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Susan Sallis

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Beschreibung

Die Rising-Schwestern sind älter geworden. Alle drei - March, May und April - sind scheinbar glücklich verheiratet, und ihre Kinder haben die Familie vergrößert. Jedoch hat jede mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. March liebt ihren Ehemann, kann ihm aber nicht vertrauen. May macht sich Sorgen um den unsteten Lebensstil ihres Sohnes. Und April könnte eigentlich glücklich sein - sie liebt ihren Mann und ihre beiden Töchter. Doch nur sie weiß um das Geheimnis ihrer jüngeren Tochter Davina und was geschehen würde, wenn jemals einer davon erfährt ...

Die bewegende Geschichte der Familie Rising - eine Familiensaga voller Träume, Mut und Hoffnung, aber auch voller Schicksalsschläge:

Band 1: Die Kinder des Morgentaus
Band 2: Von der Sonne geküsst
Band 3: Der Duft der Herbstzeitlosen
Band 4: Knospen im Schnee

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Seitenzahl: 530

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

1

2

3

4

5

6

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8

9

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Über die Autorin

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Impressum

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Über dieses Buch

Die Rising-Schwestern sind älter geworden. Alle drei – March, May und April – sind scheinbar glücklich verheiratet, und ihre Kinder haben die Familie vergrößert. Jedoch hat jede mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. March liebt ihren Ehemann, kann ihm aber nicht vertrauen. May macht sich Sorgen um den unsteten Lebensstil ihres Sohnes. Und April könnte eigentlich glücklich sein – sie liebt ihren Mann und ihre beiden Töchter. Doch nur sie weiß um das Geheimnis ihrer jüngeren Tochter Davina und was geschehen würde, wenn jemals einer davon erfährt ...

Die bewegende Geschichte der Familie Rising – eine Familiensaga voller Träume, Mut und Hoffnung, aber auch voller Schicksalsschläge:

Band 1: Die Kinder des Morgentaus

Band 2: Von der Sonne geküsst

Band 3: Der Duft der Herbstzeitlosen

Band 4: Knospen im Schnee

Susan Sallis

Der Duft der Herbstzeitlosen

Aus dem Englischen von Eva Malsch

Für die Familie

1

Samstags hatte David immer besonders viel im Geschäft zu tun, und da samstags schulfrei war, war dies wohl der Tag, an dem Davina ihn am stärksten vermisste. Als sie an diesem heißen Maisamstag des Jahres 1934 in das runde Mädchengesicht ihrer Tochter sah, beschloss April spontan, mit beiden Mädchen ein Picknick zu machen. Sie und David hatten Davina zu ihrem achten Geburtstag ein richtiges Fahrrad ohne Stützräder geschenkt, und auf ihrem eigenen Fahrrad war hinten ein Korbsitz für Flora befestigt. Der Glockenblumen-Wald war nur drei Meilen entfernt von Longmeadow, dem Haus in der Winterditch Lane, das sie seit zwei Jahren bewohnten.

Davina klatschte in ihre feuchten Hände, und ihre milchig blauen Augen weiteten sich vor Freude und Aufregung.

»Dürfen wir da ohne Daddy hingehen?«, fragte sie.

Flora trällerte: »Wir machen ein Picknick, ein Picknick, ein Picknick. Wir machen ein Picknick, weil heut ja Samstag ist.« Sie war erst vier und konnte bereits seit einem Jahr lesen. Davina konnte ihren Namen schreiben und noch jede Menge andere Wörter, solange man sich nicht um die Rechtschreibung scherte. April drückte einen Kuss auf Floras dunklen Haarschopf, ehe sie ihrer älteren Tochter antwortete.

»Natürlich dürfen wir das, Davie. Und du darfst aussuchen, was für Sandwiches wir mitnehmen.«

Flora interessierte sich nicht fürs Essen. Sie ging die Treppe hinauf, eine Stufe nach der anderen, um ihren Teddy zu holen, während sich Davina, ohne zu zögern, für Sandwiches mit Bananen und viel Zucker entschied. Zu trinken sollte es Limonade geben.

Auf der Winterditch Lane herrschte kein Verkehr. Sie schlängelte sich über kleine Bäche und an Feldern vorbei, um sich schließlich zu teilen; eine Spur führte weiter zur Tewkesbury Road, die andere zu der Straße, die nach Cheltenham ging. Die Daker-Frauen nahmen die linke Abzweigung nach Tewkesbury und radelten gemächlich durch das winzige Dörfchen Down Hatherly, wo sich der Wiesenkerbel bereits mit tellergroßen Blüten über die Straße neigte. April stieg ab, um Flora die alte Dorfpumpe zu zeigen und zuzusehen, wie der große Zeiger der Kirchturmuhr um eine Minute weiterrückte. Die Zeit übte eine ungeheure Faszination auf das kleine Mädchen aus. »Sie ist vorbei, Mummy! Eine ganze Minute ist vergangen, Mummy! Wo ist sie nur hingegangen? Was ist mit ihr passiert?«

April war überfragt, und Davie, die ständig um die Pumpe herumfuhr, weil sie keine Lust hatte, vom Rad zu steigen, ehe sie ihr Ziel erreichten, antwortete schließlich geduldig: »Sie ist zum lieben Gott gegangen, Flo. Das habe ich dir doch schon mal erklärt. Alles geht zum lieben Gott.«

Es kam nicht häufig vor, dass April erstaunt war über Davina. Sie antwortete: »Wann hast du das Flo erzählt, Liebling? Dass alles zum lieben Gott geht?«

»Als sie mich nach Onkel Teddy gefragt hat und nach Großvater und Onkel Albert und allen, die gestorben sind.« Davina streckte einen Sandalenfuß von sich. »Sieh nur, ich kann mit einem Bein fahren. Aber das ist ganz schön anstrengend.« Sie stellte den Fuß zurück auf die Pedale und widmete sich wieder ihrer Aufgabe. »Beeil dich, Mummy, sonst falle ich noch runter.«

April sah dem im Kreis fahrenden Kind noch einen Moment lang zu. Das weiche hellblonde Haar lag flach auf ihrem runden Kopf, und die Sonne schimmerte auf den blonden Härchen auf ihren nackten Armen und Beinen. Wie viel hatte sie von Teddy, Albert und Will Rising? Jeder sagte, sie käme ganz auf die Familie ihrer Mutter; kein Wunder, denn David und alle anderen Dakers waren dunkel wie Schlehen.

Flora sagte: »Ich pflücke gleich zwei Sträuße Glockenblumen. Einen für Oma Rising und einen für uns.«

April drehte sich um und küsste erneut den dunklen Kopf ihrer Tochter. Flora war mit ihrem fixen Verstand, dem lockigen Haar und den schwarzen Augen zweifellos eine Daker. Fröhlich stieg sie auf ihr Fahrrad und stieß sich ab. »Auf, ihr müden Kriegerinnen!«, rief sie. Lachend bogen sie auf den holprigen Weg ab, der in den Wald führte.

Die Glockenblumen wuchsen so dicht, dass es aussah, als ständen die Bäume auf einem blauen Teppich. Doch trotz des trockenen Wetters der vergangenen Woche gab es auf dem Laubboden feuchte Stellen, und es empfahl sich, die Blumen zu pflücken, die möglichst nah am Weg standen. Sie arbeiteten sich durch den Wald und zogen die Blumen vorsichtig aus ihren Scheiden, sodass die Stängel am unteren Ende hellweiß waren. Flora stellte wie immer wissbegierige Fragen, und diesmal ließ April Davina die Zeit, sie als Erste zu beantworten. Die raue Stimme mit ihrem unüberhörbaren Gloucester-Einschlag gab seltsam altkluge Antworten.

»Du musst sie so rausziehen wie Rhabarber. Sonst erstickt das Stück, das du drin lässt, die Pflanze. – Klar ist es hier noch feucht, weil die Sonne nicht richtig durchkommt, um es zu trocknen, weißt du? – Das ist ein Wurm, Flo. Wie sollte das bei der Feuchtigkeit eine Schlange sein?«

Lächelnd blickte April auf ihre eifrig gebeugten Rücken. Sie musste sich diesen kleinen Wortwechsel unbedingt merken, um ihn abends David zu erzählen. Und vielleicht interessierte er auch ihre Schwester May, falls die ein bisschen Zeit fand zwischen der Pflege ihrer Mutter, der Versorgung ihres lebhaften Sohns und ihres gelangweilten Ehemanns sowie ihrer Arbeit im Friseursalon. Aprils Lächeln verschwand, als sie an Mutter dachte, die, gefesselt an ihr Zimmer, darauf wartete, ja sich geradezu danach sehnte –, dem armen Pa nachzufolgen. Sie würde sich bestimmt sehr bemühen und sich freuen, wenn Davina und Flora mit ihren Blumen kamen, aber Glockenblumen waren sehr kurzlebig, und ihre Energie würde sicher noch schneller dahin sein als die Blumen. Das Leben konnte so grausam sein: Pa war nun schon seit fünf Jahren tot, und Mutter, die nie besonders kräftig gewesen war und an Perniziöser Anämie litt, hatte erwartet, ihm nach einem knappen Jahr nachzufolgen. Und sie lebte immer noch.

»Drückt die Stängel nicht so fest, ihr Lieben. Sie werden so leicht zerquetscht.«

Beide Mädchen blieben stehen und legten ihre Sträuße in den Picknickkorb. »Denen da sind für Oma Rising«, verkündete Flora. »Und die zerquetschten sind für uns.«

April lächelte über ihren Sinn für Prioritäten und sagte sanft: »Diese sind für Oma Rising, Liebling. Nicht denen.«

Auf der anderen Seite des Waldes befand sich ein Drehkreuz, das zu einem brachliegenden Feld führte. Es war übersät mit Stechginster und Kaninchenlöchern und wurde von Dakers »die Wildnis« genannt. Hier ließen sie sich zu ihrem Picknick nieder und gossen die Limonade ein. Davie hielt ihr Sandwich mit beiden Händen fest und futterte es gierig in sich hinein. Flora schnitt ihres mit dem Picknickmesser aus Bakelit auf dem Teller klein und aß jeden Happen langsam und bedächtig. April fühlte sich sowohl an May als auch an ihre beste Schulfreundin Sibbie Luker erinnert. Sibbie, die ständig hungrig war, hatte sich immer vollgestopft, während May wählerisch im Essen herumgestochert hatte. Energisch sagte sie: »Iss bitte langsamer, Davie, du kriegst Bauchschmerzen, wenn du so schlingst.« Aber Davie hatte nur noch die Kruste übrig, und Flora hatte jeden Krümel aufgegessen.

Der Geruch des Stechginsters hing schwer in der Luft, und noch bevor sie fertig waren, hatten sich Wespen zu den Bienen gesellt und schwirrten nun taumelnd über die zerknitterte Picknickdecke.

»Sie werden uns stechen – sie werden uns stechen.« Davie und Flora hüpften umher und stießen dabei fast ihre Getränke um.

»Wir sind ja auch fast fertig.« April begann, die Reste einzusammeln. »Kommt, wir verschwinden, wenn sie uns nicht in Ruhe lassen. Sollen wir ein bisschen Verstecken spielen? Ihr zwei versteckt euch, und ich muss euch suchen.«

Hand in Hand rannten sie kreischend los. April lehnte sich an einen Maulwurfshügel, fuhr sich mit den Händen durch ihren kurzen dunkelblonden Bob und fing an, laut zu zählen. Der Rock ihres grünen Kleides aus Shantungseide war über ihre Knie gerutscht, und sie stand auf und zog ihn wieder herunter. Hoffentlich würde sie sich an den Dornen des Stechginsters keine Laufmaschen in ihre Nylonstrümpfe reißen. Sie hätte andere anziehen oder vielleicht auch ganz ohne gehen sollen. Auch wenn March, ihre ältere Schwester, immer behauptete, eine feine Dame täte das nicht. »Vierundzwanzig«, rief sie laut, um Floras verräterisches Gekicher zu übertönen, und überlegte sich, ob sie überhaupt eine feine Dame war. Sie wusste, dass sie das nicht war, und ganz spontan hörte sie auf, ihr verschwitztes Haar in Ordnung zu bringen, und zog sich die Strümpfe aus. So ohne Strümpfe fühlten sich ihre Beine wunderbar an, und ihre flachen Sandalen waren nicht unbequem. Sie streckte sich behaglich. Sie war glücklich. Sie war nun schon seit fast fünf Jahren glücklich. Seit sie erfahren hatte, dass Flora unterwegs war. Aber sie durfte das nie als selbstverständlich hinnehmen. Es war ein kostbares Geschenk, das sie genießen musste, Stück für Stück, so wie Flora ihr Bananensandwich. Dieser Samstag war ein besonders köstlicher Happen Glück, auch wenn David nicht dabei war. Sie dachte an ihn, an seine Dunkelheit, seine Unergründlichkeit, zu der sie, und nur sie, Zugang gefunden hatte. An die kostbaren Augenblicke ihrer Liebe, als sie ihn noch »Teufels-Daker« genannt hatte, so wie sie es schon getan hatte, als sie kaum älter gewesen war als Flora heute.

»Hundert! Ich komme!«, rief sie laut und vernahm ganz deutlich Davies unterdrücktes Flüstern. »Sei still, Flo!«

*

Es wurde Zeit, nach Hause zu fahren. »Müssen wir wirklich schon?«, fragte Flora, die bei dem Gedanken an den Fußweg durch den Wald zurück zu ihren Fahrrädern plötzlich ganz schwach wurde.

»Ja, wir müssen«, antwortete Davie. »Daddy kommt gleich nach Hause, und das Abendessen ist noch nicht fertig.« Sie lief voraus zum Drehkreuz und kletterte unelegant, aber sicher hinüber. Flora, die ihren zarten Körper über die obere Sprosse schwang, stürzte auf der anderen Seite hinunter und weinte bitterlich. April zog sich für einen Moment das Herz zusammen, als sie sie aufhob. Es war kein Blut zu sehen, und ihre zerbrechlichen Glieder schienen heil zu sein. »Mummy trägt dich, mein kleiner Liebling.« Sie wandte sich an Davina. »Davie, kannst du den Korb nehmen?« Langsam stapften sie durch den Wald zurück, und ihre gute Laune war ein bisschen getrübt. Es war eine ziemlich mühselige Angelegenheit, die Fahrräder zu beladen, die Blumensträuße an den Lenkrädern zu befestigen und die weinende Flora zu überreden, sich in ihren kratzigen Kindersitz zu setzen. Als sie endlich zu Hause waren, hatte April nur noch wenig Mitleid übrig für Davie, die auf ihre ganz eigene Weise vom Rad stieg, indem sie es einfach zwischen den Beinen fallen ließ. Unglücklicherweise riss ihr diesmal der Bremshebel eine Schramme in den Unterschenkel.

»Hier ist ein sauberes Taschentuch.« April nahm ein frisch gebügeltes von dem Stapel auf dem Küchentisch. »Halt es auf die Stelle, bis ich Flo etwas zu trinken gegeben habe.«

Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass sie ihre Prioritäten falsch gesetzt haben könnte, bis Davie nüchtern bemerkte. »Es ist schon besser. Außerdem ist Flo ja viel wichtiger.«

April warf einen raschen Blick auf die Achtjährige, wusste aber schon, dass sie nicht das kleinste bisschen eifersüchtig oder sarkastisch war. Sie ließ Flora ihre Milch mit dem Strohhalm trinken und bückte sich nach dem blutbefleckten Taschentuch, aber es war zu spät. Das Schuldgefühl, sonst immer in die dunkelsten Tiefen ihres Bewusstseins verdrängt, machte sich den Weg frei und überkam sie. Sie würde Flora immer vorziehen, denn Flora war Davids Kind, und Davina war es nicht.

*

Florence Rising hatte, angelockt vom strahlenden Sonnenschein, genügend Kraft gefunden, aus dem Bett zu steigen und sich ans Fenster zu setzen, von dem man auf den Gasbehälter sehen konnte. Der Ausblick vom Hinterfenster des Hauses in der Chichester Street 33 war nicht sehr erhebend; die schmalen Hinterhöfe, weiß von der ausgelaufenen Lauge aus den Waschhäusern, waren sämtlich überschattet von dem riesigen Gasometer der örtlichen Koks- und Gasgesellschaft, der zu dieser Zeit und bei diesem Wetter seinen Höchststand hatte. Aber Florence Rising fand ihren eigenen kleinen Hof, auf dem die Wäsche flatterte, die Mary samstags machen musste, weil sie während der Woche in Helens Friseursalon arbeitete, wunderschön. Sie hatte früher so häufig dort gesessen und den kühlen Schatten des Gasbehälters genossen, während ihre Kinder um sie herum gelacht, erzählt und geweint hatten. Jeden Morgen hatte sie diese Aussicht gehabt, wenn sie sich nackt an der flachen Küchenspüle gewaschen hatte, dem Spiegelbild ihres eigenen Körpers im Fenster ausgewichen war und mit angehört hatte, wie ihr Liebling Will am Herd hantierte und den Wasserkessel auf das aufflammende Gasfeld setzte. Sie lächelte, als sie sich jetzt daran erinnerte. Was für eine glückliche Frau sie gewesen war ... und eigentlich auch heute noch war. Sie hatte so viel mehr gehabt als andere Frauen.

Ihr Ehemann, der seinem Schneiderhandwerk von zu Hause aus nachgegangen war, hatte alles mit ihr geteilt, von der kleinsten Kleinigkeit bis zum wirklich Großartigen. Wie oft hatte sie den Sonnenschein genossen, während sie für ihn die Knopflöcher in einen Anzug genäht hatte. Und dann waren da die bitterkalten Wintertage gewesen, an denen er mit April oder dem kleinen Teddy in den Hof gegangen war und den Schnee zu gigantischen Bergen aufgetürmt hatte, sodass es vom Esszimmer oder von der Küche ausgesehen hatte, als wohnten sie in einer Eishöhle. Mit Will hatte sie viel Spaß gehabt. Und das übersahen die meisten Leute, wenn sie ihn heute heimlich kritisierten. Florence war ihr Leben erschienen wie eine der grauen Gefängnisdecken, die sie früher manchmal geflickt hatte. Ein trübes Grau. Bis Will gekommen war. Von da an war das Grau durchwoben gewesen von bunten Farben und von Licht, es ergab ein fantastisches Muster, das eines Tages – sehr bald, wie sie inzwischen hoffte – ein perfektes Bild ergeben würde.

Ihr Lächeln wurde breiter, als die Küchentür aufflog und Mays einziges Kind, Victor, in den Hof stürmte. Victor war so wie Teddy früher: leuchtende Rot- und Blau- und knallige Grüntöne. Ständig machte er Witze, die Florence zwar oft nicht verstand, über die sie aber trotzdem lachen musste, weil Victors braune Augen so schelmisch funkelten. Für seine sechzehn Jahre war er recht groß, größer als Will und größer als sein Vater Monty. Und sehr gut aussehend, dunkel und feingliedrig. Er rannte hinter das Waschhaus und entschwand ihren Blicken; die Wäsche schwang hin und her, als er sie streifte, und hing dann wieder still. Mays Wäsche war wirklich unanständig; vor allem die Unterröcke, sie waren dünn wie Spinnweben. Und ihre Schlüpfer sahen eher aus wie Turnröcke ... Die Küchentür ging erneut auf, und Albert Frederick steckte seinen Kopf durch. Florence vermutete, dass Victor irgendeinen Streich im Sinn hatte, und beugte sich weiter aus dem offenen Fenster.

»Victor? Bist du da?«

Albert Tomms, der Sohn aus Marchs lächerlicher erster Ehe mit ihrem Onkel Edwin Tomms aus Bath, war siebzehn und ähnelte so sehr seinem Onkel Albert, der in Mons getötet worden war, dass March und ihre Mutter es niemals erwähnten, aus Angst, den anderen zu verletzen. Er war so hell, dass man ihn fast als farblos bezeichnen konnte, obwohl sein dünner Schnurrbart einen rötlichen Stich hatte, den man auch beim ersten Albert und bei Will Rising beobachtet hatte. Er war so groß wie Victor, aber viel korpulenter. Er trug Krickethosen aus Flanell und einen Blazer über seinem weißen Hemd. Beide Jungen gehörten einem der kleineren Bezirksvereine an.

»Victor! Komm, du mieses kleines Stinktier! Nimm deine Strafe wie ein Mann!«

Albert wohnte nicht in der Chichester Street und hatte deshalb wohl die wichtigste Regel vergessen, die hier im Haus galt: Großmutter Rising durfte nicht gestört werden. Er erhob seine junge Stimme in wütendem Spott und wurde sogleich mit Victors Erscheinen hinter dem Waschhaus belohnt.

»Halt die Klappe, du verdammter Idiot! Großmutter fragt sich sicher schon, was zum Teufel hier vor sich geht.«

Sie waren beide hinter der Wäsche verborgen, aber Florence zog sich sicherheitshalber ein bisschen zurück, damit ihr die Szene da unten nicht entging. Sie vernahm unterdrücktes Herumgebalge, begleitet von Victors atemlosem Gelächter, dann keuchte er: »Frieden – Frieden, sage ich!«, und die beiden Köpfe und zwei gebeugte Rücken wurden sichtbar. Florence lehnte sich weiter nach vorn.

Albert richtete sich auf und holte tief Luft.

»Wenn du mich je wieder absichtlich so übers Ohr haust, du gemeiner, frühreifer ... Junge ... erzähle ich allen, dass du Frauen ohne Kleider malst!«

Victor schien vor Wut fast zu platzen, zwang sich aber zu einem gleichgültigen Schulterzucken. »Was kann ich denn dafür? Die Mädchen können mir einfach nicht widerstehen, mein lieber Albie. Ein Blick von mir, und es ist um sie geschehen. Wenn sie wüssten, dass ich ein Künstler bin, würden sie wahrscheinlich vollends den Verstand verlieren. Ich bitte dich also, diese Information für dich zu behalten.«

Albert überschlug sich wieder vor Lachen, bedachte seinen Cousin aber weiterhin mit unfreundlichen Worten. »Schwein. Angeberischer, geschwätziger Möchtegern-Gigolo. Hinterhältige Schlange.« Er packte Victor am Kragen und zog sein Ohr zu sich heran. Dann sagte er etwas, das dazu führte, dass sich Victor in gespieltem Entsetzen zu Boden fallen ließ.

»Bloß nicht! Bloß das nicht, um Himmels willen! Vergib mir ...«

Ein drittes Mal öffnete sich die Tür, und Sylvia Rising erschien. Sylvia war immer groß und hager gewesen. Und sie war es noch. Sie schnappte sich die beiden Jungen und zeigte zur Küche.

»Hinein. Alle beide. Ihr könnt euch drinnen streiten, nicht dort, wo euch alle zuhören können!«

Die Jungen gingen hinein, die Hände über den Köpfen erhoben. Sylvia warf einen Blick zum Fenster und sah Florence. Ihr Lächeln ließ ihr hässliches, wettergegerbtes Gesicht wesentlich hübscher erscheinen.

»Du bist also aus dem Bett aufgestanden, Flo! Ich bin sofort bei dir und bringe dir deine Leber.« Ihr Lächeln wurde noch breiter, als Florence das Gesicht verzog. »Also gut, wie wäre es denn zuerst mit einer schönen Tasse Tee?«

Florence hätte es lieber gehabt, wenn May ihr den Tee gebracht hätte, in einer feinen Porzellankanne mit passendem Sahnekännchen, mit Tasse und Untertasse. Aber sie liebte ihre Schwägerin heiß und innig.

»Das wäre wunderbar, Sylv«, antwortete sie mit ihrer dünnen Stimme. Und sie sah an dem Gasbehälter vorbei in die Richtung, wo die Türme der Kathedrale sein mussten, und auch ihr Lächeln wurde breiter.

Die gespielte Zankerei zwischen Victor Gould und Albert Tomms war völlig normal und ihre Art, die Zuneigung, die sie füreinander empfanden, in einem normalen und alltäglichen Maß zu halten. Albert war zwar zwei Zentimeter kleiner, aber er war trotzdem der körperlich Überlegene von den beiden, und es gelang ihm regelmäßig, Victor zu bezwingen, ohne ihm richtig wehzutun. Und selbst wenn einer dem anderen gegenüber so etwas wie Feindseligkeit verspürt hätte, wäre Gewalt das allerletzte Mittel gewesen. Victor konnte Albert mit seiner schnellen Zunge zum Schweigen bringen. Und wenn er das tat, bereute er es sofort. Und Albert könnte Victors Handgelenk mit einer einzigen Bewegung seiner eigenen Hand brechen, doch beim ersten Anzeichen von Schmerz in Victors hübschem Gesicht war sofort Schluss.

Albert hatte sich flink aus dem Arm seiner Tante Sylv befreit, als sie den Kessel mit Wasser füllte, und meinte nun schnippisch zu Victor: »Du bist ja sowieso ihr Liebling. Mich behandelt sie wie eine Rotznase.«

Victor grinste hinter Sylvias breitem Rücken und antwortete provozierend: »Nimm du sie ruhig, alter Junge. Sie war es nicht mal wert, sie nackt zu zeichnen.«

Er wich der zu erwartenden Ohrfeige aus, aber Sylvia überraschte sie beide mit ihrer staunenden Frage. »Und woher willst du das wissen, kleiner Victor?«

»Schlechte Proportionen. Zu kleine Brüste für ihre breiten Hüften.«

Daraufhin bekam er seine Ohrfeige und den Auftrag, ein Tablett herzurichten, wie seine Großmutter es gern hatte, sonst würden seine Hüften ihre Proportion verlieren. Albert reichte ihm die braune Teekanne an und bemühte sich gar nicht erst, seine Schadenfreude zu verbergen.

»Das ist unfair, Tante Sylv«, jammerte Victor und schlug mit Absicht seine langen schwarzen Wimpern nieder. »Du weißt, dass ich ein echter Künstler bin, und echte Künstler haben einen Blick für solche Dinge.«

»Wie unanständig«, murmelte sie und knallte ein Väschen mit Gänseblümchen auf das Tablett. »Ein sechzehnjähriger Junge ... du lieber Gott ...«

Albert stellte Tasse und Untertasse hinzu und sagte geradeheraus: »Er war immer so, Tante Sylv. Schon mit sechs hat er sich gewünscht, Tante April einmal ohne Kleider zu sehen.«

Sylvia, der es die Sprache verschlagen hatte, starrte ihn nur an, und Victor meinte rasch: »Das falsche Teeservice. Die weiße Kanne und Tasse. Wenn du entschuldigen würdest, lieber Cousin.«

So kam Florence also doch noch zu ihrem feinen Porzellan und in den Genuss von Sylvias Bericht über die jüngsten Eroberungen der Jungen – wohlweislich in einer entschärften Version.

»Dieser Victor braucht nur kurz mit den Augen zu zwinkern, dann kommen die Mädchen schon angerannt«, sagte Sylvia und seufzte missbilligend. »Wie seine Mama. Genau wie May in ihrer Blütezeit.«

Florence nickte und erinnerte sich an die Horden junger Männer, die damals im Krieg ihr Haus belagert hatten, angeblich, um mit Will über Politik zu diskutieren, in Wahrheit aber, um May in blinder Verliebtheit dabei zuzusehen, wie sie ein Brot in Scheiben schnitt oder Socken strickte. Sie hatte immer ganz ahnungslos getan, dabei hatte sie sich absichtlich so ins Licht gesetzt, dass ihr blondes Haar ausgesehen hatte wie gesponnenes Gold und ihre Augen einen tiefen violetten Schimmer bekamen.

»Aber May war nie ernsthaft interessiert. Nicht, bis sie Monty begegnete«, erinnerte Florence ihre Schwägerin. »Und so ist Victor auch.« Sie nippte an ihrem Tee und dachte über ihren Enkel nach. »Sogar noch stärker«, fügte sie hinzu. »Denn Victor hat seine Zielstrebigkeit von Monty und May.«

Sylvia verzog das Gesicht, ohne etwas zu sagen, und Florence kniff ihre klaren braunen Augen zusammen, die inzwischen schwach geworden waren, und sah ihre Schwägerin fragend an. Viele Leute hielten Sylvia für unsensibel und sogar ein bisschen beschränkt, weil sie so schwerfällig wirkte, aber Florence wusste es besser.

»Sibbie Luker ist jetzt mit Edward Williams verheiratet, Sylv«, wandte sie ein. »Sie wäre schön dumm, wenn sie da noch einen anderen ansehen würde.«

Sylvia nahm Florence' Tasse und goss ihr frischen Tee ein. Ihre große, mit Leberflecken übersäte Hand war ganz ruhig, ebenso wie ihre Stimme, als sie antwortete.

»Das stimmt. Außerdem hat es für Monty Gould nie irgendein Techtelmechtel gegeben, meine Liebe. Für Monty gab es immer nur eine Frau auf der Welt. Und das ist unsere May. Da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.«

Florence schwieg eine Sekunde, dann sah Sylvia sie an, und ihr offener Blick beruhigte sie.

Sie nahm ihre Tasse und nippte dankbar daran.

»Mir wäre es unangenehm, wenn ich befürchten müsste ... May würde das nicht verstehen, weißt du?«

Am liebsten hätte Sylvia geantwortet: So wie du es nicht verstanden hast, als mein törichter Bruder mit einem jungen Mädchen davonlief, das ebenso gut seine Tochter hätte sein können. Aber da sie weder unsensibel noch beschränkt war, sagte sie nichts.

Florence stellte die zierliche Tasse auf die Untertasse und lehnte sich zufrieden zurück.

»Ich denke oft daran, wie sehr Will sich freuen würde«, sagte sie, und ihr Blick wanderte erneut zu dem Gasbehälter. »Alle Mädchen sind so glücklich. Nach den ganzen Problemen. Aber ich glaube, dass das hart erkämpfte Glück viel kostbarer ist. Vielleicht. Ja.«

Ihre Augen fielen zu, und Sylvia nahm das Tablett und plante insgeheim, zum Abendessen ein wenig Rote-Bete-Chutney unter Flos rohe Leber zu kneten. Und wenn May ein extra dünnes Brot mit Butter bestreichen würde, würden sie sie vielleicht dazu bewegen, mehr als sonst zu essen.

*

March, die älteste der drei Rising-Schwestern, hatte einen angenehmen Samstagnachmittag hinter sich. Ihr Mann, Fred Luker, hatte am Vorabend verkündet, dass er am nächsten Tag vier Leute zum Essen mitbringen würde: einflussreiche Leute, die ein wenig umschmeichelt werden mussten. March passte das überhaupt nicht, und zwar aus zwei Gründen: erstens und vor allem, weil es viel Arbeit war, so auf die Schnelle ein Essen zuzubereiten, selbst wenn es sich dabei nur um ein kaltes Büfett handelte, wie Fred vorgeschlagen hatte, und zweitens, weil Albert, ihr ganzer Stolz und ihr Ein und Alles, ausgerechnet zu dieser Zeit ein Kricketspiel hatte und nicht da sein würde, um Getränke herumzureichen und die Art Small Talk zu führen, die man ihm in der Marley's School beigebracht hatte. Albert selbst hatte ihren Einwand in Freds Anwesenheit ungeduldig vom Tisch gefegt.

»Gut, dass ich weit weg bin. Ihr wisst doch, dass ich eure steifen Partys nicht ausstehen kann.«

»Niemand kann sie ausstehen«, schnappte March, wie immer, wenn sie ihn am liebsten umarmt und ihm gesagt hätte, dass sie ihn so gut verstehen konnte. »Aber ich habe unter anderem auch deshalb diese wahnsinnigen Schulgebühren bezahlt und dich auf eine Privatschule geschickt, damit du lernst, dich auch auf steifen Partys anständig zu unterhalten.«

Sie wich Freds Blicken aus. Er hatte Alberts Schulgebühren bezahlt, und zwar schon lange, bevor sie geheiratet hatten. Er rächte sich, indem er genau das tat, was ihr am unangenehmsten war, wenn Albert dabei war: Er legte den Arm um ihre Schulter und küsste sie auf den Mund. Fred kannte sie so gut.

»Darling, Marcie ...« Er küsste sie noch einmal, und Albert sah weg. »Mach dir keine Sorgen.« Sie versuchte sich zu befreien, was ihr aber nicht gelang. »Ich habe ein Dienstmädchen für uns besorgt. Wenn sie dir gefällt, kann sie bleiben.«

»Ein Mädchen? Das ist doch lächerlich, Fred.« Als March ihren Großonkel Edwin geheiratet hatte, waren ständig Dienstboten im Haus gewesen. Sie hatten sich dauernd eingemischt, an allem herumgenörgelt und zu viel gewusst. »Wir brauchen kein Dienstmädchen. Mrs. Prosser kommt, um das Grobe zu erledigen, Tante Sylvia hilft mir beim Frühjahrsputz, und seit ich die Bettwäsche in die Mangel bringe ...«

»Ich habe sie für morgen verpflichtet. Zur Probe.« Fred drehte sie zu sich herum, damit sie ihm in die Augen sah. Sie spürte, wie ihre Knie schwach wurden, trotz Alberts Gegenwart.

*

Ihr Name war Caroline, aber sie wurde immer nur Chattie genannt. Sie war klein und rundlich, hatte dunkle Augen und einen wachen, interessierten Blick und lächelte ständig. Und sie roch gut.

Sie übernahm das »Kalte Büfett«, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes getan, als Dinnerpartys zu organisieren, dabei hatte sie bisher nur als Dienstmädchen bei einem Priester gearbeitet. Sie liebte das große Haus in Bedford Close; sie fand, dass der Tennisplatz mit dem angrenzenden Rasen und den Sträuchern aussah »wie im Film«; und sie vergötterte March von der ersten Sekunde an.

»Wenn es Ihnen recht wäre, Madam, könnte ich ... manchmal ... Ihr Haar bürsten?« Marchs Haar, ein langweiliges Braun, verglichen mit Mays und Aprils goldenen Schöpfen, hatte eine ganz eigene Attraktivität bekommen, während die ihrer beiden Schwestern verblichen war. March hatte sich entgegen allen Moden immer hartnäckig geweigert, ihr Haar kurz schneiden zu lassen, und allein seine Länge und Dichte brachten die kastanienbraunen Strähnen zur Perfektion.

Sie lächelte geschmeichelt.

»Wir werden sehen«, sagte sie.

Als die Gäste um vier schließlich fort waren, hatte sie genug gesehen. Chattie sah in ihrem schwarzen Kleid und der weißen Schürze bezaubernd aus, und sie besaß die Gabe, an jeder Stelle gleichzeitig sein zu können. Die Besucher gehörten zu der Sorte Menschen, die ohne ein volles Glas in der Hand keiner Aufgabe gewachsen waren, und der Tag mit den aufstrebenden Lukers gab ihnen das Gefühl, jeder auch nur erdenklichen Aufgabe gewachsen zu sein. Sie waren beeindruckt von Lukers Gattin, die so aristokratisch feine Züge hatte und so große, klare, braune Augen, die mehr verbargen, als sie preisgaben, ganz so, wie die Frau, mit der der Prince of Wales in letzter Zeit häufiger gesehen wurde – wie war noch ihr Name? Wallis oder so ähnlich. Und natürlich war auch Luker selbst ganz der Typ, den man gern um sich hatte. Er war klug. Und er konnte skrupellos sein, absolut skrupellos. Es gab da so eine Geschichte über ihn und die Portermans. Hatte er nicht die Frau verführt, und der alte Captain Porterman hatte sich daraufhin erhängt? Das kleine Dienstmädchen, das offenbar schon seit Jahren zur Familie gehörte – und das war heutzutage ein gutes Zeichen sagte: »Darf ich Ihnen noch ein wenig von diesem trockenen Wein einschenken, Sir? Sehr erfrischend, jetzt, wo es so warm geworden ist.« Und Mrs. Luker sprach über die Partys im Tennisclub in diesem Sommer. Ja, die Lukers gehörten zu den Leuten, die man kennen musste.

*

»Nicht schlecht, oder?«, fragte March, und das war für ihre Verhältnisse gleichzusetzen mit überschäumender Begeisterung.

»Wunderbar. Die Peplows fressen mir schon aus der Hand, und dieser andere Typ ist auch fast so weit. Lass uns nach oben gehen.«

»Auf keinen Fall. Wir müssen noch aufräumen, vergiss das nicht. Für dich ist jetzt alles vorbei, aber für mich ...«

»Chattie wird sich darum kümmern. Was glaubst du, wozu ich sie angestellt habe?«

»Sie hat keine Pause gemacht, seit sie heute Morgen um neun gekommen ist.« March ging zu dem Tisch unter dem Spanischen Flieder und begann, ein Tablett vollzustellen. »Ich glaube, Albert wird sie mögen, was meinst du?«

»Wenn er ein bisschen Verstand hat, wird er das. Gib mir das, nimm diese Flaschen und lass uns nach oben gehen.«

»Fred, um Himmels willen ... aber da fällt mir etwas ein. Du hast eine Menge Zeit mit dieser anderen Frau verbracht. Nicht Clara Peplow. Tilly Soundso.«

»Tilly Adair.«

»Ihrem Ehemann gehört das Land, nicht ihr. Denk daran.«

»Er ist durchtrieben. Vielleicht komme ich durch sie an ihn heran.«

Sie ging voraus und sammelte leere Weinflaschen ein. Manchmal hasste sie seine Aufrichtigkeit mehr als seine Geheimnistuerei. Manchmal hasste sie die Art, wie er die Menschen sah: als manipulierbare Wesen. Aber so war auch sie gewesen; so hatte sie sein müssen, auch wenn ihr das schlechte Gewissen fast die Seele zerfressen hatte. Zumindest nahm Fred ihr nun das schlechte Gewissen. Fred machte sie alle irgendwie glücklich. Sie wollte nicht wissen, wie.

Die Küche war ordentlich trotz der vielen Stapel schmutzigen Geschirrs. Chattie hatte Spülwasser einlaufen lassen und arbeitete zügig.

»Ruhen Sie sich nur ein bisschen aus, Madam. Ich brauche nur noch eine Sekunde, und dann habe ich gesehen, dass in diesem Korb einiges zu flicken liegt. Wenn ich mich mit ein paar Flickarbeiten unter den Fliederbaum setzen dürfte, wäre das für mich wie das Paradies.«

Lachend antwortete Fred: »Halte bitte niemand vom Paradies ab, March. Komm schon. Geh durch die Küche hindurch ins Frühstückszimmer. Und von dort geh bitte durch die Halle, die Treppe hinauf direkt ins Schlafzimmer.«

March wurde dunkelrot, aber Chattie sagte: »Ein kleines Ruhepäuschen. Genau das Richtige. Möchten Sie, dass ich Ihnen den Tee hinaufbringe, so um sechs Uhr vielleicht?«

Fred wartete, die Augen auf seine Frau gerichtet. Sie schluckte. »Das wäre wunderbar, Chattie.« Sie ging zur Tür und blieb wieder stehen. »Danke, Chattie. Sie haben heute Nachmittag wahre Wunder vollbracht. Ich denke, wenn mein Mann zustimmt ...«

»Wir wollen Sie, wenn Sie uns wollen«, sagte Fred mit seiner klaren Stimme, die trotz all seiner Bemühungen noch immer einen leichten Gloucester-Tonfall besaß. Es gefiel Chattie, weil es so unverstellt wirkte.

»Oh, Sir, das wäre das Paradies!«

*

April war oben, um Flora ins Bett zu bringen, als Albert kam, während David und Davina hinter dem Haus waren. Davina reichte ihrem Cousin sofort die Hand.

»Nun, Albie?« Dankbar sank David auf einen Stuhl, den die Vorbesitzer des Hauses zurückgelassen hatten. Jeder plötzliche Wetterumschwung bereitete ihm Schmerzen im Bein, und die Hitze heute war besonders unangenehm. »Wie war das Spiel?«

Albert grinste. Früher hatte er sich vor David Daker gefürchtet und den dunklen Mann als eine Bedrohung für seine geliebte Tante April empfunden. Doch das war lange her. Davids Bitterkeit hatte im Laufe der Jahre und durch die Geburt von Davie und Flora nachgelassen. Albert bückte sich, um auf gleicher Höhe mit seinem Onkel und seiner Cousine zu sein.

»Nicht schlecht. Wir hatten nicht damit gerechnet, einen Punkt zu holen, obwohl wir zu Hause gespielt haben. Cheltenham hat ein paar College-Jungs im Team, und du weißt ja, wie gut die sind. Einer von ihnen, ein Typ namens Adair, hat verdammt gut geworfen. Er hat Victor fertig gemacht, also hat Victor ihm sein Mädchen weggeschnappt. Direkt vor seiner Nase.« Albert verkniff sich zu erwähnen, dass besagte junge Dame zuerst einige eindeutige Blicke in seine Richtung geworfen hatte, ehe Victor auf der Bildfläche erschienen war.

David lächelte, und Davina kicherte und fing an, Gänseblümchen zu pflücken. Das Gespräch zwischen den beiden Männern drehte sich daraufhin um Kricket im Allgemeinen, während sie darauf warteten, dass April kam. Davina erzählte ihnen von ihrem Picknick.

»Ich bringe Großmutter ein paar Glockenblumen mit, wenn wir sie morgen besuchen. Sonst habe ich immer Gänseblümchen gepflückt, aber die halten nicht lange.«

»Davon habe ich keine Ahnung.« Albert senkte den Kopf, um eine Blütenkette in Empfang zu nehmen. »Heute Nachmittag hatte sie eine Vase davon auf ihrem Teetablett.«

»Glockenblumen halten auch nicht lange.« Davina sah ihn mit seitlich geneigtem Kopf an und begann, seine Haare so zu legen, wie es ihr gefiel. »Mummys Blumen sind die besten.«

»Was sind das für welche?«, fragte Albert schläfrig und schloss bei der Berührung ihrer Finger die Augen.

»Primeln. Sie blühen zu ihrem Geburtstag. ›Im April Primeln grüßen, Gänseblümchen wachsen zu deinen Füßen.‹ Daddy nennt Mummy immer sein Primelchen, nicht wahr, Daddy?«

Albert öffnete die Augen und sah David an. Die dunklen Augen lächelten ihn an und teilten jedes nur erdenkliche Geheimnis mit ihm.

»Das tue ich wirklich. Es passt zu ihr, findest du nicht auch? Die drei, deine Mutter, Tante May und April, wurden früher die Narzissen-Mädchen genannt. Aber ich finde, Primelchen passt besser zu April.«

Albert nickte zweifelnd. April konnte ihn vor Liebe noch immer zum Zittern und zum Schwitzen bringen, und das passte nur schwer zu der zarten Blüte einer Primelchen. Er sah zu, wie Davina davonhüpfte, um noch mehr Gänseblümchen zu pflücken; jetzt erschien sie ihm wie eine Primel, blass und ... unentdeckt. Ihm gefiel die Vorstellung, dass er derjenige sein würde, der sie entdecken würde. Er ging auf die Knie und krabbelte hinter ihr her, und sie rollte über den Boden und erstickte fast vor Lachen, als er sie kitzelte. Einen Moment später kam April durch die Tür des Wintergartens.

»Was um alles in der Welt ist hier los? Davie, für dich ist längst Schlafenszeit. Darling, du siehst erschöpft aus.« Sie stand hinter David und betrachtete ihn von oben bis unten, dann küsste sie ihn auf die Stirn. Sie fühlte sich wächsern an unter ihren Lippen. »Ich habe kalten Pfefferminztee gemacht, wie deine Mutter früher. Und jede Menge Brunnenkresse und Brot mit Butter.«

»Du Verführerin.« Er hob den Arm und berührte ihr Handgelenk, und sie spürte sein Verlangen nach ihr.

»Erst kommt Davie ins Bett, Darling. Dann haben wir endlich ein bisschen Ruhe und Frieden. Du solltest wirklich nicht so viel arbeiten.«

Albert stand auf. »Ich bringe Davie ins Bett. Liest sie immer noch das Buch über die Züge?« Im Dachzimmer in Bedford Close hatte Albert eine wunderbare Modelleisenbahn aufgebaut, von der Davie ganz begeistert war. Sie demonstrierte ihr Interesse, indem sie Bücher mit nahezu wissenschaftlichem Inhalt las. Elektrische Lokomotiven: Die Zukunft, so lautete der Titel des jüngsten Buchs. Sie sprang auf, begeistert von Alberts Vorschlag, und lief voraus. Albert folgte ihr ins Haus. »Bist du sicher, dass du Zeit genug hast?«, rief April mit schwacher Stimme hinter ihm her, dann sank sie ermattet neben David.

Er sagte: »Mach dir keine Sorgen, Primelchen. Die beiden sind gute Freunde.«

»So wie wir.« Sie nahm seine Hand und legte sie an ihr Gesicht. »Wie ich dich als Kind geliebt habe, David.«

»Geliebt? In der Vergangenheit?« Er sah sie von der Seite an, seine Augen blitzten lachend.

»Damals war es anders. Beinahe heilig. Ich wusste, dass du May gehörtest, und habe das akzeptiert. Ich habe einfach nur auf eine Gelegenheit gewartet, und als du dann bei der Familie in Ungnade fielst, wusste ich, dass du anfingst, mich zu lieben. So richtig. Und meine Liebe hat sich ebenfalls verändert.«

Ihre Augen trafen sich, und das Lächeln auf Davids Gesicht erstarb.

»Hör auf, April. Manchmal ... kann ich es nicht ertragen.«

»Du bist müde«, sagte sie rasch. »Du bist müde. Mach dir keine Gedanken, Darling. Komm mit hinein, wir machen es uns ein bisschen gemütlich.«

»Keine Chance. Nicht für uns.« Er küsste sie und erhob sich mühsam. Sie legte seine Hand auf ihre Schulter und übernahm so viel von seinem Gewicht, wie er es zuließ. »Gott, April. Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun.«

»Du tust alles«, antwortete sie leidenschaftlich. »Alles.«

Er lachte trocken. »Aber nicht sehr oft, Darling. Gib es zu.«

Langsam gingen sie durch den Wintergarten in das große, kühle Esszimmer. Dort standen ihre Möbel aus dem Apartment: die schweren Ledersessel, die Aschenbecher auf den Chromfüßen, der belgische Teppich.

»Du bist müde«, sagte sie. »Das ist alles.«

Er sank in einen Sessel, gab aber keine Ruhe.

»Gib es zu, April. Nur zwischen uns beiden. Nur dieses eine Mal. Gib zu, dass ich dich nicht oft genug befriedigen kann.«

Sie fiel auf die Knie und nahm ihn in die Arme. »Alles an dir befriedigt mich, nicht nur im Bett – und das meinst du ja wohl. Alles.« Sie zog den Kopf zurück und sah ihn an. »Du bist eigentlich so viel klüger als ich, Darling, aber jetzt benimmst du dich richtig dumm.«

Er lächelte leicht, sah ein, dass sie auf diesem Gebiet viel weiser war, aber als sie aufstand, glitten seine Hände an ihrem Körper herunter, und er schloss wieder die Augen, als litte er Schmerzen.

»Weißt du, mein Liebling, ich will dich so sehr. Das ist das Schreckliche. Trotz diesem hier.« Er warf einen kurzen Blick auf seine Lendengegend. Sie wussten beide, dass der Granatsplitter, der dort feststeckte, sich nur sehr langsam und zögernd – wenn überhaupt – weiterbewegte. »Ich will dich immer noch. Ständig.«

Ihre eigenen blauen Augen verdunkelten sich, aber sie bestätigte ihn nicht. »Gut. Das ist sehr gut. Dann fang bitte erst an, dir Sorgen zu machen, wenn du mich nicht mehr willst.« Sie beugte sich vor. »Möchtest du vielleicht etwas Stärkeres als Pfefferminztee? Auf dem Sideboard steht noch ein Rest Whisky. Von Weihnachten.«

Das demonstrierte ihre Angst. Seit jener Zeit kurz nach Kriegsende, als er sich jeden Tag besinnungslos betrunken hatte, um die Tage und Nächte zu überstehen, hatte sie ihm nie wieder einen Drink angeboten. Er sah sie ruhig an, dann schüttelte er den Kopf.

»Pfefferminztee ist genau das Richtige«, sagte er.

Oben wartete Albert darauf, dass Davina aus dem Bad kam. Er schaute kurz nach der kleinen schlafenden Flora, die so dunkel und ihrem Vater so ähnlich war, und lächelte zärtlich. Dann kam Davina in ihr Zimmer, eingehüllt in eine Wolke aus Pfirsichseife. Sie zog ihren Bademantel hinter sich her, ihre kurzen Haare glänzten an den Spitzen feucht. Er vergaß ganz, dass April langes Haar gehabt hätte und ihr Nachthemd ein von March oder May aufgetragenes gewesen wäre, und stellte sich vor, dass sie mit acht Jahren so ausgesehen hatte. Er legte sich neben Davina und schlug ihr Buch auf.

»Sie werden Freileitungskabel verwenden ...« Er zeigte auf ein Foto und beantwortete ihre prompte Frage: »Zu gefährlich für die Geleise, Tiere und so weiter ...«, und ihm wurde klar, dass er mit diesem kleinen Mädchen viel glücklicher war als mit den ganzen jungen Frauen, um die er und Victor so ein Theater machten. Verdammt, er kniete sich sogar neben ihr Bett und betete mit ihr! Und anschließend, als sie schläfrig wurde, schlang sie die Arme um seinen Hals und küsste ihn vertrauensvoll.

»Ich liebe dich, Albert Frederick«, flüsterte sie. »Ich liebe dich mehr als jeden anderen auf der Welt.« Ihre Augen wurden plötzlich ganz groß, und einen Moment lang war sie wieder hellwach. »Ich liebe dich mehr als Mummy. Sogar mehr als Daddy.«

Albert dachte an seine eigene angebetete Mutter – Fred zählte natürlich nicht –, an die schöne April vor Davies Geburt, mit ihrer langen Zigarettenspitze und den kurzen formlosen Kleidern, die sie so gut zur Geltung brachten, ihre ... Formen.

»Ja. Ich glaube, ich liebe dich auch mehr als jeden anderen, meine Kleine.« Er berührte ihre weiche Wange, um ihren Kopf behaglicher in das Kissen zu drücken. Sie war wunderschön; aber blass und unentdeckt, wie eine Primel. Er küsste sie auf die Stupsnase. »Liebe Davie. Schlaf schön.«

2

May erwachte früh und sah dem Tag, der vor ihr lag, lustlos entgegen. Es war ihr Geburtstagsmonat, und sie würde in zwei Wochen vierzig werden, was keine angenehme Aussicht war. Sie wusste nur zu gut, dass ihr viel bewundertes Aussehen allmählich verblasste; ihr Haar hatte seinen goldenen Schimmer verloren, und sie hatte den Fehler gemacht, es eines Abends nach Ladenschluss von Madam Helen zu einem kurzen Bob schneiden zu lassen. Dabei war ihr Haar sehr fein und besaß nicht die Kraft, einer kurzen Frisur Halt zu geben. Und wenn sie kein Korsett trug, war ihre Figur ... füllig. Sogleich fand sie hierfür Entschuldigungen: jahrelanges Tingeln durch die Theater, ständig möblierte Zimmer und Zimmerwirtinnen, die sie mit Schweinepasteten, Bergen von Kartoffeln mit dicker, fettiger Sauce und Pyramiden von Sandwiches versorgt hatten; und jetzt, wo sie viel zu tun hatte, sich um Mann und Sohn kümmern musste und versuchte, auch Mutter zu versorgen, jetzt war sie ständig auf der Suche nach kleinen Köstlichkeiten, um sich selbst ein wenig zu verwöhnen – einen Schokoladenkeks zum Tee im Friseursalon, eine Scheibe von Tante Sylvs fettigem Brot zu ihrem Frühstücksspeck und natürlich Mutters Reste. Nichts soll umkommen, sagte sie immer, wenn sie mit einem Tablett die Treppe hinunterging und sich dabei kleine Stückchen Kuchen oder Toast in den Mund steckte.

Seufzend drehte sie sich um und sah Monty an. Er hatte sich besser gehalten als sie. Die Ähnlichkeit mit ihrem Bruder Teddy, die sie von Anfang an so fasziniert hatte, war immer noch da. Dunkle Wimpern, die seine braunen Augen umgaben, eine gesunde, frische Gesichtsfarbe und um den Mund herum und auf der Stirn ein paar feine Fältchen, die aber nur dann zu sehen waren, wenn er lachte. Mit dem Zeigefinger berührte sie seine Adlernase. Er war noch immer attraktiv, und bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie darauf bestanden hatte, nach dem Tod ihres Vaters für immer nach Gloucester zurückzukehren, war sein Gesicht sein Kapital gewesen. Das könnte es immer noch sein. Er hasste es, für Tolly Hall zu arbeiten und alte Bücher zu katalogisieren. Das war viel zu ruhig und langweilig für Monty. Doch das andere Leben – übers Land zu tingeln, in den Theatern vorzusprechen, immer in der Hoffnung, eine wirklich gute Rolle zu bekommen – war das wirklich besser gewesen?

May seufzte wieder, drehte sich auf den Rücken und schaute gedankenverloren an die Decke. Dies war das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen; alle fünf Kinder waren in diesem Bett zur Welt gekommen. Die Risse im Putz über ihr fügten sich zu einer Landkarte von Skandinavien zusammen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie ihr das zum ersten Mal aufgefallen war, damals, als April geboren war und sie und March bei Mama geschlafen hatten, um sich in jener ersten Nacht um sie zu kümmern. Pa war davon gar nicht begeistert gewesen. Es hatte ihm nicht gefallen, dass seine Töchter einfach seinen Platz einnahmen. Hatten seine Probleme vielleicht damit begonnen? Nein ... Entschieden schüttelte sie den Kopf. Ein Jahr später war Teddy zur Welt gekommen, also war Pa bis zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit noch nicht fremdgegangen. May runzelte die Stirn, als sie daran zurückdachte. Hettie Luker war die Erste gewesen, natürlich. Dann, Jahre später, war es Hetties Tochter Sibbie gewesen.

May spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen. Dies war ein weiterer Nachteil des Älterwerdens; die Erinnerungen schienen mit jedem Jahr gewichtiger zu werden. Die Erinnerung an Pa und Sibbie beeinträchtigte sie auch körperlich, weit mehr als die überflüssigen Pfunde an ihren Hüften. Sibbie Luker, ihre beste Freundin, stadtbekannte Hure, geächtet von allen außer ihrem Vater und dem alten Ratsherrn Williams. Und inzwischen anständig verheiratet mit dem Sohn des Ratsherrn, Edward Williams.

Das alles war zu viel, und die Tränen flossen auf Mays Kopfkissen. Nicht, weil sie neidisch gewesen wäre auf Sibbies gesichertes, ja, geradezu luxuriöses Leben. Nicht, weil sie deren Liaison mit Pa immer noch verurteilte, denn Mutter, die Gute, hatte Sibbie schon vor langer Zeit öffentlich verziehen. Nicht, weil Tolly Hall und somit auch Monty für Edward Williams arbeiteten. Es war nur so, dass sie Sibbie so sehr vermisste, sie vermisste ihre Kindheit so sehr; sie ... sie wurde alt.

Monty erwachte, tastete automatisch nach ihrem Gesicht und fühlte ihre Tränen.

»Mummy ... Darling, was ist los?«

Victor nannte sie schon lange Mutter, aber Monty benutzte immer noch den Diminutiv. Sie hatte das immer gern gehabt, doch jetzt brachte es sie erneut zum Weinen. Und sie konnte nicht einmal sagen, warum. Es wäre ungerecht gewesen, Monty gegenüber ihre Sehnsucht nach Sibbies Bewunderung und nach ihrer eigenen verlorenen Jugend zuzugeben, denn er bedeutete ihr immer noch sehr viel.

»Ich bin einfach nur müde«, sagte sie schließlich, als seine Besorgnis immer größer wurde.

»Du arbeitest zu viel, Mummy, und es gibt keinen Grund dafür. Sylv ist hier, um sich um Florence zu kümmern. Wir könnten uns nun ein eigenes Haus leisten.« Ihr wurde klar, dass sie Monty die Gelegenheit gegeben hatte, über sein Lieblingsthema zu reden: von der Chichester Street fortzuziehen.

»Fang nicht wieder damit an. Bitte, Darling. Du weißt sehr gut, dass Mutter mich jetzt ganz besonders braucht. Sie würde innerhalb einer Woche sterben, wenn wir fortgingen.«

Monty hätte fast gefragt, ob das nicht eine gute Lösung wäre, aber auch er liebte Florence, deshalb tat er es nicht.

»Also gut, Darling. Aber warum hörst du dann nicht wenigstens auf zu arbeiten? Wir kämen problemlos mit meinem Gehalt bei Williams aus.«

Wieder fiel es May schwer zu antworten. Es gab so viele Gründe, weiterhin bei Madam Helen zu bleiben. Monty überkam ab und zu noch immer das alte Kribbeln, und er hatte nie etwas für schlechte Zeiten zurückgelegt. Und sie war anspruchsvoll. Sie kleidete sich gern gut, und mit ihrer fülligeren Figur konnte sie sich keine billigen Kleidchen mehr leisten. Und dann waren da noch Victors Ansprüche ... Doch neben allen finanziellen Erwägungen stand die nicht zu leugnende Tatsache, dass sie es nicht ertragen würde, für alle Zeiten in dieser langweiligen Chichester Street zu bleiben. Sie war diejenige gewesen, die nach Hause wollte, und sie war auch diejenige, die weiterhin bleiben wollte, um bei ihrer Mutter zu sein; aber Tag für Tag hier zu sein und Florence ständig zum Essen zu überreden, dabei jedoch zuzusehen, wie sie immer weniger wurde, und den ganzen Erinnerungen ausgesetzt zu sein ... es war einfach zu viel.

Beinahe schmollend sagte sie: »Du weißt doch selbst, dass es dir bei Williams nicht gefällt.«

Seine Besorgnis legte sich ein bisschen. »Ja. Das stimmt schon. Es gefällt mir schon seit fast fünf Jahren nicht, Darling. Deshalb glaube ich kaum ...«

»Darling, Monty. Es tut mir leid. Ich wollte nicht ...« Ihre Zerknirschung war echt und aufrichtig. Sie küssten sich liebevoll. »Wir hätten noch ein Baby bekommen sollen«, seufzte sie. »Ich habe im Salon in einer der Zeitschriften einen Artikel gelesen. Es passiert vielen Ehepaaren, wenn ihre Kinder sie nicht mehr brauchen. Sie fühlen sich so ... alt.«

»Also, ich fühle mich nicht alt. Nicht im Geringsten. Und wenn du ein Baby möchtest ...« Er streifte ihr das Nachthemd über die Schulter und schmiegte sich an ihre Brüste. Sie streichelte sein glänzendes dunkles Haar und stellte sich vor, wie erotisch diese Szene auf der Bühne wirken würde, doch dann seufzte sie abermals. Monty hatte immer gern die Rolle des Kindes gespielt, und anfangs hatte sie ihn liebevoll gewähren lassen. Doch im Laufe der Jahre hatte das Spiel reale Züge angenommen. Und Monty konnte manchmal ein verantwortungsloser, fordernder kleiner Junge sein.

*

Der Sonntag war Besuchstag bei Florence. Der alte Pfarrer von St. Aldate kam vor der Messe; Victor sammelte seine Zeichnungen der ganzen Woche zusammen, um sie ihr zu zeigen, während sie zu Mittag aß, in der Hoffnung, dass sie die eine »anständige« Mahlzeit der Woche aus Versehen einmal aufaß. Nach ihrem Mittagsschlaf kamen die Enkel einer nach dem anderen. Zuerst kam die kleine Davina, allein, wie es sich für eine Achtjährige gehörte. Dann saß Flora auf Aprils Schoß und musste ein paar ihrer letzten lustigen Aussprüche wiederholen. Und nach dem Tee kam Albert, erwachsen und seriös und mehr als bereit, zum Ende des Sommers die Schule zu verlassen und eine Mechanikerausbildung in der Autowerkstatt zu beginnen.

»Onkel Fred sagt, wenn ich genügend praktische Kenntnisse besitze, kann ich die Reisebusse ganz übernehmen«, vertraute er seiner Großmutter an jenem Maisonntag an.

Es fiel Florence schwer, sich gedanklich auf alltägliche Dinge einzustellen. Sie runzelte die Stirn, nachdem sie über seine Worte nachgedacht hatte.

»Was ist denn mit Henry Luker?«, fragte sie dann. »Schließlich führt er Freds Geschäft nun seit Jahren, und er ist Freds Bruder.«

»Er ist auch ziemlich unterbelichtet, Großmutter.« Albert verzog das Gesicht. »Eigentlich ist Tante Gladys diejenige, die das Busgeschäft führt. Sie übernimmt die ganzen Buchungen und plant die Routen. Onkel Henry fährt nur. Nein, ich denke, Onkel Fred wünscht sich jemanden, der die Technik mit der Organisation verbinden kann. Deshalb hat er Mr. Marley dazu überredet, mich diese Mechanikerausbildung machen zu lassen.« Er grinste. »Er hat zu Mutter gesagt, Theorie und Lernen sind schön und gut, solange sie mit Können und Know-how verbunden sind. Das Problem ist, Tante Gladys hat irgendwas am Hals.«

»Ihre Schilddrüse.«

»Genau. Sie bekommt Spritzen und soll sich schonen, deshalb braucht sie dringend jemanden, der ...«

»Die Technik und Organisation macht.« Florence lächelte schelmisch, wie sie es früher oft getan hatte, als der erste Albert noch lebte. »Wie du siehst, bin ich nicht so unterbelichtet, wie du gedacht hast, junger Mann.«

Sie lachten zusammen in gegenseitiger Achtung, wie Will es genannt hätte. Als Albert aufstand, um zu gehen, mahnte Florence ernst: »Denk immer daran, mein Junge, dein Onkel Fred ist schrecklich nett zu dir.«

Albert sah in ihre braunen Augen und wusste, dass sie Verständnis hatte für seine Eifersucht auf »Onkel« Fred. Er zuckte leicht mit den Schultern. Als sie die Hand ausstreckte und auf seine Antwort wartete, sagte er: »Ich werde es versuchen, Großmutter. Ich werde es wirklich versuchen.«

*

Victor kam an diesem Nachmittag nicht zu Besuch, deshalb war Florence überrascht, als April wiederkam und ihr sagte, dass einige Kinder gern zu ihr kommen würden. Tolly und Bridget Hall hatten ihre fünf Töchter hergebracht und wollten nun wissen, ob sie in der Lage wäre, einige von ihnen zu empfangen.

April flüsterte: »Olga hat sich sehr gebessert, seit du sie das letzte Mal gesehen hast. Und Natascha ist gar nicht so übel. Was hältst du davon, wenn die beiden einen Moment mit Bridget hereinkommen?«

Florence nickte. »Und anschließend würde ich gern Tolly sehen, April, meine Liebe. Allein, wenn es möglich ist.«

Sie lehnte den Kopf gegen das Kissen und konzentrierte sich darauf, ihre Kräfte für die Enkelkinder ihrer besten Freundin Kitty Hall zu sammeln.

Bridget Hall, geborene Williams, hatte ihre Ziele immer mit großer Beharrlichkeit verfolgt, und von dem Augenblick an, als sie April und Teddy Rising in der privaten Grundschule kennengelernt hatte, hatten die Familie Rising und deren Freunde sie in ihren Bann gezogen. Als Teddy Rising im Alter von sechs Jahren gestorben war, hatte sie ihre Verehrung auf Tolly Hall, seinen kleinen Freund, übertragen und ihn schließlich auch geheiratet. Das war im Jahre 1925 gewesen; heute, neun Jahre später, hatte sich diese Verehrung ein wenig gelegt. Tolly war als Freier wenig anspruchsvoll gewesen, reserviert bis zur Abneigung; als Ehemann war er leidenschaftlich bis zur Selbstsucht. Jetzt hatten sie fünf Töchter, vier davon mit russischen Namen, und der Haushalt wurde wie ein kommunistisches Kollektiv geführt. Bridget, träge wie eh und je, war die Bienenkönigin in diesem Establishment. Ihre Aufgabe bestand darin, Kinder zu bekommen, und sie diskutierte unablässig über ihre Symptome und Emotionen. Ansonsten überließ sie die Arbeit und das ständige Gezanke um sich herum ihrer überarbeiteten Haushälterin, ihrer Schwiegermutter oder ihrem Ehemann. Tolly war immer noch dünn, aber das glühende Feuer seiner politischen Überzeugung, die er größtenteils für sich behielt, zeigte sich in seinem roten Gesicht und den glänzenden Augen. Er lebte das Leben eines Gelehrten – ein merkwürdiger Gegensatz zu dem Zoo, der sein Zuhause war. Neben David Daker war er der klügste Mensch, den Florence kannte; und sie vertraute ihm mehr, als sie David vertraute.

Sie klopfte auf die Tagesdecke.

»Setz dich hierher, Tolly, damit ich dich besser hören kann.« Sie lächelte. »Deine Stimme ist so leise, mein Lieber.«

Tolly erfüllte ihre Bitte, wohl wissend, dass Florence sich eigentlich nur seine Nähe wünschte. Ihm war bewusst, dass er für sie, ebenso wie für Bridget, in gewisser Weise eine Art Ersatz für Teddy war. »Es ist einige Monate her, seit ich Sie das letzte Mal gesehen habe, Mrs. Rising. Wie geht es Ihnen?«, erkundigte er sich in seiner höflichen, förmlichen Art.

»Es geht mir überraschend gut, Tolly.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich möchte ehrlich zu dir sein. Ich bin deshalb überrascht, weil ich dachte, ich wäre inzwischen längst bei meinem Mann. Aber ich bin immer noch hier.«

Tolly versuchte nicht, über diese Bemerkung hinwegzugehen, wie ihre engsten Familienmitglieder es getan hätten. Ihnen gegenüber hätte sie sie allerdings auch nicht gemacht.

Er senkte den Kopf. »Weil Sie immer noch gebraucht werden.«

Sie schwieg einen Augenblick und dachte darüber nach, dann antwortete sie: »Ich wüsste nicht, auf welche Weise, Tolly. Aber ich weiß, dass du nie etwas Unsinniges sagst.«

Er schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln, freute sich über ihr Kompliment.

»Lassen Sie mich versuchen, es Ihnen zu erklären. Wir leben in einer Zeit, in der es nicht mehr viele Werte gibt. Die Familie ist nicht mehr heilig, so wie das noch zu Ihrer Zeit war.« Er benutzte schwierige Worte, aber sie verstand sie. Will war ein Familienmensch gewesen, trotz Sibbie Luker war er ganz und gar Familienmensch gewesen. »... der Niedergang in Deutschland. Haben Sie davon in der Zeitung gelesen?«

»Nicht viel. Aber Victor ...«

Tolly lächelte wieder, diesmal ein wenig nachsichtig.

»Victor ist immer der Zeitungsleser in diesem Haus gewesen, wenn ich mich recht erinnere. Es geschieht auch hier. Leute in herausragenden Positionen sind keine guten Vorbilder mehr. Der Prince of Wales ...«

»Der vorherige Prinz war auch nicht besser«, murmelte Florence.

»Aber er hat sein Familienleben aufrechterhalten. Und er hat die Krone aufrechterhalten.«

Florence nickte. Will hatte dasselbe getan, natürlich, und Will hatte sogar ein bisschen ausgesehen wie der König, als er noch Prinz war.

Tolly fuhr hartnäckig fort: »Sehen Sie, Sie sind ein gutes Vorbild. In einer Welt, in der die meisten Menschen keinerlei Selbstdisziplin mehr besitzen, zeigen Sie ihnen, was das ist. Dass es so etwas überhaupt gibt.« Er berührte ihre bläulich blasse Hand in einer ungewöhnlich liebevollen Geste. »Verstehen Sie jetzt, wieso Sie gebraucht werden?«

Sie verstand, was er sagte, war aber nicht fähig, die Dinge so objektiv zu betrachten, wie er sie dargestellt hatte.

»Meinst du ... die Mädchen stecken in irgendwelchen Schwierigkeiten? Monty betet May an, und auch wenn Fred und David ... in der Vergangenheit ... bin ich sicher, dass sie nun ...«

Er beruhigte sie rasch, und um ihr seine völlige Aufrichtigkeit zu beweisen, begab er sich auf schwankenden Boden.

»Keine Ehe wird im Himmel geschlossen, nicht wahr, Mrs. Rising? Wir müssen das Beste daraus machen. Das ist es, was ich mit Selbstdisziplin gemeint habe. Und mit dem Vorbild.«

»Ja. Das stimmt.« Florence sank auf ihre Kissen zurück. Sie war sehr müde und fragte sich zum hundertsten Mal voller Hoffnung, ob das Todesmüdigkeit war. Aber sie konnte nicht sterben, ohne Hilfe für ihren Liebling erbeten zu haben. »Es geht um Albert. Um meinen Enkel Albert Frederick. Ich wollte nur kurz mit dir über ihn sprechen.«

Tolly war erstaunt. Früher hatte er das Gefühl gehabt, Albert Tomms könnte einmal Schwierigkeiten machen, aber jetzt nicht mehr.

»Albert macht Ihnen und March alle Ehre, Mrs. Rising. Ich weiß, dass Sie bis zu Marchs Hochzeit vor fünf Jahren mitverantwortlich waren für seine Erziehung, und im Lichte dessen, was ich soeben gesagt habe, kann ich nur wiederholen: Albert ist ein gutes Beispiel für die Art Familiendisziplin ...«

Florence winkte ab. Sie wusste, dass Tolly ein schlauer Junge war, ein ernsthafter Junge, ein Junge mit Idealen, aber in wenigen Sekunden würde sie einschlafen, und es gab noch einiges zu sagen.

»Tolly, ich will ganz offen zu dir reden. Ich verlasse mich ganz auf deine Diskretion – ich weiß, dass ich das kann, und deshalb habe ich dich ausgesucht. Alberts Charakter macht mir Sorgen. Er ist dem ersten Albert so ähnlich, und March ist ihm so nahe wie ihrem Bruder. Du warst noch jung, als Albert getötet wurde, mein Lieber, deshalb wirst du dich nicht erinnern, aber er und March waren unzertrennlich. Ich fürchtete um ihren Verstand, als wir von seinem Tod erfuhren. Und jetzt ... ich glaube, manchmal sieht sie in ihrem Sohn eine Art Reinkarnation ihres Bruders. Vielleicht denkst du nun, ich wäre seltsamen Fantasien verfallen ...«

»Nein, das denke ich nicht, Mrs. Rising.«

»Nein, vielleicht tust du das nicht, Tolly. Du bist so ruhig. Du erkennst und verstehst eine Menge. Wahrscheinlich hast du längst erkannt, dass Fred Luker ein sehr ... skrupelloser ... Mann ist.«

Er nickte zögernd. »Ich denke, die meisten Leute, die ihn kennen, würden Ihnen zustimmen, dass er skrupellos sein kann.«

Sie nickte ebenfalls. »Und er war immer verliebt in March. Schon als Kind, als er ihr das Autofahren beibrachte, war er in sie verliebt.«

Tolly versuchte, sich zu erinnern und nickte wieder. »Ja, das wird mir jetzt klar. Dann war es ja wie eine Art Segen, dass sie schließlich doch noch geheiratet haben, nicht?«

»Aber verstehst du, Tolly, er hat so lange warten müssen. Als er aus dem Krieg zurückkam, war es ein schrecklicher Schock für ihn, festzustellen, dass March mit Edwin Tomms verheiratet war. Er fuhr zu einem Besuch nach Bath und brachte sie mit nach Hause. Manchmal glaube ich, mit Gewalt. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber er hat sie mit nach Hause gebracht. Sie ist nur noch einmal nach Bath zurückgekehrt, um Edwin in den letzten Tagen seiner Krankheit zu pflegen. Doch selbst dann, nach Edwins Tod, weigerte sie sich, Fred zu heiraten.«

»Es gab einen Skandal, wenn ich mich recht erinnere.«

Florence wurde blass. »Es gab so viele Skandale ... doch trotz allem war Fred fest entschlossen, March eines Tages zu heiraten. Und das hat er getan.«

»Und sie sind sehr glücklich«, sagte Tolly mit fester Stimme.

»Ich nehme es an. Ich hoffe es. Aber diese ganzen Missstimmungen ... das verschwindet nicht einfach, nicht für Menschen wie Fred. Fred ist niemand, der leicht verzeiht.«

»Aber er liebt March, Mrs. Rising.«

»Er liebt Albert nicht. Albert erinnert ihn ständig an die Jahre, in denen er auf March gewartet hat.«

Tolly überlegte kurz. »Möglich. Haben Sie Grund zu der Annahme, dass er den Jungen schlecht behandelt?«