlig aufgelöst. »Wenn Skye nicht gewesen wäre ...«

Skye! Cedrik suchte den nächtlichen Himmel ab, aber sie war nirgends zu entdecken. Wo bist du? Ist alles in Ordnung?

Ob sie immer noch gegen den Schattendruiden kämpfte?

Skye? Antworte mir!

Baumjunge! Ich jage ihn!

Cedrik lächelte erleichtert. Im Brausen des Sturms konnte er Skyes Geist zwar nur erahnen, aber er wusste instinktiv, dass er sich um sie keine Sorgen machen musste. Sie kam aus dem wilden Norden der Insel, auf der Jagd und im Sturm war sie in ihrem Element.

Elliot, der sein dankbares Grinsen richtig deutete, fragte ihn amüsiert: »Und? Hat Skye das Monster schon aufgefressen?«

DIE GRÜNE KAPELLE

Der Schneefall war inzwischen wieder stärker geworden und Cedrik fragte sich, ob er schon einmal so viel Schnee gesehen hatte. Es schneite bereits seit Wochen. Der Platz rund um die Kapelle war voller Fußstapfen und auf den bunten Glasfenstern tanzten Schatten vor hellem, freundlichem Licht. Hinter den Mauern der Kapelle erklang Musik, aber nicht etwa Orgelklang oder Chorgesang, wie man es von einem Ort der Andacht erwartet hätte, sondern das fröhliche Lied von Pfeifen und Tamburinen, sie hörten Gelächter und das Johlen unzähliger Stimmen.

»Sie haben schon angefangen«, rief Emily und wirkte irgendwie erleichtert. »Kommt, lasst uns reingehen! Genug Abenteuer für heute!«

Tut das nicht, erklang auf einmal eine Stimme. Weich und schnurrend. Ihr wollt hier nicht rein. Glaubt mir, das ist keine gute Idee.

Erstaunt blieb Cedrik stehen. Elliot stieß gegen seinen Rücken und Cedrik konnte ihn gerade noch festhalten, bevor sein Freund kopfüber in den Schnee stolperte.

»Was hast du? Warum bleibst du einfach stehen?«, fragte ihn Elliot, der ihn mit großen Augen anstarrte.

»Aber habt ihr ... habt ihr das nicht gehört?«, fragte Cedrik unsicher.

»Was denn?«, fragte Emily stirnrunzelnd. »Können wir endlich? Mir ist echt kalt, Leute! Und außerdem, wer weiß, ob nicht noch mehr von den Schattendruiden hier draußen rumfliegen.«

Natürlich hören sie mich nicht. Sie sind nicht wie du.

Die Stimme war in seinem Kopf! Cedrik keuchte. Es gab nur wenige Wesen, mit denen er sich auf diese Weise unterhalten konnte. Wer sprach da? Und wo ...

Ich bin hier!

Er saß etwas abseits, im Schatten der Kirchenmauer. Mit smaragdgrünen Augen, die in der Dunkelheit funkelten. Den Schwanz elegant um seine Pfoten gelegt. Ein kräftiger, schwarzer Kater mit einem weißen, sternförmigen Fleck auf der Brust.

Wer bist du?, fragte er das Tier auf die gleiche Weise, wie es mit ihm gesprochen hatte. Als Gedanke.

Wer du bist, weiß ich, kam die Antwort des Katers. Ich hab schon viel von dir gehört. Der Junge, der mit den Pflanzen sprechen kann. Und mit den Tieren.

»Hallo?! Cedrik?« Elliot legte den Kopf schief. »Alles okay mit dir? Du guckst komisch.«

»Moment!«, antwortete Cedrik hastig. »Der Kater ...« Er zeigte auf das Tier, das nun mit aufgerichtetem Schwanz und Katzenbuckel ein paar steife Schritte durch den Schnee machte, bevor es sich genüsslich streckte.

»Oh!«, hauchte Emily. »Unterhaltet ihr euch etwa?«

Cedrik nickte schnell. Dabei wandte er den Blick nicht von dem Kater. Er wollte den Kontakt nicht verlieren.

Er hatte immer wieder versucht, mit allen möglichen Tieren zu sprechen und sie, wie die Pflanzen, um einen Gefallen zu bitten. Bisher war er kläglich daran gescheitert. Eine richtige Unterhaltung zu führen wie jetzt mit dem Kater, war ihm bisher nur mit Emily in Tiergestalt gelungen oder mit Skye, seinem Adlerweibchen. Aber beide waren keine gewöhnlichen Wesen, genauso wie der Greif, der magische Hüter Mistle Ends, mit dem er auch in seinem Kopf sprechen konnte.

Vielleicht war auch der Kater eine Art Wächter?

Wie heißt du?, fragte er vorsichtig.

Die Schnurrhaare des Katers schienen amüsiert zu zittern. Ihr Menschen wollt immer allem einen Namen geben. Aber wenn du unbedingt willst, darfst du mich James rufen.

Cedrik neigte höflich den Kopf. Danke, James! Aber jetzt sag mir, warum sollen wir da nicht reingehen? Wir sind eingeladen, vom Obersten Lord der Hexen.

Der Kater hatte sich wieder in den Schnee gesetzt. Er war ein schönes Tier, wie er anmutig seinen Schwanz mit der weißen Fellspitze um seine Pfoten legte. Und wieder erklang die Stimme in Cedriks Kopf. Samtig und dunkel. Es gibt Orte, an denen sollte einer wie du ...

Laut krachend flog eine kleine Tür in der Seitenmauer der Kapelle auf und der Kater sprang fauchend in die Höhe, die Pfoten mit den scharfen Krallen entsetzt abgespreizt.

»Ha!«, rief der Pferdemann und seine Augen strahlten begeistert unter blonden Locken, während er die Tür mit ausgestrecktem Arm gegen den aufkommenden Wind offen hielt. »Und ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr!«

»Tiberio!«, entfuhr es Elliot. »Mensch, ich bin so froh, dich zu sehen. Stell dir vor, wir wurden gerade von einem ...«

Der Zentaur lachte dröhnend. »Natürlich ich! Glaubt ihr, ich lasse mir so etwas entgehen?« Er tänzelte mit seinen kräftigen Hufen im Schnee, seinen muskulösen Oberkörper hatte er mit einer dunkelroten Weste bedeckt.

Emily lachte. »Wird hier am Hexenhof nicht sowieso ständig gefeiert?!«

Cedrik sah unruhig nach dem Kater, der durch den Schnee davonspazierte und auf einmal gänzlich desinteressiert wirkte.

Was wollte mir das Tier nur sagen?

Der Kater humpelte, wie ein Pirat mit einem Holzbein, und auf einmal musste Cedrik an den Captain eines seiner Lieblingskinderbücher denken.

Tiberio winkte ihnen ungeduldig. »Nun kommt schon, ihr werdet erwartet!«

Er hielt ihnen die Tür auf und Cedrik wollte eben über die Schwelle der Kapelle treten, als ihn Elliot zurückhielt. »Was hat der Kater gesagt?«, fragte er neugierig.

»Ich glaube, er wollte uns warnen«, antwortete er leise.

»Aber wovor?« Elliot runzelte die Stirn. »Vor dem Schattendruiden? Da wäre er ein bisschen spät, was?« Er lachte.

Cedrik zuckte hilflos mit den Schultern, lächelte Tiberio dankbar an, als ihm dieser auffordernd zuzwinkerte und trat als Erster in die Kapelle.

Kaum hatte er seinen Fuß über die Schwelle gesetzt, brach das goldene Licht der Fackeln und Kerzen, das fröhliche Gelächter, die Musik, die vielen unterschiedlichen Wesen und Erscheinungen wie eine Welle über ihm zusammen. Was sich da vor ihnen ausbreitete, war wie ein Rausch und so ganz anders, als sich Cedrik eine Einladung am Hofe des Hexenlords von Edinburgh vorgestellt hatte. Er zog die Luft ein und schmeckte Zimt und Honig auf der Zunge, den Geruch von frischen Keksen und überbackenem Sesamfladen, das Aroma von gegrilltem Gemüse und würzigen Kräutern.

Emily schob ihn von hinten weiter durch die Pforte. »Willst du, dass ich erfriere? Bei allen Göttern, rein mit dir!«

Der muskulöse Zentaur hieb Elliot fröhlich auf die Schulter, nickte Cedrik freundlich zu und deutete eine Verbeugung Richtung Emily an. »Die Helden der Schlacht um Mistle End. Besenbändiger, Drachenreiter und Falkenkind! Ich freue mich sehr, euch gesund und munter wiederzusehen. Wir sind euch alle zu einer Menge Dank verpflichtet!«

Drachenreiter ... Es war nun schon ein paar Wochen her, dass er und seine Freunde mit der Hilfe eines gewaltigen Drachen die Dornhexen daran gehindert hatten, Mistle End in ihre Gewalt zu bringen. Mistle End, sein Heimatdorf, irgendwo oben in den Bergen Schottlands. Dabei war er selbst erst vor etwas über einem Jahr mit seinem Vater in das kleine Dorf in den Highlands gezogen. Und erst dort hatte er nicht nur erstaunt festgestellt, dass es Hexen, Elben, Vampire und andere magische Wesen gab und sie mitten unter ihnen lebten, sondern dass auch er selbst ein Druide war. Und damit die seltene Gabe besaß, mit Tieren und Pflanzen sprechen zu können. Wie mit dem Kater. Und dass er Freunde hatte, die zaubern konnten oder sich in Tiere verwandeln.

Und so hatte er sich daran gewöhnt, das Unvorstellbare zu akzeptieren. Die Magie und das Fantastische. Die Fabelwesen, wie Tiberio, den Zentaur, oder den Troll, der sich am anderen Ende der Halle eben erfolglos damit abmühte, mit seinen Zähnen ein Fass Bier zu öffnen. Sehr zur Erheiterung der umstehenden Zwerge und Elben. Das alles war nun seine Welt. Hier war er ein Druide. Ein Hüter der Erde, dessen Aufgabe darin bestand, die Balance zwischen der Natur und den Menschen zu bewahren. Ein Wächter des Friedens.

»Ach, lass mal. Was hätten wir denn machen sollen? Einfach zugucken, wie sie unser Dorf abfackeln?«, winkte Elliot bescheiden ab, die Backen rot und glänzend. »Solange wir endlich was zu essen bekommen, bin ich zufrieden. Außerdem haben wir gerade den Angriff eines Schatt...«

Tiberio lachte wieder, laut und wiehernd. Cedrik mochte den Pferdemann. Abgesehen von seiner unbändigen Kraft strahlte er eine Lebensfreude aus, die ihn schlicht beeindruckte.

»Dann greift zu! Es ist genug für alle da.« Der Zentaur drehte sich grinsend um und zeigte dabei eine Reihe strahlend weißer Zähne. »Wenn nicht die Gaukler schon alles weggegessen haben.«

»Die Gaukler?« Emily reckte sich, um einen Blick auf die unzähligen Feiernden zu erhaschen. »Welche Gaukler? Ist Basil gekommen?«

Die Kapelle war zum Bersten gefüllt und das Fest in vollem Gange. Cedrik sah Elben, wie er sie aus Mistle End kannte, hochgewachsen und stolz, aber auch kleine, flatterhafte Elfen, nur Handtellergroß oder noch kleiner, mit Schmetterlingsflügeln. Trolle, Hexen und ein Wesen, das aussah wie ein wandernder Felsblock. Cedrik fiel auf, dass die meisten der hier anwesenden Hexen und Hexer schwarze Samtschärpen mit funkelnden Sternenmustern quer über ihre Oberkörper trugen.

»Die sind alle vom Edinburgher Hexenzirkel«, raunte ihm Elliot zu. »Ein bisschen hochnäsig für meinen Geschmack.«

Cedriks Aufmerksamkeit war ganz von einem Steinriesen gefangen, der eben in einen Haufen kleiner Steinwesen zerfiel und zwischen den Beinen der Feiernden umherkullerte.

Eine Frau, hochgewachsen, mit einer scharfen Hakennase und geschwungenen Augenbrauen schien ein auffallend leuchtendes Kleid aus bunten Federn zu tragen ... nein, sie hatte Federn. Blau-grün schillernd! Cedrik hatte ein Wesen wie diese Frau noch nie gesehen.

»Entschuldigung ... dürfte ich ... Hallo?« Elliot versuchte vergeblich, an eine der köstlich aussehenden Sandwich-Schnitten zu gelangen, die von arrogant wirkenden jungen Männern in modisch geschnittenen, schwarzen Mänteln auf silbernen Tabletts an ihnen vorbeigetragen wurden.

Sind das Menschen?, überlegte Cedrik einen Moment verwundert. Was machen die hier? Normalerweise waren Menschen bei magischen Versammlungen nicht zugelassen und diese Typen schienen bestimmt nichts Magisches an sich zu haben.

Elliot klopfte dem Schnösel auf die rechte Schulter, doch kaum hatte dieser sich umgedreht, schnappte sich der junge Hexer ein Stück Pastete von der anderen Seite des Tabletts.

Als der Kellner ihn empört anfunkelte, grinste Elliot nur zufrieden und erklärte Cedrik glücklich schmatzend: »Das sind echte Goronarze! In Murkensoße! So lecker!«

Cedrik lächelte. Er war so froh, dass die Geschwister Elliot und Emily seine Freunde geworden waren. Kurz nach seiner Ankunft in Mistle End hatte er sie kennengelernt, den Hexer und die Gestaltwandlerin. Kurz bevor die Streitigkeiten ausgebrochen waren, zwischen den Vertretern der dunklen Magie, den sogenannten Dornhexen, und den Hexen rund um Esmeralda Golden, der Mutter seiner beiden Freunde.

Es war ein Kampf zwischen den Verfechtern der alten, blutigen Rituale gewesen und den jungen, modernen Hexen. Und doch war es bei all den Konflikten auch um ihn, Cedrik, gegangen. Und um Corvus Crutcher, kurz »Crutch«, den anderen Druiden. Den »dunklen Druiden«, wie ihn alle nannten.

Für Cedrik war er nicht immer ein Feind gewesen, sondern auch und vor allem ein Freund, ein Bruder. Eine Überzeugung, die sich zu guter Letzt auch bewahrheitet hatte – zum Glück.

»Es gibt immer zwei«, hatte ihn seine Mutter gelehrt, die Baumnymphe. Zwei Druiden. Zwei Seiten. Von ihr hatte er seine druidischen Fähigkeiten geerbt. Von seinem Vater, dem magisch gänzlich unbegabten Bücherwurm, die Erkenntnis, dass Vergebung immer stärker war als Rache.

Elliot boxte ihm in die Seite. »Und? Gefällt es dir, wie sie uns alle anstarren?! Wir sind berühmt, Mann!«

Erstaunt stellte Cedrik fest, dass sein Freund recht hatte. Seit sie in die Kapelle getreten waren, hatten sich zahlreiche Gäste nach ihnen umgedreht, getuschelt und mit den Fingern auf sie gezeigt.

Emily grinste breit. »Und du bist dir sicher, dass sie UNS meinen, Bruderherz? Wir haben den ›Drachenreiter‹ mitgebracht, schon vergessen? Wer interessiert sich da schon für ›Besenbändiger‹ und ›Falkenkind‹?«

Elliot grunzte. »Hauptsache, wir bekommen was zu essen!«

›Drachenreiter‹ nannten sie ihn, weil er es gewesen war, der auf dem uralten und machtvollen Drachen reitend das Dorf davor bewahrt hatte, von Crutch und den Dornhexen eingenommen zu werden. Der feurige Atem des Drachen hatte sie verbrannt, die Armee der toten Krieger, aber auch die anderen dunklen Kräfte auf Abstand gehalten und zurückgeworfen. Die Vampire und die Schattendruiden. Ihn schauderte. Der Drache, der Kampf, die Auseinandersetzung mit Crutch, all das war so furchtbar gewesen. Und wie dankbar war er noch immer, dass sie letzten Endes hatten Frieden schließen können. Er und Crutch. Sie alle.

Jemand drückte ihnen schlanke, goldene Kelche in die Hände, in dem feinster Beerentau perlte. Als Cedrik seinen in einem Zug leerte, entdeckte er das Seil, das durch die ganze Länge des kleinen Kirchenschiffes gespannt war. Ein Mann und eine Frau, in bunten, gold-gelb gestreiften Kleidern und von drahtiger Statur, tanzten auf dem Seil, als gäbe es für sie keine Schwerkraft. Sie waren nicht allein auf dem dünnen Strick. Eine Gruppe Eichhörnchen mit Röckchen in den gleichen Farben kletterte während ihrer akrobatischen Nummer auf ihnen herum, sprang unter ihren Beinen hindurch oder ließ sich fallen, um in allerletzter Sekunde von dem Mann oder der Frau aufgefangen zu werden.

»Beherrschen die auch Magie?«, fragte Cedrik neugierig. »Das sind doch, äh, normale Menschen, oder? Mit dressierten Eichhörnchen?«

Elliot lachte. »Lass sie das bloß nicht hören!«

»Die zwei Großen sind die Eltern. Und die Kleinen, das sind ihre Kinder«, erklärte Emily grinsend.

»Wie bitte? Aber wie sollen denn ...«, wollte Cedrik verwirrt fragen, doch Emily sprach schon weiter.

»Der Mann und die Frau sind genauso Eichhörnchen wie die Kleinen! Sie können sich in Menschen verwandeln. Fast so wie ich, nur umgekehrt! Das sind Tierwandler.«

Cedrik schüttelte ungläubig den Kopf. »Ihr wollt mich veräppeln. Oder?«

Elliot lachte. »Überhaupt nicht! Was Emily sagt, stimmt! Das ist eine ganze Eichhörnchenfamilie!«

Tierwandler?! Verblüfft folgte Cedrik den aberwitzigen Aktionen der kleinen Nager. Fasziniert versuchte er sich vorzustellen, dass die Menschen auf dem Seil eigentlich die geschickten Kletterer mit den großen Zähnen und dem buschigen Schwanz waren. Verwandelte Eichhörnchen! Er lachte glücklich und freute sich über dieses neue Wunder, das er heute hatte entdecken dürfen.

»Ich möchte wetten, dass die vom Circus Paradise sind.« Emily kniff leicht die Augen zusammen und sah sich um. »Dann müsste Basil ja hier auch irgendwo sein.«

Sie hatten Basil, den Gauklerkönig und Zirkusdirektor kennengelernt, als sein magischer Zirkus in London von Crutch mit der Hilfe eines schrecklichen Kraken angegriffen wurde. Sie hatten nur gemeinsam und mit der Hilfe vieler anderer Zauberwesen die liebenswürdige Zirkusfamilie rund um Basil vor dem Untergang retten können.

Elliot zog ihn am Ärmel weiter durch die Menge. »Jetzt komm schon, ich hab immer noch Hunger.«

Lachend ließ Cedrik sich schieben und ziehen und versuchte trotzdem weiterhin, den Tierwandlern bei ihren spektakulären Kunststücken zuzusehen. Wie geschickt sie sind!

Dabei fiel ihm auf, dass auch das Gebäude selbst, die Kapelle, ein wahres Meisterwerk darstellte. Nicht nur die Decke, sondern auch die Säulen, die Spitzbögen um die Fenster, ja selbst die Wände waren über und über mit fein gearbeiteten Ornamenten und in den Stein geschnitzten Figuren übersät. Cedrik sah Menschen, Tiere und verschlungene Pflanzenmuster. Aber auch Skelette, und einen Engel, der mit dicken Seilen gefesselt, kopfüber hing. Der gefallene Engel, dachte Cedrik düster. Was, wenn es ihn nicht auch gibt? Mit den alten keltischen Göttern hatte er ja schon gesprochen, warum also sollte es ihn nicht auch geben: Lucifer. Satan. Beelzebub.

»Die drei Freunde!«

Cedrik zuckte zusammen, als er die schrille, raue Stimme hörte. Die Frau mit der Adlernase und den blau-grün schillernden Federn, die er vorhin in der Menge entdeckt hatte, kam auf sie zugerauscht. Ihre gelben Augen musterten sie neugierig. »Es ist uns eine Ehre, euch an unserem Hof empfangen zu dürfen.« Sie neigte den Kopf, ruckartig. Und Cedrik fühlte sich unwillkürlich an seine Begegnung mit dem Greif erinnert. Wie ein Raubvogel, dachte er schaudernd.

»Ich bin Harriet, die Zeremonienmeisterin des großen Lords und er fragt nach euch. Ist das nicht herrlich? Der Lord selbst möchte euch kennenlernen!«

Emily schien wenig begeistert.

Elliot grummelte und murmelte irgendetwas von einem gebackenen Hörzwabbler-Sandwich.

Als sie der Frau folgten, hielt Cedrik Emily zurück. »Wer ist diese Frau? Sie hat Federn, als wäre sie ein Vogelwesen. Ist diese Harriet auch eine Gestaltwandlerin? Oder, äh, eine Tierwandlerin?«

Emily schüttelte nachdenklich den Kopf. »Keine Ahnung! Ich habe jemanden wie sie noch nie gesehen. Vielleicht eine Vogelfrau oder so.«

Harriet führte sie durch die Menge, die ihr ehrfurchtsvoll Platz zu machen schien, hin zu einer breiten Seitennische, in der mannshohe Kerzenständer rechts und links eine prunkvolle Tafel erhellten. An dem mit allerlei Köstlichkeiten reich gedeckten Tisch saß nur ein Mann, der sofort aufsprang, als er die Freunde durch die Feiernden auf sich zukommen sah.

Der Lord des Edinburgher Hexenzirkels, denn niemand anderes konnte ihr Gegenüber sein, war viel kleiner, als Cedrik erwartet hatte. Sein lockiges Haar wirkte fast silbern, sein vor Aufregung rot glänzendes Gesicht wurde von einem prächtigen Backenbart geziert und während er sprach, blitzte der Schalk in seinen blauen Augen. »Da seid ihr ja endlich! Ihr habt mich warten lassen! Dabei seid ihr doch unsere Ehrengäste!«, rief der Mann fröhlich. »Aber das macht nichts! Kommt her! Nun kommt schon her!«

Er wirkt freundlich, dachte Cedrik und musste lächeln, als er sah, wie der Lord auf seinen Zehen begeistert auf und ab wippte. Schwarz und elegant gekleidet, war sein Umhang über und über mit gold-funkelnden Sternen übersät. Die Stickereien selbst schienen in ständiger Bewegung zu sein, Cedrik meinte einen Kometen mit feurigem Schweif von seiner Schulter bis zum Mantelsaum fallen zu sehen.

»Wir haben viel von euch gehört! Von euch, den drei Freunden, die quasi im Alleingang die, ähem, schrecklichen Horden und diesen anderen, diesen hässlichen Druiden, besiegt haben.« Er kicherte aufgeregt.

»Sie meinen den Schattendruiden auf dem Weg hierher?«, erwiderte Elliot stolz. »Ja, den haben wir, also mit der Hilfe von Skye ...«

»Wie bitte?« Der Hexenlord leckte sich über die Lippen. »Welchen Schattendruiden? Nein, nein!«

Elliot wirkte enttäuscht. Niemand schien sich für ihr letztes Abenteuer zu interessieren.

Der Lord winkte ab. »Ich meine diesen, na, wie heißt er, diesen ... Corvus Crutcher! Ja, so heißt er! Hab ich recht?«

Cedrik seufzte innerlich. Bis auf Elliot und Emily hatte kaum einer verstanden, dass wenigstens Crutch nun nicht mehr ihr Feind war.

Der Hexenlord musterte sie aufmerksam. »Dann bist du ... du bist also der Drachenreiter.« Er packte Elliot mit beiden Händen an der Schulter. »Stimmt es, dass ihr, äh, dass du ...« Er riss die Augen auf. »Dass du mit Tieren und Pflanzen sprechen kannst? Und ihnen befehlen kannst, das zu tun, was du von ihnen verlangst?«

Elliot grinste gequält und zeigte ungelenk auf Cedrik »Er ... er ist der Drachen...«

Cedrik kam ihm zu Hilfe. »Das bin ich! Ich bin Cedrik!« Er neigte verlegen den Kopf. »Aber ich ... ich befehle den Pflanzen nicht. Ich bitte sie um einen Gefallen. Und sie entscheiden selbst, ob sie tun, wozu ich sie auffordere.«

Der Hexer, der zu ihm herumgewirbelt war und Elliot keines weiteren Blickes mehr würdigte, klatschte begeistert in die Hände. »Dann ist es also wahr! Du bist einer von ihnen!« Er schien nun ganz Feuer und Flamme zu sein, kam mit kleinen Trippelschritten auf Cedrik zu und streckte die Hand nach ihm aus. »Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.« Als Cedrik verwirrt zögerte, wurde er ungeduldig. »Nun mach schon, gib mir deine Hand.«

Kaum hat Cedrik eingeschlagen, wirbelte der Mann herum und zog den jungen Druiden hinter sich her durch die Menge. Die Zeremonienmeisterin setzte sich an ihre Spitze und zwischen den Feiernden vor ihnen öffnete sich auf fast magische Weise ein Durchlass. Cedrik fühlte sich unangenehm berührt, als die Mitglieder des Edinburgher Hexenzirkels vor ihnen ehrfurchtsvoll ihre Häupter neigten. Sie erreichten die gegenüberliegende Wand der Kapelle, wo sie schließlich vor einem der bunten Glasfenster abrupt stehen blieben.

»Sieh nach oben!« Der Lord klopfte sich zufrieden mit einer Hand auf seinen Bauch. »Na? Was sagst du?«

Cedrik reckte erstaunt den Kopf. Die Kuppel über ihm, die Wände, die Säulen, alles war voller steinerner Schnitzereien, voller Ornamente und Figuren. »Das ist wunderschön!«, sagte er etwas eingeschüchtert.

»Nein! Nicht dort. Hier! Da! Erkennst du ihn nicht?«

Cedrik sah nur geschnitzte Ranken und Blumen aus Stein. Was meinte er nur? Hilflos wandte er sich wieder an den Hexenlord und schüttelte den Kopf.

»Die Grünen Männer! Dort!«, rief der Hexer ungeduldig und zeigte auf das Ende eines Bogens genau über ihnen. »Sie sind hier überall! Sind sie nicht deinesgleichen?«

Die Grünen Männer? Wovon sprach der Lord? So hatte man sie früher genannt, die Hüter der Wälder. Vor langer Zeit. Auch sie hatten für das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur gesorgt. Die »Grünen Männer« waren Druiden gewesen, genau wie er. Und endlich entdeckte Cedrik im Abschluss des Rundbogens ein Blättergesicht zwischen den Ranken, in den Stein geschnitzt. Es schien ihn direkt anzublicken, grimmig und wild. Die Schnitzerei sah verrückt lebendig aus. Cedrik hatte so eine Abbildung schon einmal gesehen, in einem der Bücher seines Vaters, über die Mythologie Großbritanniens.

»Sie sind hier überall!«, erklärte der Hexenlord eifrig. »Sieh dich ruhig um! Dieser Ort wurde früher die ›Grüne Kapelle‹ genannt, auch weil sie einst über und über von Efeu bedeckt war. Davon ist nichts mehr übrig, aber da du jetzt hier bist, lässt sich das ja ändern!« Er strahlte.

Cedrik bemerkte erst jetzt, dass er noch immer seine Hand hielt.

»Du bist einer von ihnen! Ein grüner Mann!«, juchzte der Hexenlord mit sich überschlagender Stimme. »Lass uns ein Zeichen setzen. Ein großes, grünes Zeichen! Komm!«

Der Mann zog ihn weiter, näher an das Fenster und zeigte nach draußen. Cedrik sah in der Dunkelheit nicht viel. Gerade mal einen Efeuzweig, der sich außen, hinter dem Glas, Richtung Licht und Wärme streckte. Aber sonst war da nur Nacht. Und Schnee.

»Lass es wachsen«, flüsterte ihm der kleine Lord verschwörerisch ins Ohr. »Mach, dass es wieder die Grüne Kapelle wird. Mach, dass der Efeu alles umhüllt. Befehle es der Pflanze! Das kannst du doch, oder?«

Cedrik schluckte. Was wollte der Anführer des Hexenzirkels von Edinburgh von ihm?! Bis auf das eine Mal, als er es nicht glauben wollte, dass er tatsächlich Pflanzen um einen Gefallen bitten konnte, und er eine Eiche mitten im Winter hatte Blätter treiben lassen, hatte er noch nie eine Pflanze ohne ernsthaften Grund wachsen lassen. Und damals hatte ihn ein Steinriese furchtbar dafür geschimpft.

Der Hexenlord sprach weiter auf ihn ein. Seine Augen funkelten wie im Wahn. »Lassen wir die Welt wissen, dass es wieder einen Druiden unter uns gibt! Den Druiden von Mistle End!«

Cedrik sah sich um. Er wusste nicht, was er tun sollte und wurde nervös. In dem Trubel ringsum waren seine Freunde nirgends zu entdecken. Es war immerhin der Lord, der ihn um den Gefallen bat. Das Oberhaupt der Hexen von Edinburgh!

»Los! Worauf wartest du?«, drängelte dieser ungeduldig.

Wo waren bloß Emily und Elliot? Sie würden wissen, was er zu tun hatte. »Wenn Ihr es Euch wirklich wünscht ...«, sagte er schwach.

Harriet, die Zeremonienmeisterin räusperte sich und funkelte ihn streng an. »Der Hexenlord wünscht sich nichts. Der Lord befiehlt«, kreischte sie mit heiserer Stimme.

Cedrik nickte erschrocken. Er holte tief Luft, schloss die Augen ... und betrat die goldene Welt.